Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Februar 2004
Aktenzeichen: 15 W (pat) 27/02

(BPatG: Beschluss v. 19.02.2004, Az.: 15 W (pat) 27/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Auf die am 16. Mai 1989 eingereichte Patentanmeldung, für die die innere Priorität vom 16. Mai und 18. November 1988 in Anspruch genommen wurde, hat das Deutsche Patent- und Markenamt das Patent 39 15 934 mit der Bezeichnung

"Mittel und Verfahren zur Reinigung von Gasen und Abgasen und ein Verfahren zur Herstellung dieser Mittel."

mit 16 Patentansprüchen erteilt.

Nach Prüfung von vier dagegen eingelegten Einsprüchen wurde das Patent von der Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluß vom 13. August 2002 widerrufen, weil das beanspruchte Mittel gegenüber der

(3) DE 34 00 764 A1 nicht neu sei.

Dem Beschluß lagen die Patentansprüche 1 bis 12, eingegangen am 6. April 2000 zugrunde. Die Patentansprüche 1, 7 und 12 lauten:

"1. Trockenes, pulverförmiges Mittel zur Reinigung von Gasen und Abgasen auf der Basis von reaktionsfähigem Calciumhydroxid mit einem Gehalt von 0,05 bis 50 Gew-%, vorzugsweise 1 bis 20 Gew.-%, insbes 2,5 bis 7 Gew.-%, Aktivkohle und/oder Braunkohlen-Herdofenkoks als oberflächenaktiven Substanzen.

7. Verfahren zur Herstellung der Mittel nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß vor dem Löschen von Branntkalk dem Branntkalk und/oder während des Löschens dem Löschwasser und/oder nach dem Löschen dem Calciumhydroxid die oberflächenaktiven Substanzen zugesetzt werden.

12. Verwendung der Mittel nach einem der Ansprüche 1 bis 6 zur Reinigung von Gasen und Abgasen von sauerwirkenden Gasen, wie Chlorwasserstoff, Fluorwasserstoff, Schwefeldioxid, Blausäure, Stickstoffoxiden, Kohlenwasserstoffen, chlorierten Kohlenwasserstoffen und flüchtigen Schwermetallen, insbesondere Quecksilber, Arsen, Antimon, Cadmium und Thallium."

Zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 6 und 8 bis 11 wird auf die Akte verwiesen.

Gegen diesen Beschluß hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt und mit Eingabe vom 16. Januar 2004 neue Patentansprüche 1 bis 5 (Hauptantrag) eingereicht.

Der Patentanspruch 1 des nach wie vor geltenden Hauptantrags lautet:

"Trockenes, pulverförmiges Gemisch zur Reinigung von Gasen und Abgasen, bestehend aus reaktionsfähigem Calciumhydroxid mit einem Gehalt von 1 - 20 Gew-% der oberflächenaktiven Substanzen Aktivkohle und/oder Braunkohlen-Herdofenkoks."

In der mündlichen Verhandlung überreicht die Patentinhaberin hilfsweise neue Patentansprüche und zwargemäß Hilfsantrag I die Ansprüche 1 bis 8, gemäß Hilfsantrag II die Ansprüche 1 bis 8, gemäß Hilfsantrag III die Ansprüche 1 bis 5, gemäß Hilfsantrag IV die Ansprüche 1 bis 3, gemäß Hilfsantrag V die Ansprüche 1 bis 3, gemäß Hilfsantrag VI die Ansprüche 1 bis 3, gemäß Hilfsantrag VII die Ansprüche 1 bis 3, gemäß Hilfsantrag VIII die Ansprüche 1 bis 4.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I lautet:

"Verwendung eines trockenen, pulverförmigen Gemisches, bestehend aus reaktionsfähigem Calciumhydroxid mit einem Gehalt von 1 - 20 Gew-% der oberflächenaktiven Substanzen Aktivkohle und/oder Braunkohlen-Herdofenkoks zur Reinigung von Gasen und Abgasen von sauerwirkenden Gasen, wie Chlorwasserstoff, Fluorwasserstoff, Schwefeldioxid, Blausäure, Stickstoffoxiden, Kohlenwasserstoffen, chlorierten Kohlenwasserstoffen und flüchtigen Schwermetallen, insbesondere Quecksilber, Arsen, Antimon, Cadmium und Thallium, wobei die Reinigung im Temperaturbereich von 140 bis 240 ¡ C und durch Abscheidung an Gewebe- oder Elektrofiltern erfolgt."

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II hat folgenden Wortlaut:

"Verwendung eines trockenen pulverförmigen Gemisches, bestehend aus reaktionsfähigem Calciumhydroxid mit einem Gehalt von 1 - 20 Gew-% der oberflächenaktiven Substanzen Aktivkohle und/oder Braunkohlen-Herdofenkoks zur Reinigung von Gasen und Abgasen von sauerwirkenden Gasen, wie Chlorwasserstoff, Fluorwasserstoff, Schwefeldioxid, Blausäure, Stickstoffoxiden, Kohlenwasserstoffen, chlorierten Kohlenwasserstoffen und flüchtigen Schwermetallen, insbesondere Quecksilber, Arsen, Antimon, Cadmium und Thallium, wobei die Reinigung in einem trockenen Verfahren im Temperaturbereich von 170 ¡ C bis 250 ¡ C und durch Abscheidung an Gewebe- oder Elektrofiltern erfolgt."

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III lautet:

"Trockenes, pulverförmiges Gemisch zur Reinigung von Gasen und Abgasen, bestehend aus reaktionsfähigem Calciumhydroxid mit einem Gehalt von 1 bis 20 Gew-% der oberflächenaktiven Substanz Braunkohlen-Herdofenkoks."

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV lautet:

"Verwendung eines trockenen, pulverförmigen Gemisches, bestehend aus reaktionsfähigem Calciumhydroxid mit einem Gehalt von 1 - 20 Gew-% der oberflächenaktiven Substanzen Aktivkohle und/oder Braunkohlen-Herdofenkoks zur Reinigung von Gasen und Abgasen von sauerwirkenden Gasen, wie Chlorwasserstoff, Fluorwasserstoff, Schwefeldioxid, Blausäure, Stickstoffoxiden, Kohlenwasserstoffen, chlorierten Kohlenwasserstoffen und flüchtigen Schwermetallen, insbesondere Quecksilber, Arsen, Antimon, Cadmium und Thallium, wobei die Reinigung im Temperaturbereich von 140 bis 240¡C und durch Abscheidung an Gewebe- oder Elektrofiltern erfolgt."

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag V lautet:

"Verwendung eines trockenen, pulverförmigen Gemisches, bestehend aus reaktionsfähigem Calciumhydroxid mit einem Gehalt von 1 - 20 Gew-% der oberflächenaktiven Substanzen Aktivkohle und/oder Braunkohlen-Herdofenkoks zur Reinigung von Gasen und Abgasen von sauerwirkenden Gasen, wie Chlorwasserstoff, Fluorwasserstoff, Schwefeldioxid, Blausäure, Stickstoffoxiden, Kohlenwasserstoffen, chlorierten Kohlenwasserstoffen und flüchtigen Schwermetallen, insbesondere Quecksilber, Arsen, Antimon, Cadmium und Thallium, wobei die Reinigung in einem trockenen Verfahren im Temperaturbereich von 170 C bis 250¡C und durch Abscheidung an Gewebe- oder Elektrofiltern erfolgt."

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI lautet:

"Verwendung eines trockenen, pulverförmigen Gemisches, bestehend aus reaktionsfähigem Calciumhydroxid mit einem Gehalt von 1 - 20 Gew-% der oberflächenaktiven Substanz Braunkohlen-Herdofenkoks zur Reinigung von Gasen und Abgasen von sauerwirkenden Gasen, wie Chlorwasserstoff, Fluorwasserstoff, Schwefeldioxid, Blausäure, Stickstoffoxiden, Kohlenwasserstoffen, chlorierten Kohlenwasserstoffen und flüchtigen Schwermetallen, insbesondere Quecksilber, Arsen, Antimon, Cadmium und Thallium, wobei die Reinigung im Temperaturbereich von 140 bis 240 ¡ C und durch Abscheidung an Gewebe- oder Elektrofiltern erfolgt."

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VII lautet:

"Verwendung eines trockenen, pulverförmigen Gemisches, bestehend aus reaktionsfähigem Calciumhydroxid mit einem Gehalt von 1 - 20 Gew-% der oberflächenaktiven Substanz Braunkohlen-Herdofenkoks zur Reinigung von Gasen und Abgasen von sauerwirkenden Gasen, wie Chlorwasserstoff, Fluorwasserstoff, Schwefeldioxid, Blausäure, Stickstoffoxiden, Kohlenwasserstoffen, chlorierten Kohlenwasserstoffen und flüchtigen Schwermetallen, insbesondere Quecksilber, Arsen, Antimon, Cadmium und Thallium, wobei die Reinigung in einem trockenen Verfahren im Temperaturbereich von 170 bis 250¡C und durch Abscheidung an Gewebe oder Elektrofiltern erfolgt."

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VIII lautet:

"Trockenes, pulverförmiges Gemisch zur Reinigung von Gasen und Abgasen, bestehend aus reaktionsfähigem Calciumhydroxid mit einem Gehalt von 1 - 20 Gew-% der oberflächenaktiven Substanz Braunkohlen-Herdofenkoks, wobei das Gemisch eine Korngröße von < 200 µm aufweist und die Korngröße des Herdofenkokses derjenigen des Calciumhydroxidpulvers entspricht."

Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

gemäß Hauptantrag: Ansprüche 1 bis 5, eingegangen am 16. Januar 2004, gemäß Hilfsantrag I: Ansprüche 1 bis 8, gemäß Hilfsantrag II: Ansprüche 1 bis 8, gemäß Hilfsantrag III: Ansprüche bis 5, gemäß Hilfsantrag IV: Ansprüche 1 bis 3, gemäß Hilfsantrag V: Ansprüche 1 bis 3, gemäß Hilfsantrag VI: Ansprüche 1 bis 3, gemäß Hilfsantrag VII: Ansprüche 1 bis 3, gemäß Hilfsantrag VIII: Ansprüche 1 bis 4, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2004.

Hauptantrag und Hilfsanträge I bis VIII ggf mit einer anzupassenden Beschreibung.

Die Einsprechenden, von denen die Einsprechende 1 B... GmbH i.Ins., vormals N... GmbH in W..., ihren Einspruch mit Schreiben vom 16. Dezember 2003 zurückgenommen hat, treten dem Vorbringen der Patentinhaberin entgegen und beantragen übereinstimmend, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden und daher zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg.

Gegen die Offenbarung der Merkmale der geltenden Patentansprüche gemäß Haupt- und Hilfsanträgen bestehen keine Bedenken. Die Merkmale der Ansprüche des Hauptantrags finden sich in den ursprünglichen und erteilten Patentansprüchen 1 bis 4, 9 und 16. Die Merkmale der Patentansprüche der Hilfsanträge I bis VIII sind ursprünglich offenbart in den Patentansprüchen 1 bis 4, 9 und 16 in Verbindung mit Spalte 3, Zeilen 13 bis 16, Spalte 4, Zeilen 41 bis 43 und Spalte 5, Zeilen 23 bis 28 (Offenbarungsschrift) und in der Patentschrift in den Patentansprüchen 1 bis 4, 9 und 16 in Verbindung mit Spalte 3, Zeilen 8 bis 11, Spalte 4, Zeilen 29/30 und Zeilen 63 bis 67. Dabei sind die Temperaturangaben in den Ansprüchen der Hilfsanträge I, II und IV bis VII nicht zu beanstanden, da sie nach der BGH-Entscheidung "Crackkatalysator" (GRUR 1990, 510) aus den angegebenen Fundstellen herleitbar sind.

2. Die Neuheit der mit Haupt- und Hilfsanträgen beanspruchten Gemische bzw Verwendungen kann dahingestellt bleiben, da ihre Entwicklung auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht.

3. Mit den beanspruchten Gemischen bzw Verwendungen soll die Aufgabe gelöst werden, ein verbessertes Abgasreinigungsverfahren zur Verfügung zu stellen, das - im Temperaturbereich oberhalb 170¡C ausreichende Abscheideleistungen für flüchtige Schwermetalle, insbesondre Quecksilber, chlorierte Kohlenwasserstoffe (Dioxine und PCB's) aufweist,

- eine sichere und gleichmäßige Durchmischung des Abgasstromes und der oberflächenaktiven Substanzen gewährleistet,

- die Selbstentzündung von Aktivkohle/Aktivkoks nach Gebrauch verhindert und - eine NOx-Minderung ohne vorhergehende weitgehende Abscheidung von SO2, HCl und Staub gewährleistet.

Gelöst werden soll diese Aufgabe durch verschiedene Gemische und Verwendungen gemäß dem Haupt- und der 8 Hilfsanträge, die wechselweise folgende Merkmale aufweisen:

1. Gemisch zur Reinigung von Gasen und Abgasen, 2. das trocken ist, 3. das pulverförmig ist, 4. aus reaktionsfähigem Calciumhydroxid, 5. und 1 bis 20 Gew-% der oberflächenaktiven Substanzen, 6a Aktivkohle und/oder 6b Braunkohlen-Herdofenkoks besteht.

7. Verwendung des vorstehenden Gemisches zur Reinigung von Gasen und Abgasen von sauerwirkenden Gasen, wie Chlorwasserstoff, Fluorwasserstoff, Schwefeldioxid, Blausäure, Stickstoffoxid, Kohlenwasserstoffen, chlorierten Kohlenwasserstoffen und flüchtigen Schwermetallen, insbesondere Quecksilber, Arsen, Antimon, Cadmium und Thallium, 8. wobei die Reinigung im Temperaturbereich von 140 bis 240¡C erfolgt, 9. wobei die Reinigung in einem trockenen Verfahren im Temperaturbereich von 170¡C bis 250 C und 10. durch Abscheidung an Gewebe- oder Elektrofiltern erfolgt.

11. Die Korngröße ist < 200 µm und die Korngröße des Herdofenkokses entspricht derjenigen des Calciumhydroxides.

4.0. Mit Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag wird ein Gemisch mit den Merkmalen 1 bis 6 (a, b) beansprucht. Der dem beanspruchten Patentgegenstand gemäß Hauptantrag nächstliegende Stand der Technik ist in (1) DE 26 15 828 A1 beschrieben. Denn auch dort wird ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Entfernen von Schadstoffen aus Abgasen, wie Schwefeldioxid und Stickoxiden, beschrieben (vgl (1) Anspruch 1 iVm S 9/10 Brückenabsatz). Dort werden dazu zB als staubförmiges Sorptionsmittel Kalkhydrat, das staubförmige Filterkohle enthalten kann, also ein Gemisch, in den Gasstrom eingebracht (vgl (1) Ansprüche 1, 8 und 12). Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich die Mischung nach Anspruch 1 des Streitpatents nur durch die Art des Sorptionsmittels Aktivkohle und/oder Braunkohlen-Herdofenkoks (Merkmal 6a, b) anstelle der Filterkohle und durch den Gewichtsanteil dieses Sorptionsmittels (Merkmal 5). Daß bei der Abgasreinigung Filterkohle durch Aktivkohle ersetzt werden kann, wird durch (2) DE 35 29 272 A1, Ansprüche 1 bis 3 nahegelegt, die sich ebenfalls mit der Abtrennung von Schadstoffen aus Abgasen befaßt und dabei den gemeinsamen Einsatz von Calciumhydroxid mit Aktivkohle vorschlägt. Die Mengenangabe ergibt sich für den Fachmann, einem Chemiker mit besonderen Kenntnissen bei Abgasreinigung aus (1) und (2), in denen der Aktiv- oder Filterkohlenanteil als Zusatz zumindest unter 50 Gew-% liegen muß und sich die Größenordnung von 1 bis 20 Gew-% durch wenige optimierende Versuche ergibt. Damit ist das Gemisch mit den Merkmalen 1 bis 6a b des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag jedoch aus (1) und (2) so nahegelegt, daß die Entwicklung des beanspruchten Gemisches auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht.

4.1 Mit dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I wird als Lösung der patentgemäßen Aufgabe kein Gemisch, sondern die Verwendung des mit den Merkmalen 1 bis 6a, b beschriebenen Gemisches beansprucht, wobei die zu entfernenden Stoffe präzisiert werden (Merkmal 7), ein Temperaturbereich von 140 bis 240 ¡ C (Merkmal 8) genannt und die Abscheidung an einem Gewebe- oder Elektrofilter erfolgen soll (Merkmal 10). Die Aufzählung der zu entfernenden Verunreinigungen gemäß Merkmal 7 ist aufgabenhaft und kann keine erfinderische Tätigkeit begründen, zumal bereits in (1) beispielhaft die Entfernung von Schwefeldioxid und Stickoxiden beschrieben ist. Temperaturen von 140 bis 240¡ ergeben sich ebenfalls aus (1) und zwar auf Seite 11/12 Brückenabsatz, wonach in (1) in einem entsprechenden Temperaturbereich gearbeitet wird. Ebenso ist die Abscheidung von einem Gewebefilter aus (1) Seite 16, Absatz 2 bekannt, wodurch dem Fachmann alle Merkmale des Patentanspruchs 1 aus einer Zusammenschau der Entgegenhaltungen (1) und (2) bekannt sind und die beanspruchte Merkmalskombination nahegelegt ist. Die Verwendung eines nicht erfinderischen Mittels für einen bekannten Zweck kann jedenfalls keine erfinderische Tätigkeit begründen, weshalb die Verwendung gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I nicht patentfähig ist.

4.2. Mit dem Patentanspruch nach Hilfsantrag II wird die Verwendung (Merkmal 7) des mit den Merkmalen 1 bis 6 a, b und 10 beschriebenen Gemisches beansprucht, die sich vom Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I nur dadurch unterscheidet, daß anstelle des dort angegebenen Temperaturbereichs (Merkmal 8) ein Temperaturbereich von 170 bis 250¡C (Merkmal 9) angegeben wird. Dieses Temperaturmerkmal ist jedoch auch genauso wie das Merkmal 8 bereits durch (1) Seite 11/12 Brückenabsatz nahegelegt, wo Temperaturen von mindestens nur 120¡C besser 160¡C empfohlen werden, da durch hohe Temperaturen die Reaktionen beschleunigt würden. Damit beruht jedoch auch die Verwendung gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

4.3. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag III umfaßt ein Gemisch, wie es im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beschrieben ist und unterscheidet sich davon nur dadurch, daß als oberflächenaktiver Stoff nicht mehr wahlweise Aktivkohle und/oder Braunkohlen-Herdofenkoks als Sorptionsmittel genannt sind (Merkmale 6a, b), sondern nur noch Braunkohlen-Herdofenkoks beansprucht wird (Merkmale 6b). Dies kann jedoch diesen Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III keine größere erfinderische Qualität als dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag geben, da dem Fachmann geläufig ist, daß Aktivkohle und Braunkohlen-Herdofenkoks als Sorptionsmittel bei der Abgasreinigung austauschbar sind (vgl (3) Urban Cleve "Kohlenstoffhaltige Adsorbentien zur Rauchgasreinigung und Beseitigung der Rückstandprodukte", Vortrag auf der Tagung "Müllverbrennung und Umwelt" Berlin 2. bis 5. November 1987, insbesondere Seite 2 (handschriftlich) unten.

4.4. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV ist identisch mit dem nach Hilfsantrag I und daher aus denselben Gründen nicht patentfähig, wie dort bereits festgestellt wurde.

4.5. Dasselbe trifft für den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag V zu, der identisch ist mit dem nach Hilfsantrag II und damit aus denselben Gründen auch nicht patentfähig ist.

4.6. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI betrifft eine Verwendung gemäß Merkmal 7 eines Gemisches mit den Merkmalen 2 bis 5 und 6b, wobei die Temperaturbedingungen gemäß Merkmal 8 eingehalten und die Abscheidung an Geweben gemäß Merkmal 10 erfolgen soll. Dieser Patentanspruch stimmt weitgehend mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV (bzw dem Hilfsantrag I) überein und unterscheidet sich von diesem nur dadurch, daß anstelle der offensichtlich austauschbaren Aktivkohle (Merkmal 6a) und/oder Braunkohlen-Herdofenkoks (Merkmal 6b) hier die Aktivkohle gestrichen und als oberflächenaktive Substanz nur der Braunkohlen-Herdofenkoks verwendet werden soll. Zur Austauschbarkeit der beiden im Merkmal 6a und b genannten Sorptionsmittel wurde bereits bei der Diskussion von Hilfsantrag III Stellung genommen. Diese Beschränkung der Sorptionsmittel auf Braunkohlen-Herdofenkoks kann daher auch für den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI im Vergleich mit dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag IV in Verbindung mit den anderen Merkmalen keine erfinderische Tätigkeit begründen.

4.7. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag VII unterscheidet sich von dem nach Hilfsantrag V (bzw Hilfsantrag II) wiederum - wie gerade bei Hilfsantrag VI angesprochen - durch die Beschränkung der Sorptionsmittel (Merkmal 6a, b) auf den Braunkohlen-Herdofenkoks (Merkmal 6b). Auch dieser Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VII ist daher aus den in den Absätzen 4.2./4.5. und 4.6. angegebenen Gründen mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.

4.8. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VIII betrifft ein Gemisch, das alle Merkmale des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag III aufweist. Im Absatz 4.3. wurde erörtert, warum dieser Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III nicht patentfähig ist. Beim Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VIII kommt noch ein weiteres Merkmal hinzu und zwar, daß die Korngröße des Gemisches < 200 µm ist und die Korngröße des Braunkohlen-Herdofenkokses derjenigen des Calciumhydroxidpulvers entspricht (Merkmal 11). Doch auch dieses Merkmal 11 kann die erfinderische Qualität des beanspruchten Gemisches nicht begründen, da Korngrößen von unter 100 µm vorzugsweise unter 50 µm für Sorptionsmittel bei der Abgasreinigung aus (1) bekannt sind (vgl (1) S 10 le Abs). Auch wenn dort nicht expressis verbis wiedergegeben ist, daß die Korngröße des Kohlenstoff-Bestandteils derjenigen des Calciumhydroxids entspricht, liest der Fachmann dies aus den zitierten Angaben mit, zumal bei allzu großen Korngrößenunterschieden eine Entmischung des Gemisches im Gasstrom stattfinden würde. Das heißt, daß auch der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VIII nicht patentfähig ist.

Mit dem Patentanspruch 1 gemäß dem Hauptantrag und den acht Hilfsanträgen fallen alle weiteren Neben- oder Unteransprüche, da über die jeweiligen Anträge nur im ganzen entschieden werden kann (BGH GRUR 1997, 120 bis 122 - elektrisches Speicherheizgerät).

5. Die Patentinhaberin weist zur weiteren Begründung einer erfinderischen Tätigkeit und damit zur Patentfähigkeit eines der beanspruchten Gegenstände auf Beweisanzeichen hin. Sie nennt dazu im wesentlichen den glücklichen Griff, die Einfachheit der Lösung, den wirtschaftlichen Erfolg (Lizenznehmer, Nachahmer, Verwendung in vielen der deutschen Anlagen), Förderung der Technik und das dringende Bedürfnis nach einer Lösung zur Erfüllung der Vorgaben durch die TA-Luft.

Dabei ist jedoch zu beachten, daß solche Beweisanzeichen keinen zwingenden Schluß erlauben, daß die Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die Prüfung auf Beweisanzeichen kann nicht die technischfachmännische Bewertung der Erfindung gegenüber dem Stand der Technik ersetzen, jedoch kann sie diese Entscheidung positiv oder negativ beeinflussen. Ist aber die Bewertung aufgrund des Standes der Technik so eindeutig, daß Beweisanzeichen - ihrer Richtigkeit unterstellt - gar nichts ändern würden, bedarf es keines Eingehens darauf in der Entscheidung, weil es dann auf sie nicht mehr ankommt (Schulte, PatG 6. Aufl § 4 Rdn 66/67).

Aus den Erörterungen zu den Patentgegenständen nach Haupt- und Hilfsanträgen ist ersichtlich, daß diese Gegenstände gegenüber dem Stand der Technik eindeutig nicht erfinderisch sind. Damit haben die angeführten Beweisanzeichen keinen Einfluß auf die Entscheidung, und es erübrigt sich daher ein Eingehen auf dieselben.

Kahr Jordan Klante Egererbr/Na






BPatG:
Beschluss v. 19.02.2004
Az: 15 W (pat) 27/02


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