Oberlandesgericht Celle:
Urteil vom 4. Mai 2011
Aktenzeichen: 9 U 105/10

(OLG Celle: Urteil v. 04.05.2011, Az.: 9 U 105/10)

Die Aufnahme einer weiteren Komplementär-GmbH in eine Publikums-KG kann auch dann nicht mit einfacher Mehrheit erfolgen, wenn selbst Satzungsänderungen ggf. so beschlossen werden könnten, wenn - wie im Streitfall - die Satzung schon für die Aufnahme als Kommanditist im Grundsatz die Zustimmung aller Gesellschafter fordert.

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 23. September 2010 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer (Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Stade abgeändert und der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Verfügungsklägerin zu tragen.

Streitwert: 50.000,00 €.

Gründe

(§§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO):

Die Berufung der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) erweist sich als begründet. Der Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) steht der mit der angefochtenen Entscheidung zuerkannte Anspruch gegen die Beklagte, die Klägerin als weitere persönlich haftende Gesellschafterin der € UWK GmbH & Co. A./W. KG (im Folgenden: KG) zum Handelsregister anzumelden, ebenso wenig zu wie ein Anspruch auf Anmeldung, dass die Klägerin zur Einzelvertretung der KG befugt ist und der Beklagten die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis entzogen worden ist. Auch kann die Klägerin keinen Herausgabeanspruch hinsichtlich der Geschäftsunterlagen der KG geltend machen.

Entgegen der Annahme des Landgerichts ist in der Gesellschafterversammlung der KG vom 21. Juni 2010 weder die Aufnahme der Klägerin als neue Komplementärin noch die Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Beklagten als Komplementärin der KG wirksam beschlossen worden. Bereits aus dem erstgenannten Grund ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung deswegen zurückzuweisen, weil der Klägerin für dessen Geltendmachung die Aktivlegitimation fehlt.

1. Durch den Beschluss der Gesellschafterversammlung der KG vom 21. Juni 2010 gemäß dem Antrag 7 des Beirats (Seite 19 des Protokolls, Anlage ASt 4 im gesonderten Anlagenhefter) konnte die Klägerin nicht Komplementärin werden, weil die Aufnahme eines neuen Gesellschafters (zumal eines Komplementärs) in eine Kommanditgesellschaft als Personengesellschaft grundsätzlich - und auch hier - nur durch einstimmigen Beschluss möglich ist (BGH, WM 1997, 2400 ff., Rdnr. 15 nach juris; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., Rdnr. 70 zu § 105; Wertenbruch in: Ebenroth/Boujong, HGB, 2. Aufl., Rdnr. 152 zu § 105). Das dient dem Schutz derjenigen Gesellschafter, die (anders als die den Beschluss befürwortende Mehrheit) mit einem Wechsel in der personalen Zusammensetzung der Gesellschaft, der sie angehören (und für die sie, sei es als Komplementär, sei es beschränkt als Kommanditist auch haften), nicht einverstanden sind. Etwas anderes kann nur gelten, wenn - etwa durch Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag - von vornherein anderes bestimmt ist, weil dann jeder Gesellschafter bei seinem Beitritt das entsprechende Risiko gekannt hätte und eingegangen wäre. Dabei kann es dahinstehen, ob die einen Gesellschafterwechsel erstrebende Mehrheit unter bestimmten Umständen einen Anspruch auf Zustimmung der sich verweigernden Mitgesellschafter hat. Ein solcher ist hier nicht streitgegenständlich; er wäre gegen die sich einem derartigen Beschluss widersetzenden Gesellschafter zu richten.

2. Der Auffassung des Landgerichts, in § 8 Abs. 5 der Satzung der KG (Anlage ASt 2 im gesonderten Hefter) sei geregelt worden, dass auch die Aufnahme eines neuen Gesellschafters mit einfacher Mehrheit möglich sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der Satzung ist nicht zu entnehmen, dass dies zu denjenigen Beschlussgegenständen gehören soll, über die die Gesellschafterversammlung nach § 8 Abs. 2 mit einfacher Mehrheit beschließen können soll. Der Eintritt in eine bestehende KG stellt in der Sache einen Aufnahmevertrag dar (Wertenbruch, a. a. O.), der grundsätzlich mit allen Gesellschaftern der aufnehmenden Gesellschaft abzuschließen ist (BGH, Urt. v. 1. März 2011, II ZR 16/10, Rdnr. 9 nach juris). Entsprechend regelt der vorliegende Gesellschaftsvertrag in § 5 Abs. 3 (allerdings für die Aufnahme neuer Kommanditisten), dass die Komplementärin €zur Annahme der Beitrittserklärungen namens aller Gesellschafter € bevollmächtigt€ sein soll. Selbst insoweit geht die Satzung also im Grundsatz davon aus, dass eine entsprechende Willenserklärung aller Gesellschafter erforderlich ist. Es ist nicht ersichtlich, dass hier für die Aufnahme einer neuen Komplementärin (die wegen deren organschaftlicher Vertretungsbefugnis im Zweifel weit bedeutsamer ist und ein Grundlagengeschäft der Gesellschaft darstellen würde, Baumbach/Hopt, a. a. O., Rdnr. 67 zu § 105 und Rdnr. 3 zu § 114) satzungsgemäß geringere Anforderungen gelten sollten. Dem entspricht es auch, dass § 8 Abs. 2 e nur den umgekehrten Fall des Ausschlusses eines Gesellschafters (und auch nur eines Kommanditisten) als einen der Beschlussgegenstände aufführt, über die mit einfacher Mehrheit befunden können werden soll.

Nicht anders haben es offensichtlich auch die Gesellschafter bei der Beschlussfassung am 21. Juni 2010 gesehen, wie der Umstand verdeutlicht, dass sie die Aufnahme der Klägerin als Komplementärin mit dem Beschlussvorschlag Nr. 6 vorbereiten wollten, wonach der Gesellschaftsvertrag dahingehend geändert werden sollte, dass mit einfacher Mehrheit die Aufnahme von weiteren persönlich haftenden Gesellschaftern beschlossen können werden sollte (Seite 18 des Protokolls, Anlage ASt 4 im gesonderten Hefter). Wären die Gesellschafter davon ausgegangen, dass die Aufnahme eines weiteren Komplementärs mit einfacher Mehrheit beschlossen werden könne, wäre dieser Beschluss unnötig gewesen. Allerdings konnte mit ihm im Ergebnis die Aufnahme neuer Komplementäre ebenfalls nicht wirksam erleichtert werden, weil diese satzungsgemäß eben nur durch wechselseitigen Vertrag zwischen ihnen und (allen) bisherigen Gesellschaftern möglich ist und diese dem Schutz jedes einzelnen Gesellschafters dienende Regelung nicht durch ein - seinerseits nicht durch Konsens aller Gesellschafter getragenes - nachträglich eingeführtes einfaches Mehrheitserfordernis unterlaufen werden kann.

3. Ebenso wenig spricht der Umstand, dass es sich bei der KG um eine Publikumsgesellschaft mit einem großen, untereinander im Zweifel nicht bekannten Gesellschafterkreis handelt, nicht dafür, dass die Aufnahme einer weiteren Komplementärin durch einfachen Mehrheitsbeschluss möglich sein müsste. Zwar ist das dem Personengesellschaftsrecht grundsätzlich innewohnende Einstimmigkeitsprinzip bei Publikums-KGs mit einem großen Kreis von Kommanditisten, bei dem sich eine geschlossene Beteiligung an Gesellschafterversammlungen nur schwer erreichen lässt, regelmäßig wenig praktikabel, weshalb abweichende Mehrheitserfordernisse, etwa eine analoge Anwendung des § 179 Abs. 2 AktG (3/4-Mehrheit) zu erwägen sein können (vgl. BGH, NJW 1978, 1382 ff.). Dies greift im vorliegenden Fall aber schon deshalb nicht durch, weil der Gesellschaftsvertrag nach dem oben Ausgeführten für den Fall der Aufnahme neuer Gesellschafter erkennbar willentlich von dem Einstimmigkeitserfordernis ausgeht.

Dessen ungeachtet wäre - wie insoweit zutreffend protokolliert worden ist - der Beschluss vom 21. Juni 2010 auch nicht mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen gefasst worden, weil er nur von 71,73 % der Stimmen getragen worden ist. Dabei wäre insbesondere davon auszugehen, dass die Beklagte, entgegen der Auffassung der Klägerin, ihre €Mehrstimmrechte€ bei der Befassung mit der Frage, ob die Klägerin als zusätzliche Komplementärin aufzunehmen sei, zum Einsatz bringen durfte. Wie der Senat bereits mit Urteilen vom 9. März 2011 (9 U 116/10 = 8 O 118/10 LG Stade) und 13. April 2011 (9 U 93/10 = 8 O 176/09 LG Stade) ausgeführt hat, ist die Vereinbarung von €Mehrstimmrechten€ zugunsten der Beklagten als Komplementärin im Gesellschaftsvertrag nicht unwirksam. Aufgrund der Regelung des § 8 Abs. 4 der Satzung hat die Beklagte 480 eigene Stimmen, was ein knappes Viertel der Gesamtstimmrechte darstellt. Bedenken gegen die Wirksamkeit einer solchen Satzungsregelung, die der Komplementärin eigene Stimmen unabhängig von einem Kapitalanteil zugesteht und die für jeden Kommanditisten vor seinem Beitritt erkennbar war, greifen nicht durch. Eine unangemessene Benachteiligung der Kommanditisten ist nicht ersichtlich, weil durch diese €Mehrstimmen€ der Tatsache Rechnung getragen wird, dass die Beklagte für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten, anders als die übrigen Gesellschafter, unbeschränkt haftet. Auf die Höhe des Stammkapitals der Beklagten kommt es nicht an, weil die unbeschränkte Haftung in jedem Fall ihre Existenz bedrohen kann. Hinzu kommt, dass ohne die der Beklagten gesellschaftsvertraglich zugebilligten Stimmen eine verlässliche Meinungsbildung und kontinuierliche Unternehmensführung u. U. nur schwer erreichbar sein könnte, etwa wenn sich die Mehrheiten in einer uneinigen Gesellschafterversammlungszusammensetzung bei umstrittenen Beschlussgegenständen häufig verändern. Durch die (maßvolle) Einräumung von festen Stimmrechten der die Geschäftsführung verantwortenden Komplementärin soll einerseits eine gewisse Stabilität des Gesellschaftswillens erreicht werden, andererseits können so die berechtigten Interessen der (wie regelmäßig) in der Komplementär-GmbH organisierten Gründergesellschafter und der allgemeine Minderheitenschutz Berücksichtigung finden (vgl. zu letzterem auch BGH, NJW 1978, 1382 u.).

4. Weil die Klägerin nach dem oben Gesagten durch den Beschluss vom 21. Juni 2010 nicht Komplementärin der KG werden konnte, es ihr mithin an der für die Beantragung der erstrebten einstweiligen Verfügung erforderlichen Aktivlegitimation fehlt, ist ihr Antrag schon deswegen zurückzuweisen. Dem mit dem Verfügungsantrag zu 1 b weiter verfolgten Begehren, der Beklagten aufzugeben, zum Handelsregister anzumelden, dass ihr die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis für die KG entzogen worden sei, stünde darüber hinaus allerdings zusätzlich entgegen, dass eine solche Entziehung hier ohnehin nicht durch einen Gesellschafterbeschluss (gleich mit welcher Mehrheit) möglich gewesen wäre, weil eine solche Regelung grundsätzlich eine gerichtliche Entscheidung erfordert (§§ 117, 127, 161 Abs. 1 HGB). Dass diese Vorschriften, was grundsätzlich möglich gewesen wäre, durch die Satzung abbedungen worden wären, ist nicht erkennbar. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus § 8 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages, der lediglich das Mehrheitserfordernis für (zulässige) Beschlussfassungen regelt.

5. Die Kostenentscheidung folgt § 91 ZPO.






OLG Celle:
Urteil v. 04.05.2011
Az: 9 U 105/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/11918dd3f8f8/OLG-Celle_Urteil_vom_4-Mai-2011_Az_9-U-105-10




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share