Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. August 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 25/02

(BPatG: Beschluss v. 27.08.2002, Az.: 27 W (pat) 25/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Wortmarke JOYCOM für "Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Unterhaltung, kulturelle Aktivitäten; Erstellen von Softwareprogrammen und deren Pflege und Wartung (auch als Softwarespiele, Datenbanken und Internetanwendungen)" ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren IR-Marke JOY eingetragen unter der Nr IR 658 529 für "Produits de l'imprimerie".

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch zurückgewiesen. Auch vor dem Hintergrund teilweise sehr großer Ähnlichkeit der beanspruchten Waren und Dienstleistungen halte die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke ein, weil sie vom Gesamteindruck her wegen der zusätzlichen Endsilbe "COM" in der angegriffenen Marke deutlich von der Widerspruchsmarke abweiche. Die jüngere Marke werde auch nicht von dem übereinstimmenden Bestandteil "JOY" geprägt; hiergegen sprächen schon der Einwortcharakter dieser Marke und die durch Verdoppelung des Vokals entstehende gefällige Lautkombination. Eine Abspaltung des Einzelelements "COM" sei bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr schon aus Rechtsgründen nicht zulässig. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr sei zu verneinen, da der Bestandteil "JOY" wegen seiner Kennzeichnungsschwäche nicht den erforderlichen Hinweischarakter auf den Betrieb der Widersprechenden habe und eine Zeichenserie der Widersprechenden mit diesem Bestandteil nicht liquide sei. Eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken bestehe daher nicht.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses anstrebt. Ihrer Auffassung nach ist eine Ähnlichkeit beider Marken schon deshalb zu bejahen, weil sie in ihren ersten drei Buchstaben übereinstimmten, wobei die ältere Marke "JOY" in der jüngeren Marke "JOYCOM" vollständig enthalten sei; diese Übereinstimmung bleibe bei den angesprochenen Verkehrskreisen, welche in der Regel Wortanfängen mehr Aufmerksamkeit widmeten, in Erinnerung. Der in der angegriffenen Marke zusätzlich enthaltene Bestandteil "COM" sei als rein beschreibende Angabe kennzeichnungsschwach, da er als Abkürzung für den im EDV-Bereich geläufigen Begriff "communication" oder für "commercial" verstanden werde. Darüber hinaus sei er auch als Top Level Domain einer Internetadresse gebräuchlich; der Verkehr werde daher davon ausgehen, bei "JOYCOM" handele es sich um die Internetadresse der Zeitschrift "JOY". Insgesamt stünden sich daher die identischen Zeichen "JOY" und "JOY" gegenüber. Eine Kennzeichnungsschwäche des Wortes "JOY" bestehe nicht, wie die Vielzahl eingetragener Marken mit diesem Wort zeige. Angesichts der Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen, die sich daraus ergebe, dass Inhalte von Druckschriften heute alternativ und gleichwertig durch EDV-Datenträger vermittelt würden, sei die jüngere Marke daher zu löschen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke ist dem entgegengetreten. Seiner Auffassung nach ist der Bestandteil "JOY" kennzeichnungsschwach. Es sei auch nicht zutreffend, dass der Verkehr "JOYCOM" als die Internet-Adresse der Zeitschrift "JOY" auffassen werde. Insbesondere wenn die Endsilbe nicht durch einen Punkt abgetrennt sei, liege eine solche Annahme hinsichtlich der für Unternehmensnamen typischen Endsilbe "COM" nicht näher als bei den Endsilben "de" oder "uk". Schließlich liege auch eine Warenähnlichkeit nicht vor, da die für die Widerspruchsmarke geschützten Druckereierzeugnisse mit den Waren und Dienstleistungen, für welche die angegriffene Marke Schutz genieße, keine Berührungspunkte aufwiesen.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Markenstelle zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG verneint hat. Weder das Beschwerdevorbringen noch sonstige Erwägungen bieten für eine abweichende Beurteilung Anlass.

Es kann auf sich beruhen, ob die einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen ähnlich sind, da selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken nicht besteht.

Soweit die Widersprechende geltend macht, dass die ältere Marke in der jüngeren Marke vollständig enthalten sei, verkennt sie, dass nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr grundsätzlich unabhängig vom Prioritätsalter der sich gegenüberstehenden Zeichen allein auf ihren Gesamteindruck abzustellen ist (vgl EuGH GRUR 1998, 397, 390 Tz 23 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 233 f - RAUSCH/ELFI RAUCH). In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die Marken aber schon deshalb, weil die Widerspruchsmarke den zusätzlichen Bestandteil "COM" nicht enthält.

Die Beurteilung anhand des Gesamteindrucks schließt zwar nicht aus, dass einem einzelnen Zeichenbestandteil unter Umständen eine besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft beizumessen ist, wenn diesem Bestandteil in der Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt und er deshalb geeignet ist, die Erinnerung an das Gesamtzeichen wachzurufen, während die weiteren Bestandteile so in den Hintergrund treten, daß sie für den Verkehr an Bedeutung verlieren und zum Gesamteindruck des Zeichens nicht beitragen (vgl BGH, aaO, S 234 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Für eine Prägung der angegriffenen Marke durch den Bestandteil "JOY" sind hier aber keine Anhaltspunkte erkennbar.

Dabei kann zunächst dahinstehen, ob das Element "COM" für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Sinne einer Abkürzung für "communication" oder "commercial" beschreibend ist. Allerdings spricht hiergegen schon, dass die Buchstabenfolge "COM" auf dem hier von der angegriffenen Marke beanspruchten Warensektor eine Vielzahl von Bedeutungen haben kann, neben "communication" und "commercial" ua auch "computer" oder "commission" (vgl 27 W (pat) 52/99 - MultiCom, 27 W (pat) 244/00 - openCom, und 29 W (pat) 274/99 - ProCom, alle Entscheidungen veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM), wobei in Verbindung mit dem weiteren Markenelement "JOY" und im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine dieser Bedeutungen hier im Vordergrund steht. Aber selbst wenn der Verkehr die Buchstabenfolge "COM" als beschreibende Angabe auffassen würde, kann sie nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben, weil auch beschreibende oder kennzeichnungsschwache Markenteile zum Gesamteindruck einer Marke beitragen (vgl. Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl, § 9 Rn 185). Das gilt um so mehr, als die beiden Bestandteile infolge ihrer Zusammenschreibung einen (neuen) einheitlichen Gesamtbegriff ergeben, der im Sinne von "Joycomputer, Joycommunication, Joycommerce" verstanden werden kann. Wegen seiner gesamtbegrifflichen Einheit kann - ungeachtet der von der Markenstelle zu Recht geäußerten rechtlichen Bedenken gegen die "Abspaltungstheorie" - der Bestandteil "COM" auch nicht nicht von dem anderen Element "JOY" abgespalten werden (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rn 199; vgl zuletzt auch BPatGE 44, 254, 257 - WISCHMAX/Max).

Entgegen der Auffassung der Widersprechenden steht auch nicht zu erwarten, dass maßgebliche Teile des Verkehrs die jüngere Marke lediglich als Internet-Adresse der mit der älteren Marke "JOY" gekennzeichneten Zeitschrift ansehen und aus diesem Grund dem Bestandteil "COM" in der Annahme, dass es sich hierbei um den kommerziellen Angeboten vorbehaltenen allgemeinen Bestandteil einer solchen Adresse (sog Top-Level-Domain) handelt, keine Beachtung schenken werden. Ein solches Verständnis könnte bei den angesprochenen Verkehrskreisen, zu denen wegen der Art der beanspruchten Waren und Dienstleistungen alle Endverbraucher gehören, nämlich nur dann aufkommen, wenn die besondere Gestaltung einer Marke gerade die Erinnerung an Internet-Adressen hervorruft. Schon von ihrem äußeren Erscheinungsbild her liegt der Gedanke an eine Internet-Adresse bei der hier zu beurteilenden angegriffenen Marke aber fern. Denn den Verbrauchern ist bekannt, dass die alphanumerischen Internet-Adressen (welche lediglich stellvertretend für die numerische IP-Adresse verwendet werden, anhand derer Computer allein im Netz zu finden sind) in der Regel aus dem lokalen Hostnamen (für Anwendungen im weltweit größten Netz, dem World Wide Web, meist "www"), der sog. Second-Level-Domain, die allein die aufgerufene Webseite individualisiert und deshalb nur einmal vergeben wird, und der Top-Level-Domain, welche in der Regel das Land, in welchem sich der angewählte Computer befindet, eine bestimmte staatliche Einrichtung oder eine international operierende Firma oder Organisation angibt, zusammengesetzt sind (vgl Irlbeck/Langenau, Computer-Lexikon, 4. Aufl, S 387 ff unter "Hostname"). Alle drei Adressenteile werden dabei stets durch Punkte voneinander getrennt, weil nur auf diese Weise ihre eindeutige Abgrenzung möglich ist. Gerade diese Punkte sind ausschlaggebend, damit eine Folge von Zahlen und Buchstaben als Internet-Adresse angesehen werden. Deshalb wird nur die Angabe "www.joy.com" oder allenfalls noch "joy.com" als (abgekürzte) Internet-Adresse erkannt, während die Angabe "joycom" nicht den Eindruck einer Internet-Adresse erweckt, sondern - wie bereits ausgeführt - im allgemeinen als reines Phantasiewort verstanden wird, dessen Bestandteile eine zusammengehörende Einheit bilden.

Soweit die Widersprechende in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des 29. Senats vom 21. Oktober 1998 (29 W (pat) 61/98 - LARSCOM/LARS, veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM) Bezug genommen hat, in welcher eine Verwechslungsgefahr wegen des beschreibenden Charakters des Bestandteils "COM" bejaht worden ist, sieht der Senat keine Grundlage, um angesichts der konkreten Umstände des vorliegenden Falls, insbesondere der gesamtbegrifflichen Einheitlichkeit der Wortbildung "JOYCOM", hier zu einem gleichen rechtlichen Ergebnis zu gelangen.

Eine mittelbare Verwechslungsgefahr ist ebenfalls zu verneinen. Es sind nämlich keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß dem hier vorhandenen übereinstimmenden Element "JOY" in beiden Marken ein Hinweischarakter auf die Widersprechende zukommt. Weder hat die Widersprechende den Verkehr bereits durch die Benutzung mehrerer eigener unter Verwendung von "JOY" gebildeter Serienmarken an diesen Stammbestandteil gewöhnt, noch handelt es sich bei "JOY" um einen besonders charakteristisch hervorstechenden oder als Firmenkennzeichnung verwendeten oder sonst mit Verkehrsgeltung ausgestatteten Bestandteil handelt (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl 2000, § 9 Rn 213 mwN; ferner BGH GRUR 1996, 777, 778 r Sp - JOY).

Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG verwiesen.

Dr. Schermer Richter Dr. van Radenkann wegen Urlaubsnicht unterschreiben.

Dr. Schermer Schwarz Pü






BPatG:
Beschluss v. 27.08.2002
Az: 27 W (pat) 25/02


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