Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 17. August 1998
Aktenzeichen: 6 U 52/98

(OLG Köln: Urteil v. 17.08.1998, Az.: 6 U 52/98)

1. Der Begriff "Anwendungsbereich" i.S. von Art. 3 § 7 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMNG / § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMG ist nicht deckungsgleich mit den Begriffen "Anwendungsgebiet" oder "Indikation"; er umfaßt auch eng benachbarte und verwandte Anwendungsgebiete. Als Anwendungsbereich kann auch ein mehrere Indikationen umfassendes übergeordnetes Krankheitsbild in Betracht kommen. 2. Die für das D-glucosaminsulfathaltige Arzneimittel "Progona" gewählten Anwendungsgebiete "Minderung von Schmerz und Verbesserung der Funktion bei leichter bis mittelschwerer Kniegelenkarthrose" umfassen grundsätzlich die für das oxphenbutazonhaltige Vorgängerprodukt ("Altpräparat") "Californit" angegebenen Indikationen "akute Schübe von spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew), akute Schübe der Polyarthritis und Gichtanfälle". 3. Zur Frage der Glaubhaftmachung der Veränderung der Anwendungsbereiche eines Arzneimittels bei Austausch des arzneilich wirksamen Bestandteils eines sog. "Altpräparates" in Anpassung an eine Aufbereitungsmonographie.

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 5. März 1998 verkündete Urteil der 31. Zivilkam-mer des Landgerichts Köln - 31 O 991/97 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die An-tragstellerin zu tragen.

Gründe

Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige

Berufung der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil den

Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung unter gleichzeitiger

Aufhebung der zunächst im Beschlußweg erlassenen einstweiligen

Verfügung abgewiesen.

Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die gemäß § 25 UWG für

den Verfügungsgrund der Dringlichkeit sprechende Vermutung im

Streitfall etwa deshalb widerlegt ist, weil die Antragstellerin

trotz angeblicher Kenntnis der angegriffenen Verletzungshandlung

mit der Aufnahme der Rechtsverfolgung zu lange gewartet, mithin die

nach Maßgabe der vorbezeichneten Dringlichkeitsvermutung

grundsätzlich anzunehmende Eilbedürftigkeit des

Rechtsschutzersuchens selbst widerlegt hat. Das kann hier deshalb

offenbleiben, weil es sich bei dem Verfügungsgrund der

Dringlichkeit um eine besondere Ausprägung des allgemeinen

Rechtsschutzbedürfnisses handelt, dessen Fehlen nur einer

zusprechenden Entscheidung entgegensteht und dessen Vorhandensein

daher unentschieden bleiben kann, wenn sich der Verfügungsantrag

aus ohne weiteres ersichtlichen anderen Gründen - auch materieller

Art - als unberechtigt erweist (vgl. BGH NJW 1978, 2032; Teplitzky,

Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, 54. Kap., Rdn. 15

m.w.N.). So liegt der Fall hier.

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist

jedenfalls unbegründet. Der Antragstellerin ist die

Glaubhaftmachung der Voraussetzungen ihres unter dem Gesichtspunkt

des § 1 UWG wegen angeblichen Inverkehrbringens eines entgegen den

Bestimmungen der §§ 21 ff, 29 Abs. 3 AMG nicht zugelassenen

Arzneimittels geltend gemachten Unterlassungsbegehrens nicht in

einer für den Erlaß bzw. die Aufrechterhaltung der erstrebten

einstweiligen Verfügung ausreichenden Weise gelungen.

Der auf den vorbezeichneten Aspekt des "Rechtsbruchs" gestützte

Unterlassungsanspruch der Antragstellerin gemäß § 1 UWG setzt im

Streitfall voraus, daß das Arzneimittel "Progona" der

Antragsgegnerinnen tatsächlich unter Verstoß gegen die §§ 21 ff, 29

Abs. 3 AMG i.V. mit der der Bestimmung des § 105 Abs. 3 a Satz 2

Nr. 5 AMG wortgleichen Regelung des Artikel 3 § 7 Abs. 3 a Satz 2

Nr. 5 AMNG ohne die erforderliche Zulassung in den Verkehr gebracht

worden ist. Da das den Wirkstoff D-Glucosaminsulfat enthaltende

Monopräparat "Progona" gegen Austausch der in dem fiktiv

zugelassenen Alt-Arzneimittel "Californit" enthaltenen einzigen

arzneilichen Wirksubstanz Oxyphenbutazon unter Anpassung an die vom

damaligen Bundesgesundheitsamt am 05.06.1992 veröffentlichte

Aufbereitsungsmonographie "D-Glucosamin" entstanden ist, können die

Antragsgegnerinnen für ihr solcherart aus dem Alt-Arzneimittel

"Californit" hervorgegangenes Präparat nur dann wiederum die

fiktive Zulassung von "Californit" in Anspruch nehmen, wenn die

Voraussetzungen des Art. 3 § 7 Abs. 3 a Satz 2 Nr. 5 AMNG bzw. der

diesem entsprechenden Bestimmung des § 105 Abs. 3 a Satz 2 Nr. 5

AMG i.d.F. des 5. ÀnderungsG vom 19.10.1994 (BGBl I, 3018 ff)

gewahrt sind.

Danach darf ein Fertigarzneimittel abweichend von dem in § 29

Abs. 3 Nr. 1 AMG bei Ànderung der Art oder Menge der arzneilich

wirksamen Bestandteile an sich vorgesehenen

Neuzulassungserfordernis u.a. mit einem der Art nach geänderten

arzneilich wirksamen Bestandteil innerhalb des gleichen

Anwendungsbereichs und der gleichen Therapierichtung auch ohne Neu-

bzw. Nachzulassung in den Verkehr gebracht werden, wenn das

Arzneimittel insgesamt u.a. einer nach Maßgabe von § 25 Abs. 7 Satz

1 AMG erstellten und bekanntgemachten sog. Aufbereitungsmonographie

angepaßt und durch die Anpassung nicht verschreibungspflichtig

wird. Daß das verfahrensgegenständliche, unstreitig nicht der

Verschreibungspflicht unterworfene Arzneimittel "Progona" der

Antragsgegnerinnen unter Einhaltung der formalen

Anforderungen an die oben erwähnte, unter dem Datum des 05.06.1992

im Bundesanzeiger veröffentlichte Aufbereitungsmonographie

"D-Glucosamin" des Bundesgesundheitsamtes (BGA) angepaßt wurde,

wird - nachdem die Antragsgegnerinnen den fristgerechten Eingang

der Ànderungsanzeige vom 12.08.1994 beim damaligen BGA durch

Vorlage des Rückscheins sowie der weiteren Korrespondenz belegt

haben (Anlagen 7, 8, 9 und 10 zum Schriftsatz der

Antragsgegnerinnen vom 10.02.1998) - von der Antragstellerin nicht

mehr in Abrede gestellt. Unstreitig ist ebenfalls, daß das

Arzneimittel "Progona" im Hinblick auf die in der erwähnten

Aufbereitungsmonographie "D-Glucosamin" angegebenen

Anwendungsgebiete deren Vorgaben entspricht und daß das geänderte

Arzneimittel "Progona" in der "gleichen Therapierichtung" liegt,

wie sein Vorgängerprodukt "Californit", aus dem es hervorgegangen

ist. Streitig ist allein die Frage, ob das geänderte Arzneimittel

"Progona" sich innerhalb des gleichen Anwendungsbereichs wie sein -

fiktiv zugelassenes - Vorgängerprodukt bewegt. Daß letzteres nicht

der Fall sei und "Progona" sich daher nicht an die fiktive

Zulassung seines Vorgängerpräparates "anhängen" kann, sondern der

eigenen, jedoch unzweifelhaft nicht vorliegenden Zulassung bedarf,

vermochte die Antragstellerin jedoch auch unter Berücksichtigung

der in der Berufung ergänzend vorgelegten weiteren Unterlagen und

Parteigutachten nicht hinreichend glaubhaft zu machen.

Zu Recht weist die Antragstellerin im Ansatz allerdings darauf

hin, daß die Frage, ob das geänderte Arzneimittel sich innerhalb

des "gleichen Anwendungsbereichs" bewegt, nicht an das

ursprüngliche, im Jahre 1976 registrierte Vorgängerprodukt "Imbun"

anzuknüpfen hat, welches als Anwendungsgebiete u.a. "entzündlicher

und degenerativer Rheumatismus wie primär chronische Polyarthritis,

Arthrosen, Spondylosen, Myalgien ..." aufwies. Gegenüberzustellen

und im Hinblick auf die Anwendungsbereiche zu beurteilen sind

vielmehr das Arzneimittel im Zeitpunkt der Vornahme der Ànderung,

hier konkret der Ànderungsanzeige vom 12.08.1994, sowie das sodann

hieraus hervorgegangene geänderte Arzneimittel. Im Streitfall

bedeutet dies aber, daß der Anwendungsbereich des für die

Anwendungsgebiete "akute Schübe von Morbus Bechterew, akute Schübe

der Polyarthritis und Gichtanfälle" indizierten, die arzneiliche

Wirksubstanz Oxyphenbutazon aufweisenden Arzneimittels "Californit"

zu vergleichen ist mit dem Anwendungsbereich des die

Anwendungsgebiete "zur Minderung von Schmerz und Verbesserung der

Funktion bei leichter bis mittelschwerer Kniegelenksarthrose"

angebenden D-glucosaminsulfathaltigen Monopräparats "Progona". Daß

die Anwendungsgebiete dieser beiden Arzneimittel nicht im "gleichen

Anwendungsbereich" i.S. von Art. 3 § 7 Abs. 3 a Satz 2 Nr. 5 AMNG/§

105 Abs. 3 a Satz 2 Nr. 5 AMG liegen, ist im vorliegenden

summarischen Verfahren der einstweiligen Verfügung jedoch nicht in

einer zur Óberzeugung des erkennenden Senats ausreichenden Weise

glaubhaft gemacht.

Der in der erwähnten gesetzlichen Bestimmung gebrauchte Begriff

"Anwendungsbereich" deckt sich nicht mit den Begriffen

"Anwendungsgebiet" oder "Indikation". Er ist vielmehr weiter gefaßt

und soll nicht nur ein einzelnes konkret formuliertes

Anwendungsgebiet, sondern auch eng benachbarte und verwandte

Anwendungsgebiete mitumfassen. Als Anwendungsbereich kann daher

auch ein mehrere Indikationen umfassendes übergeordnetes

Krankheitsbild verstanden werden (Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht,

Anm. 33 und 26 zu § 105 AMG m.w.N.). Folgerichtig heißt es daher in

der u.a. zu Art. 3 § 7 Abs. 3 a Satz 2 Nr. 5 AMNG erlassenen 6.

Bekanntmachung des damaligen BGA vom 23.10.1990, daß bei der

Beurteilung, ob eine Ànderung i.S. der vorbezeichneten Vorschrift

im bisherigen Anwendungsbereich des Arzneimittels erfolgt, darauf

abzustellen ist, ob die gewählten Indikationsangaben mit den

bisherigen Indikationsangaben nahe verwandt sind und ob das

Arzneimittel weiterhin im wesentlichen der Behandlung der gleichen

Grunderkrankung dient (vgl. Abschnitt A. Ziff. 3 lit. b) aa) der

Bekanntmachung).

Weder nach den in erster Instanz vorgelegten, noch nach den mit

ihrer Berufung sodann zu den Akten gereichten weiteren

gutachterlichen Stellungnahmen und Unterlagen hat die

Antragstellerin jedoch glaubhaft machen können, daß für die das

D-glucosaminsulfathaltige Arzneimittel "Progona" gewählten

Anwendungsgebiete "zur Minderung von Schmerz und Verbesserung der

Funktion bei leichter bis mittelschwerer Kniegelenksarthrose" mit

den bisherigen Indikationsangaben des oxyphenbutazonhaltigen

Vorgängerprodukts "Californit", nämlich zuletzt "akute Schübe von

spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew), akute Schübe der

Polyarthritis und Gichtanfälle" nicht i.S. der vorstehenden

Definitionen zumindest nahe verwandt sind und nicht weiterhin im

wesentlichen der Behandlung der gleichen Grunderkrankung

dienen.

Was das von der Antragstellerin bereits in erster Instanz als

Mittel der Glaubhaftmachung vorgelegte Schreiben des BfArM vom

19.12.1996 (Bl. 51 d.A.) angeht, so gilt das bereits deshalb, weil

der genaue Anlaß und Hintergrund dieser sich nicht mit den

streitgegenständlichen Arzneimitteln, sondern mit Drittprodukten

befassenden Mitteilung unklar geblieben ist. Bei der durch die

Antragstellerin vorgenommenen Bewertung dieses Schreibens, wonach

dieses angeblich die Einschätzung des BfArM belege, daß die dem

arzneilichen Wirkstoff Oxyphenbutazon stoffidentische Substanz

Phenylbutazon bzw. ein diese arzneilich wirksamen Bestandteile

aufweisendes Monopräparat nicht im gleichen Anwendungsbereich liege

wie ein die Substanz D-Glucosamin enthaltendes Arzneimittel,

handelt es sich daher letztlich um Schlußfolgerungen, deren

tatsächliche Grundlagen sich der zuverlässigen

Beurteilungsmöglichkeit des Senats entziehen.

Das ferner erstinstanzlich von der Antragstellerin vorgelegte

Parteigutachten des Priv.Doz. Dr. Med. B. (AS 26 = 133 - 136 d.A.)

gelangt zwar zu dem Ergebnis, daß die Anwendungsbereiche von

Oxyphenbutazon und D-Glucosamin nicht gleich seien und daß das

geänderte Arzneimittel auch nicht der Behandlung der gleichen

Grunderkrankung diene. Aus den vom Landgericht in den

Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils im einzelnen

dargestellten überzeugenden Gründen, auf die der erkennende Senat

zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 543 Abs. 1 ZPO Bezug

nimmt, stehen dem jedoch die von den Antragsgegnerinnen vorgelegten

Parteigutachten der Prof.´es Dr.´es W. (Anlage AG 18) vom

02.02.1998, Sch. (Anlage AG 19) vom 29.01.1998 und P. (Anlage AG

20) vom 02.02.1998 entgegen, wonach im Ergebnis sowohl

Oxyphenbutazon als auch D-Glucosamnisulfat als chemisch definierte

Therapeutika nichtsteroidaler Struktur allein der symptomatischen

Behandlung der gleichermaßen bei degenerativen Arthrosen wie bei

primär entzündlichen arthritischen Erkrankungen des rheumatischen

Formenkreises auftretenden, u.a. mit entzündlichen Prozessen

einhergehenden Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen dienten.

Alle drei von den Antragsgegnerinnen eingereichten Parteigutachten

betonen dabei, daß Schmerzen bei Gonarthrosen leichter bis

mittelschwerer Ausprägung in aller Regel auf entzündliche Vorgänge

im Gelenk zurückgingen. Diese gutachterliche Aussage stimmt

wiederum überein mit den eigenen Angaben der Antragstellerin in

ihrer dem Arzneimittel DONA 200 S beigefügten Packungsbeilage,

wonach es beim Krankheitsbild der Arthrose "... häufig zu

entzündlichen Reaktionen im Gelenk ... und damit letztlich zu mehr

oder weniger ausgeprägten schmerzhaften Beschwerden kommen" könne

(vgl. Anlage AG 16). Gleiches gilt hinsichtlich der Angaben der

Antragstellerin in ihrer Informationsbroschüre "emotions" (Anlage

AG 17), in der sie mehrfach gerade für das Krankheitsbild der -

degenerativen - Kniegelenksarthrose auf eine damit einhergehende

akute "schmerzhafte Entzündung der Gelenkinnenhaut, die jede

Bewegung zur Qual werden läßt" hinweist (vgl. S. 7, 8, 9, 10, 15

der Broschüre). Jedenfalls in diesen Fällen entzündlich aktivierter

Arthrose liegt danach aber das D-glucosaminhaltige Präparat

"Progona" der Antragsgegnerinnen im gleichen Anwendungsbereich wie

Oxyphenbutazon bzw. das diesen Wirkstoff aufweisende

Vorgängerpräparat "Californit", welches für akute Schübe - primär -

entzündlicher Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises

indiziert war. Zu Recht hat daher das Landgericht in dem

angefochtenen Urteil diesen Parteigutachten einen der

Óberzeugungskraft wiederum des von der Antragstellerin vorgelegten

Gutachtens entgegenstehenden Stellenwert beigemessen.

Die seitens der Antragstellerin gegen die vom Landgericht

vorgenommene Würdigung der erwähnten Parteigutachten, wonach diese

letztlich der Glaubhaftmachung der Voraussetzungen des geltend

gemachten Unterlassungstatbestandes durch die Antragstellerin

entgegenstehen, vorgebrachten Bedenken und Einwände überzeugen

demgegenüber nicht.

Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang beanstandet,

das Landgericht habe zu Unrecht dem von ihr - der Antragstellerin -

vorgelegten Parteigutachten des nach der Behauptung der

Antragstellerin fachlich besonders qualifizierten Dr. B. keinen

höheren Stellenwert als den gegnerischen Parteigutachten

zugemessen, greift das nicht. Denn selbst wenn dem Verfasser Priv.

Doz. Dr. B. eine besondere Sachkunde und hohe fachliche

Qualifikation beizumessen sein sollte, die sich u.a. in der

Mitarbeit in der Kommission B 2 auf dem Gebiet der Rheumatologie

und damit auch für die Aufbereitungsmonografien zu Oxyphenbutazon

und D-Glucosaminsulfat niedergeschlagen hat, disqualifiziert dies

nicht zwangsläufig die Parteigutachter der Antragsgegnerinnen, die

ausweislich der ihren Gutachten jeweils beigefügten beruflichen

Lebensläufe sämtlich im Bereich der Rheumatologie langjährig tätig

waren und fachspezifische Erfahrungen erwerben konnten.

Entsprechendes gilt im Hinblick auf die weiter von der

Antragstellerin angeführte, in dem landgerichtlichen Urteil

angeblich zu verzeichnende Óberbewertung der Óbereinstimmung der 3.

Ebene des ATC-Codes. Das Landgericht hat die genannte

Óbereinstimmung in dem angefochtenen Urteil erkennbar nur als einen

weiteren Umstand herangezogen, der zusätzlich zu den übrigen,

bereits für die Einhaltung des "gleichen Anwendungsbereichs"

sprechenden Umstände herangezogen worden ist.

Die in der Berufung eingereichten weiteren Unterlagen vermögen

im Ergebnis ebenfalls eine von der des Landgerichts abweichende

Würdigung nicht zu rechtfertigen.

Zwar belegen die von der Antragstellerin ergänzend eingereichten

Parteigutachten des Prof. Dr. M., Prof. Dr. Pf. und Prof. Dr. Ba.

im Ergebnis den prozessualen Standpunkt der Antragstellerin, wonach

die für die arzneilichen Wirkstoffe Oxyphenbutazon und

D-Glucosaminsulfat jeweils angegebenen Anwendungsgebiete u.a. wegen

der unterschiedlichen therapeutischen Wirkdauer (akut einsetzende

schmerz- und entzündungshemmende Wirksamkeit vs. erst längerfristig

einsetzender schmerzlindernder und entzündungshemmender Wirkung)

der genannten Substanzen nicht im gleichen Anwendungsbereich lägen

und die Arzneimittel auch nicht im wesentlichen der gleichen

Grunderkrankung dienten. Zumindest die Parteigutachten Pf. und Ba.

offenbaren dabei jedoch einen zu engen Beurteilungsmaßstab bei der

Frage, ob die angegebenen Anwendungsgebiete sich im gleichen

Anwendungsbereich bewegen. Denn beide Gutachten gehen offenkundig

vom Erfordernis einer Austauschbarkeit der Wirksubstanzen unter

Beibehalt der jeweiligen "ursprünglichen" Anwendungsgebiete bzw.

davon aus, daß der eine Stoff durch den anderen bei identischem

Beibehalt des Anwendungsbereichs zu ersetzen ist (vgl. Gutachten

Ba. vom 02.05.1998, Bl. 268 d.A.; Gutachten Pf. vom 16.04.1998, Bl.

262 d.A.). Damit wird aber der Begriff des "gleichen

Anwendungsbereichs", der nach den obigen Ausführungen weder

Identität der Anwendungsgebiete, noch deren teilweises Óberlappen

bzw. eine gemeinsame Schnittmenge notwendig voraussetzt, zu eng

verstanden. Ungeachtet dieser, gegenüber den erwähnten

Parteigutachten der Antragstellerin vorzubringenden Bedenken, haben

aber auch hier die Antragsgegnerinnen durch die ergänzenden

Gutachten Parham und Schattenkircher ihren bereits in erster

Instanz belegten Standpunkt, wonach beide Anwedungsgebiete im

gleichen Anwendungsbereich liegen und das "neue" Arzneimittel im

wesentlichen der Behandlung der gleichen Grunderkrankung, nämlich

von primär oder sekundär entzündlichen schmerzhaften

Gelenkerkrankungen des rheumatischen Formenkreises diene, erhärten

und ausbauen können. Haben die Antragsgegnerinnen danach aber

zumindest wahrscheinlich machen können, daß die für ihr Medikament

"Progona" aufgeführten Wirkstoffangaben trotz des

Wirkstoffaustauschs den Indikationsangaben des Medikaments

"Californit" zumindest nahe verwandt sind und das neue Arzneimittel

weiterhin der Behandlung der im wesentlichen gleichen

Grunderkrankung dient, ist der Antragstellerin die ihr obliegende

Glaubhaftmachung eines Verstoßes gegen die eingangs genannten

Zulassungsvorschriften insgesamt mißlungen.

Daran ändert auch das Schreiben des BfArM vom 20.02.1998 nichts.

Die hierin zum Ausdruck gebrachte Auffassung, daß "nach

gegenwärtiger Beurteilung" die Anpassung an die

D-Glucosaminsulfat-Monographie des BGA's durch Austausch des

Wirkstoffs Oxyphenbutazon gegen D-Glucosaminsulfat nicht auf § 105

Abs. 3 a Satz 2 Nr. 5 AMG gestützt werden könne, läßt keine

endgültige und verbindliche, im Ergebnis feststehende Konklusion

des BfArM erkennen, sondern allenfalls eine "vorläufige",

Einschätzung der Situation, die jedoch von weiteren - u.a. durch im

Verwaltungsverfahren bei den Antragsgegnerinnen einzuholende -

Stellungnahmen noch beeinflußbar ist.

Können sich die Parteien nach alledem auf gutachterliche

Stellungnahmen und Unterlagen berufen, die ihre jeweiligen

unterschiedlichen und widersprüchlichen prozessualen Standpunkte

belegen, ohne daß den Glaubhaftmachungsmitteln der Antragstellerin

in bezug auf die methodische und inhaltliche Aussagekraft der

Vorzug vor denjenigen der Antragsgegnerinnen zu geben ist, wirkt

die sich hieraus ergebende Verfahrenssituation des non liquet zu

Lasten der Antragstellerin aus. Denn sie trifft als diejenige, die

aus der angeblichen arzneimittelrechtlichen Unzulässigkeit des

unter Einhaltung der formalen Anforderungen an die

Aufbereitungsmonographie angepaßten Arzneimittels einen

zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch herleiten will, die

Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für die tatsächlichen

Voraussetzungen des dafür vorauszusetzenden

Unlauterkeitstatbestands. Dem widerspricht es nicht, daß die

Antragsgegnerinnen im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ggf. die

Voraussetzungen des zu § 29 Abs. 3 AMG für fiktiv zugelassene

Alt-Arzneimittel geschaffenen Ausnahmetatbestands des § 105 Abs. 3

a Satz 2 Nr. 5 AMG im einzelnen vorzutragen und zu beweisen hätten.

Für den zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch der Antragstellerin,

der wiederum als materielles Erfordernis einen Verstoß gegen die

erwähnten arzneimittelrechtlichen Bestimmungen anspruchsbegründend

voraussetzt, sind diese Darlegungs- und Beweislastgrundsätze des

Verwaltungsverfahrens jedenfalls im Streitfall nicht übertragbar

und gelten daher die allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln,

wonach grundsätzlich der Anspruchsteller die Voraussetzungen des

geltend gemachten Anspruchs zu beweisen hat.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig (§ 545 Abs. 2

ZPO).






OLG Köln:
Urteil v. 17.08.1998
Az: 6 U 52/98


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