Landgericht München I:
Beschluss vom 2. Juni 2009
Aktenzeichen: 5 HK O 2836/08

(LG München I: Beschluss v. 02.06.2009, Az.: 5 HK O 2836/08)

Tenor

Der Rechtsstreit wird ausgesetzt bis zum rechtskräftigenAbschluss der Verfahren Landgericht München I, Az. 5 HK O 12615/07und 5 HK O 21656/08.

Gründe

I.

Am 26./27.6.2007 fasste eine Hauptversammlung der Beklagten unter Tagesordnungspunkt 10 folgenden Beschluss:

,,1. Die Hauptversammlung möge unabhängig vom Ausgang der nach TOP 9 beantragten Sonderprüfung gem. § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft aus der Geschäftsführung beschließen, und zwar insbesondere Schadensersatzansprüche gem. §§ 93 Abs. 2 und 3, § 116, § 117, § 317 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 318 Abs. 1 und 2 AktG gegen die gegenwärtigen und ehemaligen Mitgliedes des Vorstands und des Aufsichtsrats der € sowie gegen die Großaktionärin U. sowie mit dieser im Sinne von §§ 15 ff. AktG verbundene Unternehmen, jeweils einschließlich der gesetzlichen Vertreter, insbesondere die folgenden Personen:

- €- €- €

wegen der nachfolgenden Sachverhaltskomplexe:

a) Vermögensschäden der Gesellschaft durch die Veräußerung der Anteile an der Bank A. (A.) vor dem Hintergrund der bisherigen und äußerst erfolgreichen Osteuropastrategie des €-Konzerns;

b) Vermögensschäden der Gesellschaft durch eine nicht adäquate Ermittlung des Verkaufspreises für die Anteile der € an der A. in Höhe von EUR 109,81 je Aktie angesichts des kurze Zeit später eingeleiteten Squeeze-out-Verfahrens zu einem Preis von EUR 129,40 je Aktie;

c) Vermögensschäden der Gesellschaft durch die Nicht-Durchführung eines Auktionsverfahrens bei der Veräußerung der A.-Beteiligung, welches in der aktuellen M&A-Situation erhebliche Aufschläge auf den erzielten Verkaufspreis versprochen hätte und wegen

d) Vermögensschäden der Gesellschaft und der Minderheitsaktionäre durch das von der Gesellschaft am 12. Juni 2005 mit der U. abgeschlossene Business Combination Agreement, das nicht in seiner Vollständigkeit den Aktionären vorgelegt wurde -insbesondere im Hinblick auf die der U. durch jenen Vertrag eingeräumten Berechtigungen.

2. Es wird weiter beantragt, gem. § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG als besonderen Vertreter Herrn Rechtsanwalt D., €, zu bestellen. Der besondere Vertreter ist berechtigt, zu seiner Unterstützung qualifizierte Berufsträger heranzuziehen, die zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtet sind.

Soweit es zur Rechtsverfolgung von Ansprüchen der Gesellschaft durch den besonderen Vertreter genügt, kann sich dieser auch als Nebenintervenient an ggf. bereits anhängigen Schadensersatzklagen zu Gunsten der Gesellschaft beteiligen."

Das Landgericht München I wies die Klage des Hauptaktionärs U., der hiesigen Beklagten zu 1) mit Endurteil vom 4.10.2007 ab. Die hiergegen eingelegte Berufung der hiesigen Beklagten zu 1) hatte insoweit Erfolg, als der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom26./27.Juni 2007 unter Tagesordnungspunkt 10 gefasste Beschluss über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sowie Bestellung eines besonderen Vertreters für nichtig erklärt wurde, soweit er unter Nr. 1., erster Absatz, die Wörter "sowie mit dieser im Sinne von §§ 15 ff. AktG verbundene Unternehmen" enthält; zudem wurde Nr. 1 Buchst d) für nichtig erklärt. Im Übrigen wurde die Berufung zurückgewiesen. Derzeit ist die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof anhängig und wird dort unter dem Aktenzeichen II ZR 255/08 geführt.

Mit Beschluss der Hauptversammlung der hiesigen Klägerin vom 10.11.2008 wurde der zu Tagesordnungspunkt 10 der Hauptversammlung vom 26./27.6.2007 gefasste Beschluss mit den Stimmen der nunmehrigen Alleinaktionärin U. vollumfänglich aufgehoben. Weiterhin fasste diese Hauptversammlung den Beschluss, den zum besonderen Vertreter bestellten Rechtsanwalt D. mit sofortiger Wirkung abzuberufen. Hiergegen erhob der besondere Vertreter Klage zum Landgericht München I mit dem Hauptantrag, diese beiden Beschlüsse für nichtig zu erklären; hilfsweise hat er beantragt, die Nichtigkeit dieser Beschlüsse festzustellen. Weiterhin hat er beantragt, die Unwirksamkeit des Beschlusses festzustellen. Am 2.4.2009 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden; über die Klage ist noch nicht in erster Instanz entschieden.

Mit Schriftsatz vom 20.2.2008 (BI. 17176 dA) erhob die Klägerin Klage gegen die hiesigen Beklagten als Gesamtschuldner auf Herausgabe von 113.989.900 auf den Inhaber lautende Stückaktien der Bank A., hilfsweise zu übertragen und der Klägerin Besitz und Inhaberschaft an den vorgenannten Aktien zu verschaffen sowie festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren Schaden aus Abschluss, Vollzug oder sonst aufgrund des Anteilskaufvertrages vom 12.9.2006 sowie des Vertrages zur Übereignung der verkauften Anteile vom 9.1.2007 zwischen der Klägerin und der Beklagten zu ersetzen, der schon entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird. Hilfsweise stellte die Klägerin den Antrag, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, der Klägerin Schadensersatz in Geld in Höhe eines Betrages von mindestens € 13.900.000.000,-- nebst Zinsen zu leisten. Mit Schriftsatz vom 10.7.2008 (BI. 192/217 dA) erweiterte die Klägerin ihre Klage um einen Betrag von € 2.982.197.496,-- nebst Zinsen und einen Feststellungsantrag, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren vom Zahlungsantrag nicht umfassten Schaden zu ersetzen, der ihr durch die am 3.4.2007 eingetragenen Kapitalerhöhung aus genehmigten Kapital sowie durch einen Einbringungsvertrag über einen Teilbetrieb vom 30.3.2008 zwischen der U. entstanden ist und noch entstehen wird.

II.

14Die Entscheidung beruht auf § 148 ZPO. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Die Frage, ob Herr D. wirksam zum besonderen Vertreter bestellt und wirksam abberufen wurde, ist noch nicht rechtskräftig entschieden und vorgreiflich für die Beurteilung der Zulässigkeit der erhobenen Klage einschließlich der Klageerweiterung. Der Besondere Vertreter ist entsprechend seiner Bezeichnung und Funktion dazu befugt, die Klägerin im Prozess zu vertreten. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin nur dann prozessfähig im Sinne der §§ 51 Abs. 1, 52 ZPO ist, wenn die Bestellung von Herrn D. wirksam ist und auch nicht wirksam widerrufen wurde. Da es sich bei der Klägerin um eine juristische Person handelt, kann sie nur durch ihre gesetzlichen Vertreter handeln - grundsätzlich also durch den Vorstand und/oder den Aufsichtsrat gem. §§ 78, 112 AktG. Wenn indes die Hauptversammlung gem. § 147 Abs. 2 AktG einen besonderen Vertreter bestellt, so tritt dieser an die Stelle von Vorstand und/oder Aufsichtsrat im Umfang des ihm von der Hauptversammlung zugewiesenen Wirkungskreises, ohne dass es in dem hier maßgeblichen Zusammenhang entscheidend auf die Frage ankäme, inwieweit der besondere Vertreter Organ der Gesellschaft wird oder nicht.

16Die Stellung von Herrn D. als besonderer Vertreter hat folglich Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Klage, weil in dem Fall, dass die Bestellung für nichtig erklärt wird, die Vorschrift des § 241 Nr. 5 AktG eingreift und der Beschluss mit Rechtskraft der Entscheidung von Anfang an als nichtig angesehen wird. Wird die auf Nichtigerklärung gerichtete Klage gegen die Beschlüsse der € vom 10.11.2008 rechtskräftig abgewiesen, so ist Herr D. seit dem 10.10.2008 nicht mehr besonderer Vertreter. Dies hat zur Folge, dass die Prozessfähigkeit der Klägerin entfällt, weil sie nicht mehr vom besonderen Vertreter im Prozess vertreten werden kann. Hat die Klage der hiesigen Beklagten zu 1), die derzeit vom BGH behandelt wird im Rahmen der erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde keinen oder nur teilweisen Erfolg, so ist die Klägerin in dem Verfahren zumindest teilweise ordnungsgemäß vertreten und in diesem Umfang des Bestands des Beschlusses der Hauptversammlung vom 26./27.6.2007 prozessfähig. Demgemäß ist die Beurteilung der Prozessfähigkeit vorgreiflich, nachdem diese zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen muss (vgl. BGH NJW-RR 1986, 157; Thomas-Putzo, ZPO, 29. Aufl., Rdn. 6 zu § 52).

Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Die Frage der Vorgreiflichkeit nach § 148 ZPO unterscheidet sich von derjenigen, ob das Verfahren aufgrund der Vorschrift des § 246 Abs. 1 ZPO unterbrochen wird. Wenn die Prozessfähigkeit verloren geht, so ist die Gesellschaft nicht mehr ordnungsgemäß vertreten. Vorliegend ist die Frage der Wirksamkeit des Beschlusses der Hauptversammlung vom 10.11.2008 somit entscheidend für die Beurteilung der Frage, wer die Klägerin in diesem Prozess vertritt. Hier besteht nämlich die Besonderheit, dass im Falle des § 147 Abs. 2 AktG der besondere Vertreter die ansonsten zur Vertretung befugten Organe der Aktiengesellschaft verdrängt -mithin kommt es dann für die Fortführung des Prozesses gegebenenfalls auf deren Entscheidung an. Dann aber ist es gerechtfertigt, das Ermessen dahingehend auszuüben, dass vorliegend eine Aussetzung erfolgt.

Soweit es um das Ausgangsverfahren vor dem Landgericht München I geht, das sich derzeit beim BGH befindet, ist der Argumentation der Klägerin entgegenzuhalten, dass es nicht darum geht, ob die Prozesshandlungen, die Herr D. für sie vorgenommen hat einschließlich der Mandatierung der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Wirksamkeit beanspruchen oder nicht. Denn auch wenn davon auszugehen sein sollte, dass die Handlungen, insbesondere die Klageerhebung und die Klageerweiterung wirksam waren, so ändert dies nichts daran, dass die Prozessfähigkeit im Rahmen des Prozesses wegfallen könnte - dann aber hätte sich der Rechtsstreit nach Eintritt der Rechtshängigkeit in der Hauptsache erledigt. Abgesehen davon ist auch der besondere Vertreter durch ein Abwarten geschützt, weil ihm dann nicht vorgeworfen werden kann, er habe trotz des Abberufungsbeschlusses das Verfahren fortgeführt und dadurch seine Pflichten verletzt.

In dieser Situation macht das Gericht von dem ihm durch § 148 ZPO eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch, dass der Rechtsstreit ausgesetzt wird.






LG München I:
Beschluss v. 02.06.2009
Az: 5 HK O 2836/08


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