Bundespatentgericht:
Urteil vom 7. Mai 2002
Aktenzeichen: 4 Ni 4/01

(BPatG: Urteil v. 07.05.2002, Az.: 4 Ni 4/01)

Tenor

1. Das deutsche Patent 30 15 312 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass an die Stelle des erteilten Anspruchs 1 folgender Anspruch 1 tritt, dem sich die erteilten Ansprüche 2 bis 8 anschließen:

1. Verfahren zum Anzeigen der Empfangsverhältnisse bei Funkuhrempfängern für die binärkodierten Zeitsignale des Senders DCF 77 nach dem Einschalten, mit einer Anzeigevorrichtung für die Uhrzeit, dadurch gekennzeichnet, dass bei jedem Sekundenimpuls die durch Störungen verursachten Abweichungen der Zeitsignale von idealen Rechtecksignalen im Empfänger selbst automatisch ermittelt werden und davon Qualitätskennzahlen abgeleitet werden, die auf der Anzeigevorrichtung im Sekundentakt zur Anzeige gebracht werden und dass diese Anzeige abgeschaltet wird, sobald ein vollständiges Zeittelegramm empfangen wurde und zur Anzeige gebracht werden kann, wobei daraus, dass statt des Begriffs "Sekundenimpulse" der Begriff "Rechtecksignale" verwendet wird, keine Rechte hergeleitet werden können.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 5000,- vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des am 21. April 1980 angemeldeten, inzwischen durch Zeitablauf erloschenen deutschen Patents 30 15 312 (Streitpatent), das ein "Verfahren zum Anzeigen der Empfangsverhältnisse bei Funkuhrempfängern" betrifft und 8 Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zum Anzeigen der Empfangsverhältnisse bei Funkuhrempfängern für die binärkodierten Zeitsignale des Senders DCF 77 nach dem Einschalten, mit einer Anzeigevorrichtung für die Uhrzeit, dadurch gekennzeichnet, dass bei jedem Sekundenimpuls die durch Störungen verursachten Abweichungen der Zeitsignale von idealen Rechtecksignalen im Empfänger selbst automatisch ermittelt werden und davon Qualitätskennzahlen abgeleitet werden, die auf der Anzeigevorrichtung im Sekundentakt zur Anzeige gebracht werden und dass diese Anzeige abgeschaltet wird, sobald ein vollständiges Zeittelegramm empfangen wurde und zur Anzeige gebracht werden kann.

Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Patents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, das Patent offenbare die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne und die Lehre des Streitpatents beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik. Zur Begründung beruft sie sich auf die Druckschrift

(1) DE 22 42 638 B2.

Der Senat hat noch folgende Druckschriften in das Verfahren eingeführt:

(2) die Uhr, Uhren, Juwelen und Schmuck, ujs 37-16/78 (TELE-BÜRK)

(3) ujs 37 - 24/79, 38 - 24/79

(4) ujs 40 - 4/77 (Hübner, Hetzel)

Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent 30 15 312 für nichtig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass an die Stelle des erteilten Anspruchs 1 der im Tenor wiedergegebene Anspruch 1 tritt.

Nach Auffassung des Beklagten besteht wegen Ablaufs des Patents für die Erhebung der Klage kein Rechtsschutzinteresse. Im übrigen tritt er dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent jedenfalls in der Fassung gemäß Hilfsantrag für rechtsbeständig.

Gründe

Die Klage, mit der die in § 22 Abs 1 iVm § 21 Abs 1 Nr 1, 2 und 4 PatG vorgesehenen Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit, der unzureichenden Offenbarung und der unzulässigen Erweiterung geltend gemacht werden, bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg.

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist ein hier erforderliches Rechtsschutzinteresse der Klägerin gegeben. Mit dem Erlöschen des Patents wegen Zeitablaufs ist das grundsätzlich bestehende Interesse der Allgemeinheit an der Vernichtung zu Unrecht erteilter Patente entfallen. Die Klägerin muss deshalb ein eigenes rechtliches Interesse an der Vernichtung des Patents ex tunc darlegen und gegebenenfalls beweisen (vgl Busse, Patentgesetz, 5. Aufl § 81 Rdnr 49 ff; Schulte, Patentgesetz, 6. Aufl, § 81 Rdnr 47 ff, jwmN). Sie hat belegt, dass die Nichtigerklärung des Streitpatents für sie in dem Patentverletzungsverfahren 6 U 224/00 vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe rechtlich vorteilhaft sei und damit das Rechtsschutzinteresse ausreichend dargetan.

II. Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unbegründet.

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Anzeigen der Empfangsverhältnisse bei Funkuhrempfängern.

Nach der Patentbeschreibung arbeiten Funkuhrempfänger seit der Inbetriebnahme des Senders DCF-77 im Jahr 1972 nach folgendem System: Der Sender strahlt amplitudenmodulierte binäre Impulse im Abstand von jeweils einer Sekunde aus, so dass jeweils 60 (genauer 59) aufeinanderfolgende Sekundenimpulse, gerechnet vom Beginn einer gesetzlichen Minute, ein sogenanntes vollständiges Zeittelegramm bilden, dh die aktuellen Informationen über das Jahr, den Monat, das Datum, den Wochentag, die Stunde, die Minute und über Sommerzeit/Winterzeit enthalten. Hierbei müssen die gesetzlichen Sekunden vom Beginn einer Minute an abgezählt werden. Ein Empfänger muss, wenn er zu einer beliebigen Zeit eingeschaltet worden ist, zunächst ein vollständiges Zeittelegramm empfangen, bis er die gewünschten Informationen auf einem Display anzeigen kann. Hierzu braucht er zwischen einer und zwei Minuten, während derer bei im Stand der Technik bekannten Funkuhrempfängern das Display leer bleibt oder Zufallszahlen anzeigt. Um dennoch zu vermitteln, dass der Funkuhrempfänger arbeitet, wird häufig eine Leuchtdiode angebracht, die, sobald sich der Empfänger auf die Sekundenimpulse synchronisiert hat, im Sekundentakt aufleuchtet. Dabei handle es sich jedoch um eine sehr grobe Anzeige über die Qualität des Empfanges. Bei externen und/oder internen Störungen könne der Empfänger häufig nicht gut genug unterscheiden, ob ein solcher Impuls lang (200 ms) oder kurz (100 ms) sei. Es könne deshalb eine Vielzahl von Fehlern auftreten oder über viele Stunden kein vollständiges Zeittelegramm empfangen werden, obwohl die Leuchtdiode fortlaufend im Sekundentakt blinke. Um die Qualität der Sekundenimpulse rasch beurteilen und damit feststellen zu können, ob in absehbarer Zeit eine zuverlässige Uhrzeit zu erwarten sei, brauche man einen Oszillographen, den der Benutzer einer Funkuhr aber in der Regel nicht habe.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das die Anzeige der Empfangsverhältnisse bei Funkuhrempfängern ohne zusätzliche Anzeigemittel ermöglicht.

2. Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung gibt hierzu ein Verfahren an, das

(1) bei Funkuhrempfängern für die binärkodierten Zeitsignale des Senders DCF 77

(2) mit einer Anzeigevorrichtung für die Uhrzeit durchzuführen ist, indem

(3) a) nach dem Einschaltenb) in dem Empfänger selbstc) automatischd) bei jedem Sekundenimpulse) die durch Störungen verursachten Abweichungen der Zeitsignale von idealen Rechtecksignalen ermittelt werdenf) davon Qualitätskennzahlen abgeleitet werden,

(4) die Qualitätskennzahlen auf der Anzeigevorrichtung im Sekundentakt zur Anzeige gebracht werden und

(5) diese Anzeige abgeschaltet wird, sobald ein vollständiges Zeittelegramm empfangen wurde und zur Anzeige gebracht werden kann.

3. Der Vorwurf der unzulässigen Erweiterung ist nur zum Teil gerechtfertigt.

a) Wie bereits der Bundesgerichtshof in der das Streitpatent betreffenden Entscheidung vom 5. Oktober 2000 (X ZR 184/98, GRUR 2001, 140 - "Zeittelegramm") ausgeführt hat, ist die Klagebehauptung, die Merkmale 1, 3d und 5 seien nicht ursprungsoffenbart, unzutreffend.

Insbesondere steht das Argument, dass die Uhrzeit üblicherweise schon nach der 36. Sekunde angezeigt werde, der Offenbarung des Merkmals 5 nicht entgegen. Denn in der Anmeldungsbeschreibung heißt es, dass man zuerst ein vollständiges Übertragungsintervall mit codierter Information empfangen muss, bis die Uhrzeit angezeigt werden kann (S 1 Abs 1).

b) Hingegen enthält Merkmal 3e des erteilten Anspruchs 1 insofern eine unzulässige Änderung, als der ursprungsoffenbarte Begriff "Sekundenimpulse" durch den Begriff "Rechtecksignale" ersetzt worden ist. Der Fachmann, ein Elektroingenieur mit Fachhochschulabschluss, der Digitaluhren entwickelt und dabei auch an der Verbesserung von Funkuhren arbeitet, entnimmt den Ursprungsunterlagen nicht, dass dem Merkmal 3e gemäß als Referenzwert für die durch Störungen verursachten Abweichungen der Zeitsignale ideale Rechtecksignale dienen sollen. Die Anweisung, dass die Abweichungen der Zeitsignale ermittelt werden, versteht er dahingehend, dass unter den Zeitsignalen die empfangenen Sekundenimpulse gemeint sind. Denn ein binärcodiertes Zeitzeichen kann nur insoweit von einem Bezugssignal abweichen, als seine einzelnen Binärzeichen von ihm abweichen. Dies sind hier die Sekundenimpulse. Die Anmeldungsunterlagen offenbarten dem Fachmann folgende Lösungsmöglichkeit:

Nach dem Einschalten der Funkuhr wird aus der Verformung der von ihr empfangenen Sekundenimpulse die Empfangsqualität bestimmt, und hieraus werden Zahlenwerte abgeleitet, die zur Anzeige gebracht werden (S 1 Abs 2 bis S 2 Z 2). Sie werden aus denjenigen Werten abgeleitet, die zB bei der automatischen Erkennung der Sekundenimpulse anfallen (ursprünglicher Anspruch 2) und durch Zahlen zwischen 0 und 99 dargestellt (S 1 Abs 2). Dabei bezeichnet 00 einen absolut nicht mehr erkennbaren Sekundenimpuls, zB einen fehlenden, und 99 einen vollkommen ungestörten, dh, einen unverformten, idealen Sekundenimpuls. Die dazwischenliegenden Zahlen geben dann die entsprechende, durch Störungen verursachte Verformung der Sekundenimpulse an, nämlich die Abweichung vom idealen Sekundenimpuls, der als Referenz- oder Sollwert aufzufassen ist. Die Anmeldungsbeschreibung konkretisiert damit die im ursprünglichen Anspruch 1 enthaltene Anweisung in der Weise, dass als Bezugssignal für die jeweilige Qualitätsbestimmung eines jeden Sekundenimpulses ein idealer, ein gänzlich ungestörter Sekundenimpuls herangezogen wird.

Über die Abfalldauer eines solchen idealen Sekundenimpulses ist in der Anmeldungsbeschreibung nichts gesagt. Nimmt man einen realen, ungestörten Sekundenimpuls als idealen Sekundenimpuls an, so zeigt er eine Abfalldauer von etwa 400 s. Nach dem Merkmal 3e des erteilten Anspruchs 1 hingegen soll als Referenzsignal nicht ein idealer Sekundenimpuls dienen, sondern ein ideal rechteckförmiges Signal. Damit wird die Wahl der Referenzsignale auf Impulse beschränkt, deren Flankendauer Null ist. Ein solches Referenzsignal ist in den ursprünglichen Unterlagen nicht erwähnt. Der Fachmann liest es auch nicht mit. Wenngleich er eine Abfallzeit von 400 s gegenüber einer realen Sekundenimpulsabsenkung von 100 ms als sehr klein ansieht, so erkennt er doch nicht ohne tieferes Nachdenken, wie eine noch kleinere Flankendauer - nämlich 0 - bei der Empfangsqualitätsbestimmung der Sekundenmarken zu Buche schlägt. Wie auch im Gutachten zur BGH-Entscheidung "Zeittelegramm" ausgeführt ist (Ziffer 4), erzielt man beim Vergleich der Empfangssignale mit ungestörten Signalen ein höheres Maß an Übereinstimmung als beim Vergleich mit ideal rechteckförmigen Signalen. Ideal rechteckförmige Signale als Vergleichsmaßstab zu wählen, ergibt sich vielmehr erst als Folge einer wertenden Tätigkeit des Fachmanns: Für die Bestimmung der Qualitätskennzahlen mit Hilfe eines automatischen Zeichenerkennungsverfahrens mag es, wenn man die Genauigkeit nicht übertreiben will, naheliegen, nicht einen ungestörten Sekundenimpuls, sondern einen idealen Rechteckimpuls als Sollwert zu wählen.

4. Da die unzulässige Ersetzung des Begriffs "Sekundenimpulse" durch den Begriff "Rechteckimpulse" beschränkender Natur ist, würde es eine unzulässige Schutzbereichserweiterung bedeuten, wenn man den unzulässigen Begriff zur Beseitigung der unzulässigen Änderung durch den ursprungsoffenbarten Begriff ersetzt. Der Senat hält es deshalb mit dem 2. Senat des Bundespatentgerichts (BPatGE 42, 57 = GRUR 2000, 302; 2. Senat vom 21. März 2001, 2 Ni 42/99, Mitt 2002, 46 Ls; vgl auch BGH GRUR 2001, 140 - Zeittelegramm) für sachgerecht - wie von der Beklagten hilfsweise beantragt -, den unzulässigen Begriff mit dem im Tenor beigefügten Disclaimer zu versehen. Mit Rücksicht auf die Antragsbindung des Senats konnte dem nicht im Rahmen des Hauptantrages sondern nur nach dem Hilfsantrag Rechnung getragen werden.

5. Der Gegenstand des Patentes ist, so auf den ursprungsoffenbarten Umfang zurückgeführt, hinreichend deutlich und vollständig beschrieben, so dass der Fachmann die Erfindung ausführen kann. Ihr Gegenstand ist auch patentfähig. Er ist neu und er beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil er sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab.

a) Der Anmeldungsbeschreibung gemäß wird nach dem Einschalten der Funkuhr im Digitalteil des Empfängers bestimmt, mit welcher Empfangsqualität die Sekundenimpulse am Empfängereingang anstehen. Wird zum Auswerten der Digitalsignale mit Hilfe eines P ein automatisches Zeichenerkennungsverfahren verwendet, so fallen der Empfangsqualität der Sekundenimpulse entsprechende Zahlen an.

Der mit Funkuhren vertraute Fachmann verstand es vor dem Anmeldetag, zum Identifizieren der Sekundenmarke ein automatisches Zeichenerkennungsverfahren durchzuführen, wie die Literaturstelle (4) belegt. Beim Empfang eines vollkommen ungestörten, dh idealen Sekundenimpulses, liefert der P für die Sekundenmarke andere errechnete Zahlenwerte als für einen gestörten Sekundenimpuls. Die errechneten Zahlenwerte konnte der Fachmann, sich auf den idealen Sekundenimpuls als Referenzwert beziehend, einem Zahlenbereich zuordnen, dergestalt, dass zB die Zahl 99 einen idealen Sekundenimpuls, die Zahl 00 einen absolut nicht mehr erkennbaren Sekundenimpuls anzeigt. Diese Zahlen wußte er als Abweichungen in Form von Qualitätskennzahlen auf der Anzeigevorrichtung für die Uhrzeit vor Augen zu führen und zwar solange, bis ein vollständiges Zeittelegramm empfangen wurde.

b) Die patentgemäße Lehre gibt ein Verfahren an, das bei Funkuhrempfängern für die binärcodierten Zeitsignale des Senders DCF 77 nach dem Einschalten im Empfänger selbsttätig für jeden empfangenen Sekundenimpuls seine Abweichung von einem Sollverlauf und damit seine Empfangsqualität bestimmt und hieraus Zahlenwerte ableitet. Sie werden auf der Anzeigevorrichtung für die Uhrzeit angezeigt. Die Anzeige wird abgeschaltet, sobald nach einem vollständig empfangenen Zeittelegramm die Uhrzeit zur Anzeige gebracht werden kann.

Eine Funkuhr zum Empfang des Zeitzeichensenders DCF 77 mit optischer Empfangskontrolle ist in (2) und auch in (3) beschrieben. Dabei zeigt eine in die Uhr eingebaute Leuchtdiode den einwandfreien Empfang des Zeitzeichensenders an und dient zum Ausrichten der eingebauten Ferritantenne. Die demodulierten Sekundenimpulse steuern die Leuchtdiode an und sie sind außerdem einem C zugeführt, der die Aufgabe hat, die codierten Sekundensignale in eine zeitmultiplexe Sieben-Segmentanzeige umzuformen. Die LED zeigt verschiedene Betriebszustände an. Leuchtet sie im Sekundenrhythmus, ist der Empfang ungestört, leuchtet sie unregelmäßig, so ist er nicht in Ordnung.

Der Fachmann mag zwar erkennen, dass für die Inbetriebnahme einer Funkuhr diese Empfangskontrolle in Wirklichkeit nur eine grobe Orientierungshilfe ist. Sie erlaubt es allenfalls, die Antenne besser auszurichten, sagt jedoch in der Regel nichts darüber aus, ob bei schlechtem Empfang der Empfänger nach zwei Minuten aus dem Zeittelegramm die Uhrzeit ermitteln kann. Es wird lediglich festgestellt, ob die Empfangsfeldstärke ausreicht, am Demodulatorausgang einen Sekundenimpuls zum Ansteuern der LED zu liefern. Selbst wenn die Leuchtdiode dabei im Sekundentakt blinkt, kann der Fachmann daraus noch nicht herleiten, ob der Empfang, wie dies in (2) und (3) behauptet wird, tatsächlich ungestört ist und die einzelnen Sekundenimpulse auch ihrer zeitlichen Dauer nach zu unterscheiden sind. Damit bleibt aber ungewiss, ob die Uhrzeit überhaupt einigermaßen fehlerfrei empfangen werden kann.

Der Fachmann will dem Benutzer einer Funkuhr eine bessere Empfangskontrolle zur Verfügung stellen. Sie soll nicht nur anzeigen, ob einzelne Sekundenimpulse rhythmisch empfangen werden oder nicht. Nach Möglichkeit soll er Auskunft darüber erhalten, ob in angemessener Zeit, dh nach Ablauf von etwa drei Minuten, Aussicht besteht, das gesendete Zeittelegramm einigermaßen fehlerfrei zu empfangen.

Zur Problemlösung konnte jedoch der Stand der Technik kein Vorbild sein. Er wirft kein Licht auf den neuen Vorschlag des Erfinders, im Empfänger die Anzeige der Empfangsverhältnisse aus der Verformung eines jeden empfangenen Sekundenimpulses abzuleiten und diese Verformung zahlenmäßig für jeden Sekundenimpuls augenfällig zu machen.

Ein Anstoß hierzu war aus (1) nicht zu erhalten. Diese Entgegenhaltung beschreibt eine Schaltungsanordnung, die zur Verzerrungsmessung der binären Schritte eines Datensignales die Verzerrung der Einzelschritte gegenüber einer Sollschrittdauer zahlenmäßig ermittelt und als zweistellige Dezimalzahl auf einer Leuchtdiodenziffernanzeige abbildet. Dies wird in der Fernschreibtechnik angewendet.

Es ist bereits zweifelhaft, ob ein Fachmann, der Funkuhren entwickelt, auf diesem Gebiet zur Problemlösung Ausschau hält. Aber selbst wenn er diese Entgegenhaltung zu seinem Wissensstand zählte, so würde er sie nicht näher in seine Überlegungen einbeziehen. Denn bei dem hieraus entnehmbaren bekannten Verfahren werden Datenzeichen mit konstanter Sollschrittdauer vorausgesetzt. Eine Verzerrungsmessung von Binärzeichen, deren unterschiedliche zeitliche Länge die Binärinformation enthält, ist nicht angesprochen, und es findet sich auch keine gedankliche Brücke zu einer derartigen Codierung.

Der Fachmann mag gewußt haben, daß man bei einer digitalen Nachrichtenübertragung Binärzeichenverformungen zahlenmäßig erfassen und darstellen kann. Dies führt aber nicht dazu, bei einem Funkuhrempfänger die Empfangsqualität der Sekundenimpulse nicht aus dem periodischen Auftreten ausreichender Amplitudenwerte abzuleiten, sondern besser aus den störbedingten zeitlichen Verformungen jedes Einzelimpulses.

Wenn der Fachmann in der Funkuhr ein automatisches Zeichenerkennungsverfahren nach (4) verwendet, bei dem ein P Beginn und Dauer der Sekundenmarke errechnet und den Zeitpunkt des Markenbeginns überprüft, so fallen dabei für jeden Sekundenimpuls gewissermaßen Qualitätskennzahlen an. Sie dienen aber lediglich der Fehleranalyse. Dies ist ohne Einfluß auf die optische Empfangskontrolle. Zum Ansteuern der LED würde man nach wie vor das Demodulatorausgangssignal heranziehen, wie dies (2) und (3) zeigen. Dass man die im P für jeden Sekundenimpuls ermittelten Zahlenwerte auch noch als Qualitätskennzahlen verwenden kann, um damit auf der Ziffernanzeige der Funkuhr die Empfangsqualität vor Augen zu führen, ergibt sich erst im nachhinein, in Kenntnis der Erfindung.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 Abs 2 Nr 1 ZPO. Durch die Einfügung eines Disclaimers ist der Gegenstand des Patents nicht verändert worden. Lediglich die Grundlage für die Beurteilung der Patentfähigkeit (und des Schutzbereichs) des Patents hat sich geändert, ohne dass sich dies letztlich auf die Entscheidung über die Patentfähigkeit ausgewirkt hätte.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

Dr. Schwendy Obermayer Schuster Hartung Dr. Strößner Pr






BPatG:
Urteil v. 07.05.2002
Az: 4 Ni 4/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/18baef03a33e/BPatG_Urteil_vom_7-Mai-2002_Az_4-Ni-4-01




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share