Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Oktober 2003
Aktenzeichen: 19 W (pat) 328/02

(BPatG: Beschluss v. 01.10.2003, Az.: 19 W (pat) 328/02)

Tenor

Das Patent 199 19 040 wird widerrufen.

Von der Entscheidung, dem Patentinhaber die Auslagen der Einsprechenden für den Termin vom 23. Juli 2003 aufzuerlegen, wird abgesehen.

Gründe

I Für die am 27. April 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Anmeldung mit der inneren Priorität vom 25. Februar (Az.: 199 08 228.6) und 13. April 1999 (Az.: 199 16 561.0) ist die Erteilung des Patents am 20. Juni 2002 veröffentlicht worden. Das Patent hat die Bezeichnung "Synchronmaschine oder Asynchronmaschine für große Windenergieanlagen". Gegen das Patent hat die Fa. S... AG am 20. September 2002 Einspruch eingelegt. Zur Begründung hat sie Belege zu behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen vorgelegt und ausgeführt, der Gegenstand des Patents sei demgegenüber nicht neu, nicht ursprünglich offenbart, und beruhe darüber hinaus unter Berücksichtigung des weiteren vorgelegten druckschriftlichen Standes der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der geltende, erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"Synchronmaschine mit Schenkelpolläufer oder mit Vollpolläufer oder Asynchronmaschine für große Windenergieanlagen, insbesondere im Offshore-Bereich, mit einem Ständer (13) und einem Läufer, wobei im Ständer (13) Ständerkanäle (24) und im Läufer Läuferkanäle (25, 31) als Teil eines Kühlkreislaufes für ein Kühlmedium zum Kühlen von Ständer (13) und Läufer angeordnet sind, wobei die Ständerkanäle (24) als Ausnehmungen im Ständer (13) mit einem die Ständerkanäle (13) begrenzenden Steg (28) am Außenumfang des Ständers (13) ausgebildet und Kühlkanäle (12) für ein weiteres Kühlmedium in einem Ständergehäuse (10) schraubenförmig und mehrgängig um das Ständergehäuse (10) geführt sind, so daß das Kühlmedium im Bereich der Läuferkanäle (25, 31) Wärme aus dem Läufer aufnimmt und im Bereich der Ständerkanäle (24) an den Ständer (13) abgibt."

Es soll die Aufgabe gelöst werden, eine Synchronmaschine oder Asynchronmaschine für große Windenergieanlagen zu schaffen, bei der die bei derartigen, kompakten Elektromaschinen auftretenden Wärmeprobleme sicher bewältigt werden und die sich gut montieren lässt (Sp 2, Z 50 bis 55 der PS).

Die Einsprechende ist der Ansicht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei unzulässig erweitert und gegenüber der offenkundig vorbenutzten elektrischen Maschine nicht neu.

Zusätzlich zu den schriftlich vorgetragenen Argumenten zur unzulässigen Erweiterung weist sie darauf hin, dass in den ursprünglichen Unterlagen von "größeren" im Anspruch 1 aber von "großen" Windenergieanlagen die Rede sei. Diese unzulässige Änderung sei vor dem Hintergrund immer größer werdender Windenergieanlagen besonders brisant.

Zur behaupteten offenkundigen Vorbenutzung trug sie vor, dass der Motor nach der Unterlage D1 vom S... Werk N... an das S... Werk G...zur Ausrüstung von Drehgestellen geliefert worden sei. Das Werk G... sei ein recht- lich selbstständiges Unternehmen, so dass eine derartige Lieferung als offenkundig anzusehen sei. Die in den Unterlagen vorgenommenen Schwärzungen dienten auch nicht einer Geheimhaltung, sondern lediglich der Erschwernis des Zugangs zu den Konstruktionsdaten, die dann durch Öffnen der Maschinen und Nachmessen gewonnen werden müssten. Sie habe ungeschwärzte Kopien dabei, die sie jederzeit einreichen könne.

Sie ist der Ansicht ein mit Kühlsystemen befasster Fachmann verstehe unter "mehrgängig" eine Kühlschlange mit mehreren Windungen. Mehrgängig im Sinn von mehreren parallelen Kühlkanälen sei nicht offenbart. Die Verwendungsart "große Windenergieanlage" habe auch keinen Einfluss auf die Ausführung der Synchron- bzw. Asynchronmaschine.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergebe sich für den Fachmann aufgrund seiner Fachkenntnis auch in naheliegender Weise aus der DE 44 43 427 A1, ggf in Verbindung mit der DE 16 13 014 A1. Die beanspruchten Stege seien bei der DE 44 43 427 A1 durch die zwischen den Ausstanzungen 16 (Fig 2) bis an das Gehäuse 1 heranreichenden verbleibenden Fortsätze des Blechpakets gebildet.

Durch die kurzfristig beantragte Verschiebung der für den 23. Juli 2003 terminierten Verhandlung und das nunmehr unentschuldigte Fehlen habe der Anmelder der Einsprechenden Kosten für eine zweimalige Anreise verursacht. Die Kosten für die vergebliche Anreise aus Erlangen am Vortag des ersten Verhandlungstermins habe sie damit unnötig verursacht.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent 199 19 040 zu widerrufen.

Weiter stellt sie den Antrag, dem Patentinhaber ihre Kosten für die Bahnreise vom 23. Juli 2003 aufzuerlegen.

Der Patentinhaber ist nicht erschienen, und hat sich auch schriftlich nicht geäußert.

Der Vorsitzende stellte aus den Akten als geltende Unterlagen fest:

Patentansprüche 1 bis 7, Beschreibung, und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1. Der Einspruch ist zulässig und hat auch Erfolg, so dass das Patent zu widerrufen war.

Gemäß §147 Abs 3 PatG liegt die Entscheidungsbefugnis bei dem hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts.

Dieser hatte - wie in der Entscheidung in der Einspruchssache 19 W (pat) 701/02 (mwN; vgl BPatGE 46, 134) ausführlich dargelegt ist - aufgrund öffentlicher mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

Gegenstand des Verfahrens ist das erteilte Patent.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist nicht patentfähig, weil er auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht.

Die DE 44 43 427 A1 zeigt eine Asynchronmaschine mit einem Ständer 2, 3 und einem Läufer 7 (Fig 1 und 2).

In Übereinstimmung mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 sind im Ständer 2, 3 Ständerkanäle ("Sekundär-Kühlkanäle" 15) als Ausnehmungen (Ausstanzungen 16) und im Läufer Läuferkanäle 19 als Teil eines (internen) Kühlkreislaufs für ein Kühlmedium (Luft) zum Kühlen von Ständer und Läufer angeordnet, so dass das Kühlmedium im Bereich der Läuferkanäle Wärme aus dem Läufer aufnimmt (Sp 2, Z 27 bis 44).

Außen in einem Ständergehäuse 1 sind Kühlkanäle für ein weiteres Kühlmedium, die Primär-Kühlkanäle 20, vorgesehen, wobei der Wärmeaustausch mit den (sekundären) Ständerkanälen 15 über das Gehäuse 1 und das Ständerblechpaket 3 erfolgt (Sp 2, Z 45 bis 52). Das (sekundäre) Kühlmedium (Luft) gibt also Wärme im Bereich der Ständerkanäle 15 an den Ständer 2, 3 ab.

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist - bei einer viereckigen Ausbildung des Ständers - vorgesehen, die Primär-Kühlkanäle in den Eckbereichen unterzubringen (Anspruch 6, Sp 1, Z 53 bis 59 iVm Fig 1 und 2). Wie die Kühlkanäle bei anderer Statorform angeordnet werden sollen ist nicht erläutert. Weiter abweichend vom Patentanspruch 1 sind die Ständerkanäle nach außen offene Nuten im Ständerblechpaket und werden am Außenumfang nicht durch einen Steg, sondern nur durch das Ständergehäuse begrenzt. Eine Verwendung der Asynchronmaschine für große Windenergieanlagen ist nicht erwähnt.

Aus der Tatsache, dass in der DE 44 43 427 A1 die Anordnung der Primärkühlkanäle nur für den Sonderfall einer viereckigen Ständerausbildung dargestellt ist, wird der Fachmann schließen, dass für andere Anordnungen, insbesondere für die gängige Anordnung mit zylindrischem Ständergehäuse, die Primär-Kühlkanäle wie ansonsten bei geschlossenem inneren Kühlkreislauf und Flüssigkeits-Mantelkühlung üblich ausgeführt sein können. Üblich, und auch dort als gängiger Stand der Technik vorausgesetzt (siehe die in Sp 1, Z 3 der Patentschrift als Stand der Technik zitierte DE 18 13 190 U1, Fig 1,2), sind dafür schraubenförmig um den Ständer herumgeführte Kühlkanäle. Nach der DE 16 13 014 A1 sind derartige Kühlkanäle vorteilhaft mehrgängig ausgeführt. Diese Druckschrift zeigt eine elektrische Maschine mit einem Ständer 3 und einem Läufer 4 in geschlossener Bauart (Anspruch 1 "abgedichteter Läufer"), mit einer Flüssigkeits-Mantelkühlung. Die Kühlkanäle für die Kühlflüssigkeit sind dabei als Ausnehmungen im Ständergehäuse schraubenförmig und mindestens zweigängig, also mehrgängig, um das Ständergehäuse geführt (S 4, Abs 2, S 6, Abs 2, Fig 1).

Dem Fachmann ist außerdem ohne weiteres klar dass er - nach dem Vorbild der Läuferkanäle 19 in der DE 44 43 427 A1 (Fig 2) - auch die Ständerkanäle 15 innerhalb des Blechpakets anordnen kann, sofern ihm der (dann schlechtere) Wärmeübergang nach außen über den dadurch entstehenden, die Ständerkanäle begrenzenden Steg am Außenumfang des Ständers weniger wichtig ist als die erhöhte Stabilität des Blechpakets.

Damit ist er aber schon ohne erfinderische Überlegungen bei der Asynchronmaschine nach Anspruch 1, die auch ohne weiteres für den Einsatz in einer großen Windenergieanlage geeignet ist, angelangt.

Elektrische Maschinen werden nämlich normalerweise ohne bestimmten Verwendungszweck entworfen und dann für passende Anwendungen ausgesucht. Auch Spezialentwicklungen greifen hinsichtlich der Grundtechniken auf Bewährtes zurück. Der Fachmann kann also einerseits bei einer für agressive Umweltbedingungen geeigneten elektrischen Maschine auf den Verwendungszweck Windenergieanlage stoßen, andererseits sich beim Entwurf einer Windenergieanlage bei den dafür geeigneten elektrischen Maschinen in geschlossener Bauart umsehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Asynchronmaschine nach DE 44 43 427 A1 nur für kleine Leistungen vorgesehen oder geeignet wäre (vgl Patentschrift Sp 2, Z 11 bis 14 mit fehlerhafter Druckschriftennummer), sind nicht ersichtlich.

Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 ist somit nicht patentfähig.

Nach Fortfall des Patentanspruchs 1 teilen die darauf rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 dessen Schicksal.

Für eine Kostenentscheidung gab es keinen Anlass.

Der Verhandlungstermin 23. Juli 2003 wurde aufgehoben, weil der Patentinhaber erkrankt war und seine Teilnahme als Erfinder auch nach Auffassung des Senats sachdienlich gewesen wäre. Die Verschiebung wurde der Einsprechenden am Vortag so rechtzeitig mitgeteilt, dass sie die Anreise nicht hätte antreten müssen. Für eine Anreise aus Erlangen am Vortag, wie von der Einsprechenden vorgetragen, sieht der Senat keine Notwendigkeit.

Dass der Patentinhaber zum zweiten Termin nicht erschienen ist, bleibt bei der Entscheidung über die Kosten des ersten Termins außer Betracht.

Dr. Kellerer Schmöger Dr. -Ing Kaminski Dr.-Ing. Scholz Pr






BPatG:
Beschluss v. 01.10.2003
Az: 19 W (pat) 328/02


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