Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. September 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 70/02

(BPatG: Beschluss v. 23.09.2003, Az.: 24 W (pat) 70/02)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Februar 2002 aufgehoben.

Gründe

I.

Die angemeldete Wortmarkedocufactorysoll nach einer im Beschwerdeverfahren erfolgten Einschränkung noch für die Dienstleistungen "Telekommunikation; Ausbildung; Unterhaltung" in das Register eingetragen werden.

Mit Beschluß vom 15. Februar 2002 hat die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs 1, 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zurückgewiesen. Die Zurückweisung wird damit begründet, daß der in der Marke enthaltene Wortbestandteil "docu" die gängige Abkürzung des englischen Begriffs "documentation" oder "document" sei, der wegen der Nähe zu der im Deutschen genutzten Verkürzung "Doku" für "Dokumentation" auch in diesem Sinn verstanden werde. Ungeachtet weiterer Bedeutungen des Bestandteils "docu" in anderen Bereichen, dränge sich diese Bedeutung im sachlichen Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen als nächstliegende Übersetzung auf. Das weitere englische Markenwort "factory" bedeute "Fabrikationsstätte, Fabrik (-anlage), Werk- u Fertigungsstätte" und sei im Hinblick auf seine Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch, insbesondere durch die Zunahme von sog "Factory Outlet Centern", den inländischen Verkehrskreisen bekannt. Im Sinn von "Dokumentationsfabrik" bezeichne der Ausdruck "docufactory" eine Fertigungsstätte, in der Dienstleistungen rund um die Dokumentation angeboten würden. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen liege somit lediglich eine glatt beschreibende Sachangabe vor, die sowohl auf die Herkunft der Leistungen aus einer "Dokumentationsfabrik/-fertigungsstätte" als auch auf deren Bestimmung für eine solche hinweisen könne.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Nach seiner Auffassung fehlt der Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft. Ebenso wenig bestehe ein Freihaltebedürfnis. Zur Begründung nimmt er Bezug auf sein Vorbringen vor der Markenstelle, wo er im wesentlichen vorgetragen hat, daß jedenfalls im Hinblick auf das Wortelement "docu", das die Abkürzung für mehrere englische Begriffe sein könne (document, documentation, documentary), die der angemeldeten Marke zugrundeliegende Kombination von Wortelementen unscharf und mehrdeutig sei. Die Annahme der Markenstelle im Bescheid vom 8. Mai 2000, wonach es sich bei der angemeldeten Marke um eine eindeutig beschreibende Angabe handle, die lediglich darauf hinweise, daß die beanspruchten Dienstleistungen von oder für eine "Dokumentenfabrik" erbracht würden, treffe daher nicht zu.

Er beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats stehen der Eintragung der angemeldeten Marke für die nach der vorgenommenen Einschränkung konkret noch beanspruchten Dienstleistungen keine absoluten Schutzhindernisse nach § 8 Abs 2 Nr 1 oder 2 MarkenG entgegen.

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß der Marke die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl ua BGH GRUR 2001, 1151, 1152 "marktfrisch"; GRUR 2002, 64 "INDIVIDUELLE"; GRUR 2003, 342 "Winnetou", jeweils mwNachw). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, insbesondere kann nicht angenommen werden, daß die maßgeblichen inländischen Verkehrskreise der angemeldeten englischsprachigen, lexikalisch nicht belegten Wortbildung "docufactory" jedenfalls in bezug auf die verbleibenden Dienstleistungen einen eindeutigen, im Vordergrund stehenden, unmittelbar beschreibenden Aussagegehalt entnehmen werden.

Zwar wird das englische Wort "factory" dem inländischen Publikum im Sinn von "Fabrik, Werk" (vgl ua Langenscheidt Wörterbuch Englisch, 1999, S 220) weitgehend geläufig sein. Nachdem das Wort "factory" im inländischen Sprachgebrauch abweichend von seinem ursprünglichen Wortsinn "Fabrik, Werk", also einem Betrieb, der unter Verwendung von Maschinen gewerbliche Erzeugnisse (Fabrikate) für den Verkauf herstellt (vgl Der Brockhaus in einem Band, 8. Aufl, S 263 zu "Fabrik"), zunehmend auch im Zusammenhang mit dem Anbieten oder Erbringen nichtgegenständlicher Leistungen eingesetzt wird (vgl in der dem Anmelder übermittelten Internet-Recherche des Senats, Google-Suche, die Beispiele "Schwachsinns Factory", "fun Factory Wildeshausen", "Gewinnspiel Factory", "Dance Factory Dresden", "Kreativ Factory"), kann ferner zumindest bei einem Teil des Publikums davon ausgegangen werden, daß sie in dem Wort "factory" in einschlägigem Sach- und Sprachzusammenhang ganz allgemein einen Hinweis auf eine Herstellungs- oder Erbringungsstätte für Waren oder Dienstleistungen jedweder Art sehen werden (vgl auch BPatG v 20.02.2001, 33 W (pat) 189/00 "LinkF@ctory"; BPatG v 11.02.2003, 33 W (pat) 180/02 "domainfactory").

Dem Eingangswortelement "docu" der angemeldeten Marke können hingegen mehrere Bedeutungen innewohnen. Es läßt sich als Abkürzung für die mit dieser Buchstabenfolge beginnenden englischen Begriffe "document" (= Dokument, Urkunde), "documentation" (= Dokumentation, beweiskräftige Dokumente) und "documentary" (= dokumentarisch, urkundlich, Dokumentar-, Dokumentarfilm) belegen (vgl hierzu ua The Oxford Dictionary of Abbreviation, 1998, S 131; Duden Oxford, Großwörterbuch Englisch, 1999, S 1083). Als Wortbildungselement ist "docu" zudem in der Bedeutung "Dokumentar-" in der englischen Wortzusammensetzung "docudrama" (= Dokumentarspiel, vgl via mundo, Universalwörterbuch Englisch, 2000, S 163) lexikalisch nachweisbar. Wie die vom Senat durchgeführte und dem Anmelder übermittelte Internet-Recherche, Google-Suche, ergeben hat, wird "Docu" auch in deutschsprachigen Texten, ebenso wie die deutsche Wortform "Doku", in Alleinstellung sowie zum Teil in Wortzusammenstellung als Kurzwort bzw -form für "Doc(k)ument", "Doc(k)umentation" und "documentary" bzw "Dokumentar-" gebraucht (zur Bedeutung "Dokumentar-" vgl die dem Anmelder übermittelte Internet-Seite "Abnehmen in Essen - Die Docu-Soap). Wenngleich damit ein dementsprechendes Verständnis der möglichen Bedeutungen des Wortelements "docu" bei beachtlichen Teilen des maßgeblichen inländischen Verkehrs vorausgesetzt werden kann, läßt sich dem Wortelement jedoch keine dieser Bedeutungen in der konkret angemeldeten Kombination mit dem Wort "factory" sowie in Bezug auf die verbleibenden beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen als eindeutig im Vordergrund stehend zuordnen.

Zu den von der Markenstelle angenommenen Begriffsinhalten der angemeldeten Wortkombination "docufactory", zum einen im Sinn von "Dokumentenfabrik" im Beanstandungsbescheid vom 8. Mai 2000 und zum anderen im Sinn von "Dokumentationsfabrik" in dem angefochtenen Beschluß, kommt noch die weitere Deutung "Dokumentar(film)fabrik" hinzu. Dabei ist für die Beurteilung einer etwaigen beschreibenden Aussage für die beanspruchten Dienstleistungen auch zu berücksichtigen, daß die angemeldete Marke mit Blick auf den Wortbestandteil "factory" nicht die Dienstleistungen als solche, sondern zunächst das Dienstleistungsunternehmen bezeichnet (vgl BGH BlPMZ 1999, 365, 366 "HOUSE OF BLUES"), was regelmäßig weitere Überlegungen erfordert, um - auch - einen beschreibenden Bezug zu den Dienstleistungen selbst herzustellen. Eine eindeutige und unmittelbar beschreibende Aussage erschließt sich daher speziell aus einer, wie hier dem Wortsinn nach mehrdeutigen Etablissement-Bezeichnung nur für solche Dienstleistungen, deren Erbringung typischerweise Gegenstand des so bezeichneten Unternehmens ist und die somit hinsichtlich ihrer Art, ihres Gegenstandes oder sonstiger wesentlicher Merkmale durch der Art des Dienstleistungsunternehmen bestimmt werden. Ein derartiger naheliegender und eindeutiger Bezug besteht im vorliegenden Fall zwar zwischen der Etablissement- Bezeichnung "docufactory" und den ursprünglich auch beanspruchten "Dienstleistungen auf dem Gebiet der Dokumentarproduktion für elektronische Offline- und Online-Medien ...". Da es sich hierbei um typische Dienstleistungen eines Unternehmens handelt, welches mit "documentary factory" bzw "Dokumentar(film)fabrik" als eines bezeichnet wird, das Dokumentarfilme, -theaterstücke, -soaps, oä produziert, steht insoweit diese Bedeutung der Begriffsbildung "docufactory" klar im Vordergrund und bezeichnet damit auch die Dienstleistungen ihrer Art bzw Herkunft nach als solche einer Dokumentar(film)fabrik. Die Frage der Schutzfähigkeit der Marke für die betreffenden Dienstleistungen ist jedoch nach der insoweit erfolgten teilweisen Zurücknahme der Anmeldung nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Bezüglich der verbleibenden Dienstleistungen ist demgegenüber eine gleichermaßen eindeutige Konkretisierung des Bedeutungsgehalts der angemeldeten Marke auf eine unmittelbar beschreibende Aussage nicht möglich.

Der Geschäftsbetrieb von Unternehmen, die Telekommunikations-, Ausbildungs- oder Unterhaltungs-Dienstleistungen anbieten, ist nicht typischerweise auf die Herstellung bzw Erstellung von Dokumenten, Dokumentationen oder Dokumentarfilmen (-theaterstücken, - soaps oä) ausgerichtet. So erbringen Unternehmen der Telekommunikationsbranche im wesentlichen Dienste, die sich mit der Übermittlung bzw der Ermöglichung der Übermittlung von Informationen über Telekommunikationsmedien befassen, nicht hingegen Dienste, welche die inhaltliche Gestaltung und Aufbereitung der zu übermittelten Informationen, etwa Dokumentationen oder Dokumentarfilme, betreffen. Ebensowenig sind Unternehmen, die Ausbildung anbieten, typischerweise auf die Herstellung oder Erstellung von Dokumenten, Dokumentationen oder Dokumentarproduktionen ausgerichtet, die insoweit allenfalls als Hilfsmittel der Ausbildung dienen. Entsprechendes gilt für die Dienstleistung Unterhaltung, bei welcher Dokumente, Dokumentationen oder Dokumentarproduktionen ebenfalls nur als (Hilfs-) Mittel, nicht aber als Gegenstand der zu erbringenden Leistungen in Betracht kommen. Im Zusammenhang mit den noch fraglichen Dienstleistungen löst sich daher für die beteiligten Verkehrskreise die aus dem Wortelement "docu-" resultierende Mehrdeutigkeit der Begriffsbildung "docufactory" nicht in eine bestimmte Richtung auf, insbesondere tritt keiner der Begriffsinhalte als eine naheliegende Geschäftsstättenbezeichnung hervor, welche die jeweiligen Dienstleistungen nach ihrer Herkunft aus einer bestimmten Art von Geschäftsbetrieb beschreibt. Im Hinblick auf den insoweit mehrdeutigen, uneinheitlichen und verschwommenen Aussagegehalt fehlt der angemeldeten Marke daher für die noch in Rede stehenden Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG.

Mangels eines für die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen eindeutig und unmittelbar beschreibenden Aussagegehalts kann die angemeldete Marke des weiteren im Verkehr nicht zur Bezeichnung ihrer Art, Beschaffenheit, Bestimmung oder sonstiger Merkmale dienen und ist daher auch nicht nach der Vorschrift des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.

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BPatG:
Beschluss v. 23.09.2003
Az: 24 W (pat) 70/02


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