Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Februar 2006
Aktenzeichen: 32 W (pat) 49/03

(BPatG: Beschluss v. 01.02.2006, Az.: 32 W (pat) 49/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 28. August 2000 angemeldete und am 2. Januar 2001 für die Waren Zuckerwaren; Schokolade und Schokoladewaren; feine Backwareneingetragene Wortmarke 300 64 451 Saftjesist Widerspruch erhoben worden aus der am 18. November 1992 angemeldeten Wort-/Bildmarke 2 051 202 Wort-/Bildmarke 2 051 202 Die Widerspruchsmarke genießt Schutz für die Waren Zuckerwaren, Fruchtgummi, Weingummi, Lakritz (nicht für pharmazeutische Zwecke), Konfekt auf Basis von Lakritz und/oder Fruchtgummi und/oder Weingummi und/oder geschäumtem Zucker.

Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 3. Dezember 2002 zurückgewiesen. Trotz Warenidentität/-ähnlichkeit und erhöhter Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei eine Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Marken nicht gegeben. Eine klangliche Verwechslungsgefahr liege nicht vor, weil den klanglichen Übereinstimmungen in der Lautfolge "-atjes" die deutlichen klanglichen Verschiedenheiten am Wortanfang gegenüberstünden. Verstärkt werde der phonetische Unterschied durch den Konsonanten "f" in der Wortmitte der angegriffenen Marke. Der Sinngehalt von "Saft" in der jüngeren Marke trage dazu bei, die Vergleichsmarken voneinander zu unterscheiden. Das am Wortende übereinstimmende Wortelement "jes" sei als allgemein bekannte Verniedlichungsform und wegen einer relativ großen Anzahl von Drittmarken mit diesem Bestandteil auf dem hier in Frage kommenden Warengebiet sehr kennzeichnungsschwach. Wegen der Kennzeichnungsschwäche dieses Wortbestandteils sei auch nicht zu besorgen, dass die beiden Vergleichsmarken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 30, vom 3. Dezember 2002 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Die einander gegenüberstehenden Zeichen seien in schriftbildlicher und in klanglicher Hinsicht verwechslungsfähig. Erhebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise wie Kinder und Jugendliche würden die geringen Unterschiede kaum wahrnehmen. Die von der Markenstelle vorgenommene zergliedernde Betrachtungsweise der Widerspruchsmarke sei unzulässig. Die Widerspruchsmarke verfüge über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft. Die Bezeichnung "Katjes" werde seit Jahrzehnten millionenfach auf den Beutelverpackungen der Widersprechenden aufgebracht. Katjes sei die Nr. 3 auf dem deutschen Zuckerwarenmarkt und genieße beim Verbraucher einen hohen Zuspruch. Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft habe insbesondere die Buchstabenfolge "atjes", was durch zahlreiche Drittmarken der Widersprechenden mit dieser Buchstabenfolge belegt werde. Der Begriffsinhalt von "Saft" stehe der Verwechslungsgefahr nicht entgegen, da die Markeninhaberin bei ihrer Produktherstellung Saft als Zutat verwende, dies in ihrer Werbung herausstellte und diese Assoziation somit auf die Widersprechende hinweise.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Schriftbildlich sei eine Markenähnlichkeit bereits wegen des Bildelements der Widerspruchsmarke nicht gegeben. Auch eine klangliche Verwechslungsgefahr liege wegen der erheblichen phonetischen Differenzen nicht vor, wobei der Abstand durch den allgemein verständlichen Sinn beider Markenwörter noch vergrößert werde. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Widerspruchsmarke durch ihre Benutzung relativ große Kennzeichnungskraft erworben habe, was vorsorglich bestritten werde. Die benutzte Widerspruchsmarke sei ausschließlich eine Wort-/Bildmarke, die ganz maßgeblich von dem Bildelement einer Katze mitgeprägt werde. Das Markenwort "Katjes" ohne das Bildelement - und nur dieses komme als Gegenstand der Verwechslungsgefahr in Betracht -, werde nicht benutzt, so dass es über seine Kennzeichnungskraft keine Erkenntnisse gebe. Der Bestandteil "-jes" verfüge als in Deutschland allgemein bekannte Verkleinerungsform wegen einer Vielzahl benutzter Drittmarken auf dem hier interessierenden Warengebiet nur über eine geringe Unterscheidungskraft. Inhaber der benutzten Drittmarken seien vielfach Konkurrenzunternehmen. Die Markeninhaberin verweist in diesem Zusammenhang u. a. auf die Traditionsmarken "Antjes" und "Pittjes".

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet, weil die sich gegenüberstehenden Marken keiner Gefahr der Verwechslung im Verkehr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegen. Nach diesen Vorschriften ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs u. a. zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2006, 60, 61 - coccodrillo m. w. N.).

1. Bezüglich Zuckerwaren besteht Warenidentität, da diese Ware in beiden Warenverzeichnissen enthalten ist. Es entspricht ständiger Praxis, eine Ähnlichkeit zwischen Zuckerwaren einerseits und "Schokolade und Schokoladewaren; feine Backwaren" andererseits zu bejahen (Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl., S. 348 f.).

2. Die Widerspruchsmarke besitzt von Haus aus eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Umstände, die für einen erhöhten Schutzumfang sprechen könnten - etwa der Marktanteil der mit der Marke versehenen Waren, die Intensität, geographische Ausdehnung und Dauer der Benutzung sowie der Werbeaufwand (vgl. BGH GRUR 2003, 1040, 1044 - Kinder; GRUR 2002, 1067, 1069 - DKV/OKV m. w. Nachw.) - sind von der Widersprechenden nicht spezifiziert dargelegt und glaubhaft gemacht worden. Die von der Widersprechenden pauschal aufgestellte Behauptung, die Bezeichnung "Katjes" werde seit Jahrzehnten millionenfach auf ihren Beutelverpackungen aufgebracht, genügt nicht den Anforderungen für eine ausreichende Glaubhaftmachung. Zugunsten der Widersprechenden geht der Senat jedoch davon aus, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um eine gut eingeführte Marke handelt, die im oberen Bereich durchschnittlicher Kennzeichnungskraft einzustufen ist.

Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke lässt sich entgegen der Auffassung der Widersprechenden auch nicht daraus ableiten, dass sie Inhaberin zahlreicher Marken mit der Buchstabenfolge "-atjes" sei. Vielmehr ist der Bestandteil "jes" bzw. "tjes" eher kennzeichnungsschwach, weil es auf dem hier einschlägigen Warensektor zahlreiche weitere, zum Teil umfangreich benutzte Drittmarken mit diesem Bestandteil gibt, die nicht der Widersprechenden gehören. Dies hat die Markeninhaberin eingehend und unwidersprochen dargelegt.

3. In Anbetracht der - wenn auch im oberen Bereich - durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist der Abstand, den die jüngere Marke gegenüber der älteren einhält, trotz teilweiser Warenidentität noch ausreichend, um Verwechslungen rechtserheblichen Umfangs ausschließen zu können. In bildlicher Hinsicht unterscheiden sich die Vergleichsmarken hinreichend dadurch, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um eine Wort-Bild-Marke, bei der angegriffenen Marke dagegen um eine reine Wortmarke handelt (vgl. etwa BGH GRUR 2005, 419, 423 Räucherkarte).

In phonetischer Hinsicht reichen die Unterschiede im Gesamtklangbild aus, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, wobei davon auszugehen ist, dass die Widerspruchsmarke mit "Katjes" benannt wird. Dem Verkehr, der bei Marken ohnehin stärker auf den Wortanfang achtet, wird die klanglichen Unterschiede in den ersten Silben ("Kat" im Vergleich zu "Saft") nicht überhören. Verstärkt wird dieser Unterschied durch die Bedeutung der ersten Silbe "Saft" in der jüngeren Marke. Der Sinngehalt dieses Markenbestandteils, der in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung findet, erleichtert eine Unterscheidung auch in klanglicher Hinsicht. Soweit die Widersprechende demgegenüber vorträgt, dass gerade der Sinngehalt von "Saft" eine (weitere) Assoziation zu der Widerspruchsmarke hervorrufe, weil die Widersprechende ihre Produkte unter Verwendung (u. a) von Fruchtsaft herstelle und dies auch in ihrer Werbung betone, beruft sie sich auf einen außerzeichenrechtlichen Gesichtspunkt, der jedenfalls im Widerspruchsverfahren keine Berücksichtigung finden kann. Außerdem handelt es sich hierbei um einen warenbeschreibenden Bezug, der auch aus diesem Grund eine Verwechslungsgefahr nicht begründen kann.

Ob sich die angegriffene Marke insgesamt als eine nicht zufällige Anlehnung an die Widerspruchsmarke darstellt, kann dahinstehen. Die von Rechts wegen notwendigen Feststellungen für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr könnten dadurch nicht ersetzt werden (vgl. BGH GRUR 2004, 779, 783 - Zwilling/Zweibrüder).

4. Es besteht auch nicht die Gefahr, dass die sich gegenüberstehenden Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht und unter diesem Gesichtspunkt - mittelbar - verwechselt werden. Eine derartige Verwechslungsgefahr aufgrund des gemeinsamen Bestanteils "jes" bzw. "tjes" ist bereits deshalb zu verneinen, weil dieser bei den hier beschwerdegegenständlichen Waren - wie bereits ausgeführt - häufig vorkommt und daher kennzeichnungsschwach ist. Hinzu kommt, dass dieser Bestandteil in beiden Marken nicht eigenständig hervortritt.

5. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Weder ist eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 83 Abs. 2 MarkenG). Die maßgeblichen Fragen liegen vielmehr auf tatrichterlichem Gebiet in der Beurteilung des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke und des zum Ausschluss einer Verwechslungsgefahr ausreichenden Markenabstands. Dass der Senat eine Verwechslungsgefahr u. a. wegen des Begriffsinhalts der ersten Silbe der jüngeren Marke verneint hat, rechtfertigt entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde; es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass ein eindeutiger und abweichender Sinngehalt einer oder beider Vergleichsmarken einer Verwechslungsgefahr entgegenwirken kann (vgl. etwa BGH GRUR 2003, 1044, 1046 - Kelly; GRUR 2004, 779, 782 - Zwilling/Zweibrüder).

6. Für die Auferlegung von Verfahrenskosten gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG besteht kein Anlass.






BPatG:
Beschluss v. 01.02.2006
Az: 32 W (pat) 49/03


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