Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Juli 2001
Aktenzeichen: 27 W (pat) 117/00

(BPatG: Beschluss v. 31.07.2001, Az.: 27 W (pat) 117/00)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14. Oktober 1999 aufgehoben.

Gründe I.

Die Bezeichnung "FactoryXML" soll für "Datenverarbeitungsgeräte und Computer, Software, Nachrichtenwesen" als Marke geschützt werden.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Patentamts hat durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, daß sie sich aus zwei beschreibenden Begriffen zusammensetze, die auch insgesamt nur einen beschreibenden Gehalt, aber keine individuelle Kennzeichnungskraft besäßen. "Factory" sei das englische Wort für "Fabrik, Fabrikanlage" und werde auch schon in der deutschen Werbesprache vielfach zur Bezeichnung von Herstellungsstätten benutzt, wobei es sich nicht um Fabrikbetriebe im wörtlichen Sinne handeln müsse. Die Buchstabenfolge "XML" sei die Abkürzung für "Extensible Markup Language", den Fachausdruck für eine für das Internet neu eingeführte Beschreibungssprache. Die Anmeldemarke bedeute somit lediglich, daß es sich um einen Herstellungsbetrieb der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen handle, der mit "XML" arbeite. Das sei für das Publikum ohne weiteres verständlich, auch wenn "XML" in der angemeldeten Kombination nicht die übliche Stellung eines Bestimmungswortes aufweise. Eine hinreichende Unterscheidungskraft könne auch nicht daraus hergeleitet werden, daß es sich bei "XML" um ein universelles Dokumentenformat handle. Gerade weil dieses Format noch recht neu sei, aus bekannten Standardformaten weiterentwickelt sei und besondere Vorzüge biete, liege ein Hinweis auf seine Verwendung nahe und werde nur als Sachaussage verstanden.

Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Nach ihrer Meinung ist die angemeldete Wortbildung schutzfähig, weil es bei der Prüfung der Unterscheidungskraft auf die Marke als Ganzes ankomme. Die Folgerung der Markenstelle, aufgrund der Einzelbedeutung der in der Marke enthaltenen Begriffe sage diese lediglich aus, es handle sich "um einen Herstellungsbetrieb ..., der mit "XML" arbeite", lasse sich nicht ziehen. Zum einen habe hier nach englischen und deutschen Sprachregelungen das Wort "Factory" und nicht die Abkürzung "XML" attributiven Charakter, zum anderen erschöpfe sich die Bedeutung des Begriffes "Factory" im modernen Sprachgebrauch nicht in der Übersetzung "Fabrik" oder "Herstellungsstätte", sondern könne "als Umschreibung einer hohen Betriebsamkeit oder Arbeitsleistung" insbesondere im Zusammenhang mit anderen Wortteilen eine gänzlich andere, völlig eigene Bedeutung haben. Im übrigen sprächen zahlreiche Eintragungen von Marken, die aus "Factory" und einer weiteren beschreibenden Angabe zusammengesetzt seien, für die Schutzfähigkeit der Anmeldung.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde mußte in der Sache Erfolg haben, da der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung die Vorschriften des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht entgegenstehen, wenn es sich dabei letztlich vielleicht auch um einen Grenzfall handeln mag.

Mit der Markenstelle kann davon ausgegangen werden, daß es sich sowohl bei "Factory" als auch bei "XML" um beschreibende Angaben handelt, was auch von der Anmelderin nicht bestritten wird.

Ein Freihaltungsbedürfnis ist für den angemeldeten Begriff jedoch nicht erkennbar: Weder gibt es eine solche Bezeichnung noch liegt sie - von der sprachlichen Bildung her gesehen - als beschreibende Angabe nahe, worauf die Anmelderin zu Recht verweisen hat. Die Markenstelle hat dementsprechend diese Frage auch offen gelassen.

Der Senat vermag der Anmeldemarke aber auch eine (noch) hinreichende Unterscheidungskraft nicht abzusprechen. Denn ihre "Übersetzung" besagt nur, daß hier das Wort "Fabrik" mit der Bezeichnung eines Dokumentenformates in der Weise verbunden wurde, daß - vom üblichen Sprachgebrauch her gesehen - das erstere Wort als Attribut erscheint und somit das zweite näher bestimmt (analog etwa "Fabrikprodukt"). Das macht aber ganz offensichtlich keinen Sinn, weil man sich unter einer Fabrik-XML, also einem Fabrik-Dokumentenformat, nichts Vernünftiges vorstellen kann. Man darf dies aber auch sprachlich nicht einfach umkehren (etwa "XML-Fabrik"), weil die Reihenfolge zweier Wörter in einem zusammengesetzten deutschen Wort von entscheidender Bedeutung für dessen Sinngehalt ist (so wie z. B. "Fabrikprodukt" etwas ganz anderes aussagt als "Produktfabrik"). Ganz abgesehen davon wäre auch der Begriff "XML-Fabrik" für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht ohne weiteres beschreibend, jedenfalls nicht in dem von der Markenstelle angenommenen Sinn. Zu der von ihr vorgenommenen Deutung gelangt der Verkehr wohl erst nach einigem Überlegen, wobei ihm einerseits auffallen wird, daß die angemeldete Wortbildung sicherlich eine begriffliche Unschärfe zeigt, und andererseits, daß sie eine für eine solche (beschreibende) Aussage jedenfalls nicht ohne weiteres sprachübliche Form aufweist; dabei mag auch eine Rolle spielen, daß das Wort "Factory" in der Werbesprache meist nicht einfach als Synonym für "Herstellungsbetrieb" sondern, wie auch die Anmelderin sagt, in einem oft umfassenderen Sinn verwendet wird (vgl etwa Beispiele aus der Werbung wie "Suzuki fun factory"; "Lauer, the innovation factory" usw). Das führt - zusammen mit den sonstigen Kriterien des vorliegenden Falles - dazu, daß sich für den Verkehr der Eindruck einer bloßen beschreibenden Sachangabe nicht ohne weiteres aufdrängt, der Anmeldung also ein Mindestmaß an individueller Kennzeichnungskraft letztlich nicht abzusprechen ist. Daß die Marke einen sprechenden Gehalt besitzen mag, schadet nicht; denn an der Bildung derartiger sprechender Marken besteht durchaus ein legitimes und - wie die Vielzahl sprechender Marken zeigt - auch tatsächliches Interesse der Wettbewerber. Selbstverständlich ist die konkret beanspruchte Gesamtbezeichnung nicht nur für die Beurteilung der Schutzfähigkeit der Anmeldemarke maßgeblich, sondern bestimmt auch deren Schutzumfang, so daß Mitbewerber nicht an der beschreibenden Verwendung einzelner Wortelemente oder inhaltsgleicher Angaben in anderer Form gehindert sind (vgl zB BPatG 25 W (pat) 8/01 "Techweb" - demnächst veröffentlicht bei PAVIS PROMA).

Nach allem war unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Beschwerde stattzugeben.

Vors. Richter Dr. Schade Friehe-Wich Albertist aus dem Gerichtausgeschieden Albert Mü/Wel






BPatG:
Beschluss v. 31.07.2001
Az: 27 W (pat) 117/00


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