Finanzgericht Münster:
Urteil vom 14. November 2003
Aktenzeichen: 9 K 4487/99 K, F, f

(FG Münster: Urteil v. 14.11.2003, Az.: 9 K 4487/99 K, F, f)

Tenor

Die Klage wegen Körperschaftsteuer 1991, Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1993 und wegen Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.1993 wird abgewiesen.

Der Körperschaftsteuerbescheid 1993 und der Gewerbesteuermessbescheid 1993 vom 19.11.1997 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30.06.1999 werden nach Maßgabe der Entscheidungsgründe geändert.

Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berechnung der Steuer und des Steuermessbetrages wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe

I.

Streitig ist, ob in der Nichtteilnahme an einer Kapitalerhöhung einer Beteiligungsgesellschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu Gunsten ihrer Gesellschafter liegt.

Die Klägerin (Kl.) wurde durch Verschmelzung mit notariellem Vertrag vom 27.08.1997 Gesamtrechtsnachfolger der ******************************gesellschaft mbH (GmbH). Die GmbH war bis zum Verschmelzung alleinige Gesellschafterin der Kl.

Die GmbH wurde mit notarieller Urkunde vom 11.10.1988 gegründet. Ihr Unternehmensgegenstand bestand in der Beteiligung als Komplementärin an der *******************KG und im Halten von Beteiligungen an verbundenen Unternehmen.

Gesellschafter der GmbH war bis zum 04.06.1997 A******************mit einem Anteil von 49.000 DM und B****************************mit einem Anteil von 1.000 DM. Ab dem 05.06.1997 betragen in Folge einer Schenkung die Anteile von A******************36.000 DM und von B****************************14.000 DM.

Die *******************KG, an der die GmbH als Komplementärin beteiligt war, wurde am 25.06.1992 in die C*******************GmbH umgewandelt. An der C*******************GmbH waren danach beteiligt die GmbH mit 50.000 DM (25 %), B****************************mit 60.000 DM (30 %) und A******************mit 90.000 DM (45 %). Nach § 13 der Satzung kann jeder Gesellschafter aus wichtigem Grund den Austritt aus der Gesellschaft erklären. Die Bewertung der Anteile hat nach § 15 der Satzung zu gemeinen Werten zu erfolgen.

Mit Beschluss der Gesellschafter der C*******************GmbH vom 05.02.1993 wurde das Stammkapital um 300.000 DM erhöht. Die Erhöhung der Stammeinlagen war in bar zu leisten. Neue Anteile wurden nur den beiden Gesellschaftern A******************und B****************************zugewiesen. Nach der Kapitalerhöhung ergaben sich folgende Beteiligungsverhältnisse:

B*************************** 350.000 DM (70 %)

A***************** 100.000 DM (20 %)

50.000 DM (10 %).

Für die Jahre 1992 - 1994 führte das Finanzamt (FA) für Großbetriebsprüfung ********eine Betriebsprüfung (Bp) bei der GmbH durch - Prüfungsbericht vom 29.04.1997 -.

Nach Auffassung der Betriebsprüfung ist mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss für jeden Gesellschafter in analoger Anwendung des § 186 Aktiengesetz und aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung und aus dem gesellschaftsrechtlichen Minderheitenschutz ein Anspruch auf Teilhabe an der Kapitalerhöhung entstanden. Eine solche Anwartschaft auf Beteiligung sei als Bezugsrecht frei veräußerlich. Nach dem Urteil des BFH vom 05.03.1986 I R 218/81 müsse davon ausgegangen werden, dass die GmbH mit der Nichtwahrnehmung der Anwartschaft auf Teilnahme an der Kapitalerhöhung und mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung über ihr Bezugsrecht verfügt habe. Sie habe insoweit zugunsten ihrer Gesellschafter verzichtet. Mit der Verfügung über das Bezugsrecht zugunsten der Eheleute A+B********sei bei der GmbH eine Vermögensminderung eingetreten und eine zu erwartende Vermögensmehrung verhindert worden, deren Höhe sich im Wert des Bezugsrechtes widerspiegele. Dieser Verzicht habe seine Ursache im Gesellschaftsverhältnis, da fremde Geschäftsführer die Vermögensminderung oder die verhinderte Vermögensmehrung nicht hingenommen hätten. Die Vermögensminderung ergebe sich aus der auf 10 % reduzierten Beteiligung am Gewinnvortragskonto zum 31.12.1992 der C*******************GmbH. Der Anteil der GmbH habe statt vor Kapitalerhöhung 78.125 DM nach Kapitalerhöhung nur noch 31.250 DM betragen.

Die Höhe der anzunehmenden vGA bestimme sich nach dem Wert der Anteile an der C*******************GmbH nach dem Stuttgarter Verfahren, berechnet auf der Basis des Betriebsergebnisses 1990 und 1991 nach Korrektur um entsprechende Geschäftsführergehälter nach Umwandlung. Der Wert je 100 DM GmbH-Anteil betrage danach 428 DM.

Die Bp ermittelte den Wert des Bezugsrechtes und die Anschaffungskosten des Bezugsrechtes als ein vom alten GmbH-Anteil abgespaltenes Recht nach der Gesamtwertmethode (BFH vom 06.12.1968, BStBl. II 1969, 105). Entsprechend dieser Berechnung in der Anlage 8 des Bp-Berichtes, auf den insoweit verwiesen wird, ermittelte die Bp eine vGA 1993 i.H.v. 98.400 DM. Den Buchwert der Beteiligung minderte sie um 22.990,- DM.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf auf den Bp-Bericht vom 29.04.1997 nebst Anlagen verwiesen, insbesondere zur Gegenrechnung des Kl.-Vertreters auf die Anlage 10 des Bp-Berichts.

Auf der Grundlage dieser und weiterer Feststellungen der Bp erging der gem. § 164 Abs. 2 AO geänderte Körperschaftsteuer (KSt)-Bescheid 1993, der Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur KSt auf den 31.12.1993, der Gewerbesteuer (GewSt)-Messbescheid 1993 und der Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.1993 jeweils vom 19.11.1997. Infolge der Prüfungsfeststellungen minderte sich der in das Jahr 1991 zurückzutragende Verlust. Dementsprechend erließ der Beklagte (Bekl.) den gem. § 10 d EStG geänderten KSt-Bescheid 1991 vom 19.11.1997.

Der Einspruch der Kl. blieb erfolglos. Der Bekl. wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 30.06.1999 als unbegründet zurück.

Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage trägt die Kl. vor, die GmbH sei aufgrund ihrer liquiden Mittel nicht in der Lage gewesen, an der Kapitalerhöhung teilzunehmen. Dem Guthaben bei Kreditinstituten von 352.429,56 DM hätten Verbindlichkeiten von 916.583,95 DM gegenüber gestanden. Insgesamt weise die Bilanz zum 31.12.1993 nur ein Eigenkapital von 14.914,73 DM aus. Dadurch sei die Kreditwürdigkeit der Kl. bereits deutlich eingeschränkt.

Auf die Kl. wäre bei einer Teilnahme an der Kapitalerhöhung eine zu leistende Einlage von 75.000 DM entfallen. Dieser Betrag sei über Kredite nicht zu beschaffen gewesen. In der Bilanz zum 31.12.1994 betrage die Überschuldung 49.490,13 DM. Die Bilanz zum 31.12.1992 weise zwar ein Eigenkapital von 54.954, 21 DM aus. Dieses bestehe jedoch zu 50.000 DM aus der Beteiligung an der C*********************GmbH. Weitere Aktiva, die als Sicherheit hätten dienen können, seien nicht vorhanden gewesen.

In dieser Lage sei eine Kreditfinanzierung nicht möglich gewesen. Auch eine Darlehnsgewährung durch die C*********************GmbH sei ausgeschieden. Ein solches Darlehn hätte wegen § 19 Abs. 1 und 2 GmbHG nicht zur Kapitalerbringung eingesetzt werden dürfen. Dies gelte auch für das der GmbH von der C*********************GmbH gewährte Darlehn über 350.000 DM zum Erwerb der Anteile an der L****** GmbH.

In den Jahren 1993 - 1996 habe die Kl. keine Beteiligungserträge aus Gewinnausschüttungen der C*******************GmbH erzielt. Wie sich aus den Lageberichten 1993 - 1995 ergebe, sei eine positive Entwicklung hin zu Gewinnausschüttungen der C*******************GmbH nicht zu erwarten gewesen. Daher sei es nachvollziehbar und wirtschaftlich vernünftig, dass die Kl. sich an der Kapitalerhöhung nicht beteiligt habe, insbesondere da eine solche Beteiligung mit hohen finanziellen Risiken ohne kurzfristige gegenläufige Vorteile für die GmbH verbunden gewesen wäre. Nach diesen Umständen sei entsprechend den Grundsätzen der Rechtsprechung des BFH (BFH vom 12.06.1997 I R 14/96) die Nichtteilnahme an der Kapitalerhöhung nicht als Nichtwahrnehmung einer realistischen Geschäftschance und damit nicht als vGA zu beurteilen. Diese Einschätzung werde durch die Entscheidung des BFH vom 03.02.1977 IV R 153/74 und vom 25.11.1976 IV R 38/73, BStBl. II 1977, 477 bestätigt.

Das Bezugsrecht der GmbH habe auch keinen wirtschaftlichen Wert gehabt und zwar weder für die anderen Mitgesellschafter noch für einen fremden Dritten. Eine Veräußerung an Dritte hätte für diese keinen Wert gehabt, da die Ergebnisse der C*********************GmbH in starkem Maße von der Tätigkeit der Geschäftsführer und den Marktzufälligkeiten abhingen, d.h. insoweit risikobehaftet seien.

Für die anderen Mitgesellschafter habe sich kein Vorteil durch ihren höheren Anteil an der Kapitalerhöhung ergeben, da dadurch der Wert ihrer bisherigen Anteile gesunken sei.

Die Kapitalerhöhung sei nur vorgenommen worden, weil die Banken eine bessere Eigenkapitalausstattung gefordert hätten. Zudem liege eine unternehmerisch nachvollziehbare Entscheidung der Nichtteilnahme über die fehlende Liquidität hinaus zu Grunde. Bereits im März hätten Verhandlungen zum Erwerb der Anteile an der L****** GmbH statt gefunden. Dieser Anteilserwerb habe ohne Liquiditätsbelastungen realisiert werden können. Wegen der Kundenbeziehungen und der vorhandenen steuerlichen Verlustvorträge habe dieser Anteilserwerb erhebliche Gewinnchancen eröffnet. Das Eigenkapital der GmbH habe sich durch den Anteilserwerb auf 15.000 DM zum 31.12.1993 verringert. Eine Doppelbelastung durch den Anteilserwerb und die Teilnahme an der Kapitalerhöhung habe die GmbH nicht tragen können.

Die Kl. hätte bei der Kapitalerhöhung zwar darauf drängen können, dass ihr das Bezugsrecht abgekauft werde. Der Verzicht darauf habe bei der Kl. aber nicht zu einer verhinderten Vermögensmehrung i. S. d. Definition der verdeckten Gewinnausschüttung geführt. Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn das Bezugsrecht frei veräußerbar gewesen wäre. Dem stehe aber § 11 des Gesellschaftsvertrages entgegen. Zudem ergebe sich aus dem Gesellschaftsrecht nur, dass der Ausgabekurs der neuen Anteile den inneren Wert widerspiegeln müsse, nicht aber dass die Mitgesellschafter dem Minderheitsgesellschafter das Bezugsrecht abzukaufen hätten.

Die gesellschaftsrechtlich weitere Alternative der Ausgabe der neuen Anteile zum Nominalwert zuzüglich eines Aufgeldes hätte keine für eine verdeckte Gewinnaussschüttung steuerlich notwendige Auswirkung auf das Einkommen der Kl. gehabt, da das Aufgeld an die C*********************GmbH geflossen wäre. Eine Abschreibung der Beteiligung scheide aus, da diese zutreffend weiterhin mit dem Nominalwert bewertet worden sei. Allenfalls spätere verringerte Ausschüttungen könnten Auswirkung auf das Einkommen der Kl. haben.

Die Kl. beantragt,

die KSt-Bescheide 1991 und 1993, den Bescheid über den verbleibenden Verlustabzug zur KSt zum 31.12.1993, den GewSt-Messbescheid 1993 und Bescheid über den vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31.12.1993 jeweils vom 19.11.1997 i. d. F. der EE vom 30.06.1999 dahin zu ändern, dass aus der Nichtteilnahme an der Kapitalerhöhung bei der C*******************GmbH keine vGA i. H. v. 98.400 DM für das Jahr 1993 angesetzt wird;

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass als verdeckte Gewinnausschüttung nur 75.000,- DM angesetzt werden.

Der Bekl. trägt vor, die GmbH sei durchaus in der Lage gewesen, an der Kapitalerhöhung mit einem Betrag von 75.000 DM teilzunehmen. Den angegebenen Verbindlichkeiten von 916.583,95 DM hätten nicht nur Guthaben bei Kreditinstituten, sondern der Gesamtbestand an Aktiva von 938.998,68 DM gegenüber gestanden. Bei den angegebenen Verbindlichkeiten handele es sich auch nicht um kurz- oder langfristige Bankschulden, sondern ausschließlich um von den Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis bestehe, eingeräumte Kredite. Bei dieser Sachlage sei eine Beschaffung der benötigten 75.000 DM über eine Aufnahme eines Kredites möglich gewesen. Durch die Aufnahme eines weiteren Kredites in dieser Höhe wäre auch keine Überschuldung eingetreten, da Aktiva und Passiva jeweils um den selben Betrag erhöht worden wären.

Der Zustimmungsvorbehalt in § 11 des Gesellschaftsvertrages beziehe sich nur auf die Veräußerung an Fremde, nicht aber an die Eheleute A+B****************.

Mit der Kapitalerhöhung seien die vorhandenen stillen Reserven teilweise auf die neuen Gesellschaftsanteile übergegangen und die Anteile der Kl. entwertet worden. Darin liege eine verhinderte Vermögensmehrung, die bei dem Gesellschafter B*****************zu einer Vermögensmehrung geführt habe.

Der Senat hat in der Streitsache mündlich verhandelt. In der mündlichen Verhandlung haben sich die Beteiligten darauf verständigt, dass der Wert der Vermögensminderung bei der Kl. bzw. des Vermögensvorteils ihrer Gesellschafter für den Fall, dass von einer vGA des Streitjahres auszugehen sei, mit 75.000 DM zu schätzen sei.

II.

Die zulässige Klage ist insoweit begründet, als die vGA auf 75.000 DM zu mindern ist. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

1. Die Klage wegen Körperschaftsteuer 1991, Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1993 und wegen Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.1993 ist unbegründet, da die Minderung der vGA 1993 auf 75.000 DM nicht zu einem gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 2 KStG festzustellenden Verlust bzw. in den Veranlagungszeitraum 1991 zurückzutragenden Verlust oder zu einem festzustellenden vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31.12.1993 führt.

2. Die Klage wegen Körperschaftsteuer 1993 und des Gewerbesteuermessbetrages 1993 hat nur insoweit Erfolg, als die vGA auf 75.000 DM zu mindern ist. In der Zustimmung der Kl. zur Kapitalerhöhung und zum Erwerb neuer Gesellschaftsanteile an der C*********************GmbH durch die übrigen Gesellschafter, die gleichzeitig Gesellschafter der Kl. waren, liegt eine vGA i. S. d. § 8 Abs. 3 KStG und eine andere Ausschüttung gem. § 27 Abs. 3 KStG in Höhe von 75.000 DM.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruht, sich auf den Unterschiedsbetrag im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Die Vermögensminderung ist als Tatbestandsvoraussetzung einer verdeckten Gewinnausschüttung mit Hilfe der Steuerbilanz zu ermitteln, wie sie ohne Berücksichtigung der Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und unter Beachtung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes des § 5 Abs. 1 EStG aufzustellen ist. Dementsprechend ist Voraussetzung einer verdeckten Gewinnausschüttung, dass eine steuerbilanzielle Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung vorliegt, die gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG außerhalb der Steuerbilanz bei der Ermittlung des Einkommens zu korrigieren ist ( BFH vom 14.09.1994, I R 6/94, BStBl. II 1997, 89; vom 04.06.2003, I R 24/02, BFH/NV 2003, 1501).

Die verhinderte Vermögensmehrung kann auch in einem Verzicht einer Kapitalgesellschaft auf eine ihr günstige Rechtposition liegen, u.a. im Verzicht auf den Anspruch auf Erwerb von Anteilen an einer anderen Gesellschaft (BFH vom 14.11.1984,I R 50/80, BStBl. II 1985, 227).

b) Wird das Stammkapital einer GmbH durch Einlagen erhöht, haben die Gesellschafter analog § 186 AktG ein gesetzliches Bezugsrecht für das erhöhte Stammkapital, sofern ein solches Bezugsrecht nicht ausgeschlossen ist. Das Bezugsrecht begründet einen Anspruch gegen die Kapitalgesellschaft auf Übernahme eines der bisherigen Beteiligung entsprechenden Anteils am Stammkapital (Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG, 17. Aufl., § 55 Rz. 13 ff. m.w.N.; Roth/Altmeppen GmbHG, 4. Aufl., § 55 Rz. 23 ff.). Ein Ausschluss des Bezugsrechts ist nur zulässig, wenn er im Interesse der Gesellschaft liegt (Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG, 17. Aufl., § 55 Rz. 15). Sind die Gesellschaftsanteile veräußerlich, gilt dies auch für das Bezugsrecht des Gesellschafters (Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG, 17. Aufl., § 55 Rz. 16).

Der Ausgabekurs neuer Anteile bei einer Kapitalerhöhung hat, wenn nicht alle Gesellschafter zustimmen und an einer Kapitalerhöhung teilnehmen, aus Gründen der gesellschaftlichen Treuepflicht und des Schutzes der Minderheitsgesellschafter dem wirklichen inneren Wert der Gesellschaftsanteile zu entsprechen. Andernfalls würde ein faktischer Zwang zur Teilnahme der Gesellschafter an der Kapitalerhöhung begründet und erlitte der nicht teilnehmende Gesellschafter Nachteile. Werden die neuen Anteile zu einem zu niedrigen Kurs ausgegeben, wird der Wert der Altanteile verringert und die Wertdifferenz zwischen wahrem und tatsächlichem Ausgabewert der neuen Anteile ohne angemessene Gegenleistung auf den Erwerber übertragen (OLG Stuttgart vom 01.12.1999 - 20 U 38/99, BB 2000, 1155; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG, 17. Aufl., § 55 Rz. 8).

Im Einzelnen führt die Nichtteilnahme eines Minderheitsgesellschafters an einer Kapitalerhöhung, die unter dem wahren inneren Wert der Anteile erfolgt, dazu, dass sich die Mitgliedschaftsrechte, d. h. die Beteiligungsquote, insbesondere hinsichtlich des Anteils an Gewinnausschüttungen verändert, und dass sich die Substanz, der Buchwert des Altanteils verringert. Von dem ursprünglichen Altanteil spaltet sich der Wert des Bezugsrechts ab und geht mit Durchführung der Kapitalerhöhung auf die neuen Anteile über. Abgespalten wird aus dem Altanteil ein Anteil des Buchwerts nebst in ihm verkörperter stiller Reserven. Mit der Kapitalerhöhung geht der abgespaltene Teil auf die neuen Anteile über (BFH vom 21.01.1999 - IV R 27/97, BStBl. II 1999, 638; vom 06.12.1968 - IV R 174/67, BStBl. II 1969, 105; vom 20.02.1975 - IV R 15/71, BStBl. II 1975, 505 zum Bezugsrecht als Anwartschaft bei GmbH-Anteilen).

Entsprechend diesen Grundsätzen stand der Kl., deren Bezugsrecht im Kapitalerhöhungsbeschluss nicht ausgeschlossen wurde, ein Bezugsrecht für die neuen Anteile entsprechend ihrer vorherigen Beteiligung zu. Allerdings ist ein GmbH-Gesellschafter nicht verpflichtet an einer Kapitalerhöhung teilzunehmen. Auch hat er, wenn er nicht an einer Kapitalerhöhung teilnehmen will, keinen Anspruch gegen die übrigen Gesellschafter auf Vergütung seines Bezugsrechts. Eine Veräußerung an außenstehende Dritte war im Streitfall durch § 11 der Satzung nur an Angehörige möglich.

Da die Kl. an der Kapitalerhöhung nicht teilnehmen wollte, standen ihr zivilrechtlich in ihrer Position als Gesellschafterin der C*********************GmbH nur ein Abwehranspruch, ein Anfechtungsrecht zu, mit dem sie hätte erzwingen können, dass eine Kapitalerhöhung nur zu dem wahren inneren Wert der Gesellschaftsanteile und nicht zum Nennwert erfolgt wäre.

Indem die Kl. der Kapitalerhöhung zum Nennwert und der Übernahme der neuen Gesellschaftsanteile allein durch die übrigen Gesellschafter, die gleichzeitig ihre einzigen Gesellschafter waren, zustimmte, verfügte die Kl. über ihr Bezugsrecht bzw. verzichtete sie auf ihr Anfechtungsrecht zu Gunsten ihrer Gesellschafter und wandte diesen aus gesellschaftlichen Gründen, wie nachfolgend noch ausgeführt wird, einen Vermögensvorteil zu.

c) Sowohl unter dem Gesichtspunkt der Verfügung über das Bezugsrecht als auch des Verzichts auf ihr Recht zur Durchsetzung einer Kapitalerhöhung zum wahren inneren Ausgabekurs liegt eine verhinderte Vermögensmehrung bzw. eine Vermögensminderung mit steuerbilanzieller Auswirkung bei der Kl. vor.

aa) Wie die Kl. zutreffend vorgetragen hat, liegt diese Vermögensminderung nicht in einem Verzicht auf einen vermögensrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen die anderen Gesellschafter der C*********************GmbH. Ein zu bilanzierender Anspruch auf Vergütung des Verzichts auf das Bezugsrecht für neue Anteile durch die übrigen Gesellschafter oder die C*********************GmbH an sie bestand nicht.

bb) Die zivil- und gesellschaftsrechtliche Rechtsstellung der Kl. umfasste auch keine anderen Rechte auf ein Entgelt für ihren Verzicht oder einen Ausgleich der ihr durch den Verzicht entstandenen Vermögensverluste, die zu einem bilanzierungsfähigen Wirtschaftsgut geführt hätten. Ihre Position beschränkte sich, wenn sie nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmen wollte, auf ein Anfechtungsrecht, mit dem sie nur erreichen konnte, dass die übrigen Gesellschafter ihre neuen Gesellschaftsanteile nur zum wahren inneren Wert erwerben konnten.

cc) Bei der im Streitfall vorliegenden Gestaltung liegt die tatbestandlich für eine vGA notwendige verhinderte Vermögensmehrung beziehungsweise die Vermögensminderung in dem mit der Nichtteilnahme an der Kapitalerhöhung und der Zustimmung zur Kapitalerhöhung zum Nennwert verbundenen Folgen für den Buchwertansatz der Gesellschaftsanteile der Kl. in ihrer Steuerbilanz und dem untrennbar damit verbundenen Schicksal der stiller Reserven.

Mit der Kapitalerhöhung zum Nennwert spaltete sich vom Buchwert der Gesellschaftsanteile an der C*********************GmbH ein nach der Gesamtwertmethode von der Bp ermittelter Teil von 22.990 DM ab, der zu einer Minderung des Bilanzansatzes führt. In diesem abgespaltenen Buchwert ist der entsprechende Anteil an den stillen Reserven der C*********************GmbH verkörpert.

Der abgespaltene Buchwert der Beteiligung schied zu Gunsten der an der Kapitalerhöhung teilnehmenden Gesellschafter aus dem Betriebsvermögen der Kl. aus. Untrennbar damit verbunden teilten auch die im abgespaltenen Buchwert verkörperten stillen Reserven dieses Schicksal. Sowohl der abgespaltene Buchwert als auch die in ihm verkörperten stillen Reserven schieden aus dem Betriebsvermögen der Kl. aus und gingen auf die neuen Anteile der Gesellschafter der Kl. über. Darin liegt sowohl hinsichtlich des abgespaltenen Buchwerts als auch der stillen Reserven die Vermögensminderung i. S. d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. dies entspricht wertungsmäßig einer Entnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG, die dazu führen würde, dass der entsprechende abgespaltene Buchwert aus der Steuerbilanz auszubuchen und gleichzeitig der Gewinn außerhalb der Bilanz um die stillen Reserven und den ausgebuchten Buchwert zu erhöhen ist (Schmidt/Heinicke EStG § 4 Rz. 53). Körperschaftsteuerlich scheidet mangels einer Privatsphäre einer Kapitalgesellschaft ( BFH vom 04.12.1996 - I R 54/96, BFHE 182, 123) das Rechtsinstitut der Entnahme aus. An seine Stelle tritt körperschaftsteuerlich die vGA.

Im Streitfall sind die übergehenden stillen Reserven und der abgespaltene Buchwert erst außerhalb der Steuerbilanz betragsmäßig dem Gewinn hinzuzurechnen. Da sie in dem aus der Steuerbilanz ausscheidenden abgespaltenen Buchwert enthalten sind, ist die für die Annahme einer vGA notwendige steuerbilanzielle Verknüpfung und Minderung des mit dem Buchwert in der Steuerbilanz ausgewiesenen Betriebsvermögens der Kl. gegeben.

d) Im Streitfall stimmte die Kl. aus gesellschaftlichen Gründen der Kapitalerhöhung zum Nennwert zu und wandte damit aus gesellschaftlichen Gründen ihren Gesellschaftern einen Vermögensvorteil zu. Nach den vorstehenden Ausführungen konnte die Kl. ihre eigene Einbuße an Vermögenswerten vermeiden, wenn die Kapitalerhöhung zum wahren inneren Wert vorgenommen worden wäre. Die Frage, ob die Kl. nach ihrer finanziellen und wirtschaftlichen Lage an der Kapitalerhöhung hätte teilnehmen können, kann daher offen bleiben.

Angesichts der dargelegten zivil- und gesellschaftsrechtliche Rechtsposition der Kl. hätte es ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer nicht hingenommen, dass sich der Wert des Gesellschaftsanteils der Kl. mit den darin verkörperten stillen Reserven ohne zwingenden wirtschaftlichen Grund einseitig zu Gunsten seiner Gesellschafter verringerte. Mit der Forderung nach einer Kapitalerhöhung zum wahren Wert wäre diese auch nicht unmöglich geworden. Wenn die Gesellschafter bereit waren, eine Einlage von 300.000 DM zu leisten, hätte es bei dieser verbleiben können, die Einlage hätte nur eine entsprechend geringere Zahl an Gesellschaftsanteilen repräsentiert.

e) Zum Wert des Vermögensvorteils haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auf 75.000 DM verständigt, sodass zur Bemessung der Höhe der vGA daran anzuknüpfen ist.

Die Berechnung der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrages wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Bekl. übertragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.






FG Münster:
Urteil v. 14.11.2003
Az: 9 K 4487/99 K, F, f


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