Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Februar 2003
Aktenzeichen: 21 W (pat) 6/02

(BPatG: Beschluss v. 25.02.2003, Az.: 21 W (pat) 6/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Zurückweisungsbeschluss vom 14. November 2001 aufgehoben und die Anmeldung auf der Grundlage der in der Verhandlung vorgelegten Ansprüche 1 - 3 an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I Die Patentanmeldung wurde am 18. September 2000 unter der Bezeichnung "Medizinisches Diagnosegerät mit Patientenerkennung" beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die Offenlegung erfolgte am 8. Mai 2002.

Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 B hat mit Beschluss vom 14. November 2001 die Patentanmeldung auf Grund mangelnder Neuheit des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Der geltende, in der mündlichen Verhandlung am 25. Februar 2003 eingereichte Anspruch 1 lautet:

"Medizinisches Diagnosegerät, insbesondere zentralisiert betriebene Großgeräte wie z.B. MR-Scanner, CT-Tomographen od. dgl., g e k e n n z e i c h n e t d u r c h eine ihm zugeordnete Patientenerfassungseinrichtung, in Form eines Fingertip-Sensors der einer Iris-Messeinrichtung oder einer Kamera zur Erfassung individueller unterscheidungskräftiger Kennzeichnungsmerkmale des Patienten, die mit den gewonnenen Gerätedaten automatisch abgespeichert werden, wobei die Patientenerfassungseinrichtung derart mit dem Diagnosegerät verbunden ist, dass es nur nach der Betätigung der Patientenerfassungseinrichtung benutzbar ist."

Dem Anmeldungsgegenstand liegt die Aufgabe zugrunde, ein medizinisches Diagnosegerät so auszugestalten, dass von vornherein Verwechslungen und falsche Zuordnungen der Diagnosedaten zum jeweiligen Patienten verhindert werden (vgl. S. 1, Z. 21-25 der ursprünglichen Beschreibung).

Im Verfahren befinden sich folgende Druckschriften:

(1) DE 39 43 097 A1

(2) DE 40 09 051 C2.

Die Anmelderin hält den Gegenstand des Patentanspruchs 1 für neu und erfinderisch. Sie führt dazu aus, dass aus der Druckschrift (1) lediglich ein Verfahren zum einfachen Auffinden gespeicherter medizinischer Daten bekannt sei, bei dem als Suchbegriff biometrisch messbare Daten verwendet werden. Das Vorgehen bei der Abspeicherung dieser Daten sei in (1) nicht näher beschrieben. Demgegenüber werde beim Gegenstand nach Anspruch 1 eine genaue Zuordnung der jeweils gewonnenen Gerätedaten zu einer Person, und damit die Sicherstellung der Unverwechselbarkeit, durch die zwingende Erfassung der individuellen unterscheidungskräftigen Kennzeichnungsmerkmale vor jeder Messung und die anschließende gemeinsame Abspeicherung dieser Kennzeichnungsmerkmale zusammen mit den Gerätedaten erzielt. Die weiter genannte Druckschrift (2) beschreibe ein biometrisches Identifizierungs- und Zugangs-Kontrollsystem, welches für die Messung der biometrischen Daten u.a. eine Netzhaut-Analyse oder einen Fingerabdruck oder die Bilder einer Kamera heranziehe. Allerdings gebe auch diese Druckschrift (2) keine Anregungen, vor jeder Erfassung von Gerätedaten mittels eines medizinischen Diagnosegeräts eine Patientenerkennung durchzuführen, um die Gerätedaten stets zusammen mit den gewonnen Daten der Patientenerkennung abzuspeichern.

Die Anmelderin stellt den Antrag:

den Zurückweisungsbeschluss vom 14. November .2001 aufzuheben und die Anmeldung aufgrund der vorgelegten Ansprüche 1-3 an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und begründet. Das im Beschwerdeverfahren geänderte Patentbegehren hat eine neue Sachlage ergeben, gegenüber der einerseits die den angefochtenen Beschluss tragenden Gründe nicht mehr durchgreifen und die andererseits vom Deutschen Patent- und Markenamt noch nicht ausreichend geprüft werden konnte (PatG § 79 Abs. 3, Satz 1 Nr. 3).

Der Patentanspruch 1 ist formal zulässig. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist in den am Anmeldetag eingereichten Patentansprüchen 1 bis 5 offenbart.

Der Anspruch 1 fällt unter die Patentkategorie Erzeugnispatent, wobei neben den gegenständlichen Merkmalen auch funktionale Merkmale ("... wobei die Patientenerfassungseinrichtung derart mit dem Diagnosegerät verbunden ist, dass es nur nach Betätigung der Patientenerkennungseinrichtung benutzbar ist") zur Klarstellung der gegenständlichen Merkmale vorhanden sind. Diese Verwendung von funktionalen Merkmalen zur Definition der erzielten Wirkung oder Eigenschaft von gegenständlichen Merkmalen ist nach gängiger Rechtsprechung zulässig (vgl. GRUR, 260 (IIa) - Heuwerbungsmaschine II und Schulte 6. Auflage, § 1 PatG Rdn 302-304 in Verbindung mit Rdn 133ff sowie § 34 PatG Rdn 100ff).

Es liegt nach Auffassung des Senats auch kein Verstoß gegen den § 2 Nr. 1 PatG vor, da die zwangsweise Patientenerkennung zum einen die eigentliche Aufnahme der Gerätedaten nur unwesentlich verlängert und zum andern die Unverwechselbarkeit der Gerätedaten ganz im Interesse des Patienten liegt. Denn es muss gewährleistet werden, dass die von den Gerätedaten abgeleitete Therapie beim richtigen Patienten angewendet wird, und es muss vermieden werden, den Patienten strahlungsbelasteten Doppeluntersuchungen zu unterziehen, wie sie bei nicht eindeutig einem Patienten zuzuordnenden Aufnahmen zwangläufig entstehen.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem bisher im Verfahren befindlichen Stand der Technik gemäß den Druckschriften (1) und (2) neu, denn keiner der entgegengehaltenen Druckschriften ist ein medizinisches Diagnosegerät zu entnehmen, bei dem die Patientenerkennungseinrichtung derart mit dem Diagnosegerät verbunden ist, dass es nur nach der Betätigung der Patientenerfassungseinrichtung benutzbar ist.

Das medizinische Diagnosegerät nach dem Anspruch 1 beruht gegenüber dem bisher bekannt gewordenen Stand der Technik auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der Druckschrift (1) ist ein Verfahren zum Auffinden von gespeicherten medizinischen Daten eines Lebewesens mit Hilfe eines Suchbegriffs bekannt. Hierzu werden sämtliche einem Patienten zugeordnete medizinische Daten in einer Datenbank abgelegt, und als primärer Zugriffsschlüssel auf diese Daten werden biometrische Daten verwendet (vgl. die Bezeichnung und den Anspruch 1). Die medizinischen Daten, bei denen es sich beispielsweise um Computertomographieaufnahmen handelt (vgl. Sp. 2, Z. 59-62), können dabei in der Datenbank erst nach Bereitstellung des biometrischen Suchbegriffs, welcher mittels eines biometrischen Messsystems bestimmt wird, geändert werden (vgl. Anspruch 4). Offen bleibt in (1) aber, ob die Erfassung der biometrischen Daten vor oder nach der Erfassung der medizinischen Daten erfolgt. Demnach werden dem Fachmann, einem Diplomingenieur mit langjähriger Tätigkeit in der Entwicklung von Diagnosegeräten, auch keine Anregungen gegeben, einem Diagnosegerät eine Patientenerfassungseinrichtung zuzuordnen, die vor der Aufnahme der Gerätedaten (entspricht in (1) den medizinischen Daten) zunächst zwingend eine Patientenerkennung durchführt.

Die Druckschrift (2) beschreibt ein biometrisches Identifizierungs- und Zugangs-Kontrollsystem, mit dessen Hilfe Personen schnell erkannt werden können. Als biometrische Daten werden der Fingerabdruck, die Netzhaut-Analyse und die Bildaufnahme mit einer Kamera erwähnt (vgl. Sp. 6, Z. 4-5; Sp. 4, Z. 15; Sp. 1, Z. 52-53). Die Daten werden mittels geeigneter Sensoren detektiert und ausgewertet. Als Ergebnis der Auswertung wird entweder ein Warnsignal ausgegeben oder es wird beispielsweise eine Zugangstür zu einem Raum freigegeben (vgl. die Bezeichnung und die Figur mit zugehöriger Beschreibung). Mit Hilfe dieses Systems soll kontrolliert werden, ob eine Person zu der von ihr gewünschten Tätigkeit (z.B. Öffnen einer Tür) berechtigt ist. Würde der Fachmann diese Lehre auf den Gegenstand nach der Druckschrift (1) übertragen, so würde er allenfalls ein Zugangsberechtigungs-Kontrollsystem für das medizinische Fachpersonal vorsehen, das die Benutzung des Diagnosegeräts nur für Berechtigte freigibt. Anregung, dieses Identifizierungssystem für die Unverwechselbarkeit von mit einem Diagnosegerät gewonnenen Gerätedaten heranzuziehen, finden sich in der Druckschrift (2) nicht.

Auch aus einer Zusammenschau der Druckschriften (1) und (2) ist die zwingende Patientenerkennung vor der Aufnahme der Gerätedaten durch das Diagnosegerät somit nicht angeregt.

Damit lässt sich mit den bisher im Verfahren befindlichen Druckschriften die Zurückweisung der Anmeldung nicht begründen.

Da sich die bisherige Prüfung der Anmeldung nur auf die Merkmale in den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 3 bis 6 bezog (vgl. S. 2 des Bescheids vom 29. Juni 2001) und nicht auszuschließen ist, dass bei einer Recherche bezüglich der Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 2 noch relevanter Stand der Technik ermittelt wird, war die Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zu beschließen.

Angesichts der Notwendigkeit einer weiteren Prüfung wurde seitens des Senats von einer Prüfung und Überarbeitung der übrigen Unterlagen abgesehen.

Dr. Winterfeldt Klosterhuber Voit Dr. Strößner Pr






BPatG:
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Az: 21 W (pat) 6/02


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