Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. März 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 6/01

(BPatG: Beschluss v. 22.03.2001, Az.: 25 W (pat) 6/01)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Februar 1998 und vom 19. Mai 1999 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Bezeichnung PEACE VILLAGE ist am 13. Juni 1996 für die Waren und Dienstleistungen

"Medikamente; Zusammenstellung von Hilfsgütersendungen für Kriegs- und Notstandsgebiete; Transport von Hilfsgütern, sowie technischen und medizinischtechnischen Einrichtungen und Ausrüstungen in Kriegs- und Krisengebiete; Verpackung von Hilfsgütern, einschließlich Medikamenten und Versand in Kriegs-, Krisen- und Notstandsgebiete; Koordination von Transporten schwerverletzter Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten zur medizinischen Behandlung nach Deutschland und Rücktransport der Kinder auf dem Land- und Luftweg in die jeweiligen Heimatländer; Durchführung von friedenspädagogischen Schulungsmaßnahmen; Veröffentlichung und Herausgabe von Informationsmaterial; Veröffentlichung und Herausgabe von länderspezifischen Informationsbroschüren; außerschulische Weiterbildung; Erstellung und Herausgabe von Weiterbildungskonzepten, zugeschnitten auf den Schul- und Jugendbereich (Unterrichtseinheiten); medizinische und soziale Betreuung sowie Aufnahme von Kindern aus Kriegs- und Krisengebieten, deren medizinische Versorgung im Heimatland nicht sichergestellt ist, medizinische Behandlung in Europa, Rückführung in die Heimat nach abgeschlossener medizinischer Behandlung; Konzeption, Planung und Aufbau von Projekten der medizinischen Basisversorgung und zur Notlinderung in Kriegs- und Krisengebieten; medizinische und medizinischtechnische Ausstattung der Projekte in Kriegs- und Krisengebieten unter Einbeziehung der sozialen Umfelder; Weiterbetreuung der im Rahmen der Einzelfallhilfe in Europa aufgenommenen und zurückgeführten Kinder, sofern eine Weiterbetreuung durch medizinisch oder medizinischtechnische Anwendungen erforderlich ist im Heimatland"

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Markenanmeldung wegen fehlender Schutzfähigkeit zurückgewiesen.

Der Erstprüfer hat dazu ausgeführt, der angemeldeten Bezeichnung fehle jegliche Unterscheidungskraft und sie bestehe ausschließlich aus beschreibenden Angaben. Die beiden Markenwörter entstammten der englischen Sprache und würden in ihrer Gesamtbedeutung im Sinne von "Friedensdorf" verstanden. Die Marke sage aus, daß die Dienstleistungen dem Frieden bzw dem friedlichen Miteinander dienten und in einer dorfähnlichen Gemeinschaft erbracht oder von einem Dorf aus getätigt würden. Entsprechendes gelte für die Waren. Damit sei die Marke beschreibend. Darüber hinaus fehle der Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft, weil sie als Fachbegriff und nicht als Kenn- und Merkzeichen eines ganz bestimmten Unternehmens aufgefaßt werde.

Diese Entscheidung hat die Erinnerungsprüferin im Ergebnis bestätigt. Ob die angemeldete Wortkombination in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine beschreibende Angabe darstelle, was insbesondere bei der Ware "Medikamente" zweifelhaft sei, könne dahinstehen. Der Eintragung der angemeldeten Marke stehe jedenfalls das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegen. Die Bestandteile der angemeldeten Wortkombination würden vom Verkehr ohne weiteres in ihrer Bedeutung von "Frieden" und "Dorf" bzw in der Kombination im Sinne von "Friedensdorf'" verstanden. Die beanspruchten Dienstleistungen im Bereich humanitärer Hilfsaktionen zugunsten der Bevölkerung in Kriegs- und Krisengebieten und von in Not geratenen Menschen würden häufig von Einrichtungen in Form von Dörfern erbracht. Dementsprechend werde der Verkehr in der angemeldeten Bezeichnung im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen keinen betrieblichen Herkunftshinweis, sondern lediglich einen Hinweis auf die Art und den Charakter der Einrichtung sehen, welche die Waren vertreibe bzw die Dienstleistungen erbringe.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Marke einzutragen.

In der Sache hat der Anmelder im Beschwerdeverfahren nichts vorgetragen. Im Erinnerungsverfahren vor der Markenstelle hatte er ausgeführt, daß die Übersetzung der angemeldeten Bezeichnung zu dem Begriff "Friedensdorf" führe, der einen eher abstakten Inhalt aufweise. In bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen sei keinerlei beschreibender Anklang erkennbar. Vielmehr könne allenfalls eine komplexe Aufeinanderfolge vergleichsweise komplizierter Gedanken zu einem beschreibenden Verständnis führen. Derartig fernliegende beschreibende Anklänge würden eine Zurückweisung der Anmeldung nicht rechtfertigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze des Anmelders Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats stehen der Eintragung der angemeldeten Marke weder das von der Markenstelle zuletzt noch angenommene Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 noch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen.

Die Markenstelle hat zwar die Bedeutung der Wortbestandteile "PEACE" und "VIL-LAGE" der angemeldeten englischsprachigen Wortfolge und die für den angesprochenen Verkehr ohne weiteres erkennbare Bedeutung der Gesamtbezeichnung im Sinne von "Friedensdorf" zutreffend ermittelt. Gleichwohl kann ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Die angemeldete Bezeichnung besteht in ihrer erkennbaren Gesamtaussage nicht ausschließlich aus beschreibenden Angaben. Nach Auffassung des Senats eignet sie sich nicht zu einer ernsthaften Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

Weder der Senat noch die Markenstelle konnten Belege dafür finden, daß sich die Bezeichnung "PEACE VILLAGE" oder auch "Friedensdorf" zu einer für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen üblichen beschreibenden Angabe entwikkelt hätte. In gängigen Wörterbüchern der englischen Sprache ist die Bezeichnung "PEACE VILLAGE" nicht verzeichnet. Bei einer im März 2001 durchgeführten Internet-Recherche mit der Suchmaschine AltaVista konnten zwar 24 Web-Seiten gefunden werden, welche die angemeldete Wortfolge enthielten. Dabei handelt es sich aber - soweit ersichtlich - um Web-Seiten, die entweder vom Anmelder selbst eingerichtet waren oder auf den Anmelder bzw auf dessen Aktivitäten hinwiesen. Die Suche nach dem Wort "Friedensdorf" war zwar mit 769 Treffer wesentlich ergiebiger. Aber auch auf diesen Webseiten wird zum Teil auf den Anmelder hingewiesen, so daß es sich insoweit nicht um eine sachbeschreibende Verwendung des Begriffs "Friedensdorf" handelt. Im übrigen kann nicht festgestellt werden, daß der Begriff im Sinne von "Dörfern" in Kriegs- und Krisengebieten verwendet wird, in denen humanitäre Hilfsleistungen erbracht werden. Vielmehr ist der Begriff "Friedensdorf" von seinem üblichen Bedeutungsgehalt anders besetzt. In den "aktivsten Zeiten" der Friedens- und Antikernkraftbewegung zwischen 1970 und 1990 wurde das Wort "Friedensdorf" zur Bezeichnung eines Lagers - häufig eines Sommerlagers - verwendet, in dem die Demonstrierenden dauerhaft oder zumindest für eine gewisse Zeit Quartier bezogen, um ihre Demonstrationsziele besser verfolgen zu können und ständig vor Ort präsent sein zu können (zB in Wackersdorf, Frankfurt Startbahn West oder auch Gorleben). In diesem Sinne ist der Begriff auch in Wörterbüchern vermerkt (vgl dazu Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 2. Aufl, unter dem entsprechenden Stichwort).

Ein Verständnis der angemeldeten Wortfolge im Sinne eines Dorfes, in dem humanitäre Hilfsleistungen erbracht werden, erschließt sich auch nicht ohne weiteres aus der Wortfolge selbst. Es gibt zwar gängige englische und deutsche Begriffe, die als Anfangsbestandteil den Begriff "peace" oder "Frieden" enthalten und im Zusammenhang mit friedensstiftenden Maßnahmen in Kriegs- oder Krisengebieten stehen, wie etwa die Begriffe "Peace Corps" oder "UN-Friedenstruppe". Gleichwohl werden die Begriffe "peace village" oder "Friedensdorf" - soweit ersichtlich - nicht in dem Sinne verwendet oder verstanden, den die Markenstelle angenommen hat, zumal die einzige in Wörterbüchern nachgewiesene Bedeutung von "Friedensdorf" in eine andere Richtung weist. Ausgehend davon kann auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, daß die angemeldete Wortfolge ausschließlichen einen die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist und von den Mitbewerbern entsprechend benötigt wird.

Der angemeldeten Marke kann letztlich auch nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Zwar ist die Wortfolge "PEACE VILLAGE" zumindest im Zusammenhang mit den beanspruchten humanitären Hilfsleistungen, insbesondere mit den Dienstleistungen "Durchführung von friedenspädagogischen Schulungsmaßnahmen", die wohl häufig in Lagern oder auch Dörfern erbracht werden, nicht besonders originell. Ein gewisser Teil des Verkehrs wird im Zusammenhang mit solchen Dienstleistungen in der angemeldeten Bezeichnung eine sachbeschreibende Angabe vermuten. Aber auch insoweit bleibt die Wortfolge interpretationsbedürftig. Es kann nicht angenommen werden, daß ein erheblicher Teil des Verkehrs die Wortfolge ohne weiteres in einem beschreibenden Sinne versteht, zumal ein gewisser Verfremdungseffekt durch die Verwendung der englischen Sprache entsteht und zudem der entsprechende deutsche Begriff "Friedensdorf" eine lexikalisch nachweisbar abweichende Bedeutung aufweist. In Bezug auf die weiteren Dienstleistungen und die Waren kann ein solcher beschreibender Zusammenhang ohnehin nicht oder erst durch mehrere Gedankenschritte hergestellt werden. Nach Auffassung des Senats ist die angemeldete Marke demzufolge für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen noch hinreichend originell, um als betrieblicher Herkunftsnachweis zu dienen. Sie erschöpft sich nicht in der Aneinanderreihung schutzunfähiger Bestandteile, sondern vermittelt einen noch hinreichend phantasievollen Gesamteindruck. Ein verbleibender kleiner Teil des Verkehrs, der in der angemeldeten Marke möglicherweise keinen betrieblichen Herkunftshinweis, sondern nur einen Sachhinweis erkennt, kann bei der Entscheidung über der Schutzfähigkeit nicht den Ausschlag in Richtung Schutzversagung geben (vgl hierzu BGH GRUR 1991, 136, 137 reSp letzter Absatz - NEW MAN).

Auf die Beschwerde des Anmelders hin waren demzufolge die Beschlüsse der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben.

Kliems Brandt Knoll Pü






BPatG:
Beschluss v. 22.03.2001
Az: 25 W (pat) 6/01


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