Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. April 2006
Aktenzeichen: 26 W (pat) 119/04

(BPatG: Beschluss v. 12.04.2006, Az.: 26 W (pat) 119/04)

Tenor

Die Beschwerden der Markeninhaberin und der Widersprechenden werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wortmarke 397 49 886 red full flavourfür die Waren der Klasse 34:

Tabak, Tabakerzeugnisse, insbesondere Cigaretten; Raucherartikel, soweit in Klasse 34 enthalten; Streichhölzerist Widerspruch eingelegt worden 1. aus der Wortmarke 397 30 747 RED ULTRA eingetragen für die Waren der Klasse 34:

"Rohtabak; Raucherartikel, nämlich Tabakdosen, Zigarren- und Zigarettenspitzen, -etuis, Aschenbecher (sämtliche vorgenannten Waren nicht aus Edelmetall oder damit plattiert), Pfeifenständer, -reiniger, -bestecke, Zigarrenabschneider, Tabakpfeifen, -beutel, Feuerzeuge, Taschenapparate zum Selbstdrehen von Zigaretten, Zigarettenpapier, Zigarettenfilter, Zigarettenhülsen, Feuchthalter für Tabakwaren; Streichhölzer"

2. aus der Wortmarke 397 30 745 Redeingetragen für die Waren der Klasse 34

"Raucherartikel, nämlich Tabakdosen, Zigarren- und Zigarettenspitzen, -etuis, Aschenbecher (sämtliche vorgenannten Waren nicht aus Edelmetall oder damit plattiert), Pfeifenständer, -reiniger, -bestecke, Zigarrenabschneider, Tabakpfeifen, -beutel, Feuerzeuge, Taschenapparate zum Selbstdrehen von Zigaretten, Zigarettenpapier, Zigarettenfilter, Zigarettenhülsen, Feuchthalter für Tabakwaren; Streichhölzer"

3. aus der Wortmarke 397 30 746 RED MEDIUM eingetragen für die Waren der Klasse 34:

"Rohtabak; Raucherartikel, nämlich Tabakdosen, Zigarren- und Zigarettenspitzen, -etuis, Aschenbecher (sämtliche vorgenannten Waren nicht aus Edelmetall oder damit plattiert), Pfeifenständer, -reiniger, -bestecke, Zigarrenabschneider, Tabakpfeifen, -beutel, Feuerzeuge, Taschenapparate zum Selbstdrehen von Zigaretten, Zigarettenpapier, Zigarettenfilter, Zigarettenhülsen, Feuchthalter für Tabakwaren; Streichhölzer".

Die Markenstelle für Klasse 34 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 23. August 2000 alle Widersprüche mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Auf die dagegen eingelegte Erinnerung der Widersprechenden hat die Markenstelle mit Beschluss vom 23. Februar 2004 auf den Widerspruch aus der Marke 397 30 745 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für die Waren "Tabak, Tabakerzeugnisse, insbesondere Cigaretten" angeordnet. Im Übrigen hat sie die Erinnerung aus dieser Marke sowie aus den beiden anderen Widerspruchsmarken zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, soweit die Löschung angeordnet worden sei, bestehe gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG Verwechslungsgefahr zwischen der Widerspruchsmarke zu 2) ("Red") und der angegriffenen Marke. Der Bestandteil "Red" sei in der angegriffenen Marke kollisionsbegründend, da er den Gesamteindruck dieser Marke präge und mit der Widerspruchsmarke zu 2) identisch sei. Demgegenüber trete der Bestandteil "full flavour" der angegriffenen Marke für den angesprochenen Verkehr vollständig in den Hintergrund, weil er als rein beschreibend für die Waren "Tabak, Tabakerzeugnisse, insbesondere Cigaretten" der angegriffenen Marke anzusehen sei. Da diese Waren eine hohe Ähnlichkeit mit den für die Widerspruchsmarke zu 2) geschützten Waren "Zigarettenpapier" aufwiesen, sei insoweit die Verwechslungsgefahr zu bejahen. Dagegen sei keine Verwechslungsgefahr gegeben, soweit der Widerspruch aus dieser Marke gegen die Waren "Raucherartikel soweit in Klasse 34 enthalten; Streichhölzer" der angegriffenen Marke gerichtet sei. Insoweit werde der Bestandteil "full flavour" in der angegriffenen Marke vom Verkehr nicht vernachlässigt, weil er mit der deutschen Bedeutung "voller Geschmack" diese Waren nicht beschreibe. Die angegriffene Marke werde insoweit als Gesamtbegriff gesehen, bei dem keiner der drei Wortbestandteile, insbesondere nicht der Bestandteil "red", allein eine prägende Stellung innehabe. Auch hinsichtlich der übrigen Widerspruchsmarken "RED ULTRA" und "RED MEDIUM" sei in Bezug auf die noch verbliebenen Waren der angegriffenen Marke keine Verwechslungsgefahr festzustellen. Der in den Vergleichsmarken identisch enthaltene Bestandteil "RED" habe schon in diesen beiden Widerspruchsmarken selbst für die Waren "Raucherartikel; Streichhölzer" keine prägende Stellung. Die Wörter "ULTRA" und "MEDIUM" könnten als Geschmacksbezeichnung allenfalls für Tabak und Tabakerzeugnisse, nicht aber für die Waren "Raucherartikel" und "Streichhölzer" der Widerspruchsmarken als beschreibend angesehen werden. Es bestehe auch kein Anlass für die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr.

Soweit die Markenstelle die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat, wendet sich die Markeninhaberin hiergegen mit der Beschwerde. Sie ist der Auffassung, der Bestandteil "red" der angegriffenen Marke präge diese in Bezug auf die betroffenen Waren nicht allein. Der Verkehr werde die weiteren Wörter "full flavour" nicht vernachlässigen. Er werde die angegriffene Marke vielmehr in dem Sinne "roter voller Geschmack" und damit als Gesamtbegriff auffassen.

Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit damit die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist, und den Widerspruch insgesamt zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt demgegenüber, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Ausführungen der Markenstelle insoweit als zutreffend.

Soweit die Markenstelle die Widersprüche zurückgewiesen hat, wendet sich die Widersprechende hiergegen mit der Anschlussbeschwerde. Sie macht geltend, die Begriffe "MEDIUM" und "ULTRA" seien für Rohtabak, Raucherartikel und Streichhölzer der Widerspruchsmarken zu 1) und 3) beschreibende Angaben. Es gebe, wie vorgelegte Auszüge aus verschiedenen Fachbüchern für Tabake zeigten, flavourisierte Filter, die mit Geschmacksstoffen versehen seien, welche mit dem Rauchstrom vom Raucher aufgenommen würden (flavouring agents). Auch Zigarettenpapier könne "specifically flavored" sein. "MEDIUM" habe Bedeutungen für Rohtabak ("mediums" = Sortierungen für Umblatttabake; = engl. Bezeichnung für "Mittelschnitt"; Nikotingehalt: "high", "low", "medium", Maß- und Farbangabe "medium" (- brown bzw. - in body). Fundstellen für den Begriff "ULTRA" könnten zwar nicht vorgelegt werden. Jedoch könne dieser Begriff als Verstärkung für andere Eigenschaften dienen, so z. B. "ultrafein" oder "ultraporös". Für die Ware "Streichhölzer" der angegriffenen Marke seien diese Begriffe wie auch der Begriff "full flavour" in der angegriffenen Marke zwar nicht beschreibend, jedoch komme hier der Gesichtspunkt des Serienzeichens zum Tragen und begründe mittelbare Verwechslungsgefahr.

Die Widersprechende begehrt insoweit die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die vollständige Löschung der angegriffenen Marke, während die Markeninhaberin insoweit den Beschluss der Markenstelle verteidigt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen den Verfahrensbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd; GRUR 2005, 427, 428 - Lila-Schokolade; GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella May).

Nach diesen Grundsätzen hat die Markenstelle die Gefahr der Verwechslung der angegriffenen Marke mit der Widerspruchsmarke zu 2) angesichts der - zwischen den Beteiligten nicht streitigen - Ähnlichkeit der für die angegriffene Marke geschützten Waren "Tabak, Tabakerzeugnisse, insbesondere Cigaretten" mit den Waren "Zigarettenpapier" der Widerspruchsmarke zu 2) bei einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft dieser Widerspruchsmarke zutreffend bejaht. Die angegriffene Marke hält in diesem Warenbereich den gebotenen Abstand zu der Widerspruchsmarke zu 2) nicht ein. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs-(Sinn-)gehalt ist von dem Grundsatz auszugehen, dass es auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen ankommt (BGH GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud; GRUR 2003, 712, 714 - Goldbarren; GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd). Jedoch kann einem einzelnen Zeichenbestandteil unter Umständen eine besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft beizumessen und deshalb bei Übereinstimmung von Zeichen in dem jeweils prägenden Bestandteil die Gefahr einer Verwechslung der beiden Gesamtbezeichnungen zu bejahen sein. Dies setzt voraus, dass die anderen Bestandteile im Rahmen des Gesamteindrucks weitgehend in den Hintergrund treten (BGH, a. a. O. - Ferrari-Pferd). In ihrem Gesamteindruck wird die angegriffene Marke bei einer Verwendung für die Waren "Tabak, Tabakerzeugnisse, insbesondere Cigaretten" durch den mit der Widerspruchsmarke zu 2) übereinstimmenden, diese Waren nicht beschreibenden Bestandteil "red" geprägt; denn der weitere Bestandteil "full flavour" der angegriffenen Marke, der von den angesprochenen Verkehrskreisen zutreffend mit "voller Geschmack" übersetzt wird, ist für die Waren "Tabak, Tabakerzeugnisse, insbesondere Cigaretten" rein beschreibend. Da dieser Begriff - was die Markeninhaberin nicht in Abrede stellt - dem Verkehr geläufig ist, besteht kein Anlass für die Annahme, der Verkehr werde ihm im Zusammenhang mit den vorstehend aufgeführten Waren einen besonderen Hinweis auf die Betriebsstätte entnehmen oder ihn zusammen mit dem weiteren Markenbestandteil "red" als Gesamtbegriff verstehen (vgl. ebenso für "light": BPatG, Beschluss vom 26. April 2000 - 26 W (pat) 111/99 - RED LIGHT ./. RED). Der Begriff "full flavour" nimmt daher an der Prägung des Gesamteindrucks der angegriffenen Marke insoweit nicht teil. Ist damit in der angegriffenen Marke der Bestandteil "red" allein prägend, dann besteht wegen der klanglichen Übereinstimmung mit der Widerspruchsmarke zu 2) "RED" eine Verwechslungsgefahr im Umfang der Waren "Tabak, Tabakerzeugnisse, insbesondere Cigaretten".

2. Die zulässige Anschlussbeschwerde der Widersprechenden ist ebenfalls unbegründet.

Die Markenstelle hat die Gefahr von Verwechslungen für die Waren "Raucherartikel, soweit in Klasse 34 enthalten; Streichhölzer" zutreffend verneint. Insbesondere hat sie zu Recht und mit zutreffenden Gründen, denen sich das Gericht anschließt, angenommen, dass der Markenbestandteil "full flavour" der angegriffenen Marke für Raucherartikel und Streichhölzer nicht zur Beschreibung dieser Waren dienen kann. Der anderweitigen Auffassung der Anschlussbeschwerdeführerin ist insoweit nicht zu folgen. Es mag sein, dass aromatisierte Filter (Raucherartikel) für die Herstellung von Zigaretten angeboten werden, damit diese dem Tabak beim Genuss eine bestimmte Geschmacksnote verleihen. Insoweit gilt jedoch, dass gerade noch der Begriff "flavour" derartige Filter beschreiben kann, nicht aber der hier fragliche Gesamtbegriff "full flavour", für den die Widersprechende eine Verwendung in dem von ihr behaupteten Zusammenhang mit Filtern auch nicht belegt hat. Die ganz überwiegende Zahl der angesprochenen Verkehrsteilnehmer wird diesen Begriff dem Tabak und den daraus hergestellten herkömmlichen Erzeugnissen als solchen als beschreibend zuordnen, nicht aber allein einem aromatisierenden Filter. Für die Waren "Streichhölzer" ist der Begriff "full flavour" ebenfalls nicht beschreibend. Das stellt auch die Widersprechende nicht in Abrede, gibt aber zu bedenken, dass Streichhölzer als Werbeträger für Tabakerzeugnisse verwendet und häufig als Begleitartikel in den Verkehr gebracht, etwa dem Kunden mitgegeben oder auch zur Mitnahme ausgelegt würden. Das vermag aber nichts an der mangelnden Eignung der Bezeichnung "full flavour" zur Beschreibung der Ware "Streichhölzer" zu ändern, denn der Verkehr erkennt diesen Umstand und ordnet die kennzeichnende Funktion der Gesamtmarke allein den damit beworbenen Tabakerzeugnissen und Tabaken zu. Hinzu kommt, dass die englischsprachige Farbbezeichnung "RED", die im Inland in sehr großem Umfang vom Verkehr als solche verstanden wird, für die hier maßgeblichen Raucherartikel als Angabe über deren farbliche Beschaffenheit dienen kann und auch deshalb ungeeignet ist, die angegriffene Marke insoweit selbständig zu kennzeichnen.

Ebenso kommt auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr für die Waren "Raucherartikel" und "Streichhölzer" nicht in Betracht. Diese Art der Verwechslungsgefahr kann gegeben sein, wenn der Verkehr zwei an sich unterschiedliche Marken wegen eines gemeinsamen charakteristischen Bestandteils derselben betrieblichen Ursprungsstätte zuordnet. Das kann bei Serienmarken dann der Fall sein, wenn der Inhaber der älteren Marke bereits mit dem entsprechenden Wortstamm als Bestandteil mehrerer eigener entsprechend gebildeter Serienmarken aufgetreten ist (BGH, GRUR 2002, 542, 544 - BIG; GRUR 2002, 544, 547 - BANK 24; BPatG, GRUR 2002, 345, 346 - ASTRO BOY/Boy). Insoweit ist jedoch nicht erkennbar, dass die Widersprechende den Verkehr bereits an eine Markenserie mit dem Wort "RED" als Stammbestandteil tatsächlich gewöhnt hat.

III.

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG abzuweichen, nach dem jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.






BPatG:
Beschluss v. 12.04.2006
Az: 26 W (pat) 119/04


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