Hessisches Landessozialgericht:
Beschluss vom 25. Februar 2005
Aktenzeichen: L 6/7 B 99/04 KA

(Hessisches LSG: Beschluss v. 25.02.2005, Az.: L 6/7 B 99/04 KA)

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss desSozialgerichtes Frankfurt am Main vom 10. Februar 2004geändert.

Der Gegenstandswert wird festgesetzt auf DM 8.000,- (Euro4.090,34).

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (S 28 KA 2615/00) wehrte sich die Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2000 und damit grundsätzlich gegen ihre Einteilung zum allgemeinen ärztlichen Notdienst, da sie hierdurch zur Fortbildung auf dem Gebiet der Notfallmedizin verpflichtet sei und dadurch Arbeitszeit verliere, erheblichen beruflichen Risiken ausgesetzt sei und für den €Verkauf€ der Notdienste jeweils DM 500,- bis 600,- aufbringen müsse. Insbesondere sah die Klägerin als ärztliche Psychotherapeutin hierin eine Ungleichbehandlung gegenüber den psychologischen Psychotherapeuten, die zum Notdienst nicht eingeteilt würden. Im Rahmen des anhängigen Verfahrens wandte sich die Klägerin konkret gegen ihre Einteilung zum ärztlichen Notdienst am 23. und 26. Mai 2001. Insoweit lehnte das Sozialgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 21. Mai 2001 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab u. a. mit der Begründung, dass die Leistung der konkreten ärztlichen Notdienste seitens der Klägerin oder durch eine von ihr gestellte Vertretungskraft keine unzumutbaren und im Falle ihres Obsiegens in der Hauptsache nicht mehr ausgleichbaren Nachteile bewirken könnten. Der Dimension nach gehe es um finanzielle Aufwendungen, die deutlich unter DM 2.000,- lägen. Dass derartige Aufwendungen für die Klägerin zur Existenzgefährdung führen könnten, sei weder substantiiert dargetan noch ersichtlich.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2001 erklärte die Klägerin die Sache für erledigt, nachdem die Beklagte den psychotherapeutischen Hintergrunddienst eingerichtet und sie damit vom ärztlichen Notfalldienst freigestellt habe. Sie beantragte, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Beklagte stellte einen widerstreitenden Antrag.

Mit Beschluss des Sozialgerichtes Frankfurt am Main vom 10. Februar 2004 wurden der Klägerin die Kosten auferlegt und der Gegenstandswert auf Euro 766,93 (DM 1.500,-) festgesetzt. Hinsichtlich des Gegenstandswertes hat das Sozialgericht u. a. ausgeführt, es sei auf das wirtschaftliche Interesse abzustellen. Der Wert sei nach billigem Ermessen zu bestimmen. Auch eine Schätzung sei zulässig, soweit dafür hinreichende Anhaltspunkte vorlägen. Auf den bereits vorliegenden Beschluss werde verwiesen.

Die Klägerin habe die Kosten zu erstatten, da die ursprüngliche Entscheidung der Beklagten nicht rechtswidrig sei. Die Klägerin sei nach den geltenden Richtlinien zur Durchführung des Notdienstes verpflichtet gewesen oder habe sich eine Vertretung besorgen müssen. Dass später ein psychotherapeutischer Hintergrunddienst eingerichtet worden sei, mache die ursprüngliche Entscheidung nicht rechtswidrig. Die Verpflichtung zur Teilnahme am Notdienst folge aus § 23 HeilberufsG und § 26 Abs. 1 Satz 1 der hessischen Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte. Für Vertragsärzte sei darüber hinaus der Notdienst zu den sprechstundenfreien Zeiten Gemeinschaftsaufgabe. Gegenüber den psychologischen Psychotherapeuten seien die ärztlichen Psychotherapeuten Ärzte mit der entsprechenden ärztlichen Berufsausbildung. Für den Notdienst kämen nur Ärzte in Betracht. Die Verpflichtung zur Fortbildung für die Notdienste folge aus § 26 Abs. 4 der Berufsordnung.

Gegen den am 20. Februar 2004 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 4. März 2004 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.

Die Klägerin trägt u.a. vor, es sei ihr vor allem um die Ungleichbehandlung der ärztlichen Psychotherapeuten gegenüber den psychologischen Psychotherapeuten gegangen. Dabei sei es ihr nicht nur um einen jährlichen Einnahmeverlust in Höhe von ca. 1.000,- Euro gegangen, sondern auch um das berufliche Risiko bei Notdiensteinsätzen, bei denen es einige Todesfälle jährlich gebe, sowie um die Verauslagungen für ca. 20 Fortbildungsveranstaltungen.

Die Beklagte hat sich zur Sache nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und an sich statthaft, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Sie ist auch teilweise begründet. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit (Gegenstandswert) ist auf Antrag durch Beschluss festzusetzen, und zwar nach dem seinerzeitig noch anzuwendenden Recht nach §§ 7 Abs. 1, 116 Abs. 2 Nr. 1, 10 Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO). Nach § 8 Abs. 2 BRAGO ist mangels der Möglichkeit der sinngemäßen Anwendung von § 18 Abs. 2, §§ 19 bis 23, 24 Abs. 1, 2, 4, 5, 6, §§ 25, 39 Abs. 2 der Kostenordnung (KostO) der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen. Mangels einer bezifferten Geldforderung ergibt sich im vorliegenden Verfahren nicht unmittelbar der Gegenstandswert. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens war die dauerhafte Abwehr der Einteilung der Klägerin zum ärztlichen Notdienst. Auf den Werthinweis im Beschluss vom 21. Mai 2001 (einstweiliger Rechtsschutz) konnte deshalb entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes nicht zurückgegriffen werden. Neben den finanziellen Auswirkungen ist auch die von der Klägerin abgelehnte berufliche Zusatzbelastung mit erheblichen Risiken zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist jedoch bei der Wertberechnung nicht auf die ihr verbleibende Zeit ihrer Berufsausübung abzustellen, sondern nur auf wenige Jahre, wie etwa bei dem Wert in Zulassungssachen für 3 bis 5 Jahre. Mangels konkreter Anhaltspunkte für eine Schätzung, insbesondere auch für das angesprochene berufliche Risiko, ist der Auffangwert in Höhe von DM 8.000,-, entsprechend § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO anzunehmen. Soweit die Klägerin € wie aus ihrer Begründung ersichtlich € von einem höheren Gegenstandswert ausgeht, war die Beschwerde zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Kostengrundentscheidung hat das Sozialgericht zutreffend gemäß § 193 Abs. 1 2. Halbsatz SGG (a.F.) entschieden, dass die Klägerin die Kosten zu erstatten habe, wobei das Sozialgericht zwar nicht ausdrücklich ausgeführt, aber sinngemäß unter Bezug auf die noch nicht anwendbaren neuen Regelungen des ab 2. Januar 2002 geltenden 6. SGGÄndG davon ausgegangen ist, dass die Klägerin die der Beklagten entstandenen Kosten zu erstatten hat.

Zur Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich der Begründung der Kostengrundentscheidung wird in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.






Hessisches LSG:
Beschluss v. 25.02.2005
Az: L 6/7 B 99/04 KA


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