Verwaltungsgericht Minden:
Urteil vom 26. Mai 2004
Aktenzeichen: 11 K 2344/01

(VG Minden: Urteil v. 26.05.2004, Az.: 11 K 2344/01)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstückes "C1.-----straße 14" in I. (Gemarkung M. , Flur 11, Flurstück 161). Die auf dem Grundstück anfallenden Abwasser werden über einen in der "C2.----straße " liegenden Mischwasserkanal beseitigt. Im Gehwegbereich zwischen dem Grundstück des Klägers und der Straßenfläche zeigten sich im Mai 2001 Absackungen. Die Ursache für diese Absackungen wurden durch eine vom Beklagten beauftragte Fachfirma ermittelt. Hierbei wurde festgestellt, dass der Grundstücksanschluss zum Grundstück des Klägers hin undicht war. Mit der Reparatur des Grundstücksanschlusses beauftragte der Beklagte die Firma L. und N. Bau- GmbH. Diese stellte dem Beklagten hierfür mit Schreiben vom 26.6.2001 Kosten in Höhe von 2372,49 DM in Rechnung.

Mit Bescheid vom 30.7.2001 forderte der Beklagte den Kläger auf, ihm die Kosten für die Reparatur des Grundstücksanschlusses in Höhe von 2372,49 DM zu ersetzen.

Den Widerspruch des Klägers vom 23.8.2001 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.9.2001 zurück.

Der Kläger hat daraufhin am 28.9.2001 Klage erhoben.

Zur Begründung der Klage hat er vorgetragen: Die Reparaturarbeiten seien deshalb erforderlich gewesen, weil ca. 8 Jahre zuvor bei der Verlegung einer Telefonleitung im Gehweg der Grundstücksanschluss beschädigt und undicht geworden sei. Den entstandenen Riss im Grundstücksanschluss habe die bauausführende Firma versucht dadurch zu beheben, dass man Beton auf die defekte Leitung geschüttet habe. Eine ordnungsgemäße Reparatur sei zum damaligen Zeitpunkt nicht durchgeführt worden. Durch diese mangelhafte Ausführung sei die Absenkung verursacht und der Grundstücksanschluss beschädigt worden. Er gehe davon aus, dass die Stadt I. von der Verlegung der Telefonleitung informiert worden sei. Sie sei als Eigentümerin der Flächen zur Überprüfung der durchgeführten Arbeiten verpflichtet, weil nur sie Ansprüche bei fehlerhafter Ausführung der Arbeiten geltend machen könne. Einem Anlieger ständen keine Ansprüche bei fehlerhafter Ausführung gegenüber der bauausführenden Firma zu. Jedenfalls habe die Stadt, da die Leitung im öffentlichen Grund verlegt worden sei, Kontroll- und Überwachungspflichten und könne ihn bei fehlerhafter Ausführung der Arbeiten nicht in Anspruch nehmen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 30.7.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.9.2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt zur Begründung des Antrages vor: Der Kläger sei Eigentümer der Anschlussleitung und deshalb für deren ordnungsgemäßen Zustand verantwortlich. Den Beweis dafür, dass der Schaden am Grundstücksanschluss durch eine unsachgemäße Verlegung der Telefonleitung erfolgt ist, sei der Kläger schuldig geblieben. Dies gehe zu seinen Lasten, da er insoweit beweispflichtig sei. Selbst wenn der Schaden hierauf zurückzuführen sei, sei die Stadt I. für den Schaden nicht verantwortlich. Die Verlegung der Telefonleitung sei nicht im Auftrag und auf Veranlassung der Stadt I. erfolgt. Schon aus diesem Grund habe sie Schäden am Grundstücksanschluss des Klägers nicht zu vertreten, sondern allenfalls die ausführende Firma. Sie habe auch keine Kontroll- und Überwachungspflichten, wenn die Telekom Leitungen im öffentlichen Grund verlege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 30.7.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Der angefochtene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 10 KAG NRW in Verbindung mit der Kanalanschlussbeitragssatzung und Satzung über die Geltendmachung des Kostenersatzes für Haus- und Grundstücksanschlüsse zur Entwässerung der Stadt I. vom 16.01.1990 in der Fassung der Änderungssatzung vom 3.7.2001.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW können die Gemeinden bestimmen, dass ihnen der Aufwand für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung eines Hausanschlusses oder Grundstücksanschlusses an Versorgungsleitungen und Abwasserbeseitigungsanlagen ersetzt werden. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 KAG NRW können der Aufwand und die Kosten in der tatsächlichen geleisteten Höhe oder nach Einheitssätzen ermittelt werden, bei denen die Gemeinde die üblicherweise für Anschlüsse der gleichen Art durchschnittlich erwachsenden Aufwendungen und Kosten zu Grunde zu legen hat. Der Ersatzanspruch entsteht gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 KAG mit der endgültigen Herstellung der Anschlussleitung, im Übrigen mit der Beendigung der Maßnahme. Zu einer Geltendmachung des Ersatzanspruches nach § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW ist die Gemeinde aber dann nicht berechtigt, wenn durch Satzung bestimmt worden ist, dass Haus- oder Grundstücksanschlüsse zu der öffentlichen Einrichtung oder Anlage im Sinne des § 4 Abs. 2 oder § 8 Abs. 2 Satz 1 gehören. In diesem Fall werden die Kosten für die Herstellung des Anschlusses als Kanalanschlussbeitrag und der Aufwand für die Erneuerung, Veränderung oder Beseitigung des Anschlusses über die Abwassergebühren als Benutzungsgebühren abgedeckt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.7.1976 - II A 805/75 -, VerwRspr. 28, 463 = DWW 1977,65; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: März 1999, § 10 Rdn. 68; Lenz, KAG NRW, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: September 2003, § 10 Rdn. 4.

Von der Ermächtigung des § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW hat die Stadt I. durch § 10 Abs. 1 der vorgenannten Satzung Gebrauch gemacht. § 10 Abs. 1 bestimmt, dass der Stadt der Aufwand für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung eines Grundstücksanschlusses sowie die Kosten für die Unterhaltung eines Grundstücksanschlusses in tatsächlich geleisteter Höhe zu ersetzen sind. Der Anspruch ist auch nicht wegen einer Einbeziehung der Grundstücksanschlüsse in die öffentliche Abwasseranlage ausgeschlossen. Nach § 2 6.Spiegelstrich b der Entwässerungssatzung der Stadt I. vom 12.12.1997 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 15.9.1999 gehören zur öffentlichen Abwasseranlage weder die Anschlussstutzen noch die Anschlussleitungen, zu denen nach § 2 7. Spiegelstrich sowohl die Grundstücksanschlussleitungen - vom öffentlichen Sammler bis zur Grenze des jeweils anzuschließenden Grundstückes - als auch die Hausanschlussleitungen - vom öffentlichen Sammler bis zu und einschließlich der ersten Inspektionsöffnung auf dem Grundstück - gehören.

Die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Ersatzanspruches nach § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW sind im vorliegenden Fall erfüllt. Nach dem insoweit unstreitigen Sachverhalt ist ein Teil der Grundstücksanschlussleitung wegen einer undichten Stelle durch die ausführende Firma ausgewechselt worden. Ungeachtet der Frage, ob dies als "Erneuerung" des Grundstücksanschlusses oder als Maßnahme der "Unterhaltung" i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG zu bezeichnen ist, handelt es sich jedenfalls um Arbeiten, die einen Erstattungsanspruch der Gemeinde auslösen.

Die normative Zuweisung der Grundstücks- und Hausanschlussleitungen in den privaten Bereich begegnet auch im Hinblick auf höherrangiges Recht keinen Bedenken, denn sie hat lediglich deklaratorische Bedeutung. Die Regelung bringt nämlich nur die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, dass derjenige, der sich im eigenen (Sonder-) Interesse - wie etwa zur Erfüllung seiner Anschluss- und Benutzungspflicht - an den öffentlichen Abwasserkanal anschließen will oder muss, grundsätzlich selbst (auf eigene Kosten) den Anschluss herzustellen und instandzuhalten hat. Einer dieser Handlungs- und die ihr korrespondierende Kostentragungspflicht konstitutiv begründenden Übertragung auf den Anschlussnehmer bedarf es nicht; diese Pflichten liegen vielmehr a priori - ohne dass es überhaupt einer satzungsrechtlichen Erwähnung bedürfte - bei demjenigen, der sein Grundstück an die öffentliche Anlage selbst anschließt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.10.1997 - 22 A 2742/94 -, NWVBl. 1998, 198 = NVwZ-RR 1998, 676 = DöV 1998, 348.

Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW setzt die Geltendmachung eines Ersatzanspruches jedoch voraus, dass die durch die Gemeinde erbrachte Leistung im Sonderinteresse des Grundstückeigentümers liegt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.7.1987 - 22 A 1605/86 -, DVBl. 1988, 654 = KStZ 1988,16 = NWVBl. 1988, 46 = DöV 1988, 376 = Städte- und Gemeinderat 1988, 234. Maßgebend für die Abgrenzung, ob eine erbrachte Leistung im Sonderinteresse des Grundstückseigentümers liegt, ist die Aufgabenverteilung, die sich aus dem gemeindlichen Benutzungsrecht, insbesondere der gemeindlichen Entwässerungssatzung, für das Verhältnis zwischen der Gemeinde und dem Anschlussnehmer ergibt. § 9 Absatz 2 der o.g. Entwässerungssatzung verpflichtet den Kläger, das gesamte, auf seinem Grundstück anfallende Abwasser in die öffentliche Abwasseranlage einzuleiten. Die Erfüllung dieser Pflicht setzt eine funktionsfähige Grundstücksanschlussleitung voraus. Erweist sich ein Grundstücksanschluss als funktionsunfähig, sodass die auf dem Grundstück anfallenden Abwässer nicht mehr störungsfrei in die Abwasseranlage eingeleitet werden, und führt die Stadt zur Beseitigung der Störung Maßnahmen der Unterhaltung durch, so dient eine solche Maßnahme grundsätzlich der ordnungsgemäßen Erfüllung der - den Grundstückseigentümer treffenden und von der Rechtsordnung seinem Pflichtenkreis zugeordneten - Benutzungspflicht und mithin der Befreiung des Grundstückseigentümers von der diesbezüglichen Last.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 18.05.1993 - 22 A 2169/91 -, NWVBl 1993, 419 = Gemeindehaushalt 1995, 44 = KStZ 118, 120, vom 25.9.1991 - 22 A 1240/90 -, NWVBl. 1992, 93 = RdL 1992, 257 = Gemeindehaushalt 1993, 35, vom 26.3.1981 - 2 A 1547/76 - und vom 16.7.1981 - 2 A 2991/79 -.

Etwas anderes gilt nur, wenn die Maßnahme der Unterhaltung nicht in Erfüllung der dem Grundstückseigentümer obliegenden Benutzungspflicht, sondern im Rahmen des der Stadt selbst von der Rechtsordnung zugewiesenen Pflichtenkreises durchgeführt wird. In diesem Sinne kann eine Maßnahme dem Aufgabenbereich der Gemeinde zugeordnet werden, wenn die Durchführung in Erfüllung einer die Gemeinde treffenden Schadensersatzpflicht oder Pflicht zur Folgenbeseitigung (z.B. bei Beschädigung der Leitung durch Straßenbauarbeiten, bei vorangegangenen rechtswidrigen Einwirkungen auf die Grundstücksanschlussleitung oder bei mangelhafter Überprüfung einer von der Stadt in Auftrag gegebenen Herstellung des Hausanschlusses) erfolgt.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 10.10.1997, a.a.O., vom 11.4.1996 - 22 A 3106/94 -, NVwZ-RR 1997, 207 = NWVBl 1996, 489 = Gemeindehaushalt 1998, 42, vom 14.6.1995 - 22 A 2742/94 -, NWVBl 1996, 12 = HSGZ 1996, 129, vom 18.5.1993, a.a.O. und vom 24.3.1987 - 22 A 893/85 -, OVGE MüLü 39,93 = NVwZ 1987, 1105 = NVwZ 1989, 1004.

In Anwendung dieser Grundsätze geht das Gericht davon aus, dass die Reparatur des Grundstücksanschlusses im Sonderinteresse des Klägers stand und die entstandenen Kosten dem Beklagten zu erstatten sind.

Es bedarf hierbei keiner Klärung der Frage, ob - wovon der Beklagte ausgeht - nach den örtlichen Gegebenheiten (Lage des Grundstücksanschlusses einerseits und der Telefonleitung andererseits) eine Beschädigung der Grundstücksentwässerleitung im Rahmen der Verlegung der Telefonleitung im Jahre 1994 bereits in tatsächlicher Hinsicht ausgeschlossen werden kann.

Selbst wenn dieser Vorgang - so der Vortrag des Klägers - Ursache der festgestellten Schäden am Grundstücksanschluss seien sollte, wäre die Stadt I. hierfür nicht verantwortlich. Dass die Verlegung der Telefonleitung nicht durch die Stadt I. durchgeführt oder von ihr in Auftrag gegeben wurde, wird auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen. Mit der Beseitigung des Schadens ist die Stadt I. deshalb keiner ihr dem Anschlussnehmer gegenüber obliegenden Pflicht zur Schadens- oder Folgenbeseitigung nachgekommen. Für durch die bauausführende Firma entstandene Schäden ist die Stadt I. auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer unterlassenen Aufsichts- bzw. Überwachungspflicht verantwortlich. Die Überwachung und Beaufsichtigung der bausausführenden Firma oblag grundsätzlich dem Auftraggeber, hier der Deutschen Telekom, die zur Verlegung der Telefonleitung im Jahre 1994 auf Grund des zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen § 1 des Telegrafenwegegesetzes vom 24.4.1991 (BGBL 1991, 1053) ohne Zustimmung des Trägers der Straßenbaulast, hier der Stadt I. , berechtigt war (vgl. jetzt aber § 50 Abs. 3 Satz 1 TKG).

Die Stadt I. ist hierzu auch nicht deshalb verpflichtet, weil der den Schaden möglicherweise verursachende Vorgang zwar ohne ihre Mitwirkung entstanden, sich aber im öffentlichen Verkehrsraum ereignet hat und der Gemeinde angesichts der größeren Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten Dritter im öffentlichen Verkehrsraum besondere Überwachungspflichten obliegen. Aus dem Kanalbenutzungsverhältnis ist sie allenfalls verpflichtet, Informationen über potenzielle Schädiger an den Anschlussnehmer weiterzugeben. Einstandspflichten für schadensverursachende Handlungen Dritter obliegen ihr dagegen nicht.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.10.1997, a.a.O. mit weiteren Nachweisen auf die Rechtsprechung des BVerwG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.






VG Minden:
Urteil v. 26.05.2004
Az: 11 K 2344/01


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