Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. August 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 155/04

(BPatG: Beschluss v. 30.08.2005, Az.: 27 W (pat) 155/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 27 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 1. April 2004 aufgehoben, soweit darin der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 1 063 437 für die Waren "Teppiche; Fußbodenbeläge, insbesondere aus Kork, als Parkett und als Laminat" zurückgewiesen wurde.

Im Umfang der Teilaufhebung wird die Löschung der Marke 302 45 040 auch für die Waren "Teppiche; Fußbodenbeläge, insbesondere aus Kork, als Parkett und als Laminat" angeordnet.

Gründe

I Die Widersprechende hat gegen die Eintragung der Wortbildmarke Grafik der Marke 30245040.8 für "Teppiche; Fußbodenbeläge, insbesondere aus Kork, als Parkett und als Laminat; Kork (komprimiert); Waren aus Holz und Kork, soweit in Klasse 20 enthalten" Widerspruch eingelegt aus ihrer am 3. Februar 1999 angemeldeten und am 5. April 2001 für "Möbel, insbesondere Tische; Spiegel und Rahmen" eingetragenen Gemeinschaftsmarke 1 063 437 bigfoot.

Die Markenstelle für Klasse 27 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 1. April 2004 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für "Waren aus Holz, soweit in Klasse 20" angeordnet und den Widerspruch im übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die angegriffene Marke weise zu der normal kennzeichnungskräftigen Widerspruchsmarke eine starke Ähnlichkeit auf, da der Zusatz "Der Bodenfachmarkt" in der jüngeren Marke mangels herkunftshinweisenden Charakters zurücktrete und die Markenwörter "BIGFOOT" und "bigfoot" zumindest klanglich identisch seien. Allerdings liege eine Warenähnlichkeit nur zwischen "Möbeln" und den für die angegriffene Marke geschützten Waren aus Holz der Klasse 20 vor, da typische Holzwaren in Holzart und Design oft eng an Möbelstücke angepasst seien. Demgegenüber bestehe hinsichtlich der für die jüngere Marke geschützten Fußbodenbeläge und Waren aus Kork auf der einen und den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren auf der anderen Seite keine Ähnlichkeit, da diese gegenüberstehenden Waren selbst in Einrichtungshäusern in verschiedenen Abteilungen angeboten würden; in enger Verbindung mit Möbeln erfolge eine Auslegung von Fußbodenbelägen dabei allenfalls als Dekorationsware. Zudem seien die Herstellungsbetriebe verschieden. Auch böten etwa Schreinereien in der Regel wegen der weitgehenden Spezialisierung nicht gleichzeitig Möbel und Fußbodenbeläge an. Beide seien auch nicht miteinander konkurrierende oder sich ergänzende Waren. Der Verkehr werde sie daher selbst bei ähnlichen oder identischen Waren weder demselben Herstellungsunternehmen zuschreiben noch zu einem einzigen Verantwortungsbereich zugehörig erachten. Insofern scheide eine Löschung der angegriffenen Marke für die beanspruchten Fußbodenbeläge aus.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie die Löschung der angegriffenen Marke auch für die Waren "Teppiche, Fußbodenbeläge, insbesondere aus Kork, als Parkett und als Laminat" begehrt. Hierzu trägt sie vor: Waren aus Kork kämen denjenigen aus Holz weitgehend gleich. Teppiche und Möbel würden in Möbelhäusern nebeneinander angeboten. Auch die Lebenserfahrung zeige, dass Möbel und Teppiche gleichzeitig erworben würden. Auch würden diese Waren häufig über Verkaufsorganisationen wie WK-Möbel zusammen vertrieben. Auch zwischen Möbeln und Fußbodenbelägen bestehe eine Warenähnlichkeit. Schreinereien böten sie gleichzeitig an, wie etwa der Blick ins Branchenbuch "Gelbe Seiten" zeige. Zudem berücksichtige der angefochtene Beschluss nicht die im Widerspruchsverfahren geltend gemachte erhöhte Bekanntheit der Widersprechenden für Tische. Insofern sei die angegriffene Marke zumindest auch für "Teppiche; Fußbodenbeläge, insbesondere aus Kork, als Parkett und als Laminat" zu löschen.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 1. April 2004 aufzuheben und die deutsche Marke 302 45 040 "BIGFOOT Der Bodenfachmarkt" für die Waren "Teppiche, Fußbodenbeläge, insbesondere aus Kork, als Parkett und als Laminat" zu löschen.

Der Markeninhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Unter weitgehender Bezugnahme auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren bestreitet er im übrigen die Benutzung der Widerspruchsmarke, der aus diesem Grund kein großer Bekanntheitsgrad und damit auch keine Kennzeichnungskraft zugebilligt werden könne. Darüber hinaus werde die angegriffene Marke auch nicht allein durch den Bestandteil "BIGFOOT" geprägt. Schließlich seien die mit der Beschwerde angegriffenen Waren mit denjenigen der Widerspruchsmarke nicht ähnlich.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs 2 Satz 2, § 42 Abs 2 Nr 1, § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG kann im Ergebnis auch für die über die bereits mit dem angefochtenen Beschluss zu löschenden Waren hinaus angegriffenen Waren "Teppiche, Fußbodenbeläge, insbesondere aus Kork, als Parkett und als Laminat" nicht verneint werden.

Denn unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st Rspr; vgl EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz 23 f - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz 16 f - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243), hält die jüngere Marke auch insoweit den erforderlichen Abstand zur älteren Marke nicht ein.

Soweit der Markeninhaber die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten hat, ist diese Nichtbenutzungseinrede nach § 43 Abs 1 MarkenG unzulässig, weil nach dieser Vorschrift eine Nichtbenutzungseinrede erst zulässig ist, wenn die ältere Marke zum Zeitpunkt ihrer Geltendmachung mindestens fünf Jahre im Register eingetragen ist, woran es vorliegend aber mangelt, da die Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke erst am 5. April 2006 abläuft.

Entgegen der Ansicht des Markeninhabers besitzt die Widerspruchsmarke auch eine normale Kennzeichnungskraft, da Anhaltspunkte für eine Schwächung etwa infolge eines warenbeschreibenden Anklangs oder der häufigen Benutzung bei Drittzeichen weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind. Soweit der Markeninhaber eine mangelnde Benutzung der älteren Marke eingewandt hat, ist dieser Einwand nicht nur wegen der noch andauernden Benutzungsschonfrist unbeachtlich, sondern auch als Anhaltspunkt für eine Schwächung der Kennzeichnungskraft nicht geeignet, da sich die Rechtsfolge der Nichtbenutzung einer Marke nach Ablauf der Benutzungsschonfrist nach § 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG darauf beschränkt, dass die Waren und Dienstleistungen, für die sie zwar eingetragen, aber nicht benutzt wird, bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG außer Betracht zu bleiben haben.

Entgegen der Ansicht des Markeninhabers und der Markenstelle kann eine Ähnlichkeit der Waren "Teppiche; Fußbodenbeläge, insbesondere aus Kork, als Parkett und als Laminat", für welche die angegriffene Marke eingetragen ist, zu den für die Widerspruchsmarke geschützten "Möbel, insbesondere Tische; Spiegel und Rahmen" nicht verneint werden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit alle Faktoren zu berücksichtigen, welche das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen, wozu insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen gehört (vgl EuGH, GRUR 1998, 922, 923 [Rz 23] - Canon). Nach diesen Kriterien steht nach Ansicht des Senats eine zumindest mittlere Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Waren außer Frage. Denn ungeachtet der Frage der Herstellungsbetriebe, die ohnehin nur einer von mehreren Faktoren bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit sind, werden Fußbodenbeläge, für welche die jüngere Marke - zusammengefasst - geschützt ist, in der Regel an denselben Vertriebsstätten angeboten wie die von der Widerspruchsmarke beanspruchten Möbel. Das gilt insbesondere entgegen der Ansicht des Markeninhabers und der Markenstelle auch für Schreinereien, die - wie gerichtsbekannt ist - Fußbodenbeläge aus Holz oder Kork in aller Regel neben der Herstellung von Möbeln anbieten. Für eine Warenähnlichkeit spricht darüber hinaus auch ihr Charakter als einander ergänzende Waren, da Fußböden ebenso wie Möbel der (Innen-) Ausstattung von Wohnungen und Häusern dienen.

Die gegenüberstehenden Marken sind jedenfalls klanglich hochgradig ähnlich. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin wird die angegriffene Marke dabei akustisch allein mit dem mit der Widerspruchsmarke klangidentischen Markenwort "BIGFOOT" wiedergegeben werden, weil der Verkehr schon aus Gründen der Merkbarkeit und Aussprechbarkeit der Kennzeichnung (vgl BGH GRUR 1999, 241, 244 - Lions; BGH GRUR 2002, 1067, 1069 - DKV/OKV) dazu neigen wird, die weitere Wortfolge "Der Bodenfachmarkt" bei einer Benennung außer acht zu lassen, zumal es sich hierbei um einen die Vertriebsstätte mit einem allgemeinen Begriff bezeichnenden und daher für sich genommen schutzunfähigen Markenbestandteil handelt. Angesichts der zumindest hochgradigen klanglichen Ähnlichkeit der beiden Zeichen, der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der jedenfalls nicht allzu fernen Ähnlichkeit der für die Widerspruchsmarke geschützten Waren zu den mit der Beschwerde weiter angegriffenen Waren der jüngeren Marke kann eine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Unter teilweiser Aufhebung des entgegenstehenden Beschlusses der Markenstelle war daher die Löschung der jüngeren Marke auch für die Waren, die Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, anzuordnen.

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

Dr. van Raden Prietzel-Funk Schwarz Pü






BPatG:
Beschluss v. 30.08.2005
Az: 27 W (pat) 155/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/11165835b833/BPatG_Beschluss_vom_30-August-2005_Az_27-W-pat-155-04




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share