Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Dezember 2006
Aktenzeichen: 10 W (pat) 14/05

(BPatG: Beschluss v. 07.12.2006, Az.: 10 W (pat) 14/05)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Auf die am 10. Mai 1991 eingereichte Anmeldung wurde der Patentinhaberin mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland das europäische Patent 0 527 952 mit der Bezeichnung "Hierarchisches Kodierungsverfahren mit Hintergrundreferenzen zur leistungsfähigen Kommunikation von Bildsequenzen" erteilt, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 691 17 748 geführt wird.

Das Patentamt wies die Patentinhaberin mit Bescheid vom 7. Oktober 2003 ("Wichtige Mitteilung") darauf hin, dass die 13. Jahresgebühr (760,- €) nicht innerhalb der zuschlagsfreien Zeit entrichtet worden sei, diese aber mit Verspätungszuschlag von 50,- € (insgesamt 810,- €) bis zum 1. Dezember 2003 (ein Montag) entrichtet werden könne, anderenfalls das Patent erlösche. Die Mitteilung erging an die damaligen Inlandsvertreter der Patentinhaberin.

Am 28. Mai 2004 wurde die folgende, die 14. Jahresgebühr (910,- €) gezahlt, die vom Patentamt wieder zurückgezahlt wurde.

Auf den Hinweis des Patentamts mit Bescheid vom 16. Juli 2004, dass das Patent seit 2. Dezember 2003 wegen Nichtzahlung der 13. Jahresgebühr mit Zuschlag als erloschen gelte, hat die Patentinhaberin am 10. September 2004 Wiedereinsetzung beantragt und zugleich mit Einzugsermächtigung die 13. und 14. Jahresgebühr jeweils mit Zuschlag gezahlt. Sie trägt vor, der Bescheid des Patentamts vom Juli 2004 sei am 28. Juli 2004 bei den damaligen Inlandsvertretern eingegangen, somit sei das Hindernis zu diesem Zeitpunkt weggefallen. Wie aus der beigefügten eidesstattlichen Versicherung der für die Jahresgebühren zuständigen Mitarbeiterin der amerikanischen Korrespondenzanwälte ersichtlich sei, habe im April und Mai 2003 für mehrere Patente der Patentinhaberin ein Wechsel der amerikanischen Vertreter stattgefunden, nämlich von der Kanzlei A... auf die Kanzlei B... Durch "die Verket- tung von unglücklichen Umständen bei der Aktenzuordnung im Zuge der Aktenübernahme" sei die Mitteilung des Patentamts vom 7. Oktober 2003 zur Zahlung der 13. Jahresgebühr nicht zu den an die neuen Vertreter übergebenen Handakten gelangt, so dass von Seiten der Kanzlei B... davon ausgegangen worden sei, dass die 13. Jahresgebühr ordnungs- gemäß bezahlt worden sei.

In der eidesstattlichen Versicherung vom 8. September 2004 von Frau C... erklärt diese u. a., sie sei seit August 2001 als Sachbearbeite- rin in Jahresgebührenangelegenheiten bei der Kanzlei B... angestellt. Ihre Kanzlei sei im April und Mai 2003 mit den Patentangelegenheiten der Patentinhaberin betraut worden und habe die entsprechenden Unterlagen von den vorherigen Vertretern zur Weiterbetreuung erhalten. Nach den ihnen übergebenen Unterlagen betreffend den deutschen Teil des vorliegenden europäischen Patents seien sie trotz eingehender Überprüfung der umfangreichen Unterlagen auf keinen Hinweis gestoßen, dass die im Mai 2003 fällige Jahresgebühr nicht ordnungsgemäß entrichtet und einbezahlt worden sei. Sie habe die Patentanwälte D..., welche seit Jahren die Einzahlung der Jahres- und Aufrechterhaltungsgebühren für ihre Kanzlei wahrnähmen, im März 2004 beauftragt, die 14. Jahresgebühr zu zahlen, was ausweislich der Amtsakte am 28. Mai 2004 erfolgt sei. Während ihrer langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet der Aufrechterhaltungsgebühren im In- und Ausland, wozu sie von ihrer Kanzlei als zuverlässige und erfahrene Mitarbeiterin ausgewählt und von der sie auch über die Bedeutung der fristgerechten Einzahlung der Aufrechterhaltungsgebühren regelmäßig und ständig unter stichprobenhafter Überwachung informiert worden sei, sei ihr kein Fall einer Fristversäumung bei der Einzahlung von Jahresgebühren bekannt geworden.

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Patentabteilung 1.55 - hat durch Beschluss vom 10. November 2004 den Antrag der Patentinhaberin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Patentinhaberin habe die Frist zur Zahlung der 13. Jahresgebühr nicht ohne Verschulden versäumt. Es liege ein ihr zurechenbares Verschulden der damaligen Inlandsvertreter vor. Selbst wenn angenommen werde, dass diese die Mitteilung des Patentamts vom 7. Oktober 2003 zeitnah an die amerikanischen Korrespondenzanwälte weitergeleitet hätten und die Mitteilung durch eine Verkettung unglücklicher Umstände nicht in die richtige Handakte gelangt sei, hätte beim Ausbleiben einer baldigen Anweisung zur Zahlung der 13. Jahresgebühr vor Ablauf der Zahlungsfrist mit den amerikanischen Korrespondenzanwälten geklärt werden müssen, ob die Patentinhaberin an der Aufrechterhaltung des deutschen Schutzrechts interessiert sei. Es liege ein Organisationsverschulden vor, denn es sei nicht mit der üblichen Sorgfalt zu vereinbaren, wenn eine amtliche Mitteilung bezüglich eines drohenden Schutzrechtsverlustes an Korrespondenzanwälte ohne Fristenkontrolle weitergeleitet werde, im vollen Vertrauen darauf, dass diese Mitteilung dort ankomme, zur richtigen Handakte gelange und rechtzeitig beachtet werde.

Hiergegen wendet sich die Patentinhaberin mit der Beschwerde und beantragt, den Beschluss der Patentabteilung 1.55 vom 10. November 2004 aufzuheben und das Patent entsprechend dem Wiedereinsetzungsantrag vom 10. September 2004 in den vorigen Stand einzusetzen.

Zur Begründung wird vorgetragen, die Patentabteilung unterstelle, dass die damals bevollmächtigten Inlandsvertreter direkt die Patentinhaberin oder die amerikanischen Korrespondenzanwälte hätten unterrichten müssen. Dies treffe hier aber nicht zu, denn die Inlandsvertreter seien von einer britischen Kanzlei, nämlich der Kanzlei E... in F..., welche vor dem EPA als Vertreterin der Patentinhaberin bevollmächtigt gewesen sei, mit der Vertretung des deutschen Teils des vorliegenden europäischen Patents beauftragt worden. Somit bestehe kein direktes Mandatsverhältnis der Inlandsvertreter mit der Patentinhaberin in den USA oder deren amerikanischen Korrespondenzanwälten. Die Mitteilung des Patentamts vom 7. Oktober 2003 sei von den Inlandsvertretern per Telefax am 22. Oktober 2003 an die britischen Vertreter weitergeleitet worden. Eine Rückantwort sei nicht erhalten worden, was durchaus der Erfahrung nach üblich sei, da Jahresgebühren von jedermann beim Patentamt eingezahlt werden könnten und dies heutzutage zunehmend von Jahresgebührenzahlungsinstituten ausgeführt werde. Auch hier sei die 14. Jahresgebühr durch eine solches Jahresgebührenzahlungsinstitut der Kollegen D... einbezahlt worden. Es liege daher kein Organisationsverschulden der Inlandsvertreter vor.

In der mündlichen Verhandlung hat die Patentinhaberin ihren Standpunkt aufrechterhalten und darauf hingewiesen, dass weder die Inlandsvertreter noch die britischen Vertreter mit der Gebührenzahlung beauftragt gewesen seien. Die Inlandsvertreter hätten ihrer Sorgfaltspflicht dadurch genügt, dass sie die Mitteilung des Patentamts unverzüglich weitergeleitet hätten, was man beim ursprünglichen Sachvortrag selbstverständlich mitlesen könne; für die britischen Vertreter habe generell gar nicht die Pflicht bestanden, irgendwelche Zahlungserinnerungen weiterzuleiten. Es liege lediglich ein Fehler einer Mitarbeiterin der amerikanischen Vertreter vor, der der Patentinhaberin nicht zugerechnet werden könne.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Patentamt hat den Antrag der Patentinhaberin auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 13. Jahresgebühr mit Zuschlag im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

1. Die Patentinhaberin hat die Frist zur Zahlung der 13. Jahresgebühr mit Zuschlag versäumt. Die 13. Jahresgebühr, die hier nach Art. II § 7 IntPatÜG i. V. m. § 17 Abs. 1 PatG zu zahlen ist, ist gemäß § 3 Abs. 2 PatKostG am 31. Mai 2003 fällig gewesen und konnte gemäß § 7 Abs. 1 PatKostG bis zum 31. Juli 2003 zuschlagsfrei, bis zum 1. Dezember 2003 (der 30. November 2003 war ein Sonntag) mit Zuschlag entrichtet werden. Die Zahlung erst am 10. September 2004 ist daher verspätet. Das Patent ist gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 PatG erloschen.

2. Der wegen Versäumung der Zahlungsfrist gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

a. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 123 Abs. 2 PatG sind eingehalten. Der Antrag ist, ausgehend davon, dass das Hindernis mit Erhalt des patentamtlichen Bescheides vom 16. Juli 2004, nämlich am 28. Juli 2004, weggefallen ist - für einen früheren Wegfall besteht kein Anhalt -, am 10. September 2004 fristgerecht innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden und enthält die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen. Ebenso ist durch die Zahlung der 13. Jahresgebühr mit Zuschlag am 10. September 2004 die versäumte Handlung rechtzeitig nachgeholt worden. Die Glaubhaftmachung ist zugleich mit der Antragstellung erfolgt.

b. Die Patentinhaberin hat aber die Zahlungsfrist nicht ohne Verschulden versäumt; es liegt ein ihr zurechenbares Verschulden (§ 85 Abs. 2 ZPO) ihrer Vertreter vor.

aa. Es kann schon die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass den damaligen Inlandsvertreter oder die britischen Vertreter ein Verschulden trifft.

Dem Vortrag im Wiedereinsetzungsantrag lässt sich implizit entnehmen, dass der Auftrag zur Gebühreneinzahlung jeweils durch die amerikanischen Korrespondenzanwälte zu erfolgen hatte und die Inlandsvertreter offensichtlich nicht mit der Überwachung bzw. Einzahlung der Jahresgebühren beauftragt waren. In Fällen, in denen ein Vertreter nicht mit der Einzahlung der Jahresgebühren beauftragt ist, genügt er zwar nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. 10 W (pat) 36/04 vom 2. Februar 2006; 4 W (pat) 78/97 vom 19. August 1998, beide veröffentlicht in juris; BPatGE 13, 87, 93/94) seiner anwaltlichen Sorgfaltspflicht dadurch, dass er den Anmelder bzw. Patentinhaber über die Notwendigkeit und die Frist der Gebührenzahlung sowie auf die Rechtsfolgen einer unterbliebenen Zahlung hinweist, er muss nicht selbst die Zahlung bewirken oder die Frist hierfür überwachen. Es besteht, anders als im angefochtenen Beschluss angenommen worden ist, beim Ausbleiben einer Antwort auch nicht grundsätzlich eine Nachfragepflicht des Vertreters, sondern nur bei Vorliegen besonderer Umstände (vgl. BPatGE 13, 87, 94).

Allerdings enthält der Wiedereinsetzungsantrag keinerlei Vortrag zu dem Verhalten der Inlandsvertreter, insbesondere nicht dazu, ob eine rechtzeitige Weiterleitung der Mitteilung des Patentamts vom Oktober 2003 über die Zahlung der 13. Jahresgebühr an die Patentinhaberin stattgefunden hat und damit der Inlandsvertreter seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen ist. Aus dem Vortrag, wonach diese Mitteilung aufgrund Verkettung unglücklicher Umstände im Zuge des Wechsels der amerikanischen Korrespondenzanwälte nicht in die Handakten der neuen amerikanischen Vertreter gelangt sei, kann auch nicht auf ein bestimmtes Handeln der Inlandsvertreter geschlossen oder ein solches "mitgelesen" werden. Ob, wann und an wen die Mitteilung des Patentamts weitergeleitet worden ist, ist nicht ersichtlich. Damit bleibt vielmehr die Möglichkeit offen, dass die Fristversäumung auf einem Verschulden der deutschen Vertreter beruht.

Ob die insoweit im Beschwerdeverfahren gemachten Angaben berücksichtigt werden können, wonach die Inlandsvertreter die Mitteilung des Patentamts rechtzeitig vor Fristablauf im Oktober 2003 an die britischen Vertreter weitergeleitet haben, erscheint zweifelhaft, da sich diese Angaben insbesondere im Hinblick darauf, dass die Zwischenschaltung britischer Vertreter bis dahin gänzlich unerwähnt geblieben ist, als neuer und nicht lediglich ergänzter Vortrag darstellen. Selbst wenn zugunsten der Patentinhaberin dieser Vortrag berücksichtigt wird, ergibt sich daraus, dass zwar die Inlandsvertreter ihrer anwaltlichen Sorgfaltspflicht nachgekommen sind. Es bleibt nunmehr aber die Möglichkeit offen, dass die britischen Vertreter, über deren Verhalten jeder Vortrag fehlt, ein anwaltlicher Sorgfaltsverstoß trifft, weil sie die Mitteilung des Patentamts vom Oktober 2003 nicht an die mit der Gebührenüberwachung und -zahlung betrauten amerikanischen Vertreter weitergeleitet haben.

bb. Davon abgesehen kann mangels hinreichenden Vortrags auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Fristversäumung auf einem Verschulden der amerikanischen Vertreter (Kanzlei B...) be- ruht, die mit der Gebührenüberwachung und -zahlung beauftragt waren. Für die Zurechnung gemäß § 85 Abs. 2 ZPO ist insoweit ohne Belang, dass zwischen den amerikanischen Korrespondenzanwälten und den Inlandsvertretern, wie im Beschwerdeverfahren vorgetragen, kein direktes Mandatsverhältnis bestand. Denn im Sinne dieser Vorschrift sind Bevollmächtigte jede von der Partei rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter, auch ausländische Korrespondenzanwälte (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 85 Rdn. 16, 17 m. w. N.).

Darauf, dass durch Verkettung unglücklicher Umstände, die aber ohnehin nicht näher erläutert worden sind, die Mitteilung des Patentamts vom Oktober 2003 über die Zahlung der 13. Jahresgebühr nicht in die Handakten der neuen amerikanischen Vertreter gelangt ist, kommt es nicht entscheidungserheblich an, denn eine solche patentamtliche Gebührenmitteilung stellt nur einen Service des Patentamts dar, der den Gebührenpflichtigen nicht davon enthebt, durch organisatorische Maßnahmen die rechtzeitige Gebührenzahlung sicherzustellen. Durch welche organisatorischen Maßnahmen es in der Kanzlei der neuen amerikanischen Vertreter sicher gestellt war, dass bei den übernommenen Akten noch nicht bezahlte Gebühren fristgerecht gezahlt werden, ist nicht vorgetragen. Die insoweit in der eidesstattlichen Versicherung enthaltenen Angaben, wonach die Sachbearbeiterin bei der Überprüfung der Unterlagen auf keinen Hinweis gestoßen sei, dass nicht gezahlt worden sei, wobei noch nicht einmal feststeht, ob diese Überprüfung überhaupt vor Ablauf der hier maßgeblichen Zahlungsfrist am 1. Dezember 2003 stattgefunden hat, sprechen eher gegen das Vorhandensein einer hinreichenden Organisation. Es hätte einer Anweisung bedurft, die Unterlagen daraufhin zu überprüfen, ob sich ein Hinweis für eine Zahlung finden lässt und wenn nicht, die Zahlung noch zu veranlassen. Die pünktliche Zahlung der nachfolgenden 14. Jahresgebühr lässt zwar das Vorhandensein einer hinreichenden Fristenorganisation vermuten, dies kann aber den insoweit erforderlichen Vortrag zu den organisatorischen Maßnahmen anlässlich der Aktenübernahme nicht ersetzen. Es liegt somit nicht lediglich ein Fehler der Sachbearbeiterin vor, deren Verhalten, da sie im Rechtssinne nur Hilfsperson ist, der Patentinhaberin nicht zurechenbar ist, sondern es kann darüber hinaus nicht ausgeschlossen werden, dass die organisatorischen Maßnahmen im Zuge der Aktenübernahme nicht zureichend waren. Da die Möglichkeit offen bleibt, dass ein der Patentinhaberin zurechenbares Organisationsverschulden der Vertreter vorliegt, hat der Wiedereinsetzungsantrag keinen Erfolg.






BPatG:
Beschluss v. 07.12.2006
Az: 10 W (pat) 14/05


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