Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 11. Juli 2002
Aktenzeichen: 8 S 1520/02

(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 11.07.2002, Az.: 8 S 1520/02)

Reicht ein Rechtsanwalt für zwei von ihm vertretene Beigeladene eines Rechtsstreits inhaltlich wortgleiche Schriftsätze ein, so ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit auch dann derselbe mit der Folge, dass die Prozessgebühr um drei Zehntel erhöht wird, wenn sie durch das von ihnen bekämpfte Bauvorhaben möglicherweise in unterschiedlicher Weise betroffen werden.

Tenor

Die Beschwerden der Beigeladenen 2 und 3 gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 22. April 2002 - 8 K 941/99 - werden zurückgewiesen.

Die Beigeladenen 2 und 3 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 985,43 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässigen Beschwerden sind unbegründet; das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Erinnerungen der Beigeladenen 2 und 3 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 24.1.2002 zurückgewiesen.

Nach § 13 Abs. 2 S. 1 BRAGO kann ein Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Das gilt gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 BRAGO auch dann, wenn er für mehrere Auftraggeber tätig wird. Setzt sich eine Angelegenheit aus mehreren Gegenständen zusammen, so sind deren Werte zusammenzurechnen (§ 7 Abs. 2 BRAGO). Ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit dagegen derselbe, so erhöhen sich die Geschäftsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) und die Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) durch jeden weiteren Auftraggeber nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO um drei Zehntel (vgl. zum Ganzen: Gerold/Schmidt - von Eicken, BRAGO, 14. Aufl. 1999, § 6 RdNr. 1 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben können die Beigeladenen 2 und 3 vom Kläger, der aufgrund des Kostenausspruchs im seit dem 31.7.2001 rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26.4.2001 auch ihre außergerichtlichen Kosten zu tragen hat, für die Zuziehung der von ihnen beauftragten Prozessbevollmächtigten nur einmal Gebühren aus dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwert von DM 30.000,--verlangen, wobei die Prozessgebühr um drei Zehntel zu erhöhen ist. Denn die anwaltliche Tätigkeit bezog sich auf eine einheitliche Angelegenheit und betraf denselben Gegenstand.

Dem steht nicht - wie die Beschwerdeführer meinen - entgegen, dass ihre Rechte als Eigentümer verschiedener benachbarter Grundstücke durch die vom Kläger begehrte Verpflichtung des beklagten Landes zur Erteilung einer Baugenehmigung für ein Einfamilienhaus mit Schuppen in unterschiedlicher Weise betroffen sein konnten. Denn eine "Angelegenheit", die auch mehrere "Gegenstände" umfassen kann (vgl. § 7 Abs. 2 BRAGO), liegt dann vor, wenn sie einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt (Gerold/Schmidt-Madert, BRAGO, § 13 RdNr. 5). Nach der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 9.5.2000 - 11 C 1.99 - NJW 2000, 2289 f.) ist dies dann der Fall, wenn die von der anwaltlichen Tätigkeit umfassten Rechte oder Rechtsverhältnisse auf einem einheitlichen Auftrag beruhen, zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und der Rechtsanwalt einen einheitlichen Tätigkeitsrahmen wahrnimmt. Denn dann ist es in Ansehung des der BRAGO zugrunde liegenden Pauschsystems gerechtfertigt, eng zusammengehörige anwaltliche Tätigkeiten auch zu einer Gebührenbemessungseinheit zusammenzufassen. Demgemäß wird allgemein angenommen, dass jeder Rechtszug eines Rechtsstreits (vgl. § 13 Abs. 2 S. 2 BRAGO) eine "Angelegenheit" in diesem Sinne darstellt (Gerold/Schmidt-Madert, a.a.O.). Auch im vorliegenden Fall stellt deshalb das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eine (einheitliche) "Angelegenheit" dar, obwohl die anwaltliche Beauftragung durch die Beigeladenen 2 und 3 wegen ihrer zeitlich getrennten Beiladung zum Verfahren nicht einheitlich erfolgte. Denn soweit der genannten Rechtsprechung des BVerwG das Erfordernis einer einheitlichen Beauftragung zu entnehmen ist, kann sich die Einheitlichkeit nur auf die Zielrichtung der jeweiligen Bevollmächtigung beziehen, weil bei einer anderen Annahme der Fall des § 6 Abs. 1 BRAGO, der Auftragserteilungen durch mehrere Auftraggeber zur Voraussetzung hat, die selbstverständlich zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen können, nie eintreten könnte. Dass aber die der anwaltlichen Tätigkeit durch die Bevollmächtigung seitens der Beigeladenen zu 2 und 3 beigegebene Auftragsrichtung einheitlich ist, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden, denn beide wollten damit das Vorhaben des Klägers verhindern und für beide wurde demgemäß in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht der vorher bereits schriftsätzlich angekündigte (einheitliche) Klagabweisungsantrag gestellt.

Auch das weitere in § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO genannte Erfordernis für eine Erhöhung der Prozessgebühr um drei Zehntel, nämlich das Vorliegen desselben Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für die Beigeladenen 2 und 3, ist mit der Folge gegeben, dass die von ihnen gewünschte Zusammenrechnung mehrerer Gegenstandswerte nicht möglich ist. Dabei kann dahinstehen, ob § 7 Abs. 2 BRAGO, der eine solche Addition vorsieht, auf die Beigeladenen überhaupt Anwendung finden kann, wie diese unter Berufung auf ältere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg geltend machen (insbesondere: Beschluss vom 13.1.1986 - 7 S 2274/84 - AgrarR 1986, 267 = KostRsp. BRAGO § 6 Nr. 154; der von ihnen zitierte Beschluss vom 30.3.1981 - 9 S 354/81 - KostRsp. BRAGO Nr. 97 ist dagegen nicht einschlägig, weil er die Vertretung mehrerer Kläger durch einen Rechtsanwalt betrifft). Diese Frage bedarf aber keiner Vertiefung, denn die Einheitlichkeit des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit folgt im vorliegenden Fall bereits aus der Tatsache, dass die beiden namens der Beigeladenen 2 und 3 eingereichten Schriftsätze vom 23.4.2001, die ihre Einwendungen gegen das Vorhaben des Klägers im gerichtlichen Verfahren wiedergeben, inhaltlich wortgleich sind. Unter diesen Umständen verbietet sich schon im Ansatz die Annahme, ihre Prozessbevollmächtigten hätten sich mit verschiedenen Gegenständen befassen müssen.

Nach allem hat das Verwaltungsgericht zutreffend (die einzelnen Posten sind nicht streitig) die den Beigeladenen 2 und 3 seitens des Klägers zu erstattenden außergerichtlichen Kosten mit insgesamt DM 3.047,43 (= € 1.558,13) ermittelt, indem es seiner Berechnung eine um drei Zehntel erhöhte Prozessgebühr in Höhe von DM 1.436,50 zugrunde gelegt hat. Es hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass der im Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle festgesetzte Betrag von DM 3.730,10 (= € 1.907,17) im durch die Beigeladenen 2 und 3 eingeleiteten Kostenerinnerungsverfahren nicht auf diese Summe herabgesetzt werden kann, weil diese dadurch nicht beschwert werden und der einzig Beschwerte, der Kläger, dagegen keine gerichtliche Entscheidung beantragt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 S. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 13 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.






VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 11.07.2002
Az: 8 S 1520/02


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