Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 21. Februar 2006
Aktenzeichen: I-20 U 232/05

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 21.02.2006, Az.: I-20 U 232/05)

Tenor

Auf die Berufung der Antragstellerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und des weitergehenden Antrags das Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 04. November 2005 teilweise abgeändert.

1. Den Antragsgegnerinnen wird es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt,

im geschäftlichen Verkehr die Waren "Seifen, Parfümerien, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" unter dem Zeichen "X." anzubieten oder anbieten zu lassen, in den Verkehr zu bringen oder bringen zu lassen oder zu diesen Zwecken zu besitzen, unter diesem Zeichen die vorgenannten Waren auszuführen oder ausführen zu lassen oder das Zeichen "X." im Geschäftsverkehr im Zusammenhang mit den vorgenannten Waren sonst kennzeichenmäßig zu benutzen oder benutzen zu lassen, es sei denn, die Waren stammen in ihrer Kennzeichnung nicht von der Antragsgegnerin zu 1. oder 2.

2. Den Antragsgegnerinnen wird aufgegeben, die in ihrem Besitz befindlichen vorgenannten Waren, die mit dem Zeichen "X." gekennzeichnet sind, an einen Gerichtsvollzieher herauszugeben.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerinnen.

Streitwert: 250.000 €

Gründe

Die Antragstellerin ist Inhaberin der IR-Marke ... "X.", geschützt u.a. für Deutschland und für die Waren "Savons de toilette; parfumerie, huiles essentielles, cosmétiques, lotions pour les cheveux".

Sie schloss mit der - damals noch als Y. AG firmierenden - Antragsgegnerin zu 1. einen Lizenzvertrag, mit dem letztere das ausschließliche Recht erhielt, Parfüm, Kosmetika und Eau de Toilette-Produkte unter der Marke "X." weltweit herzustellen und zu vertreiben, wobei dies schließlich von ihrer 100 %-igen Tochtergesellschaft, der Antragsgegnerin zu 2., durchgeführt wurde. Der Vertrag endete - nach Verlängerung - am 31. Dezember 2004. Nach Nr. 21.1 des Vertrages war die Antragsgegnerin zu 1. mit Ablauf des Vertrages zur Herstellung der Lizenzprodukte nicht mehr berechtigt, durfte aber "Prodotti Licenziati giacenti a magazzino" binnen weiterer 6 Monate verkaufen, wobei dafür die vereinbarten "Royalties" fällig wurden. Des Weiteren hatte die Antragsgegnerin zu 1. innerhalb von 30 Tagen seit Vertragsbeendigung eine Inventarliste dieser Waren mitzuteilen.

Die Antragsgegnerin zu 1. teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 24. Februar 2005 mit, es seien lediglich noch Verpackungsmaterialien im Werte von mehr als 187.000 Euro vorhanden; diese wurden im Beisein von Vertretern beider Seiten vernichtet.

Bei einer Überprüfung der Konten der Antragsgegnerin zu 1. durch einen von der Antragstellerin beauftragen Wirtschaftsprüfer fiel auf, das im Dezember 2004 erhebliche Warenbestände an die Antragsgegnerin zu 3. veräußert worden waren. Bei weiteren Nachforschungen der Antragstellerin ergab sich, dass die Antragsgegnerinnen zu 1. und 3. Lagerräumlichkeiten in M. bei einer B. GmbH unterhielten, von wo die Ware an weitere Unternehmen vertrieben wurde. Die Lieferung an die Antragsgegnerin zu 3. war dadurch erfolgt, dass die Antragsgegnerin zu 1. Palettenstellplätze bei der B. an die Antragsgegnerin zu 3. vermietet hatte und der B. ein Lieferschein über die bereits bei ihr lagernden Gegenstände zugunsten der Antragsgegnerin zu 3. übersandt worden war.

Die Antragstellerin hält dies für unzulässig und macht marken- und vertragsrechtliche Ansprüche geltend.

Im Mittelpunkt des Streits steht die Frage, ob die Veräußerung der Ware an die Antragsgegnerin zu 3. zu einer Erschöpfung der Markenrechte nach § 24 MarkenG geführt hat, insbesondere ob die Antragsgegnerin zu 3. wirtschaftlich als außerhalb des "Y.-Konzerns" stehend anzusehen ist. Die Antragstellerin macht geltend, die Antragsgegnerinnen arbeiteten sittenwidrigerweise zu Lasten der Antragstellerin zusammen.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin, die im Wesentlichen Erfolg hat.

1.

Außer Streit steht, dass die Antragstellerin an sich gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf Grund ihrer Marke "X." die beanstandeten Handlungen untersagen lassen kann.

Die Parteien streiten nur darüber, ob die Waren mit Zustimmung der Antragstellerin in den Verkehr gebracht worden sind und daher grundsätzlich Erschöpfung eingetreten ist (§ 24 MarkenG) bzw. ob sich die Antragsgegnerinnen auf eine etwaige Erschöpfung berufen können. Jedenfalls letzteres ist nicht der Fall.

a) Soweit die Antragstellerin allerdings geltend macht, es bestünden berechtigte Gründe im Sinne des § 24 Abs. 2 MarkenG, die einer Erschöpfung von vornherein entgegen stehen, ist dies zweifelhaft. Nach ihrer Ansicht sind die berechtigten Gründe im Sinne der Vorschrift darin zu erblicken, dass die Gefahr einer Veräußerung an "Graumarkthändler" bestünde. Selbst wenn man von einer solchen Gefahr ausgeht, dürfte es sich aber nicht um einen berechtigten Grund im Sinne der Vorschrift handeln (vgl. für Luxusparfums EuGH GRUR Int. 1998, 140 - Dior/Evira; vgl. auch BGH, Urteil vom 03.11.2005 - I ZR 29/03 - Gewinnfahrzeug mit Fremdemblem). Einer näheren Erörterung bedarf diese Frage aus nachstehenden Gründen aber nicht.

b) Es sprechen gewisse Gründe dafür, dass die fraglichen Waren nicht im Sinne des § 24 Abs. 1 MarkenG "in den Verkehr gebracht" worden sind, weil ihre Veräußerung von der Antragsgegnerin zu 2. an die Antragsgegnerin zu 3. als "rein konzerninterner Vorgang" anzusehen ist.

Die Parteien sind sich im Ansatzpunkt noch in dem Grundsatz einig, dass ein Inverkehrbringen nicht durch einen Verkauf an ein konzernrechtlich verbundenes Unternehmen eintritt (so auch beiläufig EuGH EuZW 2005, 61 - Peak Holding AB/Axolin Elinor AB Rdnr. 44; vgl. auch Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 24 Rdnr. 41; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 24 Rdnr. 41; zweifelnd demgegenüber Sack WRP 1999, 1088, 1092/1093), wobei die Frage, welcher Grad der Verbundenheit schädlich ist, nicht näher erörtert wird (zurückhaltend Ingerl/ Rohnke, a.a.O.: nur wenn Verfügungsgewalt unverändert bei derselben Leitungsstelle geblieben ist).

aa) Bei der Beurteilung der konzernrechtlichen Verbundenheit ist im Streitfall von dem Schaubild auszugehen, das die Antragstellerin mit Anlage ASt 19 vorgelegt hat. Die Antragsgegnerinnen bestreiten zwar seine Richtigkeit. Ungeachtet der Frage, ob sie nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast nicht ohnehin nähere Angaben machen müssten, ergibt sich die Richtigkeit (mit geringfügigen Abänderungen) jedenfalls aus weiteren Unterlagen, wie die Antragstellerin zutreffend mit Schriftsatz vom 15. Februar 2006 vorträgt.

Die Verhältnisse der S. SA und der von ihr abhängigen Unternehmen ergeben sich aus dem vorgelegten Abhängigkeitsbericht der Antragsgegnerin zu 1. für das Jahr 2004 (Anlage AG 8). Zu ergänzen ist lediglich, dass Dr. P. zu 22,5 % an der S. SA beteiligt ist und dass dem Abhängigkeitsbericht zufolge die E. SARL an der Antragsgegnerin zu 1. nicht zu 100 %, sondern nur zu 81,05 % beteiligt ist.

Dass die Antragsgegnerin zu 3. 100 %-ige Tochter der L. S.p.A. ist, machen die Antragsgegnerinnen selbst geltend. Die übrigen Angaben ergeben sich aus den von der Antragstellerin vorgelegten Handelsregisterauszügen; zu ergänzen ist lediglich, dass die F. SA mit 2,93 % unmittelbar an der L. S.p.A. beteiligt ist.

bb) Danach liegt, worauf die Antragsgegnerinnen zu Recht hinweisen, ein "klassischer" Konzern mit einer einzigen Konzernmutter und von ihr abhängigen Gesellschaften nicht vor. Obergesellschaften sind vielmehr die S. SA (hinsichtlich der Antragsgegnerinnen zu 1. und 2.) und die L. S.p.A. (hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 3.). An ihnen ist nicht ein einziges Unternehmen jeweils mehrheitlich beteiligt, sondern zwei, zum einen die E. SA und zum anderen die F. SA, wobei die Beteiligungen jeweils unter 40 % betragen. Für eine Verflechtung der E. SA und der F. SA im Sinne des § 19 AktG ist nichts vorgetragen.

Allerdings gibt es rechtlich den Begriff der mehrfachen Abhängigkeit und der Mehrmütterherrschaft (vgl. Bayer, in Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 17 Rdnrn. 76 ff. m.w.N.; § 18 Rdnr. 43). Das bedingt, dass die beiden (oder sämtliche) Mütter ihre Interessen in dem Gemeinschaftsunternehmen auf ausreichend sicherer Grundlage koordinieren. Eine solche Feststellung kann nur aufgrund einer Bewertung sämtlicher Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art mit gewissem Bestand erfolgen.

Auch wenn man einen Konzern, gebildet aus einem Gemeinschaftsunternehmen jeweils mit den beiden Müttern, feststellt (vgl. Bayer, a.a.O.), besteht im Streitfall die Schwierigkeit, dass nicht nur das Konzernverhältnis zwischen den Antragstellerinnen zu 1. und 2. zu ihren beiden potentiellen Müttern einerseits sowie zwischen der Antragsgegnerin zu 3. zu ihren beiden potentiellen Müttern anderseits festgestellt werden muss, sondern auch die Zugehörigkeit sämtlicher Antragsgegnerinnen zu demselben Konzern, d.h. die Unterstellung der Antragsgegnerinnen unter eine einheitliche Konzernleitung (§ 18 Abs. 1 S. AktG). Dafür sprechen nach Ansicht des Senats allerdings bestimmte Gesichtspunkte.

Auffällig ist die personelle Verflechtung zwischen den beiden Zweigen. Dr. P., der mit 22,5 % an der Obergesellschaft S. SA der Antragsgegnerinnen zu 1. und 2. beteiligt ist, ist nicht nur vertretungsberechtigtes Organ in den von der S. SA abhängigen Unternehmen, sondern auch in Unternehmen des "L. S.p.A."-Zweiges. Die Antragsgegnerin zu 4. ist gleichfalls in Unternehmen beider "Zweige" tätig, allerdings nicht in den Obergesellschaften, sondern nur in Tochter-/Enkelgesellschaften. Das Argument der Antragsgegnerinnen, diese Verflechtungen seien auf frühere Konzernverbindungen zurückzuführen, überzeugt nicht; bei Veränderungen von Konzernverbindungen werden regelmäßig die Spitzen zur Durchsetzung einer neuen Konzernpolitik sofort ausgetauscht.

Die festzustellende personelle Verflechtung sowie in Deutschland die gleiche Niederlassungsanschrift deuten auf eine Koordinierung der Tätigkeit beider Zweige hin. Für eine Verflechtung sprechen in gewissem Umfange auch die Umstände der Veräußerung der Markenware von der Antragsgegnerin zu 2. an die Antragsgegnerin zu 3.; es ist schwer erklärbar, dass die Antragsgegnerin zu 3. erhebliche Bestände von der Antragsgegnerin zu 2. erwirbt, für die erstere noch keine konkreten Abnehmer hatte, wenn nicht dadurch ein - dem Anschein nach - legaler Vertrieb der Markenware ermöglicht werden sollte. Allerdings ist über die Geschäftspolitik sowie die Organe der S. SA nichts Näheres bekannt. Dr. P. ist zudem in der L. S.p.A. nur einer von mehreren Vorständen. Schließlich bleibt unklar, wie die Verhältnisse bei der F. SA liegen.

Ob die angesprochenen Gesichtspunkte für die Annahme einer einheitlichen Konzernleitung ausreichen, kann aber aus den nachfolgenden Gründen letztlich offen bleiben.

c) Die Antragsgegnerinnen können sich nämlich nicht auf eine etwaige Erschöpfung berufen. Die Antragsgegnerinnen zu 1. und 2. haben hergestellte Waren nämlich treu- und vertragswidrigerweise an die Antragsgegnerin zu 3. "verschoben", was letztere - wie sich aus der Identität von Personen der Geschäftsführung ergibt - auch gewusst hat. Die Antragsgegnerinnen zu 1. und 2. haben bewusst vor Auslaufen des Lizenzvertrages eine "Überproduktion" hergestellt und die Waren, die sie nach dem Lizenzvertrag nur noch 6 Monate nach Vertragsbeendigung verkaufen durften, bei der Antragsgegnerin zu 3. "geparkt", um sie über die Antragsgegnerin zu 3. auch nach diesem Zeitraum doch noch vertreiben zu können. Dies hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht. Der Schluss lässt sich aus den Umständen des Falles ziehen. Wenn sich die Antragsgegnerin zu 3. in diese treuwidrigen Handlungen bewusst einbinden ließ, handelte sie sittenwidrig (§ 826 BGB.

Der eidesstattlichen Versicherung des Vorstandsmitgliedes M. vom 08. September 2005 (Anlage ASt 16) zufolge haben im Dezember 2004 massive Verkäufe der Antragsgegnerin zu 2. an die Antragsgegnerin zu 3. in einer Höhe stattgefunden, die Verkäufe in früheren Zeitpunkten erheblich überschritten; so sei im Dezember 2004 ein Umsatz von mehr als 11 Mio. € generiert worden, während in den Vormonaten ein Umsatz von rund 1 Mio. €, höchstens 2 Mio. € Euro erzielt worden sei. Eine Rechnung im Dezember 2004 habe bereits rund 7 Mio. € aufgewiesen. Von den rund 24,3 Mio. € Umsatz, die die Antragsgegnerin zu 2. im Jahre 2004 erzielt habe, entfielen auf die Antragsgegnerin zu 3. allein 21,6 Mio. €. Diese Zahlen werden durch die Unterlagen der Antragsgegnerinnen bestätigt. Bei der Anlage AG 9 fällt ein massiver Zuwachs in der Rubrik "GERMANY/TOTAL GERMANY" für das 4. Quartal 2004 gegenüber den früheren Quartalen (bis zum fünffachen) auf. Dementsprechend legen die Antragsgegnerinnen auch umfangreiche Listen über Verkäufe im Dezember 2004 vor.

Hinzu kommen noch die besonderen Umstände, unter denen sich die Veräußerungen nach dem Vortrag der Parteien vollzogen haben. Die Antragsgegnerin zu 1. hat nach dem Vorbringen der Antragsgegnerinnen (vgl. AG 13) durch Insichgeschäft Palettenabstellplätze an die Antragsgegnerin zu 3. vermietet. Die Besitzübergabe erfolgte entweder dadurch, dass die unmittelbare Besitzerin B. GmbH angewiesen wurde, den Lagerbestand nicht mehr für die Antragsgegnerin zu 1. oder 2., sondern für die Antragsgegnerin zu 3. zu besitzen (vgl. Palandt/ Bassenge, BGB, 65. Aufl., § 929 Rdnr. 14) oder durch Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen B. (§ 931 BGB; vgl. Anlage AG 12). Die Warenbestände blieben am selben Platz und - auf Grund der Identität bei den handelnden Personen - praktisch unter der Kontrolle derselben Personen. Hinzu kommt die enge Verbundenheit der Antragsgegnerin zu 1. und 2. mit der Antragsgegnerin zu 3., auch wenn sie noch nicht zum selben Konzern im Rechtssinn gehören sollten (vgl. oben unter b)).

Das dargestellte Vorgehen widersprach den Treuepflichten der Antragsgegnerin zu 1. gegenüber der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin zu 1. durfte nach Nr. 21.1 des Lizenzvertrages einen Restbestand aus Waren nur binnen sechs Monaten weitervertreiben. Die Antragstellerin hatte nach Nr. 21.3 das Recht, den Restbestand gegen Entschädigung zu erwerben. Dadurch sollte das Interesse der Antragstellerin sichergestellt werden, nach Ablauf eines Vertrages selbst oder durch Dritte mit der Herstellung und dem Vertrieb neuer Ware beginnen zu können. Dem Interesse der Antragstellerin würde zuwider gehandelt, wenn nach Vertragsende noch erhebliche Mengen von Waren auf den Markt gelangen und ihn zu verstopfen drohen würden, die aus einer Produktion erheblich über dem aktuellen Bedarf stammen. Dass die Antragsgegnerin zu 1. das diesbezügliche Interesse der Antragstellerin zu wahren hatte, ergibt sich gerade auch aus den Regelungen in Nr. 6. des Vertrages, wonach die Antragsgegnerin zu 1. bei dem Vertrieb der lizenzierten Waren Rücksicht auf die Antragstellerin, insbesondere hinsichtlich der allgemeinen Vertriebsstrategie, zu nehmen hatte.

Vor diesem Hintergrund kommt es nicht auf den Grundsatz an, dass sich ein Zeicheninhaber, der die Herstellung und Kennzeichnung von Ware auf Dritte auslagert, bei diesem auftretende Fehler zurechnen lassen muss, sich also Markeninhaber und von diesem beauftragter Hersteller als Einheit behandeln lassen müssen (vgl. BGH GRUR 1984, 545 - Schamotte-Einsätze; Senat, GRUR 1991, 220 - ESPRIT jeweils zum WZG). Der Grundsatz findet keine Anwendung im Verhältnis des Markeninhabers gerade zu seinem Lizenznehmer. Das Prinzip soll nämlich nur die ungestörte Verkehrsfähigkeit der gekennzeichneten Ware sicherstellen; nur insoweit soll sich der Markeninhaber gegenüber außenstehenden Dritten - außerhalb der Regelung des § 30 Abs. 2 MarkenG - nicht darauf berufen können, beim Lizenznehmer seien Unregelmäßigkeiten aufgetreten, die nicht von ihrer Zustimmung gedeckt seien, die Waren seien daher nicht "erschöpft" (vgl. Ströbele/Hacker, a.a.O., § 24 Rdnr. 46). Dritte brauchen sich vielmehr (von den in § 30 Abs. 2 MarkenG geregelten Voraussetzungen abgesehen) nicht darum zu kümmern, ob der Lizenznehmer bei der Herstellung und dem Vertrieb der gekennzeichneten Ware die Bedingungen des Lizenzvertrages eingehalten hat oder nicht. Dieser Verkehrsschutz gilt naturgemäß nicht im Verhältnis zum Lizenznehmer. Aber auch ein Erstabnehmer, der - wie hier - in kollusiver Weise mit dem Lizenznehmer zusammenarbeitet, ist nicht schutzwürdig. Er hat sich bewusst zum Werkzeug des ungetreuen Lizenznehmers gemacht.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass in derartigen Fallgestaltungen der Abnehmer, auch wenn - möglicherweise - im Prinzip eine Erschöpfung der Kennzeichenrechte in Bezug auf die Ware eingetreten sein sollte, sich nicht darauf berufen kann (vgl. OLG Hamburg, GRUR 1997, 300 - Vertrieb durch Hersteller, in Abgrenzung zu BGH GRUR 1983, 545 - Schamotte-Einsätze; s. auch OLG Düsseldorf, GRUR 1991, 220 ESPRIT; zweifelnd Ströbele/Hacker, a.a.O.; allgemein s. Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., § 826 Rdnr. 23).

d) Durch die Einbeziehung der Verkäufe der Antragsgegnerin zu 2. an die Antragsgegnerin zu 3. in die Lizenzberechnung seitens der Antragstellerin kann eine Zustimmung zum Inverkehrbringen im Sinne des § 14 MarkenG nicht erblickt werden. Die Antragstellerin ging dabei nämlich von einem regulären Geschäft der Antragsgegnerin zu 2. aus, welches von dem Lizenzvertrag gedeckt war und einer gesonderten Zustimmung der Antragstellerin gar nicht bedurfte.

e) Der vom Senat gewählte Tenor trägt der Möglichkeit Rechnung, dass die Antragsgegnerinnen in Zukunft Waren von Dritten erwerben und weitervertreiben können, die unzweifelhaft vorher in den Verkehr gebracht worden sind und hinsichtlich derer das Kennzeichenrecht also erschöpft ist und für die die obigen Ausführungen zu c) nicht gelten. Vom ausgesprochenen Verbot werden lediglich gekennzeichnete Waren erfasst, die unmittelbar von den Antragsgegnerinnen zu 1. bzw. 2. an die Antragsgegnerin zu 3. geliefert worden sind, nicht dagegen solche Waren, die von wirtschaftlich unabhängigen Dritten erworben worden sind, auch wenn sie ursprünglich von den Antragsgegnerinnen zu 1. oder 2. hergestellt und vertrieben worden sein sollten.

Dass bei der Antragsgegnerin zu 3. noch Ware lagert, für die die Ausführungen zu c) nicht gelten, die insbesondere früher von ihr rechtzeitig vor Ende des Lizenzvertrages im normalen Geschäftsverkehr erworben worden sind, haben die Antragsgegnerinnen auch auf ausdrücklichen Hinweis des Senats, er gehe auf Grund des "First in, first out"-Prinzipes von dem Gegenteil aus, nicht geltend gemacht.

2.

Der Unterlassungsanspruch besteht gegen jede der Antragsgegnerinnen. Die Antragsgegnerinnen zu 1. und 2. haben zwar mit der Veräußerung der Ware an die Antragsgegnerin zu 3. ihren Tatbeitrag bereits geleistet. Zum einen sind jedoch bei einer Mittäterschaft - wie sie hier vorliegt - die Handlungen sämtlichen Beteiligten zuzurechnen (vgl. Köhler, in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 8 UWG Rdnrn 2.4/5) und die Antragsgegnerinnen zu 1. und 2. begehen ihrerseits den drohenden unzulässigen Vertrieb mit Hilfe der - in ihrer Geschäftsführung im übrigen personenidentischen - Antragsgegnerin zu 3. Zum anderen besteht die Gefahr, dass bei einem Vertriebsverbot allein gegen die Antragsgegnerin zu 3. die Antragsgegnerinnen zu 1. und 2. die nach ihrer Auffassung bereits in Verkehr gebrachten und damit "erschöpften" Waren wieder übernehmen und selbst an Dritte vertreiben.

3.

Eine Wiederholungsgefahr besteht nur in dem im Tenor genannten Umfange. Sie ist nicht nur in Bezug auf die unzulässige Kennzeichnung selbst zu verneinen- den darauf gerichteten Antrag hat die Antragstellerin bereits im Termin vom 21. Februar 2006 fallen gelassen -, sondern auch hinsichtlich der im Antrag noch verbliebenen Einfuhr. Die vorliegende Fallkonstellation ist dadurch geprägt, dass die Antragsgegnerin zu 1. bzw. 2. auf Vorrat gekennzeichnete Waren hergestellt haben und diese - über die Antragsgegnerin zu 3. - im Inland lagern. Aus diesem Grunde ist nichts dafür ersichtlich, dass die Antragsgegnerinnen gekennzeichnete Waren unzulässigerweise einführen werden; in Betracht kämen allenfalls unzweifelhaft "erschöpfte" Waren (vgl. oben), für die es aber an einem Verfügungsanspruch ersichtlich fehlt.

4.

Es besteht auch ein Verfügungsgrund.

a) Entgegen den Ausführungen des Landgerichts ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin in zeitlicher Hinsicht rechtzeitig reagiert hat. Von der Antragstellerin zu 1. oder 2. im Dezember 2004 in üblichem Umfang erworbene Waren, für die Vorwurf dolosen Verhaltens nicht zu erheben war, durfte die Antragsgegnerin zu 3. ohnehin vertreiben. Vom Standpunkt der Antragstellerin aus war es der Antragsgegnerin zu 3. grundsätzlich aber auch gestattet, für die Antragsgegnerin zu 1. oder 2. deren restliche Markenware bis zum 30. Juni 2005 zu vertreiben. Auf Grund der erheblichen Menge bestand zwar der Verdacht, dass ein Gesamtverkauf bis zu diesem Tage nicht mehr möglich sein werde. Auch hatte die Antragsgegnerin zu 1. die bei der Antragsgegnerin zu 3. lagernden Mengen der Antragstellerin nicht als Restbestand gemeldet. Es bestand zwar damit frühzeitig der Verdacht, dass irgend etwas "nicht in Ordnung" war. Was jedoch "nicht in Ordnung" war, ob es sich um einen simplen Verstoß der Antragsgegnerin zu 1. gegen ihre Meldepflicht nach Nr. 21.2 handelte oder um schwerwiegendere Verstöße, war nicht ohne Weiteres klar. Der Sachverhalt bedurfte vielmehr weitergehender Aufklärung. Erst als feststand, dass die Antragsgegnerin zu 3. auch nach dem 30. Juni 2005 weiterhin Waren in großem Umfang lagerte und vertrieb, bestand Anlass zum gerichtlichen Einschreiten. Das stellte die Antragstellerin erst Anfang August 2005 hinreichend zuverlässig fest. Die danach zu bemessende Frist hat die Antragstellerin eingehalten, wenn sie den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung am 23. September 2005 beim zuständigen Gericht stellte.

b) Auch im Übrigen besteht ein Verfügungsgrund. Zwar gilt § 12 Abs. 2 UWG nicht für eine Markenrechtssache, wie sie vorliegend zu entscheiden ist (vgl. Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rdnrn. 423). Die deshalb notwendige Interessenabwägung spricht im Streitfall aber für die Antragstellerin. Bei einer Fortsetzung des Vertriebs droht der Antragstellerin eine "Marktverstopfung" mit den angesprochenen nachteiligen Folgen für den nachfolgenden Vertrieb; die Verhandlungen zwischen der Antragstellerin und einem potentiellen Lizenznehmer sind erheblich erschwert, wenn die Gefahr besteht, dass gekennzeichnete Waren in nicht geklärtem Umfange noch in den Markt zu gelangen droht. Die Sachgrundlage für die Entscheidung ist nach dem zuvor Gesagten eindeutig, so dass sich die im Grundsatz eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten eines Eilverfahrens vorliegend nicht nachteilig auswirken.

5.

Der Schutzantrag der Antragsgegnerinnen unter 2. ist unbegründet.

Die Vorschrift des § 712 ZPO greift nicht ein, weil das vorliegende Urteil nicht nur vorläufig vollstreckbar ist (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 712 Rdnr. 8), sondern im Hinblick auf § 542 Abs. 2 ZPO sofort mit Verkündung rechtskräftig ist.

Soweit er als Antrag auf Anordnungen nach § 921 ZPO (dazu Berneke, a.a.O., Rdnrn. 251 ff.) oder nach § 939 ZPO (dazu Berneke, a.a.O., Rdnrn. 255 ff.) verstanden werden kann, sieht der Senat nach dem zuvor Gesagten keinen Anlass für derartige Anordnungen.

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2, § 100 Abs. 1 ZPO. Die weitergehenden Anträge der Antragstellerin, die sie entweder zurückgenommen oder die der Senat zurückgewiesen hat, sind wirtschaftlich bedeutungslos gewesen.

Das Urteil ist kraft Gesetzes nicht revisibel, § 542 Abs. 2 ZPO.

Berufungsstreitwert: 250.000 Euro






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 21.02.2006
Az: I-20 U 232/05


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