Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. März 2010
Aktenzeichen: 17 W (pat) 165/05

(BPatG: Beschluss v. 17.03.2010, Az.: 17 W (pat) 165/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patentund Markenamts vom 11. Oktober 2005 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 7, Beschreibung mit Seiten 1 bis 23, 5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 5, jeweils vom 17. Februar 2010, eingegangen am 18. Februar 2010.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Computersystem mit einer hierarchischen Cacheanordnung"

ist durch Teilung aus der Anmeldung 102 32 926.5 (Stammanmeldung) mit Anmeldetag vom 19. Juli 2002 und Priorität vom 31. Juli 2001 der Anmeldung US 09/919 309 entstanden. Im Verfahren der Stammanmeldung hatte die Prüfungsstelle u. a. beanstandet, dass eine Nebenordnung der Ansprüche verschiedener Patentkategorien (Vorrichtung/Verfahren) nicht zulässig sei, da mit Verweis auf die Entscheidung "Mikroprozessor" des Bundespatentgerichts verlangt werde, dass der der einen Kategorie angehörende Anspruch dem der anderen Kategorie angehörenden Anspruch etwas Zusätzliches hinzufügen müsse, also den Erfindungsgedanken weiter ausgestalten müsse und Nebenansprüche ansonsten mangels Rechtsschutzinteresse nicht zulässig seien. Die Stammanmeldung hat inzwischen zur Erteilung eines Patents ausschließlich mit Verfahrensansprüchen geführt. Im Verfahren der Trennanmeldung hat die Anmelderin am 10. August 2005 komplette Unterlagen eingereicht mit einem Anspruchsbegehren, das auf die in der Stammanmeldung als nicht zulässig erachteten, auf eine Vorrichtung gerichteten Nebenansprüche gerichtet ist. Die vorliegende Trennanmeldung wurde daraufhin mit Beschluss der Prüfungsstelle G 06 F vom 11. Oktober 2005 wegen Fehlens eines schutzwürdigen Interesses zurückgewiesen. Der Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle wurde damit begründet, in der Stammanmeldung sei im Bescheid vom 7. Oktober 2003 sowie der Anhörung am 28. Juni 2005 ausgeführt worden, dass mit Verweis auf die Entscheidung "Mikroprozessor" des Bundespatentgerichts bei Ansprüchen mit mehreren Patentkategorien (Vorrichtung/Verfahren) verlangt werden müsse, dass der der einen Kategorie angehörende Anspruch dem der anderen Kategorie angehörenden Anspruch etwas Zusätzliches hinzufügen müsse, also den Erfindungsgedanken weiter ausgestalten müsse und Nebenansprüche ansonsten mangels Rechtsschutzinteresse nicht zulässig seien. Die Nebenansprüche in der Stammanmeldung wurden daher als nicht zulässig erachtet. Diese als nicht zulässig erachteten Nebenansprüche würden nun in der Teilungsanmeldung weiter verfolgt. Da sich der in der Teilungsanmeldung eingereichte Anspruch 1 nur durch das erste Wort "Vorrichtung" statt "Verfahren" vom in der Stammanmeldung am 4. August 2005 eingereichten, gewährbaren Patentanspruch 1 unterscheide, würde dies zu identischen Patenten führen. Denn zur Durchführung des mit Patentanspruch 1 der Stammanmeldung beanspruchten Verfahrens müsse selbstverständlich irgendeine Vorrichtung vorhanden sein, sonst sei das Verfahren nicht durchführbar. Entstünden durch Teilung einer Anmeldung zwei Anmeldungen, die zu identischen Patenten führen würden, sei nach der geltenden Rechtsprechung (Schulte, PatG, 7. Auflage (2005) § 34 Rdn. 28) zwar die Teilungserklärung wirksam, die Teilungsanmeldungsanmeldung aber wegen Fehlens eines schutzwürdigen Interesses zurückzuweisen.

Der in der Stammanmeldung ergangene Bescheid sowie die Anhörung seien auch für die Teilungsanmeldung beachtlich (BPatGE "Akustisches Oberflächenwellenfilter", 17 W (pat) 12/04, 17 W (pat) 49/01), so dass die Absetzung eines Prüfungsbescheids nicht erforderlich gewesen sei.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die am 17. November 2005 eingegangene Beschwerde der Anmelderin. Sie beantragt unter Berücksichtigung der Eingabe vom 17. Februar 2010:

den Beschluss aufzuheben und ein Patent zu erteilen, basierend auf folgenden Unterlagen:

Patentansprüche 1 bis 7, Beschreibung mit Seiten 1 bis 23 und 5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 5, jeweils vom 17. Februar 2010.

Sie verweist in ihrem Beschwerdeschriftsatz darauf, dass für die in der vorliegenden Anmeldung beanspruchte Vorrichtung ein Rechtsschutzinteresse bestehe, die in dem angefochtenen Beschluss zum Ausdruck gebrachte Auffassung nicht zutreffe und auch durch die angegebene Entscheidung des Bundespatentgerichts nicht gestützt werden könne.

Der mit der Trennanmeldung ursprünglich verfolgte Patentanspruch 1 lautet:

"Vorrichtung zur Aufrechterhaltung der Kohärenz in einer hierarchischen Cacheanordnung eines Computersystems mit einem Bus (106), über den eine maximale Anzahl von Cachezeilen als Gruppe übertragen wird, wobei die Anzahl der tatsächlich übertragenen Cachezeilen einer Gruppe von den Besitzverhältnissen innerhalb der Gruppe abhängt."

Der erteilte Patentanspruch 1 der Stammanmeldung lautet:

"Verfahren zur Aufrechterhaltung der Kohärenz in einer hierarchischen Cacheanordnung eines Computersystems mit einem Bus (106), über den eine maximale Anzahl von Cachezeilen als Gruppe übertragen wird, wobei die Anzahl der tatsächlich übertragenen Cachezeilen einer Gruppe von den Besitzverhältnissen innerhalb der Gruppe abhängt."

Der Senat hat mit Zwischenbescheid vom 15. Dezember 2009 u. a. seine Zweifel zum Ausdruck gebracht, ob die Formulierung im ursprünglich verfolgten Patentanspruch 1 vom 10. August 2005 "wobei die Anzahl der tatsächlich übertragenen Cachezeilen einer Gruppe von den Besitzverhältnissen innerhalb der Gruppe abhängt" geeignet sei, eine Vorrichtung eindeutig und unterscheidbar zu definieren. Im Bestreben, klare und eindeutige Schutzrechte zu erteilen, sei gegenüber der sehr abstrakt formulierten Lehre einer präzisierten Lehre, die den Anmeldungsgegenstand eindeutig zu kennzeichnen vermag, der Vorzug zu geben.

Mit Eingabe vom 17. Februar 2010 hat die Anmelderin daraufhin ein neues Patentbegehren eingereicht.

Der geltende Patentanspruch 1 der vorliegenden Trennanmeldung vom 17. Februar 2010 lautet (mit unterstrichen markierten redaktionellen Änderungen versehen):

"Computersystem mit:

einer hierarchischen Cacheanordnung; einem Bus (106), über den eine maximale Anzahl von Cachezeilen als Gruppe übertragen wird; undeinem Anforderer;

wobei der Anforderer zur Aufrechterhaltung der Kohärenz bei Anforderung einer Cachezeiledie gesamte Cachezeilengruppe erhält, wenn sich die Cachezeilengruppe nicht im Besitz oder im Besitz nur eines Besitzers befindet, undnur die angeforderte Cachezeile erhält, wenn die Cachezeilen innerhalb der die angeforderte Cachezeile umfassenden Cachezeilengruppe unterschiedliche Besitzer aufweisen."

Bezüglich der Unteransprüche 2 -7 wird auf die Akte verwiesen.

Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Computersystem zu schaffen, das die zur Aufrechterhaltung der Kohärenz notwendige Busbelastung reduziert (Beschreibung vom 17. Februar 2010 S. 5 Abs. 3).

II.

Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch Erfolg, da das geltende Patentbegehren zulässig ist, der im Verfahren zitierte Stand der Technik nicht entgegensteht und auch sonst die Kriterien zur Patenterteilung erfüllt sind (PatG §§ 1 bis 5).

1. Die Anmeldung betrifft ein Computersystem mit einer hierarchischen Cacheanordnung unter Aufrechterhaltung von Kohärenz beim Datentransfer.

Als Kohärenz wird die Eigenschaft bezeichnet, dass alle Caches beim Zugriff auf eine bestimmte Speicherstelle denselben, nämlich den aktuellen, gültigen Datenwert bereitstellen -unabhängig davon, wo er momentan gespeichert ist. Zur Aufrechterhaltung der Kohärenz in einer hierarchischen Cacheanordnung eines Computersystems sind verschiedene Cachekohärenzprotokolle, die jeweils Vorund Nachteile aufweisen, bekannt, wie das Snoop-Protokoll, verzeichnisbasierte Protokolle, die Verwendung eines globalen Kohärenzfilters sowie viele darauf basierende Variationen und Zwischenformen. Bei allen Kohärenzprotokollen muss dem Anforderer die aktuellste Kopie der angeforderten Cachezeile geliefert werden. Falls die Zeile nicht nur gelesen, sondern modifiziert werden soll, muss der alleinige Besitz einer Zeile durch den Anforderer erworben werden. Bei jeder Anforderung einer Zeile durch einen Prozessor entsteht eine Gesamtwartezeit, die erforderlich ist, bis er die angeforderte Zeile erhält. Sie setzt sich zusammen aus der Zeit zum Erwerb der Zugangsrechte unter Verwendung eines Cache-Kohärenzprotokolls, der Zeit zur Verarbeitung der Adresse und der Datenübertragungszeit. Zur Verringerung der Wartezeit und des Busverkehrs für Kohärenzanforderungen kann die Zeilengröße erhöht werden. Wenn jedoch ein Großteil der transferierten und im Cache befindlichen Daten nicht benötigt wird, wird die Gesamtleistungsfähigkeit negativ beeinflusst. Bekannt ist außerdem der Vorabruf mehrerer Teilzeilen

(S. 1 vorl. Abs. -S. 5 Abs. 2 und S. 8 Abs. 2 f. der Anmeldeunterlagen).

Der Anmeldung liegt davon ausgehend die Aufgabe zugrunde, ein Computersystem zu schaffen, das die zur Aufrechterhaltung der Kohärenz notwendige Busbelastung reduziert.

Als Fachmann für einen derartigen Sachverhalt ist ein Diplomingenieur (Universität) für Elektrotechnik bzw. Datenverarbeitung mit mehrjähriger Berufserfahrung im Bereich der Entwicklung von busbasierten Mehrprozessorsystemen mit schneller Befehlsabarbeitung und des damit verbundenen schnellen Datentransfers bei Speicherzugriffen anzusehen, der hierfür Kenntnisse über Maßnahmen zur Herstellung von Cachekohärenz besitzt.

Gelöst wird die Aufgabe bei einem Computersystem mit einer hierarchischen Cacheanordnung und mit einem Bus, über den eine Vielzahl von Cachezeilen (mit einem ganzzahligen Vielfachen von Cachezeilen, z. B. 4) zusammengefasst als Gruppe übertragen werden können, durch die prinzipielle Idee, dass zur Aufrechterhaltung der Kohärenz ein Anforderer bei Anforderung einer Cachezeile zum spekulativen Abruf die gesamte Cachezeilengruppe erhält, wenn sich die Cachezeilengruppe nicht im Besitz oder im Besitz nur eines Besitzers befindet, und der Anforderer nur die angeforderte Cachezeile erhält, wenn die Cachezeilen innerhalb der die angeforderte Cachezeile umfassenden Cachezeilengruppe unterschiedliche Besitzer aufweisen. Dadurch hängt die über den Bus tatsächlich übertragene Anzahl von Zeilen von den Besitzverhältnissen innerhalb der Gruppe ab. Die Erfindung kann bei den bekannten Cache-Kohärenzsystemen, die Verzeichnisse, globale Kohärenzfilter oder ein Snoop-Protokoll verwenden, angewendet werden.

2. Der Erteilungsantrag liegt im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung.

2.1 Die geltenden Patentansprüche sind zulässig.

Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus den Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 3 und 11 der Stammanmeldung sowie den auf Seite 9 Zeile 4 bis 10 und Seite 17 Zeile 28-33 sowie in Figur 1 der Anmeldeunterlagen offenbarten Merkmalen.

Der geltende Anspruch 2 basiert auf den ursprünglichen Patentansprüchen 4 und 13 der Stammanmeldung sowie den auf S. 17 Z. 10-13 der Anmeldeunterlagen offenbarten Merkmalen. Die Merkmale des geltenden Anspruchs 3 sind auf S. 17 Z. 15-19 der Anmeldeunterlagen offenbart. Der geltende Anspruch 4 ergibt sich aus den Merkmalen des ursprünglichen Anspruchs 15 der Stammanmeldung und S. 18 Z. 10-12 der Anmeldeunterlagen. Der geltende Anspruch 5 basiert auf den ursprünglichen Ansprüchen 16 und 17 der Stammanmeldung sowie den auf S. 18 Z. 34 f. der Anmeldeunterlagen sowie in Figur 4 entnehmbaren Merkmalen. Die geltenden Ansprüche 6 und 7 ergeben sich aus den in den ursprünglichen Ansprüchen 18 und 19 der Stammanmeldung offenbarten Merkmalen.

2.2 Die Änderungen in der Beschreibung und den Zeichnungen stellen redaktionelle Anpassungen dar bzw. sind durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt. Nicht notwendige Beschreibungsteile wurden gestrichen und der im Prüfungsverfahren genannte relevante Stand der Technik gewürdigt.

2.3 Ferner ist die Lehre der Patentansprüche in der vorliegenden Fassung in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

3.

Es kann offen bleiben, inwieweit die im Zurückweisungsbeschluss geltend gemachten Mängel die Zurückweisung der Anmeldung grundsätzlich überhaupt tragen könnten. In der vorliegenden, geänderten Fassung unterscheidet sich der auf eine Vorrichtung gerichtete Hauptanspruch jedenfalls deutlich vom in der Stammanmeldung bereits unter Schutz gestellten Verfahrensanspruch, so dass ein schutzwürdiges Interesse der Anmelderin zweifelsfrei vorliegt.

4.

Der Gegenstand des nunmehr geltenden Patentanspruchs 1 ist patentfähig, da er neu gegenüber dem im bisherigen Prüfungsverfahren der Stammanmeldung genannten Stand der Technik ist und auch auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

Hinsichtlich der Beurteilung der im Prüfungsverfahren der Stammanmeldung genannten Druckschriften US 6 049 847, US 5 404 483 sowie US 5 787 475 folgt der Senat der Beurteilung der Prüfungsstelle im Verfahren der Stammanmeldung, denn aus keiner der Druckschriften ist eine Anregung zu entnehmen, die Übertragung einer Anzahl von Cachezeilen einer Gruppe in Abhängigkeit von den Besitzverhältnissen innerhalb der Gruppe derart vorzunehmen, dass ein Anforderer bei Anforderung einer Cachezeile die gesamte Cachezeilengruppe erhält, wenn sich die Cachezeilengruppe nicht im Besitz oder im Besitz nur eines Besitzers befindet, und der Anforderer nur die angeforderte Cachezeile erhält, wenn die Cachezeilen innerhalb der die angeforderte Cachezeile umfassenden Cachezeilengruppe unterschiedliche Besitzer aufweisen.

Weiterer relevanter Stand der Technik ist nicht bekannt geworden. Der geltende Patentanspruch 1 ist daher gewährbar.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 beinhalten zweckmäßige Weiterbildungen der Vorrichtung nach Patentanspruch 1 und sind ebenfalls gewährbar.

Dr. Fritsch Eder Baumgardt Wickborn Fa






BPatG:
Beschluss v. 17.03.2010
Az: 17 W (pat) 165/05


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