Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Urteil vom 25. November 2014
Aktenzeichen: 3 U 26/13

(Brandenburgisches OLG: Urteil v. 25.11.2014, Az.: 3 U 26/13)

Tenor

1. Das Versäumnisurteil des Senats vom 06.05.2014 bleibt aufrechterhalten.

2. Der Kläger trägt auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der weiteren Kosten der Nebenintervention.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.Der Kläger kann die weitere Vollstreckung der Beklagten und des Nebenintervenienten aus dem Versäumnisurteil und aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags abwenden, wenn diese nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht aus abgetretenem Recht der Frau d€ Ansprüche gegen die ursprünglich als Rechtsanwälte a€/€ Rechtsanwälte bezeichnete Beklagte zu 1. aus § 280 BGB wegen einer anwaltlichen Pflichtverletzung geltend. In der Berufungsinstanz hat er die Klage auf den Beklagten zu 2. erweitert.

Die Zedentin Frau d€ hatte eine zum damaligen Zeitpunkt als €Kanzlei A...€ auftretende Rechtsanwaltskanzlei mit der Vertretung in einem Rechtsstreit beauftragt, den ihr ehemaliger Lebensgefährte K€ L€ gegen sie angestrengt hatte. Die Prozessführung erfolgte durch Rechtsanwalt A... Im Rahmen diese Rechtsstreites erhob sie, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 19.06.2009 eine Widerklage über die Rückzahlung von 175.000,00 €.

Durch Urteil des Landgerichts Potsdam vom 12.05.2011 (11 O 20/09) wurden Klage und Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Widerklägerin d€ gegen die Abweisung der Widerklage hat das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Urteil vom 03.05.2012 (10 U 6/11) zurückgewiesen.

Wegen der Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe

des Berufungsurteils Urteils Bezug genommen.

Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger von den Beklagten Schadensersatz in Höhe der der Zedentin entstanden Kosten des Ausgangsverfahrens von insgesamt 33.254,06 €.

Hierzu hat er erstinstanzlich vorgetragen, Rechtsanwalt A... habe die Widerklage erhoben, ohne deren Erfolgsaussicht sorgfältig zu prüfen und die Zedentin darauf hinzuweisen, dass die Widerklage mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben werde.

Die Widerklage sei unschlüssig gewesen und mögliche Anfechtungserklärungen seien nicht rechtzeitig erfolgt.

Die Beklagte zu 1. hat erstinstanzlich die Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung in Frage gestellt. Die Abtretungsvereinbarung sei unbestimmt, zudem verstoße sie gegen § 43 BRAO.

Der Kläger habe sich etwaige Schadensersatzansprüche nur zur Sicherung eigener Ansprüche aus dem Vorverfahren abtreten lassen. Die Abtretung sei auch unwirksam, da der Kläger ein Erfolgshonorar geltend mache, so dass die Abtretung auch nicht mit § 49 b Abs. 2 BRAO vereinbar sei. Darüber hinaus habe die Zedentin nach ordnungsgemäßer Belehrung mit gesonderter Mandatsvereinbarung am 22. März 2012 erklärt, aus einem Prozessverlust keine Ansprüche herzuleiten. Im Übrigen gebe es eine Außen - GbR mit der Bezeichnung Kanzlei A.../... Rechtsanwälte nicht.

Eine Pflichtverletzung sei der Beklagten zu 1. nicht vorzuwerfen. Es sei jeder einzelne Schritt nach sorgfältiger Belehrung und Aufzeigung aller Risiken mit der Zedentin besprochen worden. Die Widerklage sei auch nicht von vorneherein aussichtslos gewesen, was man schon daran erkenne, dass das Landgericht in seiner ersten Besetzungen eine Beweisaufnahme über die tatsächliche Zahlung der 175.000,00 € angeordnet habe. Nachdem die Kammer in anderer Besetzung diesen Beschluss aufgehoben habe, habe sie mit Schriftsatz vom 03.10.2010 weiter konkret zur behaupteten Erpressung vorgetragen. Aus ihrer Sicht sei es jederzeit gerechtfertigt gewesen, für die Zedentin die Unwirksamkeit der nur unter Druck getroffenen Auseinandersetzungsvereinbarung einzuwenden. Sie habe stets darauf hingewiesen, dass es keine Ausgleichsverpflichtung der Zedentin gegeben habe und der abgepresste Betrag nur durch die rechtswidrige Tat des Herrn L€ erlangt worden sei. Noch heute gehe sie davon aus, dass ein Anspruch wegen der Erpressung hätte bewiesen werden können und nur wegen der Ausgleichsvereinbarung, die die Zedentin unterschrieben habe, eine Durchsetzung nicht möglich gewesen sei.

Auch über die Möglichkeit eines Berufungsverfahrens sei die Zedentin ausführlich aufgeklärt worden. Die Zedentin habe die Durchführung der Berufung ausdrücklich begehrt.

Auch das Oberlandesgericht sei noch in der mündlichen Verhandlung davon ausgegangen, dass durchaus ein Rückforderungsanspruch bestehen könne und eventuell Beweis erhoben werden solle.

Der Zedentin sei auch kein Schaden entstanden.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 21.06.2012 überwiegend stattgegeben und die Beklagte A.../... Rechtsanwälte zur Zahlung von 33.254,06 € nebst Zinsen verurteilt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Abtretung sei wirksam. Die abgetretenen Forderungen seien hinreichend bestimmt. Soweit die Beklagte meine, als Außen GbR nicht existent zu sein, genüge ihr einfaches Bestreiten nicht, da sie als solche durch Verwendung entsprechender Briefköpfe im Rechtsverkehr auftrete.

Die Abtretung sei nicht wegen eines sittenwidrigen Forderungskaufes als nichtig anzusehen.

Auch sonst seien keine Verstöße gegen Vorschriften aus der BRAO oder gegen die §§ 134, 138 BGB erkennbar. Die Beklagte sei dem Kläger zum Schadensersatz aus § 280 BGB verpflichtet, weil sie gegenüber der Zedentin im Rahmen des ihr erteilten Mandates seine Sorgfaltspflichten verletzt habe. Sie habe die Auftraggeberin nicht sorgfältig und zutreffend über die Erfolgsaussichten der Widerklage, die von Anfang an wegen der bestehenden Ausgleichsvereinbarung, die auch nicht rechtzeitig angefochten worden sei, aussichtslos gewesen sei, belehrt. Von einem völlig aussichtslosen Verfahren müsse der Anwalt seinem Mandanten abraten. Dies habe die Beklagte nicht getan.

Es liege auch kein Verzicht auf etwaige Schadensersatzansprüche oder ein wirksamer Haftungsausschluss vor. Dass die Rechnung vom 06.07.2012 nicht durch die Zedentin, sondern deren Mutter bezahlt worden sei, lasse den Schaden der Zedentin nicht entfallen.

Das Urteil des Landgerichts ist der Beklagten zu 1. am 27.06.2013 zugestellt worden. Die Berufung der Beklagten zu 1. ist am 01. Juli 2013 eingegangen und nach Fristverlängerung bis zum 27.09.2013 am 26.09.2013 begründet worden. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 01.10.2013 ist dem Berufungsbeklagten eine Frist von vier Wochen zur Einreichung der Berufungserwiderung gesetzt worden, die dem Berufungsbeklagten am 08.10.2013 zugestellt worden ist. Die dem Kläger übersandte Ausfertigung der Geschäftsstelle trägt einen Beglaubigungsvermerk, den Gerichtssiegel und die Unterschrift €S...€ mit dem Vermerk € Justizbeschäftigte€.

Mit am 03.02.2014 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Berufungsbeklagte Anschlussberufung eingelegt und mit dieser die Klage gegen den Beklagten zu 2. erweitert.

Mit Schriftsatz vom 27.06.2013 ist der Nebenintervenient dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Mit ihrer Berufung wendet die Beklagte zu 1. ein, dass das Landgericht zu Unrecht ihre Passivlegitimation angenommen habe. Der Kläger habe in der Klageschrift nicht erläutert, wer tatsächlich passiv legitimiert sei. Welche GbR dies sein solle, habe er nicht dargelegt. Eine Sozietät zwischen den Rechtsanwälten A..., B..., E... und F... habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Tatsächlicher Inhaber der Kanzlei sei allein Rechtsanwalt A... gewesen. Vor dem 01.01.2012 habe es keine Rechtsanwaltssozietät gegeben. Erst seit dem 01.12.2012 bestehe die Sozietät €... Rechtsanwälte€, zwischen den Rechtsanwälten A..., F... und E...

Dies mache auch die Abtretung unbestimmt. eine Identifikation sei nicht möglich.

Einer Sozietät €... Rechtsanwälte€ sei kein Mandat erteilt worden.

Das Landgericht habe verkannt, dass die streitgegenständliche Abtretung sittenwidrig und damit nichtig sei, denn die Abtretung verstoße infolge der Weitervertretung des Herrn L... durch den Kläger gegen § 43 a BRAO. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen § 43 a Abs. 4 BRAO vor.

Die Beklagte behauptet weiterhin unter Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags, die Zedentin sei hinreichend über die Risiken und Erfolgsaussicht der Widerklage aufgeklärt worden.

Das Erstgericht sei auch dem schlüssigen Vortrag, dass eine unter Zeugenbeweis gestellte Mandatsvereinbarung vom 22.03.2012 über den Verzicht auf Regressansprüche vorliege, nicht nachgegangen.

Zudem sei es unstreitig geblieben, dass die Mutter der Zedentin aufgrund einer gesonderten Mitverpflichtung die Anwaltshonorarforderungen der Beklagten beglichen habe und nicht die Zedentin selbst. Deshalb habe nicht die Zedentin, sondern die Mutter, die nicht anstelle der Beklagten, sondern auf eine eigene Schuld gezahlt habe, den Schaden erlitten.

Auch deshalb sei die Klage unbegründet.

Die Beklagte zu 1. hat beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 21.06.2013 die Klage abzuweisen, hilfsweise das Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zur erneuten Verhandlung zurückzuweisen.

Der Kläger hat beantragt,

die Berufung der Beklagten zu 1. zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung hat er beantragt,

den Beklagten zu 2. zu verurteilen,

an den Kläger als Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 1. 33.254,06 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.013,56 € seit dem 28.03.2012, aus 5.881,21 € seit dem 03.05.2012, aus 10.391,80 € seit dem 21.07.2011, aus 6.143,49 €³ seit dem 26.09.2012 und aus 5.824,00 € seit dem 01.06.2012 zu zahlen.

Die Beklagte zu .1 hat im Hinblick auf die Anschlussberufung beantragt,

die Anschlussberufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Der Beklagte zu 2. hat ebenfalls beantragt,

die Anschlussberufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Die Nebenintervenientin hat sich den Anträgen der Beklagten angeschlossen.

Der Kläger bestreitet mit Nichtwissen, dass Rechtsanwalt A... alleiniger Inhaber der beauftragten Kanzlei gewesen sei. Die Beklagte sei so verklagt worden, wie sie bei Erhebung der Widerklage am 19.06.2009 firmiert habe. Sofern behauptet werde, dass die Kanzlei €... Rechtsanwälte€ erst am 01.01.2012 entstanden sei, werde auch dies mit Nichtwissen bestritten; jedenfalls hätte diese Sozietät die Rechtsnachfolge angetreten.

Falls die Beklagte zu 1. nicht passiv legitimiert sei, hafte jedenfalls der Beklagte zu 2. für den entstandenen Schaden.

Diesen im Wege der Klageerweiterung in den Prozess einzubeziehen, sei auch in der Berufungsinstanz zulässig. Dass der Beklagte zu 2. die Zustimmung zu der Parteierweiterung verweigere, sei rechtsmissbräuchlich.

Die Abtretung sei wirksam.

Es sei weder ein Erfolgshonorar vereinbart, noch verbinde ihn mit Herrn L... und Frau D... eine Inkasso- und Honorarvereinbarung. Seine Forderungen gegen Herrn L... aus dem Ausgangsverfahren seien erledigt. Es habe sich auch weder um eine Sicherungsabtretung gehandelt noch sei er in derselben Rechtssache für Herrn L... und Frau d€ tätig gewesen. Im Übrigen seien mit der Zedentin weder die Prozessrisiken noch die Probleme der Darlegungs- und Beweislast besprochen worden.

Eine Mandatsvereinbarung über den Verzicht auf Regressansprüche habe es nicht gegeben.

Dass die Mutter der Zedentin eine gesonderte Mitverpflichtung zur Anwaltshonorarforderung übernommen habe, werde bestritten.

Die Beklagten zu 1. und 2. halten die Anschlussberufung für unzulässig. Eine Klageänderung im Wege der Anschlussberufung sei nicht zulässig. Zudem sei die Frist des § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht eingehalten.

Der Nebenintervenient rügt ebenfalls die Passivlegitimation der Beklagten.

Die Beklagte, die €Rechtsanwaltskanzlei A.../... Rechtsanwälte€ sei nicht existent und sei es auch nie gewesen. Unter diesem Namen sei auch kein Rechtsschein geschaffen worden. Bei der €Kanzlei A...€ und der Kanzlei €... Rechtsanwälte€ handele es sich um zwei unterschiedliche Rechtspersonen. Auch bei der €Kanzlei A...€ handele es sich nicht um eine Personengesellschaft. Die Kanzlei A... sei ein Einzelunternehmen gewesen, geführt durch den Kanzleiinhaber Rechtsanwalt A... Die auf dem Briefbogen geführten Rechtsanwälte B... und F... seien freie Mitarbeiter, Rechtsanwältin E... eine Angestellte des Kanzleiinhabers gewesen. Die Frage einer Rechtsscheinhaftung stelle sich vorliegend im Hinblick auf die Passivlegitimation nicht: Die Passivlegitimation einer Personengesellschaft könne nicht durch einen Rechtsschein herbeigeführt werden. Die Existenz einer Personengesellschaft werde nicht fingiert.

Der Kläger trage auch keine Tatsachen vor, aus denen sich eine Rechtsnachfolge subsumieren ließe.

Der Senat hat mit dem Kläger am 22.05.2014 zugestellten Versäumnisurteil vom 06.05.2014 das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 21.06.2013 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 03.06.2014 Einspruch eingelegt.

Er wendet ein, die Beklagte zu 1. sei mit ihrem Vortrag zur fehlenden Passivlegitimation präkludiert.

Die Anschlussberufung sei zulässig, insbesondere sei sie nicht verfristet. Die Fristsetzung zur Berufungserwiderung sei unwirksam, da sie nicht vom Richter unterschrieben worden sei. Darüber hinaus fehlen unter dem Beglaubigungsvermerk und der Unterschrift der justizbeschäftigten S... der Zusatz €als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle€. Dieser fehlende Zusatz sei ein wesentlicher Mangel.

Der Kläger beantragt zuletzt,

das Versäumnisurteil des Senats vom 06.05.2014 aufzuheben und

1. die Berufung der Beklagte zu 1.zurückzuweisen,

2. die Beklagte zu 2. im Wege der Anschlussberufung zu verurteilen, an den Kläger als Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 1. 33.254,06 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.013,56 € seit dem 28.03.2012, aus 5.881,21 € seit dem 03.05.2012, aus 10.391,80 € seit dem 21.07.2011, aus 6.143,49 € seit dem 26.09.2012 und aus 5.824,00 € seit dem 01.06.2012 zu zahlen.

Die Beklagte zu 1 und der Beklagte zu 2. beantragen,

das Versäumnisurteil des Senats vom 06.05.2014 aufrechtzuerhalten.

Die Akte 11 O 20/09, Landgericht Potsdam, war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Der Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil des Senats ist zulässig (§§ 539,339,340 ZPO).

Er hat in der Sache aber keinen Erfolg.

1.

Die Berufung der Beklagten zu 1. ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat den ihm obliegenden Nachweis, dass die Beklagte für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB passiv legitimiert ist, nicht erbracht.

a)

Beklagte ist die ... Rechtsanwälte F..., A... und E... GbR.

Zwar ist ursprünglich in der Klage - ebenso wie im erstinstanzlichen Urteil als Beklagte die €Kanzlei A.../... Rechtsanwälte - aufgeführt. Unter dieser Bezeichnung ist allerdings, eine GbR zu keinem Zeitpunkt aufgetreten, so dass diese Bezeichnung unrichtig ist. Zu dem Zeitpunkt, als die Zedentin beauftrag wurde, trat die (vermeintliche) Sozietät unter dem Namen €Kanzlei A...€ Rechtsanwälte€ auf, jedenfalls ab dem 01.01.2012 existiert (tatsächlich) eine GbR mit dem Namen ...

Die Parteibezeichnung selbst ist allerdings auslegungsfähig, wobei neben der Angabe des Klagegrundes auch spätere Prozessvorgänge dienen können. Ungenaue Parteibezeichnungen sind unschädlich und können jederzeit von Amts wegen berichtigt werden, wenn die Identität trotz Berichtigung gewahrt bleibt. Das Gericht hat die Amtspflicht, auf die Berichtigung hinzuwirken. Bei unrichtiger (mehrdeutiger) äußerer Parteibezeichnung ist grundsätzlich die Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen sein sollte (Zöller/Vollkommer, ZPO, a.a.O., vor § 50, Rn 7). Zum Zeitpunkt der Klageerhebung firmierte die Beklagte unter der Bezeichnung ... und existierte auch in der Rechtsform einer GbR. Auch die Abtretungserklärung benennt ausdrücklich nur Ansprüche der Zedentin gegen den Beklagten zu 2. und gegen die Sozietät €... Rechtsanwälte€. Bereits dies spricht dafür, dass der Kläger auch diese verklagen wollte. Dies hat er letztlich auch mit seinem Antrag auf Rubrumsberichtigung im Schriftsatz vom 03.07.2014 klargestellt, in dem er als korrektes Passivrubrum die ... Rechtsanwälte F..., A... und E... bezeichnet hat.

b)

Dass die Zedentin die Beklagte mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hat, lässt sich nicht feststellen.

aa)

Dass die Zedentin eine Kanzlei mit dem Namen €... Rechtsanwälte€ beauftragt hat, behauptet er selbst nicht.

Es lässt aber auch nicht feststellen, dass es zum Zeitpunkt der Beauftragung, wie der Kläger behauptet, eine Rechtsanwaltssozietät mit der Bezeichnung €A... Rechtsanwälte€ gegeben hat, diese mit der Wahrnehmung der Interessen der Zedentin beauftragt worden ist und die jetzige Beklagte für einen etwaigen, aus einem Mandatsverhältnis mit der Kanzlei €A... Rechtsanwälte€ stammenden Schadensersatzanspruch haftet.

bb)

Die Beklagte zu 1. ist insoweit der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nachgekommen, indem sie dargelegt hat, dass bis zum 31.12.2011 der Beklagte zu 2. Alleininhaber der Kanzlei gewesen sei, es zum Zeitpunkt der Beauftragung der Kanzlei €A... Rechtsanwälte€ keine Rechtsanwaltssozietät gegeben habe, die auf dem Briefkopf genannten Rechtsanwälte F... und B... nur freie Mitarbeiter gewesen seien und eine Sozietät, bestehend aus den Rechtsanwälten A..., F... und E... erst zum 01.01.2012 gegründet worden sei.

Mit diesem Vortrag war sie auch nicht präkludiert. In der ersten Instanz war die Passivlegitimation bereits bestritten worden, ohne dass das Landgericht darauf hingewiesen hatte, dass es dieses Bestreiten für unzureichend hielt.

Der Kläger hat daraufhin keinen Beweis für seine gegenteilige Behauptung angetreten.

Damit ist der für die Passivlegitimation als anspruchsbegründendem Umstand beweispflichtige Kläger beweisfällig dafür geblieben, dass der Rechtsanwaltsvertrag mit einer bestehenden Rechtsanwaltssozietät geschlossen wurde.

c)

Ist demgemäß davon auszugehen, dass bis zum 31.12.2011 allein der Beklagte zu 2. Inhaber der Kanzlei €A... Rechtsanwälte€ war, kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass die Kanzlei €A... Rechtsanwälte€ nach außen im Rechtsverkehr wie eine Sozietät von mehreren Rechtsanwälten, d.h. wie eine GbR aufgetreten ist.

Die bis zum 01.01.2012 als solche im Rechtsverkehr auftretenden Scheinsozietät €A... Rechtsanwälte€ konnte nicht Partei des mit der Zedentin geschlossenen Rechtsanwaltsvertrages werden.

Eine Scheinsozietät, unter der man den Zusammenschluss mehrerer Rechtsanwälte, die nach außen gemeinsam in Erscheinung treten, ohne dass ein Gesellschaftsvertrag besteht oder ohne dass in einen bestehenden Gesellschaftsvertrag sämtliche nach außen in Erscheinung tretende Rechtsanwälte einbezogen sind, ist rechtlich nicht existent. Sie kommt als Anspruchsgegnerin unter keinen Umständen in Betracht (BGH, Urteil vom 17.11.2011, XI ZR 161/09NJW-RR 2012,239), auch nicht, wenn nachdem sie, was hier in Betracht kommen könnte, zu einer Sozietät €erstarkt€ ist. Auch dann kann die (neu entstandene) Sozietät nicht (automatisch) auf Erfüllung von Schadensersatzverpflichtungen in Anspruch genommen werden, die während der Zeit der Scheinsozietät begründet worden sind. Es haften dann regemäßig nur die Scheingesellschafter persönlich für die Fehler des Einzelanwaltes oder der wirklichen Gesellschafter (BGH a.a.O.).

d)

Gab es keine Sozietät, d.h. keine GbR, könnte sich eine Haftung der zum 01.01.2012 gegründeten €... Rechtsanwälte€ unter Anwendung der in der zitierten Entscheidung des Bundesgerichthofes genannten Grundsätze nur aus einer vertraglichen oder gesetzlichen Haftungsübernahme ergeben.

Eine Vertragsübernahme hätte durch einen dreiseitigen Vertrag unter Beteiligung der bisherigen Parteien und der übernehmenden Partei oder durch zweiseitigen Vertrag zwischen ausscheidender und übernehmender Partei unter Zustimmung der verbleibenden Partei (hier die Zedentin) erfolgen müssen (BGH a.a.O). Dass dies hier geschehen ist, behauptet der Kläger nicht. Lag keine Vertragsübernahme vor, wurde die Beklagte, auch wenn das Berufungsverfahren ab dem 01.12.2012 unter ihrem Briefkopf fortgeführt wurde, allein durch die Neugründung nicht zur Vertragspartnerin der Zedentin.

Dass die jetzige Beklagte zu 1. (vertraglich) die Haftung für bis zum 01.01.2012 entstandene Verbindlichkeiten des Beklagten zu 2. übernommen hat, wird vom Kläger, der sich nur allgemein darauf beruft, die Beklagte zu 1. sei jedenfalls Rechtsnachfolgerin der bis zu ihrer Gründung bestehenden Kanzlei geworden, ebenfalls nicht behauptet.

e)

Ein gesetzlicher Haftungsübergang in entsprechender Anwendung des § 28 HGB kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ebenfalls nicht in Betracht. Die analoge Anwendung hat der Bundesgerichtshof wegen der besonderen Ausgestaltung des zwischen einem Einzelanwalt und seinem Mandanten bestehenden Rechtsverhältnisses stets abgelehnt (vergl. auch insoweit BGH, a.a.O.).

2. Die Anschlussberufung und damit die Klageerweiterung auf den Beklagten zu 2. ist unzulässig.

a)

Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes (Urteil vom 18.03.1997, XI ZR 34/96, NJW 1997,2885) in der Berufungsinstanz ausnahmsweise der Rechtsstreit auf einen weiteren Beklagten ausgedehnt werden, wenn die Verweigerung der Zustimmung des neuen Beklagten rechtsmissbräuchlich ist. Auch kann hier die Verweigerung der Zustimmung seitens des Beklagten zu 2. als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Dieser ist als derjenige, der tatsächlich die hier streitgegenständliche anwaltliche Beratung vorgenommen hat, mit dem gesamten Verfahren vertraut und hat zudem selbst den Rechtsschein dafür gesetzt, dass seine Tätigkeit im Rahmen einer Rechtsanwaltssozietät erfolgt ist.

b)

Dennoch ist die Klageerweiterung unzulässig, da sie nicht innerhalb der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO erfolgt ist.

aa)

Der Kläger als Berufungsbeklagter muss sich der Berufung anschließen, wenn er ohne eigenes Rechtsmittel mehr erreichen will als Verwerfung oder Zurückweisung der Hauptberufung (Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 524, Rn 2). Außerhalb von § 264 ZPO können neue oder geänderte Anträge nur im Rahmen einer Anschlussberufung geltend gemacht werden. Die Berufungsinstanz ist eine Rechtmittelinstanz, d.h. prozessuale Handlungsformen wie Klageerweiterung - Änderung und Häufung ebenso wie Widerklage und Aufrechnung können immer nur Teil einer Berufung oder Anschlussberufung sein (BGH, Urteil vom 07.12.2007, V ZR 210/06, NJW 2008, 1954; OLG München, Urteil vom 15.07.2011, 10 U 4408/09 m.w.N.).

bb)

Die Klageerweiterung auf den Beklagten zu 2. hätte also innerhalb der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO erfolgen müssen. Daran fehlt es. Die Fristsetzung war durch eine am 08.10.2013 beim Kläger eingegangene Verfügung des Vorsitzenden auf vier Wochen bestimmt worden und zum Zeitpunkt des Eingangs der Anschlussberufung (03.02.2014) abgelaufen.

cc)

Die Fristsetzung war wirksam.

Eine fristsetzende Verfügung des Vorsitzenden bedarf, worauf der Kläger zutreffend hinweist, der Zustellung durch Übergabe einer beglaubigten Abschrift der richterlichen Verfügung (§ 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO); für die Frist des § 521 Abs. 2 Satz 1 ZPO zur schriftlichen Berufungserwiderung gilt nichts anderes (BGH, Beschluss vom 23.09.2008, VIII ZR 85/08, NJW 2009, 515).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Verfügung ist, wie sich aus dem in dem in der Akte befindlichen Original ergibt, vom Vorsitzenden mit seinem Namen unterschrieben worden. Die vom Kläger vorgelegte beglaubigte Abschrift dieser Verfügung lässt durch die abschriftliche Wiedergabe des Namens erkennen, dass sie die Unterschrift des Vorsitzenden trägt. Sie trägt einen Beglaubigungsvermerk, die Unterschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle und das Gerichtsiegel. Damit sind die Anforderungen an eine wirksame Zustellung erfüllt (vergl. Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 169, Rn 14,15).

dd)

Dass der Zusatz €als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle€ unter der Unterschrift der Geschäftsstellenmitarbeiterin fehlt, führt nicht zur Unwirksamkeit der Fristsetzung.

Da der Ausfertigungsvermerk als besondere Art der Beurkundung bezeugt, dass die Ausfertigung mit der Urschrift übereinstimmt, verlangt das Gesetz, dass die Ausfertigung von einem Urkundsbeamten (jetzt § 317 Abs. 4 ZPO) oder in den neuen Bundesländern von einer mit den Aufgaben eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle betrauten Person unterzeichnet und mit dem Gerichtssiegel versehen wird. Der Zusatz €als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle€ ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dagegen nicht zwingend (vergl. BGH, Beschluss vom 11.01.1961, IV ZB 312/60, VersR 1961, 325; BGH, Beschluss vom 23.09.1992, I ZB 2/92, MDR 1993,383), sofern die Identität der unterzeichnenden Person ohne weiteres festgestellt werden kann und der Zustellungsempfänger sich, wie es hier der Fall ist, aufgrund der Angaben im Ausfertigungsvermerk jederzeit, etwa durch eine Rückfrage bei Gericht, darüber Gewissheit verschaffen kann, ob die Ausfertigung von einer dazu legitimierten Person erstellt worden ist (BGH, Beschluss vom 23.09.1992, I ZB 2/92, MDR 1993,383; BFH, Beschluss vom 14.07.1995, X B 346/94). Im Übrigen ist bereits der Umstand, dass der hier streitgegenständliche Beglaubigungsvermerk das Gerichtssiegel trägt, ein hinreichender Hinweis darauf, dass er von einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gefertigt wurde, denn nur der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle ist zur Führung des Gerichtssiegels berechtigt (BFH, Beschluss vom 02.09.1999, IV B 91/98).

ee)

Dem Kläger war auch nicht (von Amts wegen nach §§ 233, 236 Abs. 2 ZPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil das Urteil erster Instanz, ohne dies zu problematisieren, von der Passivlegitimation der Beklagten zu 1. ausgegangen ist.

Auch bei Versäumung der Anschlussberufungsbegründungsfrist kann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Anschließende erstmals auf einen Hinweis des Berufungsgerichts reagieren kann (Zöller/Heßler, a.a.O., § 524, Rn 37; OLG Stuttgart, Urteil vom 04.05.2007, 14 U 17/06).

So liegt der Fall hier aber nicht. Der Kläger hatte nicht erst durch den Hinweis des Vorsitzenden vom 03.02.2014 erstmals Anlass, die Klage zu erweitern und hat dies auch nicht getan; die Anschlussberufung hat sich mit dem Hinweis überschnitten. Bereits der Nebenintervenient hat mit Schriftsatz vom 09.10.2013, den der Kläger auch erhalten hat, umfassend ausgeführt, dass nach ihrer Auffassung die Beklagte zu 1. nicht passivlegitimiert sei und eine €Kanzlei A...€ gar nicht existiere. Er hat auch darauf hingewiesen, dass selbst wenn der Rechtsschein einer GbR gesetzt worden sei, aus Rechtsgründen eine Haftung dieser Scheinsozietät nicht in Betracht komme, sondern allein die Scheingesellschafter hafte.

Dies hätte für den Kläger Anlass sein müssen, (vorsorglich) die Klage auch auf den Beklagten zu 2. zu erweitern, so dass er die Frist nicht unverschuldet versäumt hat. Hinsichtlich des anwaltlichen Verschuldens ist die übliche, also berufsbedingt strenge Sorgfalt anzusetzen. Die Fristversäumnis ist dann verschuldet, wenn sie für einen pflichtbewussten Anwalt abwendbar gewesen wäre. Dies gilt auch, wenn der Rechtsanwalt, wie hier, selbst Partei ist (Zöller/Greger, a.a.O. § 233, Rn 13).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs., 101 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung berücksichtigt, soweit die Wirksamkeit der Fristsetzung nach § 521 Abs. 2 Satz 1 ZPO in Frage steht, die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundesfinanzhofes und weicht von dieser nicht ab.






Brandenburgisches OLG:
Urteil v. 25.11.2014
Az: 3 U 26/13


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