Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Januar 2003
Aktenzeichen: 17 W (pat) 16/02

(BPatG: Beschluss v. 28.01.2003, Az.: 17 W (pat) 16/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Bezeichnung:

"Strukturierungsprogramm für eine Datenverarbeitungsanlage"

eingereicht worden.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 26. November 2001 aus den im Bescheid vom 12. Oktober 2001 genannten Grund der mangelnden Neuheit gegenüber der DE 197 46 745 A1 zurückgewiesen, nachdem der Anmelder mit Schriftsatz vom 6. November 2001 Entscheidung nach Lage der Akten beantragt hatte.

Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder Beschwerde eingelegt. Er stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2003, im übrigen die Unterlagen vom Anmeldetag (5. April 2000), hilfsweise mit Hilfsantrag bezeichneter Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2003, im übrigen die noch anzupassenden Unterlagen vom Anmeldetag (5. April 2000).

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"Datenverarbeitungsanlage mit einer Prozessoreinheit und mindestens einer Speichereinheit, einer Eingabeeinheit zum Eingeben von Daten und einer Ausgabeeinheit zum Ausgeben von Daten, wobei die Datenverarbeitungsanlage über eine bidirektionale Schnittstelle interaktiv mit dem weltweiten Internet vernetzbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass in der Speichereinheit ein Programm mit folgenden Schritten gespeichert ist:

- Zuordnen vorgegebener Daten eines eine Mehrzahl von Daten enthaltenden Datenpools zu übergeordneten Speicheradressen;

- Auswählen vorgegebener Daten des Datenpools nach Maßgabe eines frei wählbaren Eingabecodes, der entsprechend der übergeordneten Speicheradressen geordnet ist."

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag lautet:

"Datenverarbeitungsanlage mit einer Prozessoreinheit und mindestens einer Speichereinheit, einer Eingabeeinheit zum Eingeben von Daten und einer Ausgabeeinheit zum Ausgeben von Daten, wobei die Datenverarbeitungsanlage über eine bidirektionale Schnittstelle interaktiv mit dem weltweiten Internet vernetzbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass in der Speichereinheit ein Programm mit folgenden Schritten gespeichert ist:

- Zuordnen vorgegebener Daten eines eine Mehrzahl von Daten enthaltenden Datenpools zu übergeordneten Speicheradressen;

- Auswählen vorgegebener Daten des Datenpools nach Maßgabe eines frei wählbaren Eingabecodes, der entsprechend der übergeordneten Speicheradressen geordnet ist, wobei die unterschiedlichen übergeordneten Speicheradressen durch Links miteinander verbunden sind."

Der Anmelder führt zur Begründung seiner Beschwerde aus, dass über das Internet vernetzte Datenverarbeitungsanlagen den Nachteil hätten, dass sich bei Suchanfragen nur mit großem Aufwand ein geografischer Bezug zu den aufgefundenen Daten herstellen lasse. So gestalte es sich bspw schwierig, bei der Suche nach Hotels im Internet diejenigen herauszufinden, die sich in einer bestimmten Stadt befänden. Dieser Nachteil solle mit der Datenverarbeitungsanlage gemäß dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag beseitigt werden. Hierzu werde vorgeschlagen, den Daten des Datenpools in der Datenverarbeitungsanlage eines Informationsanbieters übergeordnete Speicheradressen zuzuordnen, die bspw nach geografischen Regionen vergeben würden. Stelle eine andere Datenverarbeitungsanlage über das Internet eine Suchanfrage, so sei hierbei zusätzlich ein Eingabecode einzugeben. Dieser diene dazu, aus dem Datenpool der Datenverarbeitungsanlage des Informationsanbieters nur die Daten auszuwählen, deren übergeordnete Speicheradresse der gewünschten geografischen Region entspreche.

Eine solche Vorgehensweise sei durch den entgegengehaltenen Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt, so dass die beanspruchte Datenverarbeitungsanlage als patentfähig anzuerkennen sei. Gemäß dem Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag werde weiterhin ein themenbezogener Zugriff über Links vorgesehen, so dass auf einfache Weise unter verschiedenen ortsbezogenen Informationen, zB zu Verkehr, Handel oder Events, ausgewählt werden könne.

II.

Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, da der Gegenstand des nachgesuchten Patents weder in der Fassung nach Hauptantrag noch nach Hilfsantrag patentfähig ist (§§ 1 bis 5 PatG).

Zum Hauptantrag:

Der Patentanspruch 1 geht in seinem Oberbegriff von einer Datenverarbeitungsanlage aus, die einen dem Datenverarbeitungsfachmann geläufigen Aufbau aus Prozessoreinheit, Speichereinheit, Eingabeeinheit, Ausgabeeinheit und bidirektionaler Schnittstelle zum Internet aufweist.

Um bei Suchanfragen eine automatische Zuordnung von Informationsanbietern zu vorherbestimmten geografischen Regionen zu ermöglichen (vgl S 2, Abs 2 der Beschreibung), schlägt der Patentanspruch 1 vor, in der Speichereinheit der Datenverarbeitungsanlage ein Strukturierungsprogramm zu speichern, mit dem den Daten des Datenpools Speicheradressen übergeordnet werden. Es wird sonach ein zusätzliches Zugriffskriterium geschaffen, das, der gestellten Aufgabe entsprechend, einen nach geografischen Gesichtspunkten geordneten Zugriff auf die Daten des Datenpools zulässt. Erfolgt eine Suchanfrage an die Datenverarbeitungsanlage, so ist, wie im letzten Merkmal des Anspruchs 1 angegeben, zusätzlich ein Eingabecode zu übermitteln, der offenbar in Korrespondenz zu den übergeordneten Speicheradressen steht, also eine geografische Region kennzeichnet. Dieser Eingabecode bzw die korrespondierende übergeordnete Speicheradresse wird dazu verwendet, aus den zur Beantwortung der Suchanfrage in Betracht kommenden Daten diejenigen auszuwählen, die der gewünschten geografischen Region entsprechen. Ein Informationsnachfrager erhält auf diese Weise nur die Suchergebnisse aus der von ihm durch den Eingabecode vorgegeben Region. Die Arbeitsweise der beanspruchten Datenverarbeitungsanlage ist insoweit nachvollziehbar.

Die im Patentanspruch 1 angegebene Arbeitsweise einer Datenverarbeitungsanlage ist dem Datenverarbeitungsfachmann jedoch durch die Ausführungen in der Offenlegungsschrift DE 197 46 745 A1 nahegelegt.

In dieser Offenlegungsschrift ist ein digitales Kommunikationssystem erläutert, bei dem ua ein stationäres Endgerät über ein terrestrisches Kommunikationsnetz mit einem Informationsserver, dh einer Datenverarbeitungsanlage mit einem Programm, kommuniziert. Dieses Kommunikationssystem soll in der Hinsicht verbessert werden, dass es an weitere ortsspezifische Aufgabenstellungen anpassungsfähig ist (vgl Sp 1, Z 58 - 63).

Hierzu schlägt die Offenlegungsschrift vor, im stationären Endgerät eine geografische Positionsangabe (Positionsdaten) zu hinterlegen, die bei einer Informationsanfrage eines Endgeräts an den Informationsserver mit übermittelt wird. Der Informationsserver verwendet diese Positionsdaten, um unter den nachgefragten Informationen automatisch die ortsspezifisch relevanten auszuwählen und an das Endgerät zu übermitteln (vgl Patentansprüche 1 und 11 der DE 197 46 745 A1). Insoweit stimmt die Arbeitsweise des bekannten Kommunikationssystems mit der im Patentanspruch 1 angegebenen Arbeitsweise des in der Speichereinrichtung der Datenverarbeitungsanlage gespeicherten Programms überein.

Dieser Offenlegungsschrift lassen sich keine direkten Hinweise entnehmen, dass der Eingabecode frei wählbar ist. Die Anmelderin vertritt deshalb die Ansicht, dass das bekannte Kommunikationssystem die Neuheit und erfinderische Tätigkeit der beanspruchten Datenverarbeitungsanlage nicht in Frage stellen könne.

Der Auffassung des Anmelders kann zwar dahingehend gefolgt werden, dass dem bekannten Kommunikationssystem nicht unmittelbar entnommen werden kann, dass der Eingabecode beliebig frei wählbar ist, so dass die Neuheit der Datenverarbeitungsanlage nach dem Anspruch 1 anerkannt werden kann. Die Ausführungen in der Offenlegungsschrift legen dem Datenverarbeitungsfachmann eine freie Wählbarkeit des Eingabecodes jedoch nahe.

Denn in Sp 2, Z 55 - 63 der Offenlegungsschrift ist ausgeführt: "Der Benutzer kann vorzugsweise auswählen, ob er sich für lokale, regionale oder globale Informationen interessiert." Nachdem diese Auswahlmöglichkeiten ausdrücklich als "vorzugsweise" bezeichnet sind, lag es für den Fachmann nahe, auch weitere geografische Auswahlmöglichkeiten in Betracht zu ziehen, also auch einen in anderer Hinsicht frei wählbaren Eingabecode.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag des Anmelders beruht sonach nicht auf erfinderischer Tätigkeit und ist daher nicht gewährbar.

Zum Hilfsantrag:

Die Fassung des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich von der Fassung nach dem Hauptantrag durch das weitere Merkmal, dass die unterschiedlichen übergeordneten Speicheradressen durch Links miteinander verbunden sind. Seinen Angaben nach will der Anmelder damit zum Ausdruck bringen, dass dem Benutzer der Datenverarbeitungsanlage nicht nur die erläuterte Auswahl einer bestimmten geografischen Region möglich sein soll, sondern darüber hinaus eine gezielte Auswahl unter sämtlichen Daten einer Region möglich ist, bspw in einer ausgewählten Region alle ansässigen Handwerker oder Hotels ermittelt (und angezeigt) werden.

Auch eine solche Vorgehensweise liegt für den Fachmann auf dem Gebiet der Datenverarbeitung nahe. Denn dem Wissensstand dieses Fachmanns war schon vor dem Anmeldetag zumindest eine Kenntnis von Grundzügen der Programmiersprachen für die Erstellung von Webseiten des Internets, zB der HyperText Markup Language zuzurechnen. Insbesondere war diesem Fachmann bekannt, dass diese Programmiersprachen spezielle Befehle, sogenannte (Hyper-)Links umfassten, mit denen auf einfache Weise Verbindungen zu bzw Aufrufe von anderen Web-Seiten möglich sind. In der im Anspruch angegebenen Verbindung und möglichen Auswahl von aufgefundenen Internetseiten durch Links kann daher ebenfalls keine erfinderische Besonderheit erkannt werden.

Der Patentanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag des Anmelders war sonach nicht als patentfähig anzuerkennen; auch diese Fassung des Patentanspruchs 1 ist daher nicht gewährbar.

Somit war die Beschwerde des Anmelders gegen den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts zurückzuweisen.

Bertl Dr. Schmitt Prasch Schuster Fa






BPatG:
Beschluss v. 28.01.2003
Az: 17 W (pat) 16/02


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