Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. März 2003
Aktenzeichen: 11 W (pat) 41/02

(BPatG: Beschluss v. 20.03.2003, Az.: 11 W (pat) 41/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Juni 2002 aufgehoben und das angegriffene Patent 198 04 997 in vollem Umfang widerrufen.

Gründe

I.

Die Erteilung des am 7. Februar 1998 unter Inanspruchnahme einer inneren Priorität (DE 197 41 994.1) vom 24. September 1997 angemeldeten Patents mit der Bezeichnung "Verfahren zum Beschriften von Schildern, insbesondere Kraftfahrzeug-Kennzeichenschildern" ist am 11. Februar 1999 veröffentlicht worden. Nach Prüfung des Einspruchs der W... OHG hat die Patent- abteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamtes mit Beschluss vom 10. Juni 2002 das Patent aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.

Sie führt an, die patentgemäße Lehre sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Sollten nämlich gemäß den Ausführungen der Patentinhaberin einfache Versuche genügen, um die Ausführbarkeit zu ermitteln, dann würde die Lehre gegenüber dem Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.

Sie stellt den Antrag, den Beschluss der Patentabteilung 34 vom 10. Juni 2002 aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin widerspricht in allen Punkten.

Sie stellt den Antrag, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.

Patentanspruch 1 lautet:

"1. Verfahren zum Beschriften von Schildern, insbesondere Kraftfahrzeug-Kennzeichenschildern, die mit einer reflektierenden Kunststoffolie beschichtet sind, mit alphanumerischen und anderen Zeichen, wobei die auf die Schildplatine aufzuklebende Kunststoffolie aus einer Trägerfolie, einer ersten transparenten Kleberschicht, einer metallbedampften Reflektorfolie, einer Schicht aus mikroskopisch kleinen Perlen aus Glas, die in einer transparenten Abstandsschicht aus Kunststoff eingebettet sind, und aus einer transparenten Schutzfolie besteht und vor dem Aufkleben der reflektierenden Kunststoffolie auf die Schildplatinen die Trägerfolie von der reflektierenden Folie abgezogen wird, dadurch gekennzeichnet, dass zum Beschriften der Schilder die Metallschicht der Reflektorfolie mittels eines oder mehrerer Laserstrahlen entsprechend den Zeichenkonturen zur Ausbildung transparenter Zeichen in der Reflektorfolie aus gebrannt (lies: ausgebrannt) wird und die Metalldämpfe an den Glasperlen und der diese einbettenden Kunststoffschicht niedergeschlagen werden."

Bezüglich der Unteransprüche und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet und führt zum Widerruf des Patents.

Für ein Verfahren zum Beschriften von Schildern, bei dem nach Anspruch 1 ein Laser zum Einsatz kommt, ist als Fachmann ein Maschinenbauingenieur (Fachhochschule) mit im Studium erworbenen Kenntnissen in der Lasertechnologie zuständig, der in der Schilderherstellung tätig ist und dort Berufserfahrung gesammelt hat.

1. In Ihrem Schriftsatz vom 04. Mai 1999, der am 07. Mai 1999 und somit innerhalb der Einspruchsfrist eingegangen ist, hat die Einsprechende die Tatsachen, die nach ihrer Auffassung den Einspruch rechtfertigen im Einzelnen angegeben. Der Einspruch ist somit gemäß § 59 Abs 2 PatG ausreichend substantiiert und zulässig, was unstrittig ist.

2. Die geltenden Ansprüche sind zulässig. Der erteilte Anspruch 1 beruht auf dem ursprünglichen Anspruch 1 nach Streichung der unbestimmten Angabe "oder dgl. Material", die Ansprüche 2 bis 5 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen.

3. Die patengemäße Lehre ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Eine Beschriftung "entsprechend den Zeichenkonturen zur Ausbildung transparenter Zeichen", wie im Anspruch 1 angegeben, bedeutet für den Fachmann das Erzeugen von durch Zeichenkonturen begrenzten Bereichen mit einem gegenüber den umliegenden Flächen vermehrten Durchscheinvermögen (vgl. Sp. 1, Z. 57 der Patentschrift "durchscheint"), denn "transparent" bedeutet hier nicht durchsichtig, sondern durchscheinend. Der Fachmann weiß, dass der durch den dabei einzusetzenden Laser bestimmte Energieeintrag so einzustellen ist, dass die Metallschicht der Reflektorfolie lokal verdampft, die Kunststofffolie jedoch nicht zerstört wird. Schon in der US-Patentschrift 4 634 220 erhält er diesbezüglich alle Anweisungen (u.a. Example 1). Das Niederschlagen der Metalldämpfe in der Nachbarschicht und den Glasperlen ist die unbedingte Folge des Ausbrennens. Die einzelnen Schichten der Folie liegen aufeinander auf und bilden zur Atmosphäre hin einen dichten Verbund. Ein Entweichen der Dämpfe ist deshalb im Wesentlichen weder möglich noch gewünscht, da dies zur Blasenbildung führen würde. Daraus ergibt sich für den Fachmann auch, dass "Ausbrennen" im patentgemäßen Sinn kein völliges Verbrennen, sondern wie bei der US-Patentschrift ein Schmelzen, einen örtlichen Rückzug und ein Verdampfen bedeutet. Die Getrenntschreibung "aus gebrannt" statt "ausgebrannt" im Anspruch 1 ist offensichtlicher Druckfehler (vgl. Erteilungsunterlagen).

4. Das gewerblich anwendbare Verfahren zum Beschriften von Schildern nach Anspruch 1 mag neu sein. Dies kann aber dahinstehen, da es nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

Bei der herkömmlichen Herstellung von Kraftfahrzeug-Kennzeichenschildern mit einer reflektierenden Folie wird gemäß der Beschreibung des Patents die Legende mit einer Prägepresse in die Schildplatine eingeprägt, anschließend werden die geprägten Zeichen eingefärbt. Das Prägen und Einfärben ist zeitaufwendig und erfordert entsprechende Vorrichtungen, die teuer sind.

Vor diesem Hintergrund besteht das technische Problem (die Aufgabe) darin, ein preisgünstiges Beschriftungsverfahren für Schilder mit einer reflektierenden Folie zu entwickeln, das es ermöglicht, Zeichen in die reflektierende Folie einzubringen.

Dieses technische Problem wird mit einem Verfahren zum Beschriften von Schildern nach dem Patentanspruch 1 gelöst.

Das aus der US-Patentschrift 4 634 220 bekannte Verfahren ermöglicht schon, Zeichen in eine Kunststofffolie einzubringen. Die Folie besteht dort aus einer ersten transparenten Kleberschicht (adhesive layer 16, Sp. 3, Z. 54), einer spiegelnd reflektierenden (specularly reflective, Sp. 3, Z. 51f), aufgedampften Metallschicht (vapordeposited aluminium layer), die der Reflektorfolie des patentgemäßen Verfahrens gleichzusetzen ist, einer Schicht aus mikroskopisch kleinen Glasperlen (microspheres, Sp. 3, Z. 48f), die in einer transparenten Abstandsschicht aus Kunststoff (polymeric sheet 11, Sp. 3, Z. 58f) eingebettet (embedded) sind, einer transparenten Schutzfolie (top layer 19, Sp. 3, Z. 62f); und einer Trägerfolie (release liner, Sp. 6, Z. 61), die vor dem Aufkleben der reflektierenden Kunststofffolie auf eine Unterlage abgezogen wird. Die bei dem bekannten Verfahren zur Anwendung kommende Folie entspricht somit vollständig der beim streitpatentgemäßen Verfahren für das Aufkleben auf eine Schildplatine vorgesehenen Kunststofffolie.

Ziel dieses bekannten Verfahrens ist es, Bilder bzw. Zeichen zu schaffen, die unter einem bestimmten Betrachtungswinkel erkannt werden können. Dazu werden die zu erzeugenden Zeichen, beispielsweise Buchstaben, als Punktraster dargestellt. Die bildgebenden Punkte werden mittels eines (oder mehrerer) unter einem bestimmten Winkel durch die Mikroperlen gerichteten Laserstrahles erzeugt, indem die Metallschicht 15 punktuell zum Schmelzen, zum Rückzug oder zum Verdampfen (Sp. 2, Z. 62) gebracht, also wie im Patent ausgebrannt wird. Folge dieser thermischen Behandlung der Metallschicht ist - wie beim patentgemäßen Verfahren - ein Niederschlagen der Metalldämpfe an den Glasperlen und an der diese einbettenden transparenten Abstandsschicht aus Kunststoff, denn der Folienverbund ist auch hier dicht und ein Entweichen der Dämpfe nicht möglich. Es entstehen transparente, dort jedoch nur punktuelle Bereiche. Beim Betrachten der Folie unter dem (Brenn-)Winkel erscheint dann das Bild, entsprechend den durch die Punkte gebildeten Zeichenkonturen beispielsweise als Zeichenfolge "3M" (Sp. 8, Z. 64). Jedes weitere unter einem anderen Winkel eingebranntes gleiches oder anderes Bild erscheint beim Betrachten der Folie unter dem jeweiligen anderen (Brenn-)Winkel (vgl. Fig. 5).

Die so bearbeitete Folie steht als Aufkleber z.B. zum Bestätigen der Echtheit von Nummernschildern oder als Sicherheitsfolie für Führerscheine, amtliche Dokumente oder dergleichen (Sp. 1, Z. 25 - 27) zur Verfügung.

Nach den Ausführungen der Patentinhaberin unterscheidet sich das patentgemäße Verfahren von der bekannten Lehre dadurch, dass die Zeichen innerhalb ihrer Konturen nicht als Punktraster, sondern vollflächig ausgebildet und damit aus allen Richtungen sichtbar sind.

Für den Fachmann ergibt sich jedoch die Eignung des aus der US-Patentschrift bekannten Verfahrens bei Bedarf oder Wunsch auch zur Erzeugung von aus allen Betrachtungswinkeln erkennbaren Zeichen, wie sie insbesondere für Kfz-Schilder zweckmäßig sind, in naheliegender Weise. Er braucht nämlich bloß ein und dasselbe Zeichen z.B. unter allen notwendigen Winkeln oder durch Parallelverschiebung, in jedem Falle aber flächig einzubrennen, also für ein Verdampfen der Metallschicht in genügend großen zusammenhängenden Bereichen zu sorgen. Die Anweisung dafür enthält er aus der US-Patentschrift selbst; denn dort ist erläutert, dass größere ausgebrannte Bereiche in der metallischen Reflektorschicht zu größeren Betrachtungswinkeln führen (Sp. 4, Z. 35f) und, dass langgestreckte Zeichen dadurch erzeugt werden, dass der Laserstrahl über einen Einfallswinkelbereich geschwenkt wird (Sp. 4, Z. 40). Wendet er diese Ratschläge an, erhält er statt punktuell transparenter Bereiche flächige Abschnitte mit diesen Eigenschaften und damit transparente Zeichen im Sinne des Patents, die aus den gewollten Betrachtungswinkeln erkennbar sind. Damit wird der Fachmann unmittelbar auf den Weg dazu geführt, das bekannte Verfahren in einfach modifizierter Weise auch zum Beschriften von Schildern mit flächigen Zeichen heranzuziehen. Einer erfinderischen Tätigkeit bedarf es für ihn unter diesen Gegebenheiten nicht, um zum Verfahren nach Anspruch 1 des Patents zu gelangen.

Auch unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin vorgetragenen Darlegungen, dass unter Schildern im Sinne des Anspruchs 1 eigentlich nur Kfz-Kennzeichen zu verstehen sind, ist der Sachverhalt keiner anderen Beurteilung zugänglich, denn auch für solche gelten keine anderen Kriterien als für Schilder in allgemeinerer Bedeutung.

Der Patentanspruch 1 ist somit nicht rechtsbeständig. Die darauf zurückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 enthalten weitere Ausgestaltungen des patentgemäßen Verfahrens ohne erfinderischen Gehalt und teilen das Schicksal des übergeordneten Anspruchs 1.

Dellinger Dr. Henkelv. Zglinitzki Schmitz Fa






BPatG:
Beschluss v. 20.03.2003
Az: 11 W (pat) 41/02


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