Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Dezember 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 19/99

(BPatG: Beschluss v. 07.12.2000, Az.: 17 W (pat) 19/99)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 08 G des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Februar 1999 aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

1. Die am 23. Juli 1997 beim Deutschen Patentamt eingereichte Patentanmeldung 197 31 754.5 - 32 mit der Bezeichnung

"Kombination Scheinwerfer Abstandssensor für Fahrzeuge"

wurde nach ergebnislosem Fristablauf durch die Prüfungsstelle für Klasse G08G mit Formalbeschluß vom 9. Februar 1999 zurückgewiesen. Zur Begründung wird darin auf den vorausgegangenen Amtsbescheid verwiesen, in dem dargelegt ist, der Patentanspruch 1 wie auch der nebengeordnete Anspruch 2 seien mangels Neuheit ihrer jeweiligen Gegenstände nicht gewährbar. Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sein Patentbegehren auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Patentansprüche weiterverfolgt.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Kombination Infrarot-Laser-Abstandssensor mit Scheinwerfer mit folgenden Merkmalen:

a) Für Sensor und Scheinwerfer werden teilweise die gleichen optischen Komponenten für die Abbildung benutzt.

b) Die Anpassung der Laserleistung des Abstandssensors erfolgt durch Überwachung der Intensität des sichtbaren Scheinwerferlichts.

c) Bei Ausfall oder Reduzierung der Scheinwerferintensität wird die Laserleistung entsprechend reduziert."

Wegen der abhängigen Ansprüche 2 und 3 wird auf die Akte verwiesen.

2. Der angefochtene Beschluß stützt sich auf die Druckschriften:

[1] DE 196 07 653 A1, ältere Anmeldung, nachveröffentlicht

[2] JP 6 - 325 296 A, mit abstract Im Beschwerdeverfahren wurden außerdem in Betracht gezogen:

[3] US 4 967 319

[4] US 5 446 470

[5] US 3 683 379

[6] US 3 749 197 3. Der Anmelder macht geltend, die beanspruchte Steuerung der Laserleistung in Abhängigkeit von der Intensität des sichtbaren Scheinwerferlichts, bei deren Ausfall oder Reduzierung die Laserleistung ebenfalls entsprechend reduziert werde, sei durch den nachgewiesenen Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt. Die Verwendung eines im Infraroten (IR) emittierenden und somit nicht unmittelbar sichtbaren, gleichwohl aber ggfs. augenschädlichen Lasers sei ansonsten im Hinblick auf bestehende Laserschutzverordnungen zur Abstandsmessung in Kraftfahrzeugen nur bedingt möglich.

Der Anmelder stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung, noch anzupassende 3 Seiten Beschreibung und 4 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 6, eingegangen am 31. Oktober 1997.

II.

Die zulässige Beschwerde führt nur insoweit zum Erfolg, als sie im Umfang des gestellten Antrags zur Zurückverweisung der Anmeldung und weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt führt (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PatG).

1. Die vorliegende Anmeldung betrifft einen Abstandsmesser, der mit einem IR-Laser ausgerüstet und mit den Scheinwerfern eines Kraftfahrzeugs derart kombiniert ist, daß dessen optische Komponenten teilweise auch für die Abstandsmessung mitbenutzt werden. Mit dem beanspruchten Gegenstand soll vermieden werden, daß der IR-Laser des Abstandsmeßsystems bei Ausfall oder Reduzierung der Scheinwerferintensität unbemerkt IR-Licht mit voller Leistung aussendet. Bei Ausfall des Scheinwerfers bzw. bei Reduzierung seiner Intensität soll deshalb die Laserleistung entsprechend gedrosselt werden.

2. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist offenbart durch Figur 5 und die zugehörige Beschreibung, letzte Seite, Absatz 2 der ursprünglichen Unterlagen. Die geltenden Ansprüche 2 und 3 sind gedeckt durch die ursprünglichen Ansprüche 7 und 8. Diesbezüglich bestehen keine Bedenken.

3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist im Hinblick auf den in Betracht gezogenen Stand der Technik neu, denn keine der Druckschriften beschreibt eine Abstandsmesser-Scheinwerferkombination mit allen in diesem Anspruch angegebenen Merkmalen. Dies gilt auch für die ältere, nachveröffentlichte Anmeldung [1], die als Stand der Technik gemäß § 3 Abs. 2 PatG bei der Neuheitsprüfung zu berücksichtigen ist. Sie beschreibt anhand der Figur 1 ein Abstandsradarsystem für Kraftfahrzeuge, bei dem Abstandsmesser und Scheinwerfer miteinander kombiniert sind. Der Sender 15 ist dabei außerhalb des Scheinwerfers angeordnet. Seine Strahlung wird über den "Subreflektor" 12 eingespiegelt. Beide Systeme, Scheinwerfer und Abstandsradar sind über den gemeinsamen Reflektor 11 zusammen justierbar (Spalte 7 Zeilen 60, 61). Im Gegensatz zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 erfolgt die Abstandsmessung jedoch ausschließlich mittels Mikrowellen und nicht mit Infrarotlicht eines Lasers. Ebensowenig ist eine Anpassung der Strahlungsleistung des Abstandssensors an die Scheinwerferintensität vorgesehen.

Die beanspruchte Kombination erfüllt auch das Kriterium der erfinderischen Tätigkeit zumindest insoweit, als sie sich für den Fachmann, einen Fachhochschulabsolventen mit Berufserfahrung auf dem Gebiet der Kraftfahrzeug-Elektronik und -Optoelektronik, nicht in naheliegender Weise aus dem derzeit im Verfahren befindlichen vorbekannten Stand der Technik ergibt.

Ein optischer Abstandsmessser in Kombination mit einem Kfz-Scheinwerfer ist aus der Druckschrift [2] bekannt. Ausweislich der Figuren und des abstracts ist dort der Empfänger 102 des Entfernungsmessers in den Scheinwerfer integeriert und im Fokus des achsparallelen Lichtbündels 107 der Frontlinse 103 angeordnet. Auf diese Weise soll deren große Öffnung auch für die Abstandsmessung nutzbar gemacht werden. Das Abblendlicht 101 ist dabei gegen den Fokus der Linse nach oben versetzt angeordnet oder wird ggfs. über eine geeignete Zwischenabbildung abgeschirmt (Figur 2). In einer weiteren Ausführung (Figur 6) werden die Strahlengänge für Scheinwerfer und Abstandssensor über einen Teilerspiegel getrennt. Hiervon ausgehend wird der Fachmann, dem die Austauschbarkeit der beiden zugeordneten Strahlenbündel aufgrund seiner Kenntnisse in Optik geläufig ist, zwar in Erwägung ziehen, Lichtquelle und Sensor zu vertauschen, und letzteren von außen einspiegeln, um ihn vor den Temperaturen im Inneren des Scheinwerfers zu schützen. Weitergehende Anregungen in Richtung auf eine Anpassung der Strahlungsleistung des Abstandssensors erhält er hieraus jedoch nicht.

Die weiteren, erst im Beschwerdeverfahren angezogenen Druckschriften [3] bis [6] enthalten ebenfalls keinen Hinweis auf eine Reduzierung der Laserleistung nach Maßgabe der Scheinwerferintensität: In der Druckschrift [3] wird anhand der Figuren 2 und 3 ein Scheinwerfer beschrieben, dessen Abblendlicht unterschiedlichen Verkehrssituationen angepaßt werden kann, je nachdem, in welcher Entfernung sich ein anderes Fahrzeug befindet, das auf gleicher Spur vorausfährt oder ggfs. auf der Gegenfahrbahn entgegenkommt (abstract). Zu diesem Zweck ist in Baueinheit mit dem Scheinwerfer ein Sensor 14 - 17 (Figur 2) vorgesehen, mit dem die Entfernung zu einem vorausfahrenden Fahrzeug aus dem Abbild seiner Rücklichter in Stufen (Figuren 3 und 6) bestimmt wird. Ein weiteres Ausführungsbeispiel (Figur 10) ist mit verstellbaren Blenden und je einem Sensor für vorausfahrende Fahrzeuge und für den Gegenverkehr ausgestattet. Zum Abblenden wird die gesamte Baueinheit nach Maßgabe des ermittelten Abstands verschwenkt (Spalte 3 Zeile 57 bis Spalte 4 Zeile 43). Die Druckschriften [4] und [5] betreffen Abstandsradar-Systeme, die nicht mit einem IR-Laser, sondern mit Mikrowellen- bzw. Radiofrequenzen arbeiten und schon deshalb keinen Hinweis auf die Leistungsanpassung eines Lasers geben können. Die Druckschrift [6] betrifft eine Einrichtung zum Erkennen von Hindernissen vor einem Fahrzeug. Hierbei wird der Raum vor dem Fahrzeug mit mehreren Strahlen (Ultraschallfelder, Radar- und/-oder Laserstrahlen) abgetastet (abstract und Sp. 1 Z 13 bis 21). Vorgesehen ist dabei die Einstellung der Reichweite der Strahlung je nach Fahrzeuggeschwindigkeit unter Berücksichtigung des Lebensalters oder sonstiger Eigenheiten des Fahrzeuglenkers (Spalte 1 Zeilen 33, 34 iVm Spalte 2 Zeile 67 bis Spalte 3 Zeile 5). Außerdem ist ein zusätzlicher Meßstrahl (C, Figur 4) vorgesehen, der unmittelbar vor dem Fahrzeug auf die Fahrbahn gerichtet ist und ein Signal liefert, mit dem der Höhenwinkel des Hindernis-Erfassungssystems variabel einstellbar ist. Im Hinblick auf eine Verbindung mit den Scheinwerfern eines Kraftfahrzeugs i.S. der vorliegend beanspruchten "Kombination" und auf eine Steuerung und Anpassung der Laserleistung teilt Druckschrift [6] ebenfalls nichts mit.

4. Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 erfüllt somit Ñ zumindest im Hinblick auf den vorgenannten Stand der Technik Ñ die Kriterien der Patentfähigkeit, wobei dahinstehen kann, in wie weit die vom Anmelder unter dem Stichwort "Lidschlußreflex" und "Laserschutzverordnungen" zu physiologischen Wirkungen vorgetragenen Argumente in der Praxis tatsächlich zutreffen, denn der beanspruchte Gegenstand ist nicht explizit auf die Ausnützung eines etwaigen Lidschlußreflexes gerichtet und als solcher ersichtlich ohne weiteres ausführbar, ohne daß es dabei auf einen solchen Effekt ankommt oder zwangsläufig damit eine Augengefährdung verbunden sein muß. Vom Anspruch 1 werden auch die abhängigen Ansprüche 2 und 3 mitgetragen.

Das im Beschwerdeverfahren neu formulierte Patentbegehren hat der Prüfungsstelle noch nicht vorgelegen. Der Senat hat es deshalb für sachgerecht erachtet, die Sache zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

Grimm Dr. Greis Püschel Schuster Pr






BPatG:
Beschluss v. 07.12.2000
Az: 17 W (pat) 19/99


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