Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. März 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 133/99

(BPatG: Beschluss v. 01.03.2000, Az.: 28 W (pat) 133/99)

Tenor

1. Die Beschwerde der Widersprechenden und die Anschlußbeschwerde der IR-Markeninhaberin werden zurückgewiesen.

2. Kosten werden nicht auferlegt.

Gründe

I.

Gegen die um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland für die Waren

"Aliments pour animaux"

nachsuchende, am 9. Juli 1996 veröffentlichte IR-Marke 653 051 JOLLY ist Widerspruch erhoben aus der für 29 Viande, poisson, volaille et gibier, extraits de viande, fruits et legumes conserves, seches et cuits; gelees, confitures; oeufs, lait et autres produits laitiers; huiles et graisses comestibles; conserves, pickles.

30 Cafe, the, cacao, sucre, riz, tapioca, sagou, succedanes du cafe; farines et preparations faites de cereales, pain, biscuits, g‰teaux, p‰tisserie et confiserie, glaces comestibles; miel, sirop de melasse; levure, poudre pour faire lever; sel, moutarde; poivre, vinaigre, sauces; epices; glace.

31 Produits agricoles, horticoles, forestiers et graines, non compris dans d ' autres classes; animaux vivants; fruits et legumes frais; semences, plantes vivantes et fleurs naturelles; substances alimentaires pour les animaux, malt.

32 Biere, ale et porter, eaux gazeuses et autres boissons non alcooliques (‡ l ' exception de jus de fruits contenant de l ' anhydride carbonique et boissons ‡ base de cola), sirops et autres preparations pour faire des boissons.

Seit 20. Mai 1977 eingetragenen Wort-Bild-IR-Marke 430 590 Abb. 1 am Ende Auf das Bestreiten der Benutzung der Widerspruchsmarke hat die Widersprechende Benutzungsunterlagen für den Zeitraum 1991 bis 1996 für "Obst und Gemüse in Dosen" vorgelegt.

Die Markenstelle für Klasse 31 IR hat den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß keine Markenähnlichkeit vorliege. Im Gesamteindruck seien sich die Marken ohnehin nicht ähnlich; im übrigen bestehe kein Anhaltspunkt, weshalb die Widerspruchsmarke auf "JOLLY" zu verkürzen sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Sie ist der Auffassung, daß sich Waren und Marken verwechslungsbegründend nahe kämen. Die von der schutzsuchenden Marke beanspruchte "Tiernahrung" sei den "Frucht- und Gemüsekonserven", für die die Widerspruchsmarke benutzt werde auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs "McDog", markenrechtlich ähnlich. Herstellungsstätten und Vertriebswege der Waren sowie deren Stoffbeschaffenheit und Zweckbestimmung bzw deren Verwendungsweise sowie die Verkaufs- und Angebotsstätten wiesen enge Berührungspunkte auf. Der Verkehr gehe davon aus, daß Tierfutter und menschliche Nahrung in denselben Fabriken und in höchst ähnlichen Produktionsverfahren hergestellt werden. Es gebe auch Anbieter von Nahrungsmitteln in Dosen und von Tierfutter. Beides könne in Supermärkten erworben werden. Dabei näherten sich die Vertreiber von Tierfutter mit anpreisenden Begriffen wie "Gemüse", "ausgesuchten Rezepten", "Soßen-Kreationen", "Gaumenschmaus", "Meeres-Delikatessen", "köstlichen Fischgerichten" und "Geschmackserlebnissen" und auch in der Aufmachung der betreffenden Waren, insbesondere Fertiggerichten für den menschlichen Verzehr an. Auch dürfe nicht übersehen werden, daß - entgegen den pauschalen Ausführungen des Bundesgerichtshofs - und der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts, etwa "Molken, Milch in Pulverform" mit "Futtermitteln für Kleintiere" und spezielle Futtermittel mit "Mehlen und Grieß" als ähnlich angesehen würden.

Was die Marke beträfe sei entgegen der Auffassung der Markenstelle der Markenbestandteil "JOLLY" der Widerspruchsmarke durch seine Größe und die besondere graphische Gestaltung derart markant, daß der Verkehr den übrigen Bestandteil allenfalls als Zweitmarke ansehen würde, so daß sich bei ähnlichen Waren identische Zeichen gegenüberstünden, weshalb der IR-Marke der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu versagen sei.

Die IR-Markeninhaberin beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen und der Widersprechenden sowohl die Kosten des Widerspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt als auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Sie ist der Auffassung, daß aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung feststehe, daß die jeweils beanspruchten Waren nicht ähnlich seien und es der Billigkeit entspreche, bei dieser Sachlage sämtliche Kosten des Widerspruchs- und Beschwerdeverfahrens der Widersprechenden aufzuerlegen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Nach § 107, 122 Markengesetz in Verbindung mit § 42 Absatz 2 Nr 1, 9 Absatz 1 Nr 2 Markengesetz kann eine international registrierte Marke dann keinen Schutz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erhalten, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer Schutz für die Bundesrepublik Deutschland genießenden Marke mit älterem Zeitrang und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfaßten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.

Eine solche Annahme scheitert vorliegend schon daran, daß es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen der Warenähnlichkeit fehlt. Für den Senat ist nicht ersichtlich, daß und weshalb zwischen den hier gegenständlichen Erzeugnissen regelmäßige Beziehungen und Berührungspunkte bestehen, die bei Abnehmern, wenn sie an den Waren ein identisches bzw ähnliches Zeichen angebracht sehen, den ggf irrigen Schluß herbeiführen können, daß die Ware nach Beschaffenheit, Verwendung und Herkunft in einem wie auch immer gearteten wirtschaftlichen Zusammenhang zueinander stehen und insbesondere aus demselben Unternehmen stammen. Tierfutter und Obst- und Gemüsekonserven für den menschlichen Verzehr, für die allein die Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht wurde, sind weder im tatsächlichen, noch im Rechtssinne ähnlich, da Herstellungsstätten, Vertriebswege und Verkaufsstätten auf den hier angesprochenen Warengebieten vom Verkehr sorgsam auseinandergehalten werden. Tierfutter und Nahrungsmittel für den Menschen werden auch von der Zweckbestimmung her regelmäßig als gegensätzlich angesehen. Der Vortrag der Widersprechenden, daß Frucht- und Obststücke sowohl bei der menschlichen Nahrung als auch bei Tierfutter anzutreffen sind, daß die Herstellungsverfahren ähnlich sind und man Tierfutter und Nahrung für den menschlichen Verkehr zusammen in Supermärkten kaufen kann, spielt für die Frage der Warenähnlichkeit im markenregisterrechtlichen Sinne hingegen keine entscheidungserhebliche Rolle, da es sich hierbei nicht um die für die Bewertung der Verkehrsauffassung maßgeblichen Umstände handelt. Der Verkehr unterscheidet vielmehr genau zwischen Zutaten für Tierfutter und Zutaten für Nahrungsmittel, wobei erstere regelmäßig als eher minderwertig angesehen werden. Zwar ist dem Senat bekannt, daß in der Heimtierfutterwerbung bewußt ua die von der Widersprechenden dargestellten Annäherungen an das Lebensmittelmarketing gesucht werden. Für die Herstellung von regelmäßigen Warenbezügen, die markenregisterrechtlich beachtlich wären, reicht es jedoch nicht aus, weil es ebenso gerichtsbekannt ist, daß Lebensmittelhersteller diesen Tendenzen vehement entgegentreten. Die fehlende Warenähnlichkeit von Nahrungsmitteln und Tierfutter (letzteres als Oberbegriff) entspricht im übrigen der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts seit 1969 (vgl hierzu BPatG, Mitt 1973, 98 sowie in letzter Zeit Beschluß des erkennenden Senats vom 5. Mai 1999, 28 W (pat) 121/98 - in PAVIS veröffentlicht - sowie Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 11. Aufl, S 151 mwNachw) und auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, WRP 1998, 1 181, 1 182 - MAC Dog). Eine Änderung der dort festgestellten Umstände und der daraus resultierenden Verkehrsauffassung vermag der Senat nicht festzustellen, so daß die Beschwerde schon aus diesem Grund als unbegründet zurückzuweisen war.

Der Senat sieht keine Veranlassung, einem der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens oder - wie von der Markeninhaberin im Wege der unselbständigen Anschlußbeschwerde zusätzlich beantragt - die Kosten des Widerspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt (§ 63 Abs 1 Satz 1 MarkenG) aufzuerlegen.

Regelmäßig hat im Widerspruchsverfahren jeder der Beteiligen seine Kosten sowohl vor dem Patentamt als auch vor dem Patentgericht selbst zu tragen, falls nicht ausnahmsweise aus Gründen der Billigkeit wegen des besonderen Verhaltens einer der Verfahrensbeteiligten von diesem Grundsatz abzuweichen ist, wie das zB für den Fall der Einlegung einer ohne weiteres erkennbar von vornherein aussichtslosen Beschwerde angenommen werden kann (vgl hierzu Ingerl/Rohnke, MarkenG § 71 Rdn 15).

Davon kann vorliegend keine Rede sein, zumal zum einen zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung noch keine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage vorlag und vor Einlegung der Beschwerde weder die IR-Markeninhaberin, noch das Deutsche Patent- und Markenamt diese Frage problematisiert hatte.

Stoppel Martens Sekretarukbr/prö

Abb. 1






BPatG:
Beschluss v. 01.03.2000
Az: 28 W (pat) 133/99


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