Bundespatentgericht:
Urteil vom 19. März 2002
Aktenzeichen: 1 Ni 8/01

(BPatG: Urteil v. 19.03.2002, Az.: 1 Ni 8/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Urteil vom 19. März 2002 (Aktenzeichen 1 Ni 8/01) das europäische Patent 0 226 693 für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland teilweise für nichtig erklärt. Der Grund dafür ist, dass der Wortlaut in Patentanspruch 1 geändert wurde. Es wurde festgelegt, dass der Hüllstofftransport und die Quersiegelung getrennt sind und dass zum Abzug des Hüllstoffbandes ständig umlaufende Hüllstoffförderer in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern verwendet werden, die im Bereich unterhalb der Formschulter mit Reibschluss am Hüllstoff anliegen. Außerdem ist das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstoffförderer und der Siegelbackenträger beliebig einstellbar. Die Klage wurde im Übrigen abgewiesen und die Kosten des Verfahrens wurden gegeneinander aufgehoben. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch kann die Beklagte die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung abwenden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Urteil v. 19.03.2002, Az: 1 Ni 8/01


Tenor

1. Das europäische Patent 0 226 693 wird für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß in Patentanspruch 1 nach den Worten "dadurch gekennzeichnet," anstelle des bisherigen Wortlauts folgender Wortlaut tritt:

"daß der Hüllstofftransport und die Quersiegelung getrennt sind, daß zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) ständig umlaufende Hüllstofförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen sind, die im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mit Reibschluß am Hüllstoff (5) anliegen, und daß das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) beliebig einstellbar ist."

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300,-- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Voranmeldung 35 45 228 vom 20. Dezember 1985 am 25. April 1986 angemeldeten, ua mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 226 693 (Streitpatent), das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer P 36 64 125 geführt wird und eine "Verpackungsmaschine zum Herstellen, Füllen und Verschließen von Beuteln" betrifft.

Das Streitpatent umfaßt 21 Patentansprüche. Der mit der Nichtigkeitsklage allein angegriffene Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung:

Verpackungsmaschine zum Herstellen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material und zum Füllen sowie Verschließen der Beutel, mit einem vorzugsweise vertikal verlaufenden Füllrohr (3), das von einer Formschulter umgeben ist, an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband zu einem Schlauch formbar ist, mit einem Längssiegelorgan (12) zur Verbindung der sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn und einer Quersiegelstation (6), die hinter dem Ausgangsende des Füllrohres angeordnet ist und Quersiegelbacken (81, 82) aufweist, welche an zwei um parallele Achsen synchron und gegenläufig drehbaren Siegelbackenträgern (26, 27) angeordnet sind, wobei jede Siegelbacke von einem relativ zum zugeordneten Siegelbackenträger schwenkbaren Backenhalter (36) gehalten ist, und wobei die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken während ihres Kontakts mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes ist, dadurch gekennzeichnet, daß zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) ständig umlaufende Hüllstofförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen sind, die im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mit Reibschluß am Hüllstoff (5) anliegen, und daß das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) einstellbar ist.

Die Klägerin ist der Auffassung, daß die Lehre des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht neu sei, zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Sie stützt sich hierzu auf die Druckschriften:

US 3 850 780 (NK3), DE 27 01 443 A1 (NK4), US 4 023 327 (NK7), US 2 950 588 (NK8) und US 3 028 294 (NK9).

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 226 693 im Umfang seines Anspruchs 1 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise den Anspruch 1 des Streitpatents nach dem überreichten Hilfsantrag 1 zu formulieren, weiter hilfsweise, ihn nach dem neu vorgelegten Hilfsantrag 2 zu formulieren, weiter hilfsweise, ihn nach dem überreichten Hilfsantrag 3 (ursprünglicher Hilfsantrag 2) zu formulieren, und die jeweils weitergehende Klage abzuweisen.

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 stimmt bis zu den Worten "dadurch gekennzeichnet" mit dem erteilten Anspruch 1 überein; der anschließende Text lautet:

dadurch gekennzeichnet, daß der Hüllstofftransport und die Quersiegelung getrennt sind, daß zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) ständig umlaufende Hüllstofförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen sind, die im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mit Reibschluß am Hüllstoff (5) anliegen, und daß das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) einstellbar ist.

Patentanspruch 1 nach dem zuletzt gestellten Hilfsantrag 2 weicht vom erteilten Anspruch 1 ebenfalls nur im kennzeichnenden Teil ab; er lautet insoweit:

dadurch gekennzeichnet, daß der Hüllstofftransport und die Quersiegelung getrennt sind, daß zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) ständig umlaufende Hüllstofförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen sind, die im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mit Reibschluß am Hüllstoff (5) anliegen, und daß das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) beliebig einstellbar ist.

Wegen des Hilfsantrags 3 wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 19. März 2002 verwiesen.

Die Beklagte ist der Klage in allen Punkten entgegengetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst hierzu eingereichten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I Die zulässige Klage hat teilweise Erfolg. Das Streitpatent kann weder mit dem erteilten noch mit dem durch den 1. Hilfsantrag verteidigten Patentanspruch 1 Bestand haben (Art.138 I Buchst a EPÜ iVm Art II § 6 I Nr 1 IntPatÜG, Art 52 EPÜ). Hingegen konnte nicht festgestellt werden, daß der mit dem zuletzt gestellten Hilfsantrag 2 verteidigte Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht patentfähig sei.

A. Zum Hauptantrag:

1) Patentanspruch 1 stellt in seiner erteilten Fassung unter Schutz eine 1. Verpackungsmaschine zum Herstellen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material und zum Füllen sowie Verschließen der Beutel, mit 1.1 einem vorzugsweise vertikal verlaufenden Füllrohr (3), 1.2 einer das Füllrohr (3) umgebenden Formschulter, an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband zu einem Schlauch formbar ist, 1.3 einem Längssiegelorgan (12) zur Verbindung der sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn 1.4 und einer Quersiegelstation (6);

2. die Quersiegelstation (6)

2.1 ist hinter dem Ausgangsende des Füllrohres angeordnet 2.2 und weist Quersiegelbacken (81,82) auf;

3. die Quersiegelbacken (81, 82) sind an zwei Siegelbackenträgern (26, 27) angeordnet;

4. die Siegelbackenträger (26, 27) sind um parallele Achsen synchron und gegenläufig drehbar;

5. jede Siegelbacke ist von einem Backenhalter (36) gehalten;

6. der Backenhalter (36) ist relativ zum zugeordneten Siegelbackenträger schwenkbar;

7. die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken ist während ihres Kontakts mit dem Folienschlauch höchstens gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes;

8. zum Abzug des Hüllstoffbandes (5) sind ständig umlaufende Hüllstofförderer (13) in Form von Abzugsrollen oder Abzugsbändern vorgesehen;

9. die Hüllstofförderer (13) liegen im Bereich unterhalb der Formschulter (11) mit Reibschluß am Hüllstoff (5) an;

10. das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) ist einstellbar.

2) Der Gegenstand dieses Anspruchs ist nicht neu. Aus der US 2 950 588 (NK8) ist eine Verpackungsmaschine mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 bekannt.

Nach Sp 1 Z 15 bis 29 betrifft diese Druckschrift eine Verpackungsmaschine zum Herstellen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material und zum Füllen sowie Verschließen der Beutel (Merkmal 1). Es sind ein vertikal verlaufendes Füllrohr 23, 15, eine das Füllrohr umgebende Formschulter 16, an der das kontinuierlich abziehbare Hüllstoffband zu einem Schlauch formbar ist, sowie ein Längssiegelorgan 43 zur Verbindung der sich überlappenden Ränder der Hüllstoffbahn, wie auch eine in den Fig 4 bis 6 der Entgegenhaltung im Detail gezeigte Quersiegelstation vorhanden (Merkmale 1.1 bis 1.4). Die Quersiegelstation ist entsprechend dem Merkmal 2 des Anspruchs 1 hinter dem Ausgangsende des Füllrohres angeordnet (s Fig 3) und weist Quersiegelbacken 46 auf. Die Quersiegelbacken 46 sind an zwei Siegelbackenträgern 52 angeordnet, die um parallele Achsen der Wellen 28, 57 synchron und gegenläufig drehbar sind (Merkmale 3 und 4). Jede Siegelbacke 46 ist von einem Backenhalter 45 gehalten, der relativ zum zugeordneten Siegelbackenträger 52 schwenkbar ist (Merkmale 5 und 6). Aus Sp 6 Z 23 f der Druckschrift geht hervor, daß die Bewegungsgeschwindigkeit der Siegelbacken 46 während ihres Kontakts mit dem Folienschlauch gleich der Geschwindigkeit des Hüllstoffbandes ist, so daß auch Merkmal 7 erfüllt ist. Die Merkmale 8 und 9 ergeben sich aus Sp 3 Z 51 ff und Sp 5 Z 1 f sowie Fig 1 und 3, in denen beschrieben und gezeigt ist, daß zum Abzug des Hüllstoffbandes ständig umlaufende Hüllstofförderer in Form von Abzugsrollen 44 vorgesehen sind, die im Bereich unterhalb der Formschulter mit Reibschluß am Hüllstoff anliegen.

Schließlich ist auch Merkmal 10 des Patentanspruchs 1 beim Gegenstand der NK8 verwirklicht: Die umlaufenden Siegelbackenträger werden während ihres Umlaufs für eine bestimmte Zeit angehalten. Das Umlaufen der Siegelbackenträger wird bei der bekannten Verpackungsmaschine durch Betätigung der elektrischen Kupplung 29 bewirkt. Die Kupplung 29 ihrerseits wird durch Markierungen 60 auf dem Hüllstoffband über einen Sensor (photoelectric cell mechanism 59) und ein Relais 61 angesteuert, s Sp 4 Abs 3 und Sp 7 Z 40 bis 43. Vergrößerte Abstände der Markierungen 60 führen zu verlängerten Stillstandzeiten der Siegelbackenträger zwischen den Umläufen. Damit ist erkennbar das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger, nämlich der (durchschnittlichen) Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger, einstellbar. Entgegen der Auffassung der Beklagten schließt es der erteilte Anspruch 1 nicht aus, daß das Verhältnis der beiden Geschwindigkeiten in der Weise einstellbar ist, daß - wie bei der aus NK8 bekannten Vorrichtung - die Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger während eines Umlaufs zeitweise den Wert Null annehmen kann. Nach Merkmal 8 ist nur für die Hüllstofförderer vorgeschrieben, daß sie ständig umlaufen.

B. Zum Hilfsantrag 1:

1) Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 durch das zusätzliche kennzeichnende Merkmal, 7a daß der Hüllstofftransport und die Quersiegelung getrennt sind.

Der Anspruch ist zulässig. Das eingefügte Merkmal ist Sp 3 Z 8 bis 10 der Streitpatentschrift entnehmbar. Auch die ursprüngliche Offenbarung ist gegeben (vgl S 5, 1. Abs der ursprünglichen Beschreibung).

2) Auch dem Gegenstand dieses Anspruchs fehlt die Neuheit, denn bei der Verpackungsmaschine nach der US 2 950 588 (NK8), die - wie vorstehend gezeigt - die Merkmale 1 bis 7 und 8 bis 10 aufweist, ist das Merkmal 7a, so wie es nach der Streitpatentschrift verstanden werden muß, ebenfalls gegeben:

Nach der Offenbarung der Streitpatentschrift ist eine Trennung von Hüllstofftransport und Quersiegelung schon dann verwirklicht, wenn die Hüllstofförderung nicht durch die Siegelbacken selbst, sondern durch eine besondere Vorrichtung erfolgt (vgl Sp 3 Z 8-10 in bezug auf den vorhergehenden Satz in Sp 3 Z 4-8 der Streitpatentschrift). Eine Trennung von Hüllstofftransport und Quersiegelung im Sinne des Merkmals 7a liegt daher auch dann vor, wenn zwischen den Antriebselementen für den Hüllstofftransport und der Quersiegelung eine Getriebeverbindung vorgesehen ist, die eine Veränderung des Drehzahlverhältnisses der Siegelbackenträger und der Welle für den Hüllstofftransport erlaubt. Dabei kann jede bekannte Methode verwendet werden, mit der das Drehzahlverhältnis zwischen zwei Wellen geändert werden kann, vgl Sp 11 Abs 3 in Verbindung mit Sp 3 Z 8 bis 10.

Beim Gegenstand der US 2 950 588 (NK8) sind der Hüllstofftransport und die Quersiegelung in der streitpatentgemäßen Weise getrennt. Die Hüllstofförderer sind durch Abzugsrollen (film feed rollers 44) gebildet, während die Quersiegelung durch die Siegelbacken (die faces 46) erfolgt. Dieser Betrachtungsweise steht es nicht entgegen, daß die Hüllstofförderer und die Siegelorgane von einem einzigen Motor (electric motor 24) angetrieben werden, denn durch die zeitweise Betätigung der elektrischen Kupplung 29 wird eine Veränderung des Drehzahlverhältnisses der Siegelbackenträger und der Welle für den Hüllstofftransport bewirkt, womit die nach dem eingefügten Merkmal 7a beanspruchte Trennung von Hüllstofftransport und Quersiegelung verwirklicht ist.

C. Zum Hilfsantrag 2:

1) Der Anspruch 1 nach dem zuletzt gestellten Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 dadurch, daß das letzte kennzeichnende Merkmal (Merkmal 10) durch das folgende Merkmal 10a ersetzt ist:

10a und daß das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) beliebig einstellbar ist.

Der Anspruch ist zulässig, denn das Merkmal, daß das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer (13) und der Siegelbackenträger (26, 27) "durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer (13) und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger (26, 27) beliebig" einstellbar ist, ist durch Sp 10 Z 5 bis 14 und Sp 11 Abs 1 bis 3 sowie Sp 3 Z 20 bis 23 der Streitpatentschrift gedeckt. Auch die ursprüngliche Offenbarung ist gegeben (vgl S 17, Abs 3 der ursprünglichen Beschreibung).

2) Der Gegenstand dieses Anspruchs ist neu. Keine der Entgegenhaltungen zeigt eine Verpackungsmaschine zum Herstellen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material und zum Füllen sowie Verschließen der Beutel, welche das Merkmal 10a des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 aufweist. Es wird auf die nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit verwiesen.

3) Die offensichtlich gewerblich anwendbare Verpackungsmaschine nach Anspruch 1 beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.

a) Als Fachmann ist vorliegend ein Dipl.-Ing. (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrungen in der Entwicklung von Verpackungsmaschinen anzusehen, die Schweiß- bzw Siegeleinrichtungen für Folienwerkstoffe aufweisen.

b) In der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift sind vorbekannte Verpackungsmaschinen beschrieben, bei denen die Herstellung der Beutel aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material erfolgt. Neben intermittierend arbeitenden Verpackungsmaschinen werden auch solche diskutiert, bei denen der Abzug des Hüllstoffbandes kontinuierlich erfolgt. Deren Arbeitsleistung ist in der Regel höher, die Umstellung auf andere Beutellängen oder auf andere Hüllstoffmaterialien mit abweichenden Siegelzeiten bereitet bei ihnen jedoch Schwierigkeiten.

Hiervon ausgehend ist der Erfindung nach Sp 2 Z 56 ff der Streitpatentschrift die Aufgabe zugrundegelegt, eine Verpackungsmaschine der eingangs erwähnten Art so auszubilden, daß die kontinuierliche Verarbeitung von Beuteln aus unterschiedlichen Hüllstoffen mit beliebig wählbarer Beutellänge möglich und eine besonders hohe Arbeitsleistung erzielbar ist.

Diese Aufgabe liest der Fachmann so, daß bei einer Verpackungsmaschine der eingangs erwähnten Art unter Beibehaltung der kontinuierlichen Arbeitsweise der Verpackungsmaschine und der damit schon einhergehenden besonders hohen Arbeitsleistung die Herstellung von Beuteln aus unterschiedlichen Hüllstoffen mit beliebig wählbarer Beutellänge möglich sein soll.

In der verteidigten Fassung des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 wird eine Lösung der Aufgabe in einer Vorrichtung mit den Merkmalen 1 bis 7, 7a, 8, 9 und 10a gesehen.

c) Nächstkommende Entgegenhaltung ist die US 2 950 588 (NK8). Die in ihr gezeigte und beschriebene Vorrichtung weist die Merkmale 1 bis 7, 7a, 8, und 9 auf, s vorstehende Ausführungen unter A 2) und B 2).

Bei der vorbekannten Vorrichtung laufen die Hüllstofförderer kontinuierlich mit einer fest eingestellten Geschwindigkeit, s NK8 Sp 1 Z 53 bis 55, Sp 3 Z 52f und Sp 5 Abs 1. Zur Herstellung von Packungen verschiedener Länge wird die Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbacken variiert. Hierbei erfolgt die Steuerung der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbacken durch photoelektrische Abtastung von Markierungen auf dem zugeführten Hüllstoffband, s Sp 5 Abs 3 iVm Sp 4 Abs 3. Die in der Entgegenhaltung gelehrte Variation allein der Geschwindigkeit der Siegelbackenträger konnte ersichtlich keine Anregung geben, das Verhältnis zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer und der Siegelbackenträger durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger beliebig einstellbar zu machen.

Auch unter Einbeziehung des übrigen Stands der Technik konnte der Fachmann die beanspruchte Lehre nicht ohne erfinderische Tätigkeit gewinnen.

d) Die US 3 850 780 (NK3) zeigt eine gattungsähnliche Verpackungsmaschine, die auch die Merkmale 8 und 9 aufweist, wobei für den Fachmann in Merkmal 9 die Angabe "unterhalb" im Sinne von "stromabwärts" verwirklicht ist. Die Geschwindigkeitssteuerung (positive velocity control), auf die die Klägerin besonders hinweist, sieht der Fachmann insbesondere durch die Teile 38, 42 und 46 mit 56 gegeben, s NK3 Fig 2 und 3 und Sp 3 Z 53 ff bzw Übersetzung NK6 S 6 Abs 2 ff. Diese Geschwindigkeitssteuerung soll allerdings allein zu einer Anpassung der Geschwindigkeit der Siegelbackenträger bzw Siegelbacken an die Geschwindigkeit des Hüllstoffs während der Siegelung führen. Eine Einstellbarkeit der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger, wie sie etwa für die Verarbeitung anderer Packungslängen benötigt würde, ist nicht angesprochen. Bei der dargestellten Maschine ließe sich eine (in begrenztem Umfang denkbare) Anpassung an andere Packungslängen nur durch Umbau erreichen (zB Austausch von Teilen 38, 42, 46, s Fig 2, 3). Die sich dem Fachmann aus der Druckschrift ergebenden Maßnahmen liefern somit keine Anregung, eine beliebige Einstellbarkeit des Verhältnisses zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer und der Siegelbackenträger durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger vorzusehen, sondern führen in eine andere Richtung.

e) Der DE 27 01 443 A1 (NK4) ist ebenfalls eine gattungsähnliche Verpackungsmaschine entnehmbar. Über den Abzug des Hüllstoffbandes unterhalb bzw stromab der Formschulter (Formkasten 20) ist nichts offenbart, so daß die Merkmale 8 und 9 nicht entnehmbar sind. Der vom Hauptantrieb (mit konstanter Geschwindigkeit umlaufender drehzahlregelbarer Gleichstrommotor 110, s Anspruch 21) abgeleitete Antrieb der Zufördereinrichtung 12 und der Schweißräder 30, 32 für die longitudinale Naht sorgt offenbar für eine Förderung des Hüllstoffs auch im Bereich der Quersiegelstation 34, vgl S 15 (handschriftlich) Abs 2. Die Siegelbackenträger bzw der Schweiß- und Schneidkopf 34 werden über einstellbare Mitnehmer 14 am Förderer 12 im Zusammenspiel mit einem Endschalter 126 gesteuert, der auf eine elektrische Kupplung (Bremskupplung 122) einwirkt, s S 15 Abs 2. Durch die Befestigung der Mitnehmer 14 am angetriebenen Förderband 12 ist das Verhältnis zwischen der Geschwindigkeit der Hüllstofförderung und der Geschwindigkeit der Siegelbackenträger auf ihrer Umlaufbahn festgelegt, s S 15 Abs 3, so daß auch durch diese Schrift der Fachmann nicht zu der Maßnahme geführt werden konnte, eine beliebige Einstellbarkeit des Verhältnisses zwischen der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer und der Siegelbackenträger durch voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger vorzusehen.

f) In der gattungsmäßig weiter ab liegenden US 3 028 294 (NK9) wird eine kontinuierlich arbeitende Verpackungsmaschine zur Verpackung von Einzelgegenständen in zwei Hüllstoffbahnen (upper film 61 und lower film 62) offenbart. Die beiden Hüllstoffbahnen werden zur Bildung eines Hüllstoffschlauches miteinander in Längsrichtung verschweißt. Des weiteren ist ein Querschweiß- und Schneideorgan 10 mit einer oder mehreren einseitig gegen eine Rolle 45 arbeitenden Querschweißbacken 15 vorgesehen. Hauptgegenstand der Druckschrift ist die Synchronisation dieses Querschweiß- und Schneideorgans 10 mit dem bewegten Hüllstoffschlauch und den darin befindlichen Gegenständen. Dazu wird nach der Lehre der Druckschrift der von einem (nicht gezeigten) geeigneten Motor angetriebene Förderer 51' als Zuführförderer für den Förderer 51 eingesetzt, s Sp 4 Z 35 bis 37. Als Antrieb des letztgenannten Förderers 51 dient ein (nicht gezeigter) variabler Antrieb (variable speed electric motor, s Sp 4 Z 28 bis 30). Der variable Antrieb ist offenbar gewählt, um eine Anpassung der Geschwindigkeit des Förderers 51 an die Geschwindigkeit des Zuführförderers 51' zu erreichen, der somit letztendlich die Geschwindigkeit der Förderung innerhalb der Verpackungsmaschine insgesamt bestimmt. Mit dieser Geschwindigkeit der Förderung ist die Geschwindigkeit des Trägers der Querschweißbacken 15 synchronisiert, denn durch einen Detektor (scanner 79) wird die Geschwindigkeit des Trägers der Querschweißbacken 15 in Anpassung an die Geschwindigkeit der an ihm vorbeilaufenden, im Hüllstoffschlauch eingeschlossenen Gegenstände gesteuert, s Fig 1 und 3 iVm Sp 6 le Abs. Da in der Entgegenhaltung zu dem Antrieb des Zuführförderers 51' nichts ausgeführt ist, konnte der Fachmann aus der Druckschrift schon keinen Hinweis bekommen, die Umfangsgeschwindigkeit des Zuführförderers 51' im Sinne eines Teilmerkmals des Merkmals 10a des Anspruchs 1 einstellbar zu machen. Noch viel weniger ergab sich für den Fachmann eine Anregung für die weitere anspruchsgemäße Maßnahme, die voneinander unabhängige Einstellung der Umfangsgeschwindigkeit der Hüllstofförderer und der Umfangsgeschwindigkeit der Siegelbackenträger vorzusehen.

g) Die US 4 023 327 (NK7) zeigt und beschreibt eine Verpackungsmaschine zum Herstellen von Beuteln aus einem Hüllstoffband aus heißversiegelbarem Material und zum Füllen sowie Verschließen der Beutel. Die Siegelung erfolgt in einer nicht näher erläuterten Querschweißstation 24. Über die Kinematik und den Antrieb der zwangsläufig in der Querschweißstation 24 vorhandenen Querschweißbacken finden sich in der Entgegenhaltung keine Angaben, so daß auch diese Druckschrift keinen Hinweis in Richtung auf die beanspruchte Lösung geben konnte, zumal die beschriebene Verpackungsmaschine nicht mit kontinuierlichem, sondern abweichend von der erfindungsgemäßen Verpackungsmaschine mit intermittierendem Hüllstofftransport arbeitet.

h) Der übrige im Verfahren befindliche bzw in der Streitpatentschrift genannte Stand der Technik liegt weiter ab. Er wurde von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr aufgegriffen. Eine nähere Diskussion dieser Entgegenhaltungen erübrigt sich daher.

4) Ausführungen zum Hilfsantrag 3 sind nicht veranlaßt. Der Antrag ist nur für den Fall gestellt, daß dem Hilfsantrag 2 nicht entsprochen werden kann.

II Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 Abs 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs 1 PatG iVm § 708 Nr 11, § 711 Satz 1 ZPO.

Dr. Landfermann Dr. Barton Dr. Frowein Richter Dr. Maier ist aus dem Bundespatentgericht ausgeschieden und kann daher nicht unterschreiben.

Dr. Landfermann Dr. Hacker Ko






BPatG:
Urteil v. 19.03.2002
Az: 1 Ni 8/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/1a2a363611e9/BPatG_Urteil_vom_19-Maerz-2002_Az_1-Ni-8-01




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