Oberlandesgericht Bamberg:
Beschluss vom 27. April 2010
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 531/10

(OLG Bamberg: Beschluss v. 27.04.2010, Az.: 2 Ss OWi 531/10)

Tenor

I. Dem Betroffenen wird auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.

II. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Deggendorf vom 20. Januar 2010 wird als unbegründet verworfen.

III. Der Betroffene hat die Kosten der Wiedereinsetzung und seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen am 20.01.2010 wegen vorsätzlichen Abrufs geschützter personenbezogener nicht offenkundiger Daten in zwei Fällen, davon in einem Fall in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen zu zwei Geldbußen in Höhe von jeweils 300 Euro. Gleichzeitig wurde dem Betroffenen nachgelassen, die Geldbußen in 6 Raten zu je 100 Euro zu bezahlen.

Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts, wobei er sich insbesondere gegen die Feststellungen zu seiner Täterschaft wendet, da auch ein anderer Beamter die Daten unter seiner Kennung abgerufen haben könne, und weiter geltend macht, dass im übrigen auch kein Verstoß gegen das BayDSG auf Grund der Einverständniserklärung des betreffenden Dateninhabers bzw. auf Grund des fehlenden Abrufs von Daten vorliege.

Die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg hat mit Stellungnahme vom 06.04.2010 beantragt, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen, da die Rechtsbeschwerdebegründungsschrift nicht vom Verteidiger unterschrieben war.

Mit Gegenerklärung vom 19.04.2010 auf die am 12.04.2010 zugestellte Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft beantragt der Betroffene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da das unterzeichnete Original der Rechtsbeschwerdebegründung versehentlich in die Handakte des Verteidigers und nicht zum Amtsgericht hinausgegeben wurde.

II.

1. Dem Betroffenen war auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren, weil glaubhaft gemacht ist, dass den Betroffenen an der Versäumung der Frist kein Verschulden trifft (§§ 44, 45 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG); ein etwaiges Verschulden seines Verteidigers ist dem Betroffenen nicht zuzurechnen.

2. Die nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG) ist in der Sache unbegründet.

Die Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.

a) Die Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält einer rechtlichen Überprüfung Stand. Nach den auf Grund der ausschließlich erhobenen Sachrüge für den Senat bindenden Feststellungen des Amtsgerichts hat der Betroffene in zwei Fällen den Tatbestand des Art. 37 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. BayDSG sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht erfüllt, da er geschützte personenbezogene Daten, die nicht offenkundig sind, unbefugt abgerufen hat.

aa) Auf den festgestellten Sachverhalt ist zunächst das BayDSG und nicht das BDSG anwendbar. Das BDSG gilt nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BDSG für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen der Länder nur, soweit der Datenschutz nicht durch Landesgesetz geregelt ist und soweit sie entweder Bundesrecht ausführen oder als Organe der Rechtspflege tätig werden und es sich nicht um Verwaltungsangelegenheiten handelt. Durch diese Vorrangklausel für das Landesrecht soll ein Nebeneinander von Bundes- und Landesdatenschutz verhindert werden. Da das BayDSG nach Art. 2 Abs. 1 für die €€ Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch Behörden, Gerichte und sonstige öffentliche Stellen des Freistaats Bayern €€ gilt, wurde mit dem BayDSG eine eigene landesrechtliche Vollregelung des Datenschutzes geschaffen, so dass das BDSG im gesamten öffentlichen Bereich in Bayern unanwendbar ist (BayObLGSt 1998, 130/131 m.w.N.).

bb) Bei den im polizeilichen Abfragesystem €IGVP€ gespeicherten Daten mit Informationen über laufende Ermittlungen handelt es sich um personenbezogene Daten i.S.d. Art. 4 Abs. 1 BayDSG, da sie Einzelangaben über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer natürlicher Personen enthalten.

11cc) Diese im Recherchesystem der Polizei gespeicherten Daten waren auch nicht offenkundig. Auch wenn im Gesetz nicht ausdrücklich definiert ist, wann von einer Offenkundigkeit der Daten auszugehen ist und dies im Einzelnen kontrovers diskutiert wird ( Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch Bayerisches Datenschutzgesetz <Stand: Juni 2009> Art. 37 Rn. 32 ff.), kann dies hier offen bleiben, denn jedenfalls handelt es sich bei den Daten der genannten Vorgangskartei um die Speicherung von Vorgängen, die eine polizeiliche Tätigkeit veranlasst haben und die daher - etwa im Gegensatz zu den von den zuständigen Behörden gespeicherten Kfz- und Halterdaten, die bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen an Jedermann übermittelt werden können (BayObLG NJW 1999, 1727/1728; OLG Hamburg DAR 1998, 149) € nur für den polizeiinternen Gebrauch bestimmt sind. Die betreffenden Daten bestehen somit aus weit über die Personalien der beteiligten Personen hinausgehenden Feststellungen, die auch der Kontrolle und Rechtfertigung polizeilichen Einschreitens, der Beweissicherung und als Hintergrundwissen für zukünftige polizeiliche Maßnahmen dienen. Es liegt auf der Hand, dass diese Daten in der Regel nur der Polizei selbst, allenfalls noch Behörden, keinesfalls aber einer unbestimmten Anzahl von anderen Personen zugänglich sein sollen und deshalb nicht offenkundig sind (BayObLGSt 1998, 130/131; 1999, 85/87).

dd) Solche nicht offenkundigen personenbezogenen Daten hat der Betroffene nach den Feststellungen des Amtsgerichts auch unbefugt abgerufen.

13Das Abrufen von personenbezogenen nicht offenkundigen Daten ist nämlich nur zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der abrufenden Stelle oder Person erforderlich ist. Dies ergibt sich klar aus Sinn und Zweck der Datenschutzgesetze (siehe u.a. § 4, §§ 13 ff., §§ 28 und 39 BDSG; Art. 8 Abs. 3 Satz 1, 15 bis 19, 22 BayDSG). Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils bestand für den Betroffenen jedoch in beiden Fällen keinerlei dienstliche Veranlassung zum Abruf der verfahrensgegenständlichen geschützten Daten, so dass das Vorgehen des Betroffenen unzulässig i.S.d. Art. 8 Abs. 3 Satz 1 BayDSG war. Entgegen der Ansicht des Betroffenen ist der Tatbestand des Abrufs auch keineswegs nur versucht. Vielmehr ist mit der Ausführung der Abfrage der Tatbestand vollendet, unabhängig davon € wie aus der weiteren Tathandlung des Art. 37 Abs. 1 Nr. 3 2. Alt. BayDSG deutlich wird € ob der Abruf auch zu einer Verschaffung von Daten geführt hat oder nicht.

Der Tatbestandsverwirklichung steht auch nicht eine Einwilligung der Person entgegen, deren Daten im polizeilichen Informationssystem gespeichert und vom Betroffenen abgerufen worden sind. Die polizeiliche Vorgangsdatei IGVP enthält Vorgänge, die eine polizeiliche Tätigkeit veranlasst haben und daher Informationen über laufende Ermittlungen sowie über die Personalien der beteiligten Personen hinausgehende weitere Feststellungen, wie etwa zur Kontrolle und Rechtfertigung polizeilichen Einschreitens, zur Beweissicherung und als Hintergrundwissen für zukünftige polizeiliche Maßnahmen. Die dort gespeicherten Daten betreffen damit rein polizeiinterne Informationen, die der betroffenen Person selbst nicht bekannt sind. Die dortige Datenspeicherung erfolgt daher auch nicht mit Einwilligung des Betroffenen (Art. 15 Abs. 1 BayDSG), sondern auf Grund bereichsspezifischer Regelung in Art. 37 ff. BayPAG. Die gespeicherten Daten dienen damit ausschließlich dienstlichen Interessen und nicht privaten Interessen der gespeicherten Person. So kann auch von einem Betroffenen ein Auskunftsanspruch über die zu seiner Person gespeicherten Daten über Art. 48 BayPAG und Art. 10 BayDSG nur unter den dortigen engen gesetzlichen Voraussetzungen selbst geltend machen werden, wenn u.a. etwa eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung der Polizei nicht zu besorgen ist. Insoweit wird deutlich, dass der Datensatzinhaber - wie vom Amtsgericht zutreffend ausgeführt - auch gar keine Befugnis haben kann, in einen Abruf der über ihn gespeicherten Daten einzuwilligen.

ee) Der Betroffene handelte auch vorsätzlich, nachdem ihm trotz mehrfacher Belehrung über die einschlägigen Datenschutzrichtlinien und das Datengeheimnis gemäß Art. 14 BayDSG bewusst war, dass ihm ein Abruf von personenbezogenen und nicht offenkundigen Daten ohne dienstlichen Anlass nicht erlaubt war.

b) Auch der Rechtsfolgenausspruch weist keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf.

Nach Art. 37 Abs. 1 BayDSG kann für jede Tat eine Geldbuße bis zu 30.000 Euro verhängt werden. Bei der Festsetzung der Geldbußen innerhalb dieses Rahmens hat der Tatrichter sowohl die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und als auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen i.S.d. § 17 Abs. 3 OWiG angemessen berücksichtigt. Bei der Zugrundelegung dieser Gesichtspunkte erweist sich die Verhängung von zwei Einzelgeldbußen von je 300 Euro als frei von Rechtsfehlern.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 7 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.






OLG Bamberg:
Beschluss v. 27.04.2010
Az: 2 Ss OWi 531/10


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