Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Januar 2003
Aktenzeichen: 32 W (pat) 117/01

(BPatG: Beschluss v. 29.01.2003, Az.: 32 W (pat) 117/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 29. Januar 2003 (Aktenzeichen 32 W (pat) 117/01) entschieden, dass die Marke "396 53 186" gelöscht wird. Gegen diese Entscheidung hatte die Widersprechende Beschwerde eingelegt, da sie eine erhöhte Kennzeichnungskraft der eigenen Widerspruchsmarke "Urban" beanspruchte und Verwechslungsgefahr mit der angegriffenen Marke "URBAN HIGH" sieht. Die Dienstleistungen beider Marken lägen im engsten Ähnlichkeitsbereich, da sie beide im Bereich der Unterhaltung angesiedelt seien. Die Marken seien hochgradig ähnlich, da die angegriffene Marke durch "URBAN" geprägt werde. Das Wort "HIGH" weise lediglich auf das Besondere des Produkts hin und könne in Verbindung mit "URBAN" gedanklich mit der Widerspruchsmarke in Verbindung gebracht werden. Die Markeninhaberin bestritt hingegen die gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und wies darauf hin, dass die Dienstleistungen nicht auffallend ähnlich seien.

Das Bundespatentgericht folgte der Beschwerde der Widersprechenden und entschied, die angegriffene Marke gelöscht werden muss, da Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke besteht. Die Dienstleistungen beider Marken seien teilweise identisch oder zumindest hochgradig ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durchschnittlich und werde durch das Bestandteil "URBAN" in der angegriffenen Marke verstärkt. Das hinzugefügte Wort "HIGH" werde vom Verkehr lediglich als Hinweis auf Hochwertigkeit verstanden, wodurch beide Zeichen der Widersprechenden zugerechnet werden können. Kosten wurden nicht auferlegt.

Diese Entscheidung des Bundespatentgerichts bedeutet, dass die angegriffene Marke "396 53 186" gelöscht wird, da Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke "Urban" besteht. Diese Entscheidung basiert auf der insgesamt ähnlichen Dienstleistungen beider Marken sowie dem Vorliegen eines unbeträchtlichen Teils des Verkehrs, der das hinzugefügte Wort "HIGH" als Hinweis auf Hochwertigkeit versteht.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 29.01.2003, Az: 32 W (pat) 117/01


Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes - Markenstelle für Klasse 41 - vom 22. Februar 2001 aufgehoben.

Die Marke 396 53 186 wird gelöscht.

Gründe

I.

Gegen die für Organisation und Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen; Unterhaltung, am 6. Dezember 1996 angemeldete und am 30. Januar 1997 eingetragene Wortmarke URBAN HIGH ist Widerspruch erhoben aus der u.a. für Planung, Gestaltung und Produktion von Rundfunk- und Fernsehsendungen sowie Filmen, Video und Tonaufnahmenseit 7. März 1996 eingetragenen Wortmarke Urban.

Gegen die Widerspruchsmarke selbst war auch ein Widerspruchsverfahren anhängig, das am 12. November 1999 abgeschlossen wurde.

Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen, weil keine Markenähnlichkeit bestehe und auch keine Anhaltspunkte für ein gedankliches Inverbindungbringen vorlägen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie beanspruche eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke wegen umfangreicher Benutzung für LPs, CDs und MCs. Die Dienstleistungen sehe sie im engsten Ähnlichkeitsbereich, da sämtliche im Bereich der Unterhaltung angesiedelt seien. Die Marken seien hochgradig ähnlich, da die angegriffene Marke durch "URBAN" geprägt werde. "HIGH" weise ohne besondere Kennzeichnungskraft auf das Besondere des Produktes hin, wie aus Wortverbindungen wie "highway" für eine besonders gute Verbindung und "high quality" für eine besondere Qualitätsstufe zu entnehmen sei. Daneben bestehe die Gefahr, dass "URBAN HIGH" mit der Widerspruchsmarke "Urban" gedanklich in Verbindung gebracht werde.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bestreitet die von der Widersprechenden beanspruchte gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und weist darauf hin, dass Schallplatten, Musikkassetten und CDs mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnet seien, nicht jedoch die hier in Rede stehenden Dienstleistungen. Es könne nicht einmal von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft ausgegangen werden, da "Urban" (= städtisch) beschreibende Anklänge habe. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Dienstleistungen nicht in auffallender Weise ähnlich seien. Maßgebend sei, dass sie sich an völlig unterschiedliche Verkehrskreise richteten. Beim Vergleich der Marken sei zu berücksichtigen, dass wegen des jeweils beschreibenden Anklangs keine Gewichtung bei den Markenteilen vorzunehmen sei. Es sei vielmehr von der Gesamtmarke auszugehen, so dass sich keine verwechslungsrelevanten Übereinstimmungen ergäben. Für ein gedankliches Inverbindungbringen fehle jeglicher Anhaltspunkt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die angegriffene Marke ist wegen der Gefahr von Verwechslungen mit der Widerspruchsmarke zu löschen.

Nach §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Dienstleistungen (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626, 627 - IMS). Den Dienstleistungen "Organisation und Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen; Unterhaltung" der angegriffenen Marke steht die Dienstleistung "Gestaltung und Produktion von Rundfunk- und Fernsehsendungen sowie von Filmen, Video- und Tonaufnahmen" gegenüber. Zwischen dieser und der Dienstleistung Unterhaltung besteht Dienstleistungsidentität, da Unterhaltung in Form einer Produktion von Rundfunk- und Fernsehsendungen sowie von Filmen, Video- und Tonbandaufnahmen denkbar ist. Soweit es die Dienstleistung "Organisation und Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen" angeht, besteht hochgradige Dienstleistungsähnlichkeit. Es ist allgemein bekannt, dass die Produzenten von Rundfunk- und Fernsehsendungen auch kulturelle und sportliche Veranstaltungen organisieren und durchführen (zB Antenne Bayern Sommerfest, B 3 - Rock im Park).

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich. Sie ist nicht durch intensive Benutzung für die in Frage stehenden Dienstleistungen erhöht. Insoweit fehlt jeglicher Vortrag. Aus den Verkaufszahlen von Tonträgern können keine entsprechenden Schlüsse gezogen werden. Die Widerspruchsmarke ist aber auch nicht wegen beschreibender Anklänge in ihrer Kennzeichnungskraft geschwächt. "Urban" oder auch "städtisch" hat für die hier in Frage stehenden Dienstleistungen keinerlei beschreibende Komponente. Insbesondere wird in diesem Dienstleistungsbereich nicht zwischen "ländlichen" und "städtischen" unterschieden.

Im übrigen ist Urban ein Vorname sowie ein gebräuchlicher Zuname (vgl. z.B. Münchner Telefonbuch).

Es besteht die Gefahr des gedanklichen Inverbindungbringens der angegriffenen Marke "URBAN HIGH" mit der Widerspruchsmarke "urban". Wegen des Grundsatzes, dass beim Vergleich zweier Marken vom jeweiligen Gesamteindruck auszugehen ist, reicht zwar das Vorhandensein eines übereinstimmenden Elements in beiden Marken noch nicht zur Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr aus. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass diesem Bestandteil Hinweischarakter auf den Inhaber der älteren Marke zukommt. Es ist anerkannt, dass dies neben den Fällen, dass der Widersprechende durch mehrere eigene entsprechend gebildete Serienmarken den Verkehr daran gewöhnt hat, dass der Stammbestandteil auf ihn hinweist oder der übereinstimmende Bestandteil mit erhöhter Verkehrsgeltung ausgestattet ist, auch dann der Fall ist, wenn sonstige Umstände diesen Schluss aufdrängen. Diese sonstigen Umstände liegen hier in der Markenbildung des angegriffenen Zeichens. Dem durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Bestandteil "URBAN", der die Widerspruchsmarke identisch übernimmt, ist das Wort "HIGH" angefügt. Letzteres wird von nicht unbeträchtlichen Teilen des Verkehrs in der konkreten Verwendung lediglich als Hinweis auf Hochwertigkeit verstanden werden, wie sich auch aus dem bekannten Begriff "high quality" für eine besondere Qualität entnehmen lässt, mit der Folge, dass beide Zeichen in rechtserheblichem Umfang der Widersprechenden zugerechnet werden.

Für eine Auferlegung von Kosten (§ 71 Abs 1 MarkenG) besteht kein Anlass.

Winkler Engels Sekretarukbr/Fa






BPatG:
Beschluss v. 29.01.2003
Az: 32 W (pat) 117/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/17cc1421680a/BPatG_Beschluss_vom_29-Januar-2003_Az_32-W-pat-117-01




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