Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. November 2009
Aktenzeichen: 8 W (pat) 17/06

(BPatG: Beschluss v. 26.11.2009, Az.: 8 W (pat) 17/06)

Tenor

1.

Auf die Beschwerde des Patentinhabers wird der Beschluss der Patentabteilung 1.54 des Patentamts vom 30. März 2006 aufgehoben.

2.

Der Einspruch wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Das Patent 199 29 381 mit der Bezeichnung "Verfahren zum Einrichten einer Ringspaltdüse zur Herstellung von schlauchförmigen Vorformlingen, die in einer Blasform zu Kunststoffbehältern aufgeweitet werden" ist am 25. Juni 1999 angemeldet worden. Mit Beschluss vom 8. März 2001 ist das Patent erteilt und die Erteilung am 23. August 2001 veröffentlicht worden.

Auf einen Einspruch des Herrn G... in R...

vom 21. November 2001, in dem unter anderem auf die D1: DE 198 31 540 C2 und die D2: DE 28 23 999 C2 (versehentlich DE 28 23 99 C2 genannt)

verwiesen worden ist, hat die Patentanmeldung 1.54 des Deutschen Patentund Markenamts das Patent mit Beschluss vom 30. März 2006 widerrufen.

Sie hat zur Begründung ausgeführt, dass die Zulässigkeit des Einspruchs gegeben sei, da im Einspruchsschriftsatz die Tatsachen im Einzelnen, die den Einspruch rechtfertigen, zumindest zum Patentanspruch 1 im Sinne des § 59 Abs. 1, Satz 4 PatG angegeben worden seien. Die nicht erörterten Merkmale nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 seien derart aus dem Stand der Technik, insbesondere nach der DE 28 13 999 C2 geläufig, dass der Fachmann diese Merkmale als selbstverständlich in Gedanken gleich mitlese. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents sei aber nicht mehr neu, weil die DE 28 23 999 C2 dessen sämtliche Merkmale vorwegnehme.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Patentinhabers mit Eingang vom 12. Mai 2006. Zur Begründung (eingegangen am 16. Juli 2007) führt er u. a. aus, dass der Einspruch als unsubstantiiert und daher unzulässig zurückzuweisen sei. Die Einspruchsbegründung berühre lediglich Teilaspekte des Anspruchs 1 und dessen Oberbegriff bleibe völlig außer Betracht. Er beantragt,

-gemäß Hauptantrag, den angefochtenen Beschluss der Patentabteilung 1.54 aufzuheben, und den Einspruch alsunzulässig zu verwerfen.

Der Beschwerdegegner und Einsprechende beantragt sinngemäß,

-die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur mündlichen Verhandlung am 26. November 2009 ist er nicht erschienen, nachdem er sein Fernbleiben zuvor angekündigt hatte.

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag in der erteilten Fassung lautet:

"Verfahren zum Einrichten einer Ringspaltdüse zur Herstellung von schlauchförmigen Vorformlingen, die in einer Blasform zu Kunststoffbehältern aufgeweitet werden, wobei die Ringspaltdüse einen von einem Dorn (1) und einem ringförmigen Düsenkörper (2) begrenzten Schmelzekanal (3) aufweist und wobei am düsenaustrittsseitigen Ende des Schmelzekanals (3) eine elastisch deformierbare Hülse (4) vorgesehen ist, deren Querschnittsprofil durch radiale Stellelemente (5) einstellbar ist, gekennzeichnet durch die folgenden Verfahrensschritte: 1.1) Es wird eine Grundprofilierung des Schmelzekanals vorgenommen, die von der Verformung der Hülse (4) unabhängig ist und in Strömungslängsrichtung verlaufende Dickund Dünnstellen mit einer auf den zu formenden Behälterquerschnitt abgestimmten Verteilung im Schmelzefluss erzeugt; 1.2) bei vorgegebener Grundprofilierung wird der Düsenaustrittsspalt durch Verformung der Hülse (4) so korrigiert, dass die Wandstärke der aus der Blasform ausgeformten Behälter einem Vorgabewert oder einem vorgegebenen Profil entspricht."

Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es (Streitpatentschrift Sp. 1, Z. 49 ff.), ein Verfahren zum Einrichten einer Ringspaltdüse anzugeben, das mit einer möglichst geringen Beanspruchung der elastisch deformierbaren Hülse verbunden ist. Außerdem soll ein Düsenverschluss im Anschluss an die Bildung eines Vorformlings möglich sein.

Hinsichtlich des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 8 gemäß Hauptantrag wird auf die Patentschrift und hinsichtlich des Wortlauts der Patentansprüche weiterer Hilfsanträge 1 und 2 sowie wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens wird auf die Akte verwiesen.

II.

Die formund fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Patentinhabers ist mangels Zulässigkeit des Einspruchs begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Widerrufsbeschlusses. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist in jedem Verfahrensstadium und somit auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren als unverzichtbare Verfahrensvoraussetzung zu prüfen auch wenn die erste Instanz die Zulässigkeit bejaht hatte (Schulte PatG, 8. Auflage § 59 Rdn. 160 mit weiteren Nachweisen).

1. Der vorliegende Einspruch ist zwar fristgerecht erhoben und sinngemäß auch auf die Widerrufsgründe der fehlenden Neuheit bzw. der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gestützt; er ist jedoch nicht ausreichend substantiiert im Sinne des § 59 Absatz 1 Sätze 2 bis 5 PatG und deshalb nicht zulässig.

Der Einsprechende (Beschwerdegegner) führt in seinem Einspruchsschriftsatz aus, dass zur Einspruchsbegründung "die folgende Druckschrift genannt" wird. Unter dem anschließend aufgeführten einzigen Gliederungspunkt "1. Patentschrift DE 198 31 540 C2" wird gesagt, dass diese Druckschrift D1 dem Verfahrenspatent nach Anspruch 1 neuheitsschädlich entgegenstehe. Hierzu wird der Patentanspruch 12 der D1 teilweise zitiert und argumentiert, dass dies den kennzeichnenden Teil 1.2 des Patentanspruchs 1 nahezu identisch beschreibe (S. 1 Einspruchsschriftsatz, letzter Abs.). Anschließend wird auf den zweiten kennzeichnenden Teil 1.1 des Patentanspruchs 1 Bezug genommen und argumentiert, dass in der Figur 4 der D1 bereits gezeigt sei, "einen Fließkanal mit einer Dorngrundprofilierung zu versehen" (S. 2 Einspruchsschriftsatz, erster Abs.). Damit seien die in Merkmal 1.1 beschriebenen, in Strömungslängsrichtung verlaufenden Dickund Dünnstellen durch die Verformung der Hülse 3 zu erreichen, wobei die Grundprofilierung des Innendorns (bzw. des Fließkanals) unabhängig von der Hülse sei. Darüber hinaus wird zu diesem Merkmal 1.1 noch eine weitere Druckschrift pauschal herangezogen, die zwar fehlerhaft zitiert wird, mit der erkennbar jedoch nur die DE 28 23 999 C2 (D2) gemeint sein kann.

Damit fehlt der Begründung aber jegliche Tatsachenangabe im Hinblick auf die Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1. Der § 59 Absatz 1 PatG verlangt, dass der Einspruch innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung der Erteilung zu begründen ist und hierzu die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, "im Einzelnen anzugeben" sind. Dies ist im vorliegenden Fall nicht ausreichend geschehen.

Der Einsprechende (Beschwerdegegner) geht in seinem Einspruchsschriftsatz nicht auf das Verfahren nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 ein und stellt keinen Bezug im Stand der Technik zu den dort aufgeführten Merkmalen her. Damit fehlt es an der notwendigen Darlegung von Gründen, weshalb der Einsprechende die Neuheit oder die erfinderische Tätigkeit des Verfahrens als Ganzes (unter Einbeziehung des Oberbegriffs) als nicht gegeben ansieht (vgl. 8 W (pat) 347/05 vom 5. Mai 2009 und 11 W (pat) 17/94, BPatGE 35, 263, 266).

In seiner ständigen Rechtsprechung im Hinblick auf die Substantiierungsanforderung im Einspruchsverfahren hat der BGH ausgeführt, dass eine Einspruchsbegründung dann nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt, wenn sie sich nur mit Teilaspekten der patentierten Lehre befasst. Sie muss also die gesamte patentierte Lehre ihrer Argumentation zugrunde legen. Daher ist ein Einspruch unzulässig, wenn er sich nicht an der Erfindung in ihrer Gesamtheit orientiert, sondern sich nur mit Teilen, Teilaspekten oder Teillehren befasst, die isoliert für sich nicht unter Schutz gestellt sind (Schulte Patentgesetz, 8. Auflage § 59, Rdn. 97, mit Bezug auf BGH BlPMZ 1988, 250 -Epoxidation). Als ausreichend substantiiert wird eine Einspruchsbegründung dann angesehen, wenn sie die zur Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen tatsächlichen Umstände im Einzelnen so darlegt, dass Dritte daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ohne eigene Ermittlungen ziehen können (Schulte a. a. O., Rdn. 94 mit Bezug auf BGH BlPMZ 1987, 203 -Streichgarn; BlPMZ 1988, 289 -Messdatenregistrierung; BlPMZ 1988, 250 -Epoxidation; BlPMZ 1993, 439 -tetraploide Kamille; BlPMZ 1998, 201 -Tabakdose). Sie darf es nicht dem Patentamt und dem Patentinhaber überlassen, die Umstände zu ermitteln, die der Patentfähigkeit entgegenstehen (BGH GRUR 1972, 592 -Sortiergerät).

Die im Einspruchsschriftsatz nicht behandelten Merkmale des Oberbegriffs des Verfahrensanspruchs 1 des Streitpatents sind auch nicht vernachlässigbar oder derart einfach, dass sie vom Fachmann als selbstverständlich mitgelesen werden könnten. Dabei handelt es sich um einen Ingenieur mit Erfahrung in der Extrusion von Kunststofferzeugnissen. Er entnimmt der D1 ein "Verfahren zum Extrudieren eines Schlauches ...", s. Patentanspruch 12 und nicht das patentgemäße Verfahren, bei dem Vorformlinge beansprucht sind, die nach dem Extrusionsvorgang in einer Blasform zu Kunststoffbehältern aufgeweitet werden sollen. Es fehlt somit jeglicher Bezug im Stand der Technik auf diese verfahrenswesentlichen Merkmale. Da es sich somit bei der D1 und dem beanspruchten Verfahren um völlig verschiedene Endprodukte handelt (Schläuche dort -Behälter hier), kann der Senat der Auffassung der Patentabteilung 1.54 nicht folgen, die Merkmale des Oberbegriffs lese der Fachmann als selbstverständlich in Gedanken gleich mit. Vielmehr fehlt es im Einspruchsschriftsatz an einem vollständigen Vortrag, anhand dessen über die Patentfähigkeit der gesamten Lehre des Patentanspruchs 1 hätte entschieden werden können.

Auf die Richtigkeit des Vergleichs des Stands der Technik zumindest mit den wesentlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents kommt es beim Einspruchsvorbringen nicht an, denn dies ist kein Kennzeichen einer mangelnden Begründung, sondern lediglich einer gegebenenfalls unzureichenden Begründetheit. Das fehlende Einlassen auf wesentliche Merkmale des Oberbegriffs in der vorliegenden Einspruchsbegründung begründet jedoch eine mangelnde Substantiierung des geltend gemachten Einspruchsgrundes. Ein Vergleich der Merkmale im Einzelnen zeigt nämlich, dass das Verfahren nach der D1 nicht mit dem des Streitpatents vergleichbar ist und dieses auch nicht neuheitsschädlich vorweg nimmt.

Auch wenn im Einspruchsschriftsatz zu Beginn nur auf ein Dokument (D1) Bezug genommen wurde, kann auch die Hinzuziehung der Druckschrift DE 28 23 999 C2 (D2) nicht zur hinreichenden Substantiierung der Einspruchsbegründung beitragen. Die zusätzliche pauschale Nennung des Dokuments D2 lediglich im Hinblick auf das Merkmal 1.1 wird weder durch ein Zitat aus deren Beschreibung oder deren Patentansprüchen noch durch einen Hinweis auf eine Figur der D2 gestützt. Der Einsprechende überlässt es daher den über den Einspruch zu entscheidenden Beteiligten sowie dem Patentinhaber, den Bezug zu diesem Merkmal oder den übrigen Merkmalen des Gegenstands des Patentanspruchs 1 des Streitpatents herzustellen. Ersichtlich ist die D2 für die Merkmale des Oberbegriffs nicht herangezogen worden. Das in der Patentschrift regelmäßig dargelegte Bekanntsein des Oberbegriffs ersetzt in einer Einspruchsbegründung nicht die Bezugnahme auf den entsprechenden Stand der Technik (vgl. auch die bereits genannten BPatG-Entscheidungen 8 W (pat) 347/05 und 11 W (pat) 17/94, jeweilsa. a. O.). Überdies reicht gemäß der bereits zitierten BGH-Entscheidung Sortiergerät die bloße Nennung der Nummern von Patentschriften -ohne konkrete Verweise auf Textbezüge in aller Regel -für eine Begründung einer mangelnden Patentfähigkeit nicht aus. Eine nähere Darlegung könne nur dann für entbehrlich erachtet werden, wenn sich der Zusammenhang des entsprechenden Sachverhalts aus einer kurzen Textstelle für den sachkundigen Leser "von selbst ergebe" und sich als Beleg für den behaupteten Einspruchsgrund "geradezu aufdränge" und "ins Auge falle". Dies ist beim vorliegenden Patentgegenstand des Streitpatents aufgrund des Sachverhalts aber nicht der Fall.

Die Heranziehung der Druckschrift DE 28 23 999 C2 (D2) ist dabei, wie bereits erwähnt, zulässig und muss nicht etwa unberücksichtigt bleiben, wie es der Beschwerdeführer mit Verweis auf die Entscheidung des BPatG 23 W (pat) 316/03 vom 17. Oktober 2006 in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat. Eine deutliche Nennung einer Entgegenhaltung ist gemäß Schulte (§ 59, Rdn. 107) zwar erforderlich, die fehlerhafte Nummer der Druckschrift D2, bei der eine Ziffer "9" fehlt, ist jedoch hier unschädlich, da der Fachmann den "Fehler" ohne weiteres erkennen und darüber hinaus auch richtig stellen kann. Die korrekte Nummer ist nämlich sowohl auf dem Deckblatt der Patentschrift als auch in der Beschreibungseinleitung zu finden.

Auch darf die zusammenschauende Betrachtung der Druckschriften D1 und D2 im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit nicht unberücksichtigt bleiben, wie der Beschwerdeführer ebenfalls vorgetragen hat. Gemäß der BGH-Entscheidung Leistungshalbleiterbauelement (Aktenzeichen Xa ZB 28/08 vom 30. Juli 2009) steht der Umstand, dass eine ältere Anmeldung lediglich im Hinblick auf die Neuheitsprüfung zu berücksichtigen ist, der Zulässigkeit des Einspruchs unabhängig davon, ob der Einsprechende sich auf mangelnde Neuheit oder auf fehlende erfinderische Tätigkeit beruft, nicht entgegen.

Nach alledem hat der Einsprechende in seiner Einspruchsbegründung innerhalb der dreimonatigen Einspruchsfrist keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen, aus denen sich abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Widerrufsgrundes der fehlenden Patentfähigkeit aufgrund fehlender Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit ziehen lassen.

Demzufolge genüge der Einspruch nicht den gesetzlichen Anforderungen und war unter Aufhebung des angefochtenen Widerrufs des Patents als unzulässig zu verwerfen. Damit verbleibt es bei dem Patent wie erteilt.

Dehne Pagenberg Dr. Prasch Dr. Dorfschmidt Cl






BPatG:
Beschluss v. 26.11.2009
Az: 8 W (pat) 17/06


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