Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Februar 2004
Aktenzeichen: 30 W (pat) 231/02

(BPatG: Beschluss v. 09.02.2004, Az.: 30 W (pat) 231/02)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. September 2002 insoweit aufgehoben, als der Widerspruch auch hinsichtlich der Waren "Schrauben und Nägel (soweit in Klasse 6 enthalten)" zurückgewiesen worden ist.

Insoweit wird wegen der Gefahr von Verwechslungen die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen und am 12. Oktober 2000 veröffentlicht worden als Bildmarke (farbig, schwarz; blau) ist:

siehe Abb. 1 am Ende Das Warenverzeichnis lautet:

"Metallene Befestigungsteile für Regenwasserableitungssysteme und Dachbauteile; Regenfallrohre, Ablaufstutzen und Rinnen aus Metall; Metallhalbzeuge in Form von Platten, Blechen, Scharen, Gittern, Eckteilen, Profilen und Rohren; Baumaterialien und Abdeckteile aus Metall; Dachhaken, Halterungen, Schellen, Schrauben und Nägel (soweit in Klasse 6 enthalten)".

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 20. November 1997 angemeldeten und am 23. März 1999 eingetragenen Gemeinschaftsmarke 000683425 TURNUS mit folgendem Warenverzeichnis:

"Furnierbock- und Hobelbankspindeln, Ambosse, Schraubstöcke, Maschinenschraubstöcke, Prismenschraubstöcke, Teile von Schraubstöcken, nämlich Spindeln, Knebel, Hülsenmuttern, Backen; Spannapparate, Klemmapparate, Spannklemmen; Flaschenzüge und deren Teile (soweit in Klasse 7 enthalten), Furnierböcke, Leimapparate; Handwerkzeuge, insbesondere Schraubenzieher, Werkzeughalter, Hämmer, Zangen, Schweißerzangen, Schraubenschlüssel, Armaturenschlüssel, Stiftschlüssel, Schaber, Sägen, Windeisen, Spannwerkzeuge, Schraubzwingen, Dielenschraubzwingen, Leimzwingen, Gehrungszwingen, Feilkloben".

Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Gefahr von Verwechslungen verneint und den Widerspruch zurückgewiesen, weil keine Warenähnlichkeit vorliege.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Sie ist mit näheren Ausführungen der Meinung, daß vor allem wegen der Abstimmung der beiderseitigen Waren aufeinander Warenähnlichkeit gegeben sei.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. September 2002 aufzuheben und die Eintragung der angegriffenen Marke 300 00 693 zu löschen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den Beschluß der Markenstelle für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde Widersprechenden ist in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung zB BGH MarkenR 2002, 332, 333 - DKV/OKV; GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND jew mwN). Nach diesen Grundsätzen besteht hier die Gefahr von Verwechslungen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

Bei seiner Entscheidung geht der Senat mangels anderweitiger Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.

Die sich gegenüberstehenden Marken weisen zwar deutliche Annäherungen auf, sind aber nicht identisch. Auch wenn die Widerspruchsmarke in der angegriffenen Marke enthalten ist, führt dies allein nicht dazu, dass für die Beurteilung der Ähnlichkeit der angegriffenen Marke - die TURNUS C lautet - mit der Widerspruchsmarke der Bestandteil TURNUS - wenn auch farblich abgesetzt dargestellt - isoliert gegenüberzustellen wäre. Denn nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sind hier keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Buchstabe C, etwa wegen konkreter Schutzhindernisse, für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktritt, dass er für den Gesamteindruck völlig vernachlässigt werden könnte (BGH MarkenR 2000, 20 - RAUSCH/ELFI RAUCH Ströble/Hacker MarkenG 7. Aufl § 9 Rdn 362ff mwN). Allerdings tritt in der angegriffenen Marke der Markenteil TURNUS dominant hervor, so dass dieser das Zeichen prägt. Unter diesen Umständen bedarf es jedenfalls eines deutlichen Abstands im Bereich der sich gegenüberstehenden Waren, um eine Verwechslungsgefahr ausschließen zu können.

Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist entscheidend, ob die beiderseitigen Waren in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistungen - so enge Berührungspunkte aufweisen, daß die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl Ströbele/Hacker aaO § 9 Rdn 57 mwN).

Danach ist eine Ähnlichkeit zwischen den Waren "Schrauben und Nägel (soweit in Klasse 6 enthalten)" auf Seiten der angegriffenen Marke mit den Waren "Handwerkzeuge" der Widerspruchsmarke zu bejahen. Diese "Handwerkzeuge" weisen nach den oben angeführten Kriterien enge Berührungspunkte zu den genannten speziellen Waren der angegriffenen Marke auf. Wie die Widersprechende vorgetragen und belegt hat, sind im Bereich der Schrauben und Nägel die dazugehörigen Eintreibwerkzeuge häufig speziell aufeinander abgestimmt und stammen auch von denselben Herstellern, wie zum Beispiel Inbus-Schlüssel und Inbus-Schrauben, Spax-Schrauben und Spax-Schraubendreher oder auch Nägel und die darauf abgestimmten handgeführten Tacker. In Umfang dieser Waren besteht damit Warenähnlichkeit, so dass der hier erforderliche Abstand nicht gewahrt ist. Insoweit besteht die Gefahr von Verwechslungen. Auch wenn zu Gunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke davon ausgegangen wird, dass sich die gegenüberstehenden Waren regelmäßig nicht an das allgemeine Publikum wenden, sondern an jeweils abgegrenzte Abnehmerkreise, die dem Fachpublikum zuzuordnen sind und schon deshalb der Gefahr von Markenverwechslungen nur eingeschränkt unterliegen, und auch der Endverbraucher durchaus nicht unerhebliche Fachkenntnisse aufweist und die Marktverhältnisse kennt, schließt das im genannten Umfang eine Verwechslungsgefahr nicht hinreichend sicher aus.

Bezüglich der weiteren Waren hat die Markenstelle zutreffend die Warenähnlichkeit verneint. Den allgemeinen wie speziellen Baumaterialien aus Metall wie Metallhalbzeugen der Klasse 6 auf Seiten der angegriffenen Marke stehen auf Seiten der Widerspruchsmarke in der Sache spezielle Arbeitshilfsmittel und Werkzeuge der Klassen 6, 7 und 8 gegenüber. Zwar kann, wie die Widersprechende beispielsweise angeführt hat, Werkzeug und Baumaterial bei der Be- und Verarbeitung zusammentreffen. Dies allein rechtfertigt aber noch nicht ohne weiteres die Annahme, dass die angesprochenen Verkehrskreise hieraus auf eine gemeinsame Produktverantwortlichkeit und betriebliche Herkunft schließen. Es liegen nämlich andere Verwendungszwecke, eine andere Nutzung und wirtschaftliche Bedeutung und auch eine andere Beschaffenheit vor: während Baumaterial zur Errichtung des Bauwerks verwendet wird und im erstellten Bau verbleibt, sind Werkzeuge oder sonstige Arbeitsmittel - wie Gegenstand des Warenverzeichnisses der Widerspruchsmarke - Produkte, mit deren Hilfe Material be- oder verarbeitet wird, ohne selbst in das Endprodukt überzugehen. Auch sind die sich gegennüberstehenden Waren wie "Dachbauteile; Regenfallrohre" und "Schraubstöcke; Leimapparate" usw von deutlich unterschiedlicher Beschaffenheit. Überschneidungen bei den Herstellungsbedingungen sind nicht feststellbar und auch von der Widersprechenden nicht dargelegt. Auf Grund welcher sonstigen Umstände die beteiligten Verkehrskreise zu der Meinung gelangen könnten, die Waren stammten aus denselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, ist unter diesen Umständen nicht erkennbar. Soweit die Widersprechende auf die Begegnung der Fabrikate etwa in Baumärkten hinweist, genügt dies allein nicht, um bei Publikum eine irrige Vorstellung gemeinsamer Produktionsstätten zu bewirken (vgl. hierzu etwa BGH GRUR 1999, 158 - Garibaldi). Der EuGH (GRUR 1998, 922 - Canon) verlangt vielmehr für eine Ähnlichkeit der Waren, dass diese aufgrund aller Umstände, zu denen auch das "aufeinander abgestimmt sein" zählt, dem Publikum suggerieren, die betreffenden Waren oder Dienstleistungen entstammten denselben oder wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen. Aus der bloßen Spezialisierung von Werkzeugen auf bestimmte Werkstoffe kann dies jedoch noch nicht abgeleitet werden. Vielmehr ist hier nach ständiger Spruchpraxis (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl. S. 363) daran festzuhalten, dass Rohstoffe und Halbzeuge einerseits und die zu deren Bearbeitung erforderlichen Werkzeuge andererseits in unterschiedlichen Betrieben hergestellt werden. Dies ist im Bewusstsein des interessierten Publikums auch soweit verfestigt, dass Fehlvorstellungen allenfalls so vereinzelt denkbar sind, dass sie rechtlich zu vernachlässigen sind.

Nach alledem war der angefochtene Beschluss insoweit aufzuheben, als der Widerspruch auch hinsichtlich der Waren "Schrauben und Nägel (soweit in Klasse 6 enthalten)" zurückgewiesen worden ist und insoweit die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen; im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Absatz 1 MarkenG.

Dr. Buchetmann Winter Schramm Hu Abb. 1






BPatG:
Beschluss v. 09.02.2004
Az: 30 W (pat) 231/02


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