Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Juli 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 280/99

(BPatG: Beschluss v. 10.07.2000, Az.: 30 W (pat) 280/99)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Angemeldet für die Waren

"Arzneimittel, chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege, pharmazeutische Drogen"

ist die Bezeichnung VISOCOR.

Widerspruch erhoben hat ua die Inhaberin der älteren, für die Waren

"Pharmazeutische Erzeugnisse, chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege"

eingetragenen Marke 1 179 041 EVITOCOR.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts hat durch Beschluß der Prüferin ua den Widerspruch aus der Marke 1 179 041 wegen mangelnder Gefahr von Verwechslungen zurückgewiesen.

Die Markenanmeldung wurde während des Beschwerdeverfahrens auf die neue Inhaberin übertragen und die Umschreibung auf diese beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt. Die Rechtsnachfolgerin ist in den Rechtsstreit eingetreten. Die Widersprechende wurde davon unterrichtet und hat sich dem nicht widersetzt.

Die Widersprechende trägt zur Begründung der Beschwerde vor, die Identität der Waren beider Marken stelle erhöhte Anforderungen an den Abstand der jüngeren Marke gegenüber der älteren Widerspruchsmarke. Die Marken stimmten in ihrem Gesamteindruck überein. Die angegriffene Bezeichnung VISOCOR sei in dem Bestandteil VITOCOR der Widerspruchsmarke nahezu identisch enthalten. Der bei ihr enthaltene zusätzliche Anfangsvokal "E" sei unbetont, trete klanglich in den Hintergrund und biete daher keine Gewähr für ein sicheres Auseinanderhalten beider Marken. Der übereinstimmende Gesamteindruck beider Marken werde im übrigen durch den gemeinsamen Bestandteil "COR" gestärkt, der auf die gleiche Indikation hinweise, wodurch die Gefahr von Verwechslungen noch erhöht werde. Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und der Markenanmeldung VISOCOR die Eintragung zu versagen.

Die Anmelderin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie schließt sich den Ausführungen der Markenstelle im angefochtenen Beschluß an.

Ergänzend wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie denjenigen der beigezogenen Amtsakte verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden kann nicht zum Erfolg führen. Die Markenstelle hat die Gefahr von Verwechslungen im Sinn von § 9 Absatz 1 Nr 2 MarkenG zwischen den Vergleichsmarken zutreffend verneint.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (ständige Rechtsprechung s zB EuGH MarkenR 1999, 22 - Canon; BGH MarkenR 1999, 297 - Honka).

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke kann noch als durchschnittlich eingestuft werden. Zwar verweist der Bestandteil "-COR" (= lateinisch "Herz") auf das mögliche Einsatzgebiet von mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Präparaten. Die weiteren Bestandteile haben eher undeutliche sprechende Anklänge ("vit" könnte für Vitamin stehen, evito könnte dem Fachmann als die 1. Person Singular von lat. evitare (vermeiden) erkennbar sein. Insgesamt scheint jedoch ein deutlich beschreibender Bezug nicht allgemein erkennbar.

Die sich gegenüberstehenden Waren sind teilweise identisch und liegen im übrigen im engeren Ähnlichkeitsbereich und wenden sich an breite Verkehrskreise, so daß grundsätzlich an den von der jüngeren Marke gegenüber der älteren Widerspruchsmarke einzuhaltenden Abstand strenge Anforderungen zu stellen sind. Diesen Abstand hält das angemeldete Zeichen jedoch noch ein.

Der übereinstimmende Bestandteil "-COR" beider Marken (= lateinisch "Herz") zeigt das Indikationsgebiet der Medikamente bzw pharmazeutischen Produkte an. Er findet in zahlreichen Marken auf dem betreffenden Arzneimittelgebiet Verwendung und ist auch den Laien bekannt. Gleichwohl ist er in die Beurteilung des Gesamteindrucks der Marken einzubeziehen, zwingt jedoch Fachleute und Verbraucher dazu, die weiteren Zeichenelemente stärker zu beachten (vgl zB Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 161f). In den ersten Worthälften, die erfahrungsgemäß auch stärkere Beachtung finden, sind die Zeichen jedoch differenziert. In der erforderlichen Gesamtwertung reichen die klanglichen Unterschiede zwischen VISO und EVITO aus, um den Gesamteindruck der Marken ausreichend verschieden zu prägen. Diese Bestandteile (wie auch die Markenwörter insgesamt) unterscheiden sich nicht allein in der Silbenzahl und der Vokalfolge und somit auch im Sprechrhythmus. Auch wenn der Anfangsvokal "E" der Widerspruchsmarke (und damit deren gegenüber VISOCOR zusätzliche, vierte Silbe) bei flüchtiger Aussprache oder ungünstigen Übermittlungsbedingungen nicht immer deutlich wahrgenommen werden mag (in gewissem Umfang mag dem auch für den Laien die Nähe des Bestandteils EVITO zu dem geläufigen und markanten Frauennamen Evita entgegenwirken), verbleibt der Unterschied beider Markenwörter in ihrem jeweils zweiten Konsonanten, nämlich dem stimmhaft gesprochenen "S" (wie in "Nase") bei VISOCOR und dem Sprenglaut "T" bei EVITOCOR, so daß insgesamt von einer relevanten Gefahr von Verwechslungen beider Marken nicht auszugehen ist.

Zu einer Auferlegung von Kosten gemäß § 71 Absatz 1 MarkenG bestand keine Veranlassung.

Dr. Buchetmann Sommer Zugleich für die durch Urlaub an der Unterschrift gehinderten Richterin Schwarz-Angele.

Sommer

(Vorsitzender Richter Dr. Buchetmann ist derzeit ebenfalls in Urlaub)

br/Hu






BPatG:
Beschluss v. 10.07.2000
Az: 30 W (pat) 280/99


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