Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 4. Januar 2006
Aktenzeichen: 12 O 545/04

(LG Düsseldorf: Urteil v. 04.01.2006, Az.: 12 O 545/04)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwi-derhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, er-satzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,

wörtlich oder sinngemäß zu behaupten und/oder zu verbreiten:

„Dabei schließt sogar x selbst nicht aus, wie er der x sagte, dass er „von der Firma nix mehr kriege“.“

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 839,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2005 so-wie 449,96 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2005 zu zahlen.

3.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

4.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Gründer, ehemaliger Großaktionär und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Beklagten. Mit Schreiben vom 02.04.2004 wurde er auf der Grundlage eines Aufsichtsratsbeschlusses vom gleichen Tage als Vorstand abberufen und sein Anstellungsverhältnis fristlos gekündigt. Vorsitzender des neuen Aufsichtsrates der Beklagten und Vorstandsvorsitzender der x ist Herr x.

Die "x" veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom 02.07.2004 ein Interview mit dem Kläger, welches unter anderem wie folgt wiedergegeben wurde:

"Jetzt erhole ich mich erst einmal in Hydra und Amerika und auf meinem Segelschiff x ."

Sie müssen nie mehr arbeiten€

"Selbst wenn ich von der Firma nix mehr kriege, müsste ich nie mehr einen Stift in die Hand nehmen. 2004 mache ich gar nix mehr, nächstes Jahr überlege ich mir was. Habe das Angebot für eine Fachhochschul-Professur im PR-Bereich. Will mich nicht mehr so anstrengen. Hab zu hart gearbeitet, mich verbraucht. Jetzt will ich auch mal in die Oper gehen. X hat sich z.B. darüber aufgeregt, dass ich zwei Fahrer beschäftige. Ich verbrachte so viele Stunden im Auto, dass einer nach acht Stunden fertig war."

Am 31.08.2004 fand eine Hauptversammlung der Beklagten statt, in deren Folge es zu einer Presseerklärung unter der Überschrift "x binnen drei Monaten in schwarzen Zahlen" kam. In dieser Presseerklärung führte die Beklagte unter anderem Folgendes aus:

"Der Klage x gegen seine fristlose Kündigung gibt der Aufsichtsrat nur geringe Chancen. Dabei schließt sogar x selbst nicht aus, wie er der "x sagte, dass er "von der Firma nix mehr kriege". Inzwischen firmiert auch unter seiner Büroanschrift eine neue "x .".

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe durch die irreführende Wiedergabe eines Zitats des Klägers dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt. Die Beklagte deute eine Äußerung des Klägers, habe jedoch in ihrer Veröffentlichung nicht deutlich gemacht, dass sie das verkürzt wiedergegebene Zitat in bestimmter Weise deute.

Der Kläger, der die Beklagte vorgerichtlich mit Schreiben vom 07.09.2004 erfolglos abmahnte und die Beklagte nach Erlass der entsprechenden einstweiligen Verfügung mit Schreiben vom 18.10.2004 vergeblich zur Abgabe einer Abschlusserklärung aufforderte und mit Schreiben vom 06.09.2004 die Beklagte vergeblich zum Abdruck einer Gegendarstellung aufforderte, begehrt von der Beklagten die Zahlung der nichtanrechenbaren hälftigen Kosten der außergerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche sowie die Unterlassung der beanstandeten Veröffentlichung und beantragt,

zu erkennen wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, das Zitat weder verstümmelt noch aus dem ursprünglichen Zusammenhang entfernt und in einen neuen Kontext gesetzt zu haben. Sie habe die Worte "von der Firma nix mehr kriege" zitiert und das Zitat durch die Worte "wie er der x sagte" sowie durch Anführungszeichen kenntlich gemacht. Das Zitat sei damit formal richtig.

Richtig sei, dass der Kläger nicht gesagt habe: "Ich schließe nicht aus, dass ich von der Firma nix mehr kriege.". Dies sei jedoch nicht der Inhalt der streitgegenständlichen Aussage. Die Beklagte habe die Worte "von der Firma nix mehr kriege" zitiert und die einleitenden Worte "selbst wenn" in zulässiger Weise als "nicht ausschließen" interpretiert. Der Kläger habe nämlich durch die "selbst wenn"-Formulierung nicht ausgeschlossen, dass er "nix mehr kriege".

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist sachlich gerechtfertigt.

1.)

Die Beklagte hat mit der Wiedergabe der beanstandeten Äußerung in ihrer Presseerklärung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers rechtswidrig verletzt; der Kläger ist damit berechtigt, von der Beklagten die Unterlassung dieser Äußerung zu verlangen (§§ 823 Abs. 1 BGB; 1004 Abs. 1 analog BGB).

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst unter anderem auch das Recht am eigenen Wort. Es schützt den Betroffenen auch dagegen, dass ihm eine Äußerung in den Mund gelegt wird, die er nicht getan hat und die seinen von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigt. Insofern kann sich der Betroffene bei einer unrichtigen, verfälschten oder entstellten Wiedergabe seiner Äußerung auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen (vgl. Bundesverfassungsgericht, AfP 1980, 151, 152; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Randziffer 4.32). Die Beklagte hat entgegen ihrer Auffassung die in Rede stehende Äußerung des Klägers unrichtig und verfälscht, jedenfalls aber entstellt wieder gegeben.

Wie der gesamte Inhalt des in der "x vom 02.07.2004 abgedruckten Interviews zeigt, hat der Kläger in diesem Interview zu der Frage seiner Klage gegen seine fristlose Kündigung und deren Chancen - wie dies die Presseerklärung der Beklagten suggeriert: "Der Klage x gegen seine fristlose Kündigung gibt der Aufsichtsrat nur geringe Chancen. Dabei schließt sogar x selbst nicht aus, ..." nicht Stellung genommen. Das Zitat wird von der Beklagten indes in einen Zusammenhang gesetzt, den die Äußerung des Klägers in Wirklichkeit nicht hatte. Damit wird die eigene Äußerung des Klägers, die dieser in der x getätigt hat, verfälscht. Die Persönlichkeitsverletzung folgt daraus, dass die Beklagte dem Leser vorenthält, dass der Kläger die zitierte Äußerung in einem anderen Zusammenhang in die Öffentlichkeit getragen hat, die Beklagte dies dem Leser aber verschweigt, vielmehr dem Leser die Vorstellung vermittelt, der Kläger habe mit der zitierten Äußerung zu der Frage seiner Klage und deren Aussichten Stellung genommen.

Es kommt hinzu, dass die Beklagte - wie sie selbst vorträgt - die von dem Kläger im Interview der x gemachte Äußerung selbst deutet ("Die Beklagte hat die Worte "von der Firma nix mehr kriege" zitiert und das einleitende "selbst wenn" in zulässiger Weise als "nicht ausschließen" interpretiert."). Dass es sich um eine von der Beklagten vorgenommene Deutung der Äußerung des Klägers handelt, wird dem Leser nicht kenntlich gemacht. Tatsächlich hat der Kläger in dem Interview gesagt:

"Selbst wenn ich von der Firma nix mehr kriege, müsste ich nie mehr einen Stift in die Hand nehmen.".

Der Leser weiß nichts von dieser Äußerung des Klägers. Er kann nicht erkennen, dass es sich bei der Äußerung der Beklagten in ihrer Pressemitteilung um die Wiedergabe einer Wertung der Beklagten selbst handelt. Der Leser hat vielmehr allen Anlass, davon auszugehen, dass der Kläger erklärt habe, "er schließe es selbst nicht aus" ("wie er der "x sagte, dass er "von der Firma nix mehr kriege""). Die Beklagte gibt damit die Äußerung des Klägers mit einer Färbung wieder, die die Äußerung in Wirklichkeit nicht hatte, und die der Kläger auch nicht beabsichtigte. Dies verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Das Zitat ist als Beleg für eine kritische Wertung eine besonders scharfe Waffe des Meinungskampfes, die geeignet ist, nachhaltig in das Persönlichkeitsrecht des Kritisierten einzugreifen. Sollen Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausgeschlossen werden, so verpflichtet dies den Zitierenden dazu, die eigene Deutung einer Äußerung als solche kenntlich zu machen. Damit wird die Wiedergabe der Äußerung dorthin gerückt, wohin sie gehört: Aus dem Bereich des Tatsächlichen in den des Meinungsmäßigen. Der Leser kann erkennen, dass es sich um die Wiedergabe einer Meinung handelt, nicht um die Mitteilung einer Tatsache. Er wird genau unterrichtet und erhält eine zuverlässige Grundlage, auf der er sich selber sein eigenes Urteil bilden kann (vgl. Bundesverfassungsgericht, a.a.O., Seite 153). Gegen diese Grundsätze hat die Beklagte verstoßen, indem sie die Äußerung des Klägers auslegte, dies gegenüber ihren Lesern jedoch nicht kenntlich machte.

2.)

Das Zahlungsverlangen des Klägers ist in Höhe der nicht anzurechenden Kosten, die der Kläger für seine Abmahnung vom 07.09.2004, sein Abschlussschreiben vom 18.10.2004 und sein Abdruckverlangen vom 06.09.2004 richtig errechnet hat, begründet. Die in Ansatz gebrachten Gebühren von 1,3 sind nicht zu beanstanden. Ist ein Anwalt nur mit der Abmahnung bzw. mit der Fertigung des Abschlussschreibens beauftragt worden, steht ihm nach §§ 2 Abs. 2, 13 RVG in Verbindung mit Nummer 2400 VV eine Geschäftsgebühr mit einem Rahmen von 0,5 bis 2,5 zu; die Mittelgebühr von 1,5 wird allerdings für Tätigkeiten, die - wie hier - nicht derart umfangreich oder schwierig sind, auf 1,3 begrenzt (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht 23. Auflage, § 12 UWG Randziffer 1.93). Der Streitwert war für die Abmahnung vom 07.09.2004 zutreffend auf 15.000,00 €, für das Verlangen auf Abdruck der Gegendarstellung vom 06.09.2004 zutreffend auf 10.000,00 € und das Abschlussschreiben vom 18.10.2004 zutreffend auf 15.000,00 € zu schätzen. Die eigene Wertangabe des Klägers, die für die Bewertung des Interesses des Klägers an der mit der Abmahnung begehrten Unterlassung, an der Abschlusserklärung und an dem Abdruck der Gegendarstellung ein wichtiger Anhaltspunkt ist, hält sich innerhalb objektiv vertretbarer Grenzen. Sie entspricht auch dem wirklichen Wert. Da die für die Tätigkeit des Klägers anfallenden jeweiligen Kosten gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV zur Hälfte anzurechnen und daher nicht erstattungsfähig sind, ergeben sich die noch von der Beklagten zu erstattenden und von dem Kläger zutreffend auf den Seiten 7, 8 seiner Klageschrift und Seite 7 seines Schriftsatzes vom 29.07.2005 errechneten Beträge. Die jeweiligen Zinsansprüche haben ihre Grundlage in den §§ 291, 288 BGB.

Streitwert: 16.289,56 €.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 04.01.2006
Az: 12 O 545/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/1c35374a6b9b/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_4-Januar-2006_Az_12-O-545-04




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