Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 14. Juni 2006
Aktenzeichen: 9 U 70/98

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 14.06.2006, Az.: 9 U 70/98)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. August 1998 verkündete Urteil des Landgerichts Gießen abgeändert.

Die Klage wird (insgesamt) abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen. Hiervon ausgenommen sind die Kosten des Zwischenstreits, über die gesondert entschieden wurde.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger fordert als Rechtsanwalt von den Beklagten als Gesellschafter der ehemaligen X Zahlung von Anwaltsgebühren. Die Beklagten bestreiten den Anspruch nach Grund und Höhe und haben hilfsweise die Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung wegen behaupteter fehlerhafter Beratung und Vertretung erklärt.

Die Beklagten waren Gesellschafter und Geschäftsführer der am 1.1.1993 gegründeten GbR "X ". Deren Zweck bestand im Erwerb, der Bebauung und dem Verkauf eines Liegenschaftsobjekts in O1. Auf dem Grundstück sollte ein Einkaufszentrum errichtet werden, das die Beklagten schlüsselfertig an einen Interessenten veräußern wollten.

Vor diesem Hintergrund beauftragten die Beklagten den Kläger damit, sie bei der Vermarktung des Objekts anwaltlich zu beraten, an Vertragsverhandlungen teilzunehmen und sie bei der Abfassung, Abänderung und Prüfung von Vertragsentwürfen zu unterstützen.

In der Folgezeit führten die Beklagten gemeinsam mit dem Kläger entsprechende Verhandlungen mit mehreren Interessenten (Firma K, Firma L; M, Firma N); seit Ende Dezember 1994 mit den Geschäftsführern der in O2 ansässigen "X GmbH", den Herren A und B. Letztere entschlossen sich, das von den Beklagten angebotene Objekt schlüsselfertig zu einem Kaufpreis von 61,1 Mio DM für die von ihnen vertretene Gesellschaft zu erwerben.

Nachdem er im Hinblick auf den avisierten Verkauf an mehreren Besprechungen teilgenommen und am 3.1.1995 einen ersten Kaufvertragsentwurf vorgelegt hatte, führte der Kläger am 26.1.1995 eine Fixierung des bis dahin zwischen den Beklagten und der Käufergesellschaft erreichten Vereinbarungsstandes herbei. Am 11.2.1995 entwarf er schließlich für die Beklagten einen Kaufvertrag mit Bauverpflichtung, den er dem für die Beurkundung vorgesehenen Notar N1 an dessen Amtssitz nach O1 übermittelte. Kurz danach - am 20.2.1995 - schlossen die Parteien auf dem Flughafen O2 im Hinblick auf die vorbenannten und noch anstehenden Tätigkeiten des Klägers folgende von diesem selbst entworfene Honorarvereinbarung (Anlagenbd. I Anlage 1 zur Klageschrift ):

"In Sachen X/ A und B haben wir (€) Herrn Rechtsanwalt (€) als unseren Vertreter/Berater beauftragt. Wir verpflichten uns, statt der gesetzlichen Gebühr, die, wie uns bekannt gemacht wurde, geringer ist, ein Honorar in Höhe von DM 500.000 (...) zuzüglich gesetzliche Mehrwertssteuer zu zahlen. Die gesetzliche Gebühr ist uns der Höhe nach vor Unterzeichnung dieser Vereinbarung bekanntgegeben worden. Bare Auslagen, Fotokopien, Reisekosten, Tagegelder und dergleichen sowie Umsatzsteuer, sind gesondert erstattungspflichtig."

Am folgenden Tag, dem 21.2.1995, übermittelte der Kläger Notar N1 einen Entwurf über notwendige Änderungen hinsichtlich des avisierten Grundstückskaufvertrages. Die Änderungen betrafen unter anderem die Finanzierung des Projekts durch die Beklagten und beruhten ihrerseits auf einem Entwurf der ...bank. Letztere hatte eine mögliche Zwischenfinanzierung unter der Voraussetzung angeboten, dass die Beklagten eine Bankbürgschaft auf erstes Anfordern über 52,1 Mio DM vorlegten und diese Bürgschaft dem Muster der Bank entsprach.

Im Hinblick auf diese Vorgabe enthielt der Notar N1 vom Kläger übermittelte Änderungsentwurf in § 5.5 folgende Bestimmung:

"Der Käufer verpflichtet sich, dem Verkäufer innerhalb von 10 Tagen nach Beurkundung dieser Vereinbarung eine auf erstes Anfordern zahlbare Bürgschaft in Höhe von 52.100.000 DM zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer eines öffentlich-rechtlichen oder der Aufsicht nach dem KWG unterliegenden Kreditinstitutes der Bundesrepublik Deutschland gemäß dem der Urkunde beigefügten Muster zu übergeben."

An der für den 23.2.1995 geplanten Protokollierung des Grundstückskaufvertrages nahm der Kläger - wie er den Beklagten zuvor mitgeteilt hatte - wegen eines bevorstehenden Kurzurlaubes nicht teil. Jedoch teilte er mit, dass er bis 18 Uhr in seinem Büro telefonisch bzw. per Telefax erreichbar sei.

Am vorbezeichneten Tag kam es zu mehreren Kontaktaufnahmen zwischen den in O2 verbliebenen Herren A und B und den bei Notar N1 anwesenden übrigen Beteiligten. Gegen 16.50 Uhr schickte Herr B dem Kläger ein Telefax mit einem geänderten Vertragsentwurf, der jedoch hinsichtlich der oben zitierten Bürgschaftsregelung keinerlei Änderungen enthielt. Der Kläger faxte den Entwurf an das Büro des Notars N1 zurück, nachdem er ihn zuvor handschriftlich überprüft hatte. Gegen 18 Uhr teilte er den Beklagten schließlich telefonisch mit, dass er nach Hause gehe und fortan nicht mehr erreichbar sei.

Um 19.57 Uhr traf im Büro des Klägers erneut ein Telefax ein, das einen neuen Vertragsentwurf (Anlage K 3 im Anlagenbd. I) und dort in § 4.5. eine neue Bürgschaftsregelung folgenden Inhalts enthielt:

"Der Käufer verpflichtet sich, dem Verkäufer innerhalb von zehn Tagen nach Bestätigung des Notars,

- dass eine Grundschuld in Höhe von DM 9.000.000 die aufgrund der in dem Kaufvertrag vom 29. Juni 1994 enthaltenen Belastungsvollmacht (UR. Nr. .../94 des Notars N1) bestellt wurde, zur grundbuchrechtlichen Wahrung bei dem Grundbuchamt der Stadt O1 vorliegt und der rangrichtigen Wahrung dieser Grundschuld € außer der Eintragung in Abt. II bezüglich des Grundstückes Flur €, Flurstück € zu €m2 € entsprechend den in der Grundschuldbestellungsurkunde abgegebenen Bewilligungen keine Umstände, insbesondere keine unerledigten Anträge, entgegenstehen

- und dass diese Grundschuld über DM 9.000.000 nebst Zinsen und Nebenleistungen im Range vor den Auflassungsvormerkungen in das Grundbuch eingetragen wird, die zugunsten der Gesellschaft im Grundbuch eingetragen stehen

- eine auf erstes Anfordern zahlbare Bürgschaft in Höhe von DM 52.100.000 eines öffentlich-rechtlichen oder der Aufsicht nach dem KWG unterliegenden Kreditinstitutes der Bundesrepublik Deutschland gemäß dieser Urkunde beigefügten Muster zu übergeben. Die Verkäufer verpflichten sich, diese Bürgschaft vorrangig zur Deckung der Gesellschaftsschulden zu verwenden bzw. diese Bürgschaft bis zum Betrag der auf den Kaufpreis anzurechnenden Gesellschaftsschulden freizugeben."

Weiter hieß es:

"Die Inanspruchnahme der Bürgschaft ist erst dann möglich, wenn die vertragsgemäße Lieferung des Vertragsobjekts oder eine Abtretung der Grundschulden im Range nach den DM 9.000.000,- in Bürgschaftshöhe erfolgt ist."

Diese Regelungen wurden wortgleich in den Grundstückskaufvertrag aufgenommen, der am Nachmittag des Folgetages, dem 24.2.1995, vor dem Notar N1 protokolliert wurde.

In der Folgezeit konnten die Beklagten die Finanzierung nicht entsprechend den Vorgaben im Vertrag vom 24.2.1995 erbringen, was maßgeblich darauf zurückzuführen war, dass die ...bank wegen der vorstehend zitierten Beschränkungen im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Bürgschaft nicht zur Zwischenfinanzierung bereit war. Der Grundstückskaufvertrag musste deshalb rückabgewickelt werden. Er wurde am 7.7.1995 aufgehoben (Anlage K 9 im Anlagenbd. I) und am selben Tag durch einen anderen - für die Beklagten ungünstigeren - Vertrag ohne Bauverpflichtung (Anlage K 10 im Anlagenbd. I) ersetzt. An den diesbezüglichen Verhandlungen wirkte der Kläger wieder aufseiten der Beklagten anwaltlich mit. Bezüglich dieser Tätigkeit liegt eine von den Beklagten unterschriebene, mit "Kaufvertrag Notar N1 vom 24.2.1995 nebst Rückabwicklung" überschriebene und auf den 3.7.1997 datierte Vollmacht vor.

Der Kläger erteilte den Beklagten für seine Tätigkeit folgende Rechnungen (Anlagen B 19 ff. im Anlagenbd. I):

1. 04.01.1995 (Firma N)47.170,70 DM(Bl. VI-1438 d.A.)2. 25.01.1995 (A u. B)1.296,50 DM(Anlage B 19)3. 10.02.1995 (K, L, M)490.463,50 DM(Anlage B 20)4. 10.02.1995 (A u. B)108.922,25 DM(Anlage B 21)5. 21.02.1995 (A u. B)3.992,87 DM(Anlage B 22)6. 21.02.1995 (A u. B)575.000,00 DM(Anlage B 23)7. 01.03.1995 (A u. B)37,95 DMAnlage B 24)8. 22.12.1995 (K, L, M)147.125,25 DM(Anlage B 25)9. 22.12.1995 (Firma N)14.137,41 DM(Anlage B 26)Die Rechnungen zu 1., 2., 3., und 5. in Höhe von zusammen 542.923,57 DM wurden von den Beklagten ausgeglichen. Auf die Rechnung zu 6. verrechnete der Kläger Teilzahlungen von 13.836,43 DM, 10.000,- DM und 5.000,- DM, so dass ein Restbetrag von 546.163,57 DM - die Klageforderung - verblieb.

Der Kläger hat sich zur Begründung der Klageforderung erstinstanzlich in erster Linie auf die Honorarvereinbarung vom 20.2.1995 berufen, die die Rechnung zu Ziffer 6 betrifft. Hilfsweise hat er die gesetzlichen Gebühren für sein Tätigwerden vor dem 24.2.1995 begehrt. Weiterhin hilfsweise hat er seinen Anspruch auf die gesetzlichen Gebühren gestützt, die bei seiner Tätigkeit - nach dem 24.2.1995 - im Rahmen der vorstehenden Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages entstanden sein sollen und die er mit 557.755,75 DM berechnet.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 546.163,57 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen, infolge der gescheiterten Zwischenfinanzierung anstatt eines erwarteten Gewinns von 13,6 Mio DM nur 3,1 Mio DM erzielt zu haben. Hierfür sei letztlich die geänderte Bürgschaftsregelung verantwortlich, die auf einer Pflichtverletzung des Klägers beruhe. Der Notar N1 habe den Kläger nämlich am 23.2.1995 nach 18.19 Uhr unter dessen privater Telefonnummer angerufen und ihm die von der Käuferseite verlangte Abänderung des Vertrages mitgeteilt. Der Kläger habe diesbezüglich keinerlei Bedenken geäußert.

Hilfsweise haben die Beklagten mit einem Teilbetrag des ihnen ihrer Ansicht nach zustehenden Schadensersatzanspruchs in Höhe von insgesamt 10,5 Mio DM gegen die Klageforderung aufgerechnet.

Mit Schriftsatz vom 28.7.1998 haben die Beklagten dem Notar N1 den Streit mit der Begründung verkündet, ihnen könne ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung notarieller Amtspflichten zustehen (Bl. III-543 f. d.A.). Notar N1 ist dem Rechtsstreit indes nicht beigetreten (- lediglich im Zwischenstreit hat er sich als Zeuge vertreten lassen).

Mit am 14.8.1998 verkündetem Urteil hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 546.163,57 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 9.2.1996 zu zahlen (Bl. III-592 ff. d.A.). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Das Honorar in Höhe der Klageforderung könne der Kläger zwar weder aufgrund der Honorarvereinbarung vom 20.2.1995 noch aufgrund seiner Tätigkeit zur Vorbereitung des Vertrages vom 24.2.1995 verlangen, wohl aber wegen seiner rechtsanwaltlichen Tätigkeit im Rahmen der Rückabwicklung des Vertrages vom 24.2.1995. Bei dieser Tätigkeit handele es sich um eine selbstständige Angelegenheit, die mit den bis zum 24.2.1995 geführten Verhandlungen im Sinne des Gebührenrechts nichts zu tun gehabt habe. Ein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch stehe den Beklagten gegen den Kläger nicht zu, da im Rahmen des dem Kläger übertragenen Auftrages keine Pflichtverletzung vorliege. Zum einen sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, persönlich beim Protokollierungstermin zu erscheinen. Zum anderen sei der Beklagtenvortrag insoweit unglaubwürdig und in sich widersprüchlich, als er die Behauptung betreffe, der Kläger sei privat zu Hause am 23.2.1995 nach 18.00 Uhr telefonisch von dem Notar N1 über die nochmals geänderte Vertragsversion informiert worden. Eine Vernehmung des Notars als Zeugen sei danach nicht erforderlich.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagten wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag und tragen im Wesentlichen vor:

Das erstinstanzliche Urteil beruhe auf gravierenden Verfahrensmängeln. Das Landgericht habe substantiiertes und entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten, für das Beweis durch Vernehmung des Notars N1 angeboten worden ist, als "unglaubhaft" abgetan, anstatt hierüber nach Bestreiten des Klägers Beweis zu erheben. Damit seien die §§ 284, 286 ZPO sowie der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt worden.

Der Kläger habe die Beklagten anlässlich seiner Tätigkeit bei der Rückabwicklung des Vertrages vom 24.2.1995 nicht darauf hingewiesen, dass es sich um eine neue Angelegenheit handele, die einen neuen Gebührenanspruch auslösen würde. Am 3.7.1995 habe gar keine Besprechung stattgefunden. Die Beklagten hätten aber von einer Einschaltung des Klägers abgesehen oder mit ihm zumindest eine für sie wesentlich günstigere Honorarabrede getroffen, wenn sie gewusst oder auch nur geahnt hätten, dass dem Kläger aufgrund seiner anwaltlichen Bemühungen um eine Rückabwicklung des Vertrages und Abschluss einer neuen Vereinbarung mit den Käufern erneut ein Gebührenanspruch in einer Größenordnung von mehr als 500.000,- DM erwachsen könnte.

Zu den gegenüber dem Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüchen tragen die Beklagten vor:

Der Kläger hafte den Beklagten, weil er seine anwaltlichen Pflichten in mehrfacher Hinsicht verletzt habe. Er habe den ihnen dadurch erlittenen Schaden zu ersetzen. So habe es der Kläger "ausdrücklich und mit Bestimmtheit" abgelehnt, die Beklagten am 23.2.1995 zur notariellen Beurkundung des Grundstückskaufvertrages zu begleiten.

Weiterhin habe der Kläger den Beklagten am 23.2.1995 ohne vorherige Ankündigung telefonisch mitgeteilt, "er mache jetzt Schluss" und wolle nicht mehr gestört werden. Dem als Zeugen benannten Notar N1 sei es am Abend des 23.2.1995 gelungen, den Kläger unter seinem privaten Telefonanschluss zu erreichen. Der Kläger habe es versäumt, die Beklagten über das bei ihm am 23.2.1995 um 19.57 Uhr eingegangene Fax sowie über das mit dem Notar N1 geführte Telefonat zu unterrichten.

Schließlich habe der Kläger keine Vorkehrungen getroffen, um sicherzustellen, dass die Beklagten im Falle seiner Abwesenheit bzw. Verhinderung bei der notariellen Protokollierung anderweitig anwaltlich vertreten werden.

Die Beklagten beantragen sinngemäß,

das angefochtene Urteil und das Verfahren des ersten Rechtszuges aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen;

hilfsweise,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es die Beklagten zur Zahlung der Klageforderung verurteilt, und trägt unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags zu der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzung im Wesentlichen vor:

Eine Pflichtverletzung sei ihm nicht anzulasten. Er habe die Beklagten nicht "im Stich gelassen", wie diese ständig behaupteten. Notar N1 habe am Abend des 23.2.1995 nicht mit ihm telefoniert. Die Beklagten hätten am Morgen des 24.2.1995 um 8.58 Uhr ein Telefax der Käuferseite A und B mit einer teilweise neuen Fassung des Kaufvertragsentwurfes erhalten und dieses Fax Notar N1 vor der Protokollierung übergeben.

Mit Schriftsatz vom 28.9.1999 hat der Kläger unselbstständige Anschlussberufung eingelegt, mit der er sich gegen die Abweisung seines Hauptantrages auf Zahlung der Klagesumme aus der Honorarvereinbarung vom 20.2.1995 und hilfsweise aus der BRAGO für seine Tätigkeiten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bezüglich des Vertragsschlusses mit A und B wendet.

Der Kläger beantragt insoweit sinngemäß,

das angefochtene Urteil abzuändern, soweit die Klage im Hinblick auf den Anspruch aus der Honorarvereinbarung vom 20.2.1995 abgewiesen wurde;

hilfsweise,

das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, als die Klage mit dem Anspruch auf die Vergütung nach BRAGO gemäß Berechnung im Schriftsatz vom 10.5.1996 abgewiesen wurde und hilfsweise die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 528.919,32 DM nebst 4 % Zinsen seit 4.11.1995 zu verurteilen;

hilfsweise,

die Berufung der Beklagten gegen das angefochtene Urteil zurückzuweisen.

Die Beklagten beantragen insoweit,

die Anschlussberufung als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

sie als unbegründet zurückzuweisen.

Der erkennende Senat hat am 17.5.2000 zunächst beschlossen (Bl. IX-2390 ff. d.A.), Beweis über die Ereignisse am 23.2.1995 um Notar N1 zu erheben.

Die Verkäuferseite - namentlich die Herren A und B - hat Notar N1 jedoch nicht von seiner gesetzlichen Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden. Letztlich hat der Senat - nachdem der Rechtsstreit zwischenzeitlich ausgesetzt worden war - durch Zwischenurteil vom 19.11.2003 (Bl. X-2390 ff. d.A.) festgestellt, dass der Notar nicht verpflichtet ist, zu dem oben genannten Beweisthema aus dem Beweisbeschluss vom 17.5.2000 auszusagen. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Beklagten hat der BGH mit Beschluss vom 9.12.2004 (Bl. X-27 ff. d.A.) zurückgewiesen.

Daraufhin hat der Senat den Beweisbeschluss vom 17.5.2000 mit Beschluss vom 10.3.2006 (Bl. XI-38 d.A.) aufgehoben.

Die Beklagten haben nunmehr beantragt, die Beklagten zu 2) und 3) zum Beweisthema anzuhören oder sie gemäß § 448 ZPO über das zu vernehmen, was der Streitverkündete ihnen anlässlich ihres Besuches in seiner Kanzlei am 2.7.1998 aus freien Stücken über das zwischen ihm und dem Kläger am Abend des 23.2.1995 angeblich geführte Telefonat berichtet haben soll. Der Kläger hat dem widersprochen.

In einem Parallelrechtsstreit vor dem Landgericht Gießen (2 O 144/98) hat der Beklagte zu 2) - als dortiger Kläger - die auch hier streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche gegen den - dort beklagten - Kläger wegen behaupteter anwaltlicher Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Notartermin in O1 am 24.2.1995 verlangt. Das Landgericht hat die Klage - gefordert war ein Teilbetrag von 270.000,- DM - mit Urteil vom 12.4.1999 abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten zu 2) hat der 23. Zivilsenat zwischenzeitlich durch Urteil vom 26.4.2006 zurückgewiesen. Eine Abschrift dieses Urteils hat der Senat beigezogen; es ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Die im Rahmen des § 26 EGZPO noch nach der ZPO in der Fassung vor 2002 zu beurteilende Berufung und unselbstständige Anschlussberufung sind zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.

Der Kläger ist beschwert, weil das Landgericht die Klageforderung nicht auf seinen Hauptantrag gestützt hat, auch wenn ihm letztlich der beantragte Betrag aufgrund seines Hilfsantrages zugesprochen wurde (Baumbach/Lauterbach-Albers ZPO, 61. Auflage, Grundz § 511 Rn 15). Insoweit handelt es sich nicht lediglich um Haupt- und Hilfsvorbringen des Klägers, sondern um einen verdeckten Haupt- und Hilfsantrag, weil die Klageforderung auf zwei unterschiedliche Lebenssachverhalte gestützt wird, nämlich zum einen auf die geforderte Vergütung für die Tätigkeit des Klägers vor dem 24.2.1995, zum anderen auf die Vergütung für seine Tätigkeit nach diesem Zeitpunkt (vgl. Zöller-Vollkommer ZPO, Einleitung Rn 74 f.).

Der Sache nach hat nur die Berufung der Beklagten Erfolg; die Anschlussberufung des Klägers dagegen ist unbegründet. Das Landgericht hat der Klage zu Unrecht aufgrund des Hilfsantrages stattgegeben. Der Kläger kann gegenüber den Beklagten keine weiteren Gebührenansprüche geltend machen, weder für seine Tätigkeit bis zum 24.2.1995 (dazu A.) noch für die Zeit danach (dazu B.).

A.Die Anschlussberufung, durch die auch in der Berufung die auf der Grundlage des Hauptantrages des Klägers geltend gemachten Gebührenansprüche erneut zu prüfen waren, ist unbegründet. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, stehen dem Kläger keine weiteren Gebührenansprüche für seine Tätigkeit bis zum 24.2.1995 gegenüber den Beklagten zu. Der Kläger kann die geltend gemachten Ansprüche weder aufgrund der Honorarvereinbarung vom 21.2.1995 - seines Hauptvorbringens - noch aufgrund der BRAGO - seines Hilfsvorbringens - verlangen.

1.Anders als das Landgericht meint, handelt es sich bei der Tätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit der Vermarktung des streitbefangenen Grundstücks um eine einheitliche gebührenrechtliche Angelegenheit im Sinne von § 13 II BRAGO, die auf den vorliegenden Fall noch Anwendung findet.

Eine einheitliche Angelegenheit liegt vor, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind: ein Auftrag, ein Rahmen der Tätigkeit sowie ein innerer Zusammenhang (Gerold/Schmidt-Madert BRAGO, § 13 Rn 5). Dies ist hier der Fall. Der Auftrag des Klägers ging dahin, die Beklagten bei der Vermarktung ihrer Geschäftsidee rechtlich zu unterstützen, und zwar unabhängig davon, mit wem gerade verhandelt wurde oder welche Rechtsform das verhandelte Geschäft haben sollte. Der Umstand, dass die Beklagten mit mehreren Personen verhandelten, kann dabei für die Abgrenzung, ob eine einheitliche Angelegenheit vorliegt, ebenso wenig maßgebend sein, wie die Zahl der Verhandlungen selbst (vgl. Riedel/Sußbauer-Frauenholz BRAGO, § 13 Rn 20 - mit weiteren Nachweisen).

Soweit die Literatur vom Vorliegen mehrerer Angelegenheiten ausgeht, wenn nach dem Scheitern von Verhandlungen jeweils neue Verhandlungen mit anderen Interessenten geführt werden (vgl.Schumann-GeißingerBRAGO, § 13 Rn 54), liegt dieser Fall hier nicht vor, da die insgesamt in Rechnung gestellten Bemühungen des Klägers zeitlich nebeneinander herliefen.

Für eine einheitliche Angelegenheit im Sinne von § 13 II BRAGO spricht im Übrigen auch, dass der Kläger bei seiner Rechnungsstellung selbst von einer einheitlichen Angelegenheit ausgegangen ist, was sich daran zeigt, dass er in seiner Rechnung bezüglich der anderen Kaufinteressenten diese insgesamt aufgeführt, dort bereits einen Gegenstandswert von 70 Mio DM angesetzt sowie eine 10/10 Geschäfts- und Besprechungsgebühr geltend gemacht hat. Es ist nicht begründbar, warum insoweit bezüglich der Kaufinteressenten A und B eine von der übrigen Tätigkeit des Klägers losgelöste andere Angelegenheit vorgelegen haben soll. Dass insoweit eine andere rechtliche Konstruktion gewählt wurde, spielt für die Beurteilung keine Rolle.

Entsprechendes gilt insoweit für die Rechnung des Klägers vom 4.1.1995 bezüglich der Firma N.

2.Das Vorliegen einer einheitlichen gebührenrechtlichen Angelegenheit bewirkt, dass sich der Kläger auf die geltend gemachten Gebührenansprüche für die Zeit bis zum 24.2.1995 das anrechnen lassen muss, was ihm bereits auf die bisherigen Rechnungen gezahlt wurde, denn er kann nach § 13 II BRAGO die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

Insgesamt hat der Kläger von den Beklagten für seine Tätigkeit bis zum 24.2.1995 bereits 571.760,- DM erhalten, nämlich zum einen 566.760,- DM, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, zum anderen - nach der eigenen Berechnung des Klägers - weitere 5.000,- DM, die er ebenfalls auf die Rechnung vom 21.2.1995 verrechnet hat. Einen weitergehenden Gebührenanspruch gemäß seinem Hauptvorbringen hätte der Kläger danach nur, wenn ihm mehr als dieser Betrag zusteht. Dies ist jedoch nicht der Fall.

a)Nach der Honorarvereinbarung vom 20.2.1995 könnte der Kläger knapp 3.240 DM mehr verlangen, nämlich insgesamt 575.000 DM. Die Honorarvereinbarung ist jedoch bereits aus den Gründen, die das Landgericht in dem angefochtenen Urteil (Seite 10) zutreffend angeführt hat unwirksam, weil sie die Vereinbarung eines unzulässigen Erfolgshonorars enthält.

Es kommt hinzu, dass der Kläger die Beklagten bei Eingehung der Honorarvereinbarung nicht darauf hingewiesen hat, dass ihm im Zusammenhang mit den Verträgen A und B kein selbstständiger Anspruch zusteht, da es sich insoweit um eine einheitliche, teilweise bereits abgerechnete Angelegenheit handelte. Durch die unterlassene Belehrung hat sich der Kläger gegenüber den Beklagten schadensersatzpflichtig gemacht; die Beklagten können diesen Schadensersatzanspruch dem Gebührenanspruch des Klägers im Wege der dolo-facit-Einrede gemäß § 242 BGB entgegenhalten.

b)Auch nach der BRAGO ergibt sich kein weiterer Gebührenanspruch des Klägers, denn er hat von den Beklagten für seine Tätigkeit bis zum 24.2.1995 mit 571.760,- DM bereits mehr erhalten, als er nach den einschlägigen Gebührentatbeständen der BRAGO verlangen könnte.

Ausgehend von einem Gegenstandswert von 61,1 Mio DM, der auch von den Beklagten nicht infrage gestellt wird, könnte der Kläger folgende Gebühren verlangen:

10/10 Geschäftsgebühr nach § 118 I 1 BRAGO186.525,00 DM6/10 Erhöhungsgebühr nach § 6 BRAGO111.915,00 DM10/10 Besprechungsgebühr nach § 118 I 2 BRAGO186.525,00 DMAuslagenpauschale40,00 DM15 % MwSt72.750,75 DMEine doppelte Erhöhungsgebühr nach § 6 BRAGO steht dem Kläger zu, weil er von insgesamt drei Auftraggebern - den Beklagten - beauftragt wurde. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil verwiesen (vgl. Seite 13 des Urteils).

Über die Rahmengebühr muss kein Gutachten gemäß § 12 BRAGO eingeholt werden, weil die Parteien hierauf im Senatstermin vom 12.01.2000 (Bl. VIII-2065 d.A.) verzichtet haben. Selbst, wenn man diesen Verzicht für nicht ausreichend halten würde, bedarf es der Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer jedenfalls deshalb nicht, weil sich auch nach der BRAGO kein weiterer Gebührenanspruch des Klägers ergibt.

B.Auch für die Zeit nach dem 24.2.1995 - namentlich für seine Mitwirkung bei der Aufhebung des Vertrages vom 24.2.1995 und dem Neuabschluss des Vertrages vom 7.7.1995 - stehen dem Kläger keine weiteren Gebührenansprüche nach §§ 611, 675 BGB zu.

1.Mit dem Landgericht ist hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers nach dem 24.2.1995 von einer anderen gebührenrechtlichen Angelegenheit im Sinne von § 13 Abs. 2 BRAGO auszugehen. Auch nach dem Vortrag der Beklagten ging das Mandant des Klägers dahin, sie bei der Vermarktung des Einkaufszentrums rechtlich zu beraten und zu unterstützten, an Vertragsverhandlungen teilzunehmen und ihnen die erforderliche anwaltliche Hilfe bei der Abfassung, Abänderung und Prüfung von Vertragsentwürfen zu leisten. Mit Abschluss des notariellen Vertrages vom 24.2.1995 war dieser Erfolg eingetreten und der Auftrag erledigt. Die Tätigkeiten bis zum Abschluss dieses Vertrages gehören - wie zuvor ausgeführt - innerlich zusammen, weil sie auf das gleiche Ziel gerichtet waren. Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der Mitwirkung des Klägers bei der Vertragsaufhebung. Durch den Vertrag vom 24.2.1995 hatte sich die Rechtslage verändert. Der Vertrag stellte eine Zäsur dar und die Vertragspartner mussten sich auf die neue Rechtslage einstellen. Für die Beklagten ging es jetzt nicht mehr um einen möglichst vorteilhaften Vertragsschluss, sondern um die Frage der Bindung an den geschlossenen Vertrag und dessen Durchführung. Hier stellen sich naturgemäß andere rechtliche Fragen als im Vorfeld des Vertragsschlusses. Die Vertragsparteien haben auch nicht etwa um die Wirksamkeit des Vertrages gestritten; in diesem Fall wird noch eine einheitliche gebührenrechtliche Angelegenheit angenommen (vgl. Göttlich/Mümmler BRAGO, 19. Aufl., S. 57 - mit weiteren Nachweisen). Vorliegend wurde der Vertrag als solcher nämlich nicht in Frage gestellt. Es ging vielmehr um seine Durchführbarkeit. Nur weil dies den Beklagten nicht möglich war, wurde der Vertrag vom 24.2.1995 aufgehoben und ein neuer Vertrag mit verändertem Inhalt geschlossen.

2.Soweit die Parteien darüber streiten, ob bezüglich der Tätigkeit des Klägers nach dem 24.2.1995 ein Anwaltsvertrag zustande gekommen ist, kann offen bleiben, ob die Beklagten den Kläger ausdrücklich mit der Rückabwicklung des Vertrages vom 24.2.1995 beauftragt und ihm eine schriftliche Vollmacht erteilt haben. Jedenfalls ist konkludent ein Anwaltsvertrag zustande gekommen, denn unstreitig ist der Kläger mit Wissen und Wollen der Beklagten für diese bei der Vertragesaufhebung tätig geworden. Mit der Berufungserwiderung trägt der Kläger allein zwölf Termine vor, an denen er teilgenommen hat.

3.Anders als das Landgericht angenommen hat, stehen dem Kläger gleichwohl für seine Tätigkeit nach dem 24.2.1995 keine Gebührenansprüche gegenüber den Beklagten zu, weil diesen ein Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Aufklärung über die Gebührenhöhe zusteht.

Zwar schuldet der Anwalt seinem Auftraggeber grundsätzlich keinen Hinweis auf die Gebührenhöhe. Der Mandant muss bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts regelmäßig damit rechnen, dass er die gesetzliche anwaltliche Vergütung zu zahlen hat. Erst auf Verlangen des Auftraggebers hat der Anwalt die voraussichtliche Höhe seiner Gebühren mitzuteilen (BGH NJW 1998, 3486). Aus den besonderen Umständen des Einzelfalls kann sich jedoch nach Treu und Glauben eine Pflicht des Rechtsanwalts ergeben, auch ohne Frage des Auftraggebers diesen über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung aufzuklären. Dabei ist entscheidend, ob der Rechtsanwalt nach den Umständen des Einzelfalls ein entsprechendes Aufklärungsbedürfnis erkennen konnte und musste (BGH NJW 1998, 3486).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Kläger war in der fraglichen Angelegenheit bereits seit geraumer Zeit für die Beklagten tätig. Allein wegen der Interessenten A und B hatte er seit Ende 1994 an einer ganzen Reihe von Besprechungen und Verhandlungen teilgenommen. Auch noch unmittelbar vor dem notariellen Vertragsschluss am 24.2.1995 war der Kläger in die Verhandlungen eingebunden und hat die Beklagten beraten. Aus deren Sicht war es daher selbstverständlich, dass sie sich wiederum an den Kläger wandten, als die ersten Probleme bei der Durchführung des Vertrages auftraten.

Die Beklagten mussten in dieser Situation nicht damit rechnen, dass durch die neuerliche Tätigkeit des Klägers auch neue Gebührenansprüche gegen sie ausgelöst würden. Aus ihrer Sicht ging es um die Korrektur eines Vertrages, für dessen Zustandekommen sie den Kläger bereits bezahlt hatten. Die neuen Beratungsleistungen des Klägers standen auch in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dessen bisheriger Tätigkeit. Sie konnten davon ausgehen, dass der mit der Angelegenheit bereits vertraute Kläger sich nicht erst mühevoll in die Problematik einarbeiten musste.

Dem Kläger musst demgegenüber als Rechtsanwalt bewusst sein, dass die Rückabwicklung des Vertrages gebührenrechtlich eine neue Angelegenheit war. Er konnte und musste erkennen, dass dies für die Beklagten nicht offensichtlich war. Auch aus seiner Sicht war es nicht so, dass die Beklagten sich erstmals an ihn wandten und deshalb selbstverständlich von einer Gebührenpflichtigkeit der Tätigkeit des Klägers ausgehen mussten. Nach Treu und Glauben war der Kläger danach verpflichtet, die Beklagten darüber aufzuklären, dass durch seine weitere Tätigkeit neue Gebühren in beträchtlicher Höhe ausgelöst würden. Dieser Verpflichtung ist er nicht nachgekommen. Danach befragt hat er in der mündlichen Verhandlung vom 12.1.2001 (Bl. VIII-2066 f.) sinngemäß erklärt:

"Ich habe den Beklagten erklärt, dass es sich um ein neues Mandat handelt. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, ihnen gesagt zu haben, dass hierdurch ein neuer Gebührenanspruch ausgelöst wird."

Dieser Vortrag wird von den Beklagten bestritten. Selbst wenn man ihn zugunsten des Kläger als wahr unterstellt, reicht der bloße Hinweis auf ein neues Mandat ohne Hinweis auf neue Gebühren zur Erfüllung seiner Hinweispflichten nicht aus; der Kläger hätte auch auf neu entstehende Gebühren hinweisen müssen. Die Beklagten mussten aus dem Hinweis auf ein neues Mandat nicht zwingend auf neue Gebühren schließen.

Selbst wenn man aber den Hinweis ausreichen lassen wollte, hat der Kläger für seine Behauptung keinen zulässigen Beweis angeboten. Die angeregte Parteivernehmung des Klägers nach § 448 ZPO (vgl. Bl. VIII-2067 d.A.) ist unzulässig, weil noch kein anderweitiger Anfangsbeweis erbracht ist (Zöller-Greger ZPO, § 448 Rn 4 - mit weiteren Nachweisen).

Für eine schuldhaft unterbliebene Aufklärung kann der Geschädigte Schadensersatz verlangen. Eine Aufrechnungserklärung ist insoweit nicht erforderlich. Schadensersatz bedeutet hier nach § 249 I S. 1 BGB, dass der Zustand herzustellen ist, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

Ohne die Pflichtverletzung des Klägers wäre der geltend gemachte Gebührenanspruch nicht entstanden. Das Vorbringen der Beklagten, sie hätten von einer Einschaltung des Klägers abgesehen oder mit diesem zumindest eine für sie wesentlich günstigere Honorarabrede getroffen, wenn sie gewusst oder auch nur geahnt hätten, dass dem Kläger aufgrund seiner anwaltlichen Bemühungen um eine Rückabwicklung des Vertrages und Abschluss einer neuen Vereinbarung mit den Käufern erneut ein Gebührenanspruch in einer Größenordnung von mehr als 500.000,- DM erwachsen könnte, ist ohne weiteres nachvollziehbar. Die Beklagten sind daher so zu stellen, als hätten sie den Kläger insoweit nicht beauftragt. Dann wären die geltend gemachten Gebühren nicht entstanden.

4.Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 31.5.2006 - ohne dass dies zu Protokoll genommen wurde - erstmals geltend gemacht hat, er stütze die Klageforderung hilfsweise auch auf den Gebührenanspruch, der ihm nach der BRAGO für den Neuabschluss des Vertrages vom 7.7.1995 zustehe, kann er mit diesem neuen Hilfsvorbringen ebenfalls keinen Erfolg haben.

Bei der Tätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit der Aufhebung des Vertrages vom 24.2.1995 und dem Abschluss des neuen Vertrages ohne Bauverpflichtung handelt es sich nämlich wiederum um eine einheitliche gebührenrechtliche Angelegenheit, für die der Kläger keine zusätzlichen Gebühren verlangen kann. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der vorangegangenen Ausführungen zu § 13 II BRAGO. Das Tätigwerden des Klägers kann nur einheitlich als eine Anpassung des Vertrages vom 24.2.1995 an die veränderten Umstände verstanden werden; Aufhebung und Neuabschuss der Verträge haben sich demgemäß auch an ein und demselben Tag - dem 7.7.1995 - vollzogen.

C.Da dem Kläger keine (weiteren) Gebührenansprüche mehr zustehen und die Klage sowohl nach dem Haupt- als auch nach dem Hilfsantrag des Klägers unbegründet ist, kommt es auf etwaige aufrechenbaren Schadensersatzansprüche der Beklagten wegen der Ereignisse um den Abschluss des Vertrages vom 24.2.1995 nicht mehr an. Da die Parteien diesbezüglich jedoch heftig gestritten haben und die Problematik einen breiten Rahmen im Prozess eingenommen hat, hat sich der Senat gleichwohl zu den folgenden rechtlichen Ausführungen entschlossen:

Schadensersatzansprüche der Beklagten wegen angeblicher Pflichtverletzung des Klägers vor der Vertragsprotokollierung am 24.2.1995 in O1 bestehen nicht. Diesbezüglich hält der Senat die Ausführungen des 23. Zivilsenats in seinem Urteil vom 26.4.2006 zum Parallelprozess, das Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, für zutreffend. Im Einzelnen gilt danach:

1.Es liegt keine Pflichtverletzung in dem Umstand, dass es der Kläger ablehnte, persönlich an dem in O1 angesetzten Protokollierungstermin teilzunehmen, weil der Vertragsentwurf zwischen den Parteien bereits abgestimmt war.

2.Auch kann darin, dass der Kläger den Beklagten erklärte, er sei ab 18.00 Uhr nicht mehr erreichbar und trete einen Kurzurlaub an, keine Verletzung der Anwaltspflichten gesehen werden. Es kann einem Anwalt nicht vorgeworfen werden, wenn er seinen Mandanten nicht jederzeit und uneingeschränkt, sondern nur in bestimmten zeitlichen Grenzen als Berater zur Verfügung steht. Im Übrigen hätten die Beklagten die Möglichkeit gehabt, im Falle weiteren Beratungsbedarfs durch den Kläger auf eine nochmalige Verschiebung der Vertragsprotokollierung hinzuwirken.

3.Der Kläger hat seine anwaltlichen Pflichten auch nicht dadurch verletzt, dass er für die Zeit seiner Abwesenheit nicht erreichbar war. Zwar wusste der Kläger, dass die Beurkundung des Vertrages noch nicht erfolgt war, als er die Beklagten über seine bevorstehende Abwesenheit unterrichtete. Seine ständige Bereitschaft, Beratungsleistungen zu erbringen, war aber nicht erforderlich. Der Kläger war auch nicht gehalten, für die Zeit seiner Abwesenheit für eine Vertretung zu sorgen, denn im Hinblick auf die Schwierigkeit und der Bedeutung der Angelegenheit hätte ein zu bestellender Vertreter eine Beratungstätigkeit in dieser Situation mangels Kenntnis der Sachlage nicht ausreichend erbringen können.

4.Sofern die Beklagten geltend machen, zum relevanten Zeitpunkt sei für sie ein weiterer Beratungsbedarf durch den Kläger nicht erkennbar gewesen, kann dem nicht gefolgt werden. Da die Beklagten im Bauträgergeschäft bewandert waren, hätten sie die Tragweite des ihnen bis zur Protokollierung nicht bekannten Zusatzes erkennen müssen. Auch wenn von ihnen nicht verlangt werden konnte, dass sie diesen Zusatz in juristischer Hinsicht in vollem Umfang werten konnten, hätte ihnen auch bei laienhafter Betrachtung auffallen müssen, dass die Verwertung der Bürgschaft durch den Zusatz andere Voraussetzungen erhalten hatte.

5.Die Beklagten durften auch nicht davon ausgehen, dass der Kläger den letztlich protokollierten Vertragstext überprüft und für ihn Ordnung befunden hatte. Dies ergibt sich schon daraus, dass es noch während der Protokollierungsverhandlung neben dem bereits erwähnten Zusatz auch zu einer Vielzahl weiterer Änderungen des Vertragstextes gekommen ist.

6.Eine Pflichtverletzung des Klägers könnte nur dann in Betracht gezogen werden, wenn es zuträfe, dass der Notar N1 mit ihm die diesem am 23.2.1995 um 19.57 Uhr übersandte Fassung des Vertragsentwurfs ausführlich erörtert und der Kläger den Zusatz zur Regelung über das Stellen einer Bürgschaft auf erstes Anfordern gebilligt hätte. Unter diesen Umständen wäre es die Pflicht des Klägers gewesen, die Beklagten auf die durch den geänderten Vertragstext entstehenden Risiken hinzuweisen. Eine solche Pflichtverletzung können die Beklagten aber nicht beweisen, denn Notar N1 ist nicht verpflichtet, hierzu eine Aussage zu machen, wie aufgrund des in diesem Rechtsstreit ergangenen Zwischenurteils vom 19.11.2003 rechtskräftig feststeht.

Die von ihnen selbst angeregte Parteivernehmung der Beklagten bzw. ihre Anhörung ist wegen Fehlens eines Anfangsbeweises prozessual unzulässig.

Auch die nunmehr angeregte Beweisaufnahme über die Behauptung, Notar N1 habe einem Zeugen gegenüber im Juni 1998 und am 2.7.1998 ein am 23.2.1995 mit dem Kläger geführtes Telefongespräch erwähnt, in dem die gewünschten Vertragsänderungen besprochen worden sein, muss nicht erfolgen. Für die Beklagte könnte insoweit günstigstenfalls nachgewiesen werden, dass Notar N1 eine solche Äußerung gemacht hat. Der Beweis dieser Tatsache würde aber unter Berücksichtigung aller Umstände allein nicht ausreichen, um es als erwiesen ansehen zu können, dass ein solches Gespräch tatsächlich stattgefunden hat und welchen genauen Inhalt es hatte. Es sind auch keine weiteren Indizien dafür vorhanden, die im Zusammenhang mit der in das Wissen des Beklagten zu 2) gestellten Behauptungen den Beweis dafür erbringen könnten, dass Notar N1 die Vertragsänderung tatsächlich mit dem Kläger abgesprochen hat.

7.Da es bereits an dem Nachweis einer anwaltlichen Pflichtverletzung des Klägers fehlt, kann dahingestellt bleiben, ob hierdurch der von den Beklagten behauptete Schaden verursacht worden ist und welchen Umfang er hat.

Der von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung beantragte Schriftsatznachlass, der sich auf den Schriftsatz der Gegenseite vom 2.5.2006 bezog, musste nicht gewährt werden, denn substanziell wird in dem Schriftsatz kein neuer Vortrag gehalten. Zudem beschränken sich die Ausführungen der Beklagten auf die hier unter C. behandelten Schadensersatzansprüche, die im Rahmen dieser Entscheidung ohnehin nicht entscheidungserheblich waren bzw. zu keiner für den Kläger nachteiligen Bewertung durch den Senat geführt haben.

Der - entgegen der anderslautenden Eingangsformulierung - nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 7.6.2006 durfte gemäß § 296 a ZPO nicht mehr berücksichtigt werden, soweit er neue Angriffs- und Verteidigungsmittel enthält.

Für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO bestand keine Veranlassung.

Es war auch nicht erforderlich, den Parteien nach der mündlichen Verhandlung vom 31.5.2006 nochmals eine Frist zur schriftsätzlichen Stellungnahme einzuräumen. Der Vorwurf des Klägers, der Senat habe ihn in der letzten mündlichen Verhandlung mit einer neuen Rechtsansicht überrascht, ist nicht berechtigt. Die Parteien haben während des über sieben Jahre dauernden Berufungsverfahrens die Gelegenheit genutzt, jeden nur denkbaren Aspekt des Falles ausgiebig zu erörtern und zu beleuchten. Auch wenn der Senat - in veränderter Besetzung - letztlich zu dem Schluss gelangt ist, dass die unter C. dargestellten Schadensersatzansprüche für die Entscheidung nicht unmittelbar von Bedeutung sind, ist die Begründetheit bzw. Unbegründetheit der von dem Kläger geltend gemachten Gebührenansprüche in den vorausgegangenen Verhandlungsterminen ausführlich erörtert worden, was auch der Kläger in seinem Schriftsatz vom 7.6.2006 letztlich zugesteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 I, 97 ZPO. Hinsichtlich des Zwischenurteils ist eine gesonderte Kostenentscheidung ergangen.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 108 I ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 14.06.2006
Az: 9 U 70/98


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/18aab0db5335/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_14-Juni-2006_Az_9-U-70-98




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