Landgericht Berlin:
Urteil vom 11. März 2008
Aktenzeichen: 15 O 545/06

(LG Berlin: Urteil v. 11.03.2008, Az.: 15 O 545/06)

Der Abmahnende hat einen erneuten Zustellungsversuch zu unternehmen, wenn er ernstliche Zweifel an der Wirksamkeit der Zustellung haben muss.

Tenor

1. Im Hinblick auf den Antrag zu 2. wird die Klage abgewiesen

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger vertreibt im Internet Hochzeitsartikel für den Endverbraucher. Die Beklagte bietet unter wechselnden Pseudonymen auf €...€ ebenfalls Hochzeitsartikel an.

Der Kläger tätigte in einem ...-Shop der Beklagten am 14.05.2006 einen Testkauf. Er erhielt daraufhin eine Bestätigungs-Mail von ... (Anl. K8, Bl. 42 dA), in der als Adresse der Beklagten die Jstraße ..., Berlin genannt war. Diese Adresse beruhte auf früheren Angaben der Beklagten gegenüber ....

Mit Schreiben vom 06.06.2006 sandte der Kläger eine Abmahnung an die soeben erwähnte Adresse der Beklagten (Anlage K3, Blatt 12 d.A.). In dem Schreiben rügte der Kläger, dass die Beklagte gegen verschiedenen Informationspflichten im Fernabsatzverkehr verstoßen habe.

Die Beklagte wohnte bereits seit dem 15.7.2005 tatsächlich in der A...Straße ..., Berlin; in der Jstraße ..., Berlin wohnte nach dem Auszug der Beklagten weiterhin ihr Ehemann.

Der Kläger hat die Beklagte unter ihrer Adresse A...Straße ... verklagt. Die in der Abmahnung gerügten Verstöße (Klageschrift vom 17.07.2006 (Blatt 1 ff d. A., Ziff. 1 a) € e)) hat die Beklagte mit Schreiben vom 15.08.2006 unter Protest gegen die Kostenlast, auch vorgerichtlicher Kosten, anerkannt (Blatt 23 d.A.). Am 23.02.2007 ist ein Anerkenntnisteilurteil ergangen (Blatt 117 d.A.).

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Absendung des Mahnschreibens an die von der Beklagten bei ... angegebene Adresse ausreichend sei, um von einem ordnungsgemäßen Zugang ausgehen zu können. Eine nochmalige Rückversicherung, ob die bei dem Testkauf angegebene Adresse richtig sei, müsse er nicht vornehmen, da es in den Aufgabenbereich der Beklagten als Gewerbetreibende falle, für eine ordnungsgemäße Anschrift zu sorgen. Er habe davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte zwischen Abmahnung und Klageerhebung umgezogen sei. Da die Beklagte auch schon seit ca. einem Jahr nicht mehr an der angegebenen Adresse wohnhaft war, wäre es ihr auch zuzumuten, die korrekte Adresse bei ... anzugeben. Der Zugang der Abmahnung werde auch dadurch belegt, dass unmittelbar nach deren bestrittenem Zugang gewisse Verstöße, die mit der Abmahnung gerügt worden waren, behoben wurden.

Der Kläger verfolgt nunmehr nur noch den Ersatz der Abmahnkosten (offenbar berechnet anhand der Hälfte einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von EUR 7.500,00 zzgl. der Auslagenpauschale) sowie darüber hinaus die auf Grund einer Melderegisterauskunft vom 29.9.2006 entstandenen Gebühren in Höhe von 9,20 € (Anlage K7, Blatt 41 d.A.). Er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Abmahnkosten in Höhe von 287,80 € sowie die Kosten für die Einholung einer Melderegisterauskunft in Höhe von 9,20 € zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe zum Zeitpunkt des Testkaufs nicht als gewerbliche Verkäuferin bei ... gehandelt, weil sie die für das Auftreten als gewerbliche Verkäuferin bei ... erforderliche Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erst am 20.05.2006 vom Bundeszentralamt für Steuern zugeteilt bekam (Blatt 47 d.A.). Davor hätte sie nur als Privatverkäuferin auftreten können, weshalb kein Anlass für die Abmahnung bestand, da sie nicht im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken auftrat.

Zudem behauptet sie, dass es ihr auf Grund einer Krankheit in der Zeit vom 04.05. € 15.05.2006 nicht möglich gewesen sei, ihre geänderte Adresse ... mitzuteilen (Blatt 46 d.A.).

Die Beklagte ist der Ansicht, dass ihr nicht zugemutet werden könne, für den nicht ordnungsgemäßen Zugang einer Abmahnung Beweis zu erbringen. Sie ist zudem der Ansicht, dass auf Grund der Tatsache, dass sie schon seit über einem Jahr nicht mehr unter der in der Abmahnung angegebenen Adresse wohne, der Beweis erbracht sei, dass ihr die Abmahnung nicht ordnungsgemäß zugegangen wäre. Dem Kläger wäre es vielmehr zuzumuten gewesen, die korrekte Anschrift selbst zu ermitteln. Zudem habe der erfahrene Kläger nicht davon ausgehen können, dass die Angaben in der von ... automatisch generierten Bestätigungsmail noch den tatsächlichen Verhältnissen entsprachen.

Die Beklagte behauptet zudem, dass ihr Ehemann die Abmahnung auf Grund von Spannungen im ehelichen Verhältnis und deshalb, weil er sie als €unwichtig€ eingestuft habe, nicht an die Beklagte weitergeleitet habe.

Gründe

Im noch geltend gemachten Umfang ist die zulässige Klage unbegründet.

1. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Abmahnung vom 6.6.2006 zu. Denn sowohl § 12 Abs. 1 S. 2 UWG als auch die weiteren in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen (etwa: GoA) setzen voraus, dass die Abmahnung zugegangen ist. Davon ist hier aber nicht auszugehen, ohne dass sich der Kläger auf die fehlerhafte Adresse, die er aufgrund des Testkaufs bei der Beklagten am 14.5.2006 erlangt hatte, berufen kann:

Zur Begründung hat das Gericht im Beschluss vom 12.2.2008 (Bl. 194 f. dA) ausgeführt,

"dass es wohl doch nicht auf die fehlerhafte Angabe der Beklagten gegenüber ..., die zu der Bestätigungsmail mit der alten Adresse führte (vgl. OLG Naumburg, WRP 1999, 570), ankommen dürfte. Denn im Rahmen einer vertraglichen oder vorvertraglichen Beziehung - zu der auch das hiesige wettbewerbsrechtliche Sonderverhältnis zählen dürfte - hat der Absender nach Kenntnis von dem nicht erfolgten Zugang eines Schreibens unverzüglich einen neuen Versuch zu unternehmen, seine Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers zu bringen, dass diesem ohne weiteres eine Kenntnisnahme ihres Inhalts möglich ist (BGHZ 137, 205, 209). Dem dürfte der vorliegende Fall gleichstehen, da sich der Kläger offenbar noch vor Klageerhebung überzeugen konnte, dass die Adresse, an die die Abmahnung gerichtet war, veraltet war; warum er dann nicht an die in der Klageschrift angegebene neue Adresse der Beklagten zunächst eine weitere Abmahnung versandte, ist nicht ersichtlich.

Damit dürfte es bei dem Grundsatz (BGH GRUR 2007, 629 f) verbleiben, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für den fehlenden Zugang der Abmahnung trägt, der sie mit Hinweis auf den Verbleib des mit ihr zerstrittenen Ehemanns in der alten Wohnung aber nachgekommen ist. Qualifizierter Vortrag des Klägers dazu, dass die Abmahnung der Beklagten trotz dessen zugegangen ist, fehlt."

Daran ist auch nach der Stellungnahme des Klägers festzuhalten:

21a) Der im Beschluss zitierte Grundsatz, dass im Rahmen einer Sonderbeziehung nach Kenntnis von einer nicht erfolgten Zustellung ein erneuter Zustellungsversuch zu unternehmen ist, muss nach Ansicht des Gerichts auch dann gelten, wenn der Absender zwar nicht Kenntnis, aber ernstliche Zweifel an der Wirksamkeit der Zustellung haben muss. Denn nur dann hat er das ihm nach Treu und Glauben Erforderliche und Zumutbare getan. Auch das OLG Köln hat eine nochmalige Abmahnung dann für erforderlich gehalten, wenn der Abmahnende die Umstände, aus denen sich die Wirksamkeit der Zustellung ergeben sollte (dort: bewusste Zugangsvereitelung durch Nichtabholen eines bei der Post hinterlegten Briefs) nur vermuten konnte, aber auch ein anderer Geschehensablauf denkbar war (WRP 1989, 47; anders wohl OLG Karlsruhe, NJWE-WettbR 1997, 128). Derartige ernsthafte Zweifel hätten dem Kläger aber kommen müssen, als er durch den Internetausdruck des Angebots der Beklagten am 28.6.2006 (Anl. K2, Bl. 11 dA), also etwa eineinhalb Monate nach dem Testkauf, Kenntnis von einer anderen Adresse erhielt, unter die er dann Klage erhob. Insoweit kann der Kläger sich auch nicht darauf berufen, er habe von einem Umzug der Beklagten ausgehen dürfen. Denn es sprach keine gesteigerte Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Umzug erst nach der Abmahnung erfolgte. Sowohl zwischen Testkauf und Abmahnung einerseits als auch zwischen Abmahnung und Kenntniserlangung liegen jeweils etwa drei Wochen. War der Umzug aber bereits vor der Abmahnung erfolgt, hätte ein verständiger Absender ernsthaft in Betracht ziehen müssen, dass ein an die alte Adresse gesandtes Schreiben mangels Nachsendeauftrag, wegen dessen unzuverlässiger Bearbeitung oder wegen der bekannten Unordnung während des Umzugszeitraums nicht dem Empfänger zugeht. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Abmahnende dadurch auch nicht unzumutbar belastet wird, da ihm sichere Zustellungsmöglichkeiten - wie etwa die Versendung per Einschreiben/Rückschein - jederzeit offen stehen.

b) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Zugang der Abmahnung sich bereits aus der Änderung gewisser gerügter Informationen im Angebot der Beklagten ergebe. Denn dies hat der Kläger lediglich pauschal und damit nicht hinreichend substantiiert auf den S. 2 und 4 seines Schriftsatzes vom 29.2.2008 (Bl. 211, 213 dA) behauptet. Es ist nicht Sache des Gerichts, diesen Vortrag durch eigenen Vergleich der Abmahnung und des als Anl. K2 vorgelegten Internetausdrucks zu ersetzen. Ohnehin ergäbe sich aus solch einer Änderung nicht zwingend, dass die Abmahnung des Klägers zugegangen war, da die Beklagte die Änderungen auch aufgrund der Abmahnung eines Dritten veranlasst haben könnte; für solch ein Geschehen könnte sprechen, dass die Beklagte nach dem eigenen Vortrag des Klägers nur teilweise Änderungen vornahm, was eben auf einer mit der Abmahnung des Klägers nicht deckungsgleichen Drittabmahnung beruhen mag.

2. Hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für die Einholung der Meldeauskunft ist bereits keine Anspruchsgrundlage ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 iVm. 93 ZPO. Die Beklagte hat die Klageforderungen - bis auf den Antrag zu 2., hinsichtlich dessen der Kläger nach den obigen Ausführungen aber auch unterliegt - bereits mit der Klageerwiderung und damit sofortig anerkannt. Sie hatte auch keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, da - wie ebenfalls bereits ausgeführt - nicht davon auszugehen ist, dass ihr die Abmahnung zugegangen war.

4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11 Alt. 2, 711 ZPO.

5. Die Berufung ist gem. § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die hier entscheidungserhebliche Frage, ob in einer (hier: wettbewerbsrechtlichen) Sonderbeziehung ein erneuter Zustellungsversuch zu unternehmen ist, wenn der Absender zwar nicht Kenntnis, aber ernstliche Zweifel an der Wirksamkeit der Zustellung der Abmahnung haben muss, von grundsätzlicher Bedeutung ist.






LG Berlin:
Urteil v. 11.03.2008
Az: 15 O 545/06


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