Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 11. April 2013
Aktenzeichen: I ZR 76/11

(BGH: Beschluss v. 11.04.2013, Az.: I ZR 76/11)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 11. April 2013 das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in einem anderen Verfahren ausgesetzt. Die Klägerin, die alleinige Lizenznehmerin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Leuchten von Prof. Wilhelm Wagenfeld ist, hatte die Beklagten wegen Verletzung ihres Verbreitungsrechts auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz verklagt. Die Beklagte brachte Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte auf den Markt und warb dafür unter anderem im Internet und in Printmedien. Die Kläger sahen darin eine Verletzung ihres Rechts zum öffentlichen Anbieten. Das Landgericht gab der Klage gegen die Beklagten zu 1 und 2 teilweise statt, während die Klage gegen die Beklagten zu 3 und 4 abgewiesen wurde. Die Berufung blieb ebenfalls erfolglos und der Bundesgerichtshof ließ die Revision zu.

In dem Verfahren ist die Aussetzung grundsätzlich zulässig, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der gleichen Frage abhängt, die bereits einem anderen Rechtsstreit beim Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde. In diesem Fall hat der Bundesgerichtshof dem Europäischen Gerichtshof im anderen Verfahren Fragen zur Auslegung der Richtlinie zur Harmonisierung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vorgelegt. Diese Fragen sind auch im vorliegenden Verfahren relevant und die beiden Verfahren weisen weitgehend ähnliche Fallgestaltungen auf. Daher hält es der Bundesgerichtshof für angemessen, das vorliegende Verfahren auszusetzen, bis eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vorliegt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 11.04.2013, Az: I ZR 76/11


Tenor

Das Verfahren wird bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Verfahren I ZR 91/11 ausgesetzt.

Gründe

I. Die Klägerin zu 1 ist alleinige Lizenznehmerin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Leuchten, die Prof. Wilhelm Wagenfeld während seiner Tätigkeit am Bauhaus entworfen hat. Der Kläger zu 2 ist Testamentsvollstrecker des verstorbenen Prof. Wagenfeld. Die Klägerin zu 1 produziert und vertreibt die sogenannte Wagenfeld-Leuchte. Der Kläger zu 2 erhält nach dem Lizenzvertrag aus dem Verkauf einer jeden Leuchte eine Vergütung in Höhe von 5% des Nettoverkaufspreises.

Die Beklagte zu 1 ist ein in Italien ansässiges Unternehmen. Sie bringt im Rahmen ihrer "Bauhaus-Kollektion" auch Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte auf den Markt. Der Beklagte zu 2 ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Die Beklagte zu 3 ist eine Spedition, die unter anderem Bauhaus-Leuchten vom Lager der Beklagten zu 1 in Sterzing (Südtirol/Italien) zu Kunden der Beklagten zu 1 in Deutschland transportierte. Der Beklagte zu 4 ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 3. Die Beklagte zu 1 wirbt deutschsprachig im Internet und in Printmedien unter wörtlicher oder bildlicher Bezugnahme auf die Wagenfeld-Leuchte mit der Möglichkeit des Bezugs einer derartigen Leuchte in Italien. Die Werbung enthält den Hinweis, dass deutsche Kunden die Leuchte 1 unmittelbar oder zu Händen eines Spediteurs zur Mitnahme nach Deutschland übereignet erhalten können.

Die Kläger haben die Beklagten - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - wegen Verletzung ihres Verbreitungsrechts aus § 17 Abs. 1 UrhG auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Anspruch genommen sowie Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht und Urteilsveröffentlichung beantragt. Sie sind der Ansicht, die Werbung der Beklagten zu 1 und 2 greife in das Recht zum öffentlichen Anbieten im Sinne von § 17 Abs. 1 Fall 1 UrhG ein. Die Beklagten zu 3 und 4 seien für das gegen § 17 Abs. 1 Fall 2 UrhG verstoßende Inverkehrbringen der Leuchten in Deutschland (mit-)verantwortlich.

Das Landgericht hat der gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichteten Klage wegen Anbietens der Tischlampen (bis auf einen geringen Teil des Antrags auf Auskunftserteilung) stattgegeben und die gegen die Beklagten zu 3 und 4 gerichtete Klage wegen Inverkehrbringens der Tischlampen abgewiesen. Die Berufung der Parteien ist (bis auf einen Teil der gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung gerichteten Berufung der Beklagten zu 1 und 2) ohne Erfolg geblieben. Der Senat hat die Revision zugelassen. Die Beklagten zu 1 und 2 erstreben die vollständige Abweisung der gegen sie gerichteten Klage wegen Anbietens der Tischlampen. Die Klägerin verfolgt ihre gegen die Beklagten zu 3 und 4 gerichtete Klage wegen Inverkehrbringens der Tischlampen weiter. Die Parteien beantragen jeweils, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.

II. Die Aussetzung des Verfahrens ist in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO auch ohne gleichzeitiges Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union grundsätzlich zulässig, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung derselben Frage abhängt, die bereits in einem anderen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union 3 zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorgelegt wurde (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - VIII ZR 236/10, juris Rn. 8; Beschluss vom 31. Mai 2012 - I ZR 28/10, juris Rn. 5; Beschluss vom 6. Februar 2013 - I ZR 126/11, juris Rn. 8).

1. Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Union im Verfahren I ZR 91/11 zur Auslegung des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Umfasst das Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten€

Falls die erste Frage zu bejahen ist:

2. Umfasst das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten, nicht nur Vertragsangebote, sondern auch Werbemaßnahmen€

3. Ist das Verbreitungsrecht auch dann verletzt, wenn es aufgrund des Angebots nicht zu einem Erwerb des Originals oder von Vervielfältigungsstücken des Werkes kommt€

2. Diese Vorlagefragen sind auch im vorliegenden Verfahren erheblich. Dem Vorlageverfahren und dem vorliegenden Verfahren liegen hinsichtlich dieser Fragen weitgehend übereinstimmende Fallgestaltungen zugrunde. Der Se- 6 nat hält es daher für angemessen, das vorliegende Verfahren in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit des beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits auszusetzen.

Bornkamm Pokrant Büscher Koch Löffler Vorinstanzen:

LG Hamburg, Entscheidung vom 12.09.2008 - 308 O 506/05 -

OLG Hamburg, Entscheidung vom 30.03.2011 - 5 U 207/08 -






BGH:
Beschluss v. 11.04.2013
Az: I ZR 76/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/11358cd7c985/BGH_Beschluss_vom_11-April-2013_Az_I-ZR-76-11




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