Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 9. Mai 2000
Aktenzeichen: Ausl 88/00

(OLG Köln: Beschluss v. 09.05.2000, Az.: Ausl 88/00)

Auch die Behandlung einer Tat im Inland gemäß § 154a StPO stellt ein Auslieferungshindernis i.S. des Art. 9 EuAlÓbk dar.

Die Frage, ob ein Auslieferungshindernis i.S. des Art. 9 EuAlÓbk vorliegt, kann erst nach Rechtskraft der inländischen Entscheidung getroffen werden. Bis dahin kann Auslieferungshaft angeordnet werden.

Tenor

1.

Gegen den US-amerikanischen Staatsangehörigen K T wird die Auslieferungshaft angeordnet.

2.

Die Entscheidung über die Erklärung der Zulässigkeit der Auslieferung wird zurückgestellt.

Gründe

I.

T ist US-amerikanischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz zuletzt in Belgien, der in M/D in Großbritannien verschiedene Firmen gegründet hatte, die sich mit der Herstellung von Compact-Discs für Computer befassten. Am 31. Juli 1998 wurde er im Raum Aachen vorläufig festgenommen. Er befindet sich in dem Verfahren 30 Js 720/98 StA Aachen seit dem 1. August 1998 in Untersuchungshaft. Durch Urteil der 2. großen Wirtschaftskammer des Landgerichts Aachen (87 KLs 30 Js 720/98-19/98) vom 15. Juni 1999 wurde der Verfolgte wegen gewerbsmäßiger strafbarer Kennzeichenverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig.

Mit Verbalnote der Britischen Botschaft Berlin vom 21. Februar 2000 wird "auf Anweisung des Ministers Ihrer Majestät für Inneres" um die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung in Großbritannien ersucht. Das Auslieferungsersuchen ist "wegen betrügerischer Betriebsfortführung in zwei Fällen und wegen Fälschungen in acht Fällen" gestellt worden. Beigefügt sind ein Haftbefehl des Amtsgerichts (Magistrates' Court) der Grafschaft von D vom 2. Februar 2000 nebst angefügtem "Verzeichnis der Beschuldigungen", eine von dem Kriminalbeamten K gefertigte Sachdarstellung zu den angegebenen Straftaten sowie die nach dem Recht des Vereinigten Königreichs in Betracht kommenden Strafvorschriften.

Der Haftbefehl vom 2. Februar 2000 hat folgende Tatvorwürfe zum Gegenstand:

In dem Bericht des Kriminalbeamten K ist insoweit ausgeführt, dass den Tatvorwürfen zu 3.-7. Produktionen der Firma Q Ltd. (QL) zugrundelägen, die auf angeblichen Bestellungen einer nach Ansicht der britischen Behörden nicht existierenden Firma C Deutschland beruhten. In zeitlicher Hinsicht ist hierzu ausgeführt:

Die Produktionen hinsichtlich der Tatvorwürfe zu 8.-10. sollen durch die Firma P Ltd. hergestellt worden sein und auf einer angeblichen (nach Meinung der Strafverfolgungsbehörde in Wirklichkeit gefälschten) Bestellung der Firma N GmbH in Deutschland, unterzeichnet R. T, beruhen. Das Herstellungsdatum soll im Juli 1998 gelegen haben und sodann eine Weiterbeförderung nach Deutschland erfolgt sein.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat gem. § 19 IRG die vorläufige Festnahme des Verfolgten angeordnet. Insoweit ist gegenüber dem bestehenden Untersuchungshaftbefehl Überhaft notiert. Der Verfolgte ist am 11. April 2000 im Besein seines Beistandes vor dem Amtsgericht Aachen angehört worden. Er tritt dem Auslieferungsersuchen entgegen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter dem 17. April beantragt, gem. § 15 Abs. 1 IRG die Anordnung der Auslieferungshaft zu beschließen sowie die Auslieferung für zulässig zu erklären.

II.

Gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG ist die Auslieferungshaft anzuordnen. Hingegen kann dem weiteren Antrag, die Auslieferung für zulässig zu erklären (§ 29 IRG), derzeit noch nicht entsprochen werden.

1.

Die Anordnung der Auslieferungshaft ergeht, weil ein förmliches Auslieferungsersuchen der britischen Behörden eingegangen und die Auslieferung nicht i.S.d. § 15 Abs. 2 IRG von vornherein unzulässig ist.

a)

Zwar dürfte eine Auslieferung wegen der in dem Haftbefehl vom 2. Februar 2000 zu 1. und 2. aufgeführten Taten nicht in Betracht kommen. Der Strafbarkeit wegen Verstoßes gegen Abschnitt 458 des Gesetzes über Kapitalgesellschaften von 1985 entspricht keine - gemäß Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk erforderliche - Strafbarkeit nach deutschem Recht.

Eine beidseitige Strafbarkeit i.S.d. Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk ist jedoch wegen der in dem Haftbefehl vom 2. Februar 2000 zu 3.-10. aufgeführten Taten gegeben. Nach britischem Recht liegt ein Verstoß gegen Abschnitt 1 des Gesetzes über Fälschung und Falschmünzerei von 1981 vor; nach Abschnitt 8 (1) Buchstabe (a) bedeutet "Urkunde" auch jede Diskette. Dem entspricht nach deutschem Recht eine Strafbarkeit zwar nicht etwa nach § 267 StGB, wohl aber nach § 106 Abs. 1 UrhG (in der Alternative des Vervielfältigens eines Werkes) i.V. mit dem - in dem Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft vom 27. März 2000 isoliert angegebenen - § 108 a UrhG (gewerbsmäßiges Handeln). Dass § 106 UrhG gem. § 109 UrhG ein Antragsdelikt ist und nicht feststeht, ob seitens der geschädigten Firma N rechtzeitig ein Strafantrag gestellt worden ist, ist für das Auslieferungsverfahren unschädlich (vgl. Lagodny in Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl., § 9 IRG Rdnr. 28).

Hinsichtlich der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Art. 3 ff. EuAlÜbk ist lediglich die Anwendbarkeit der Vorschrift des Art. 9 S. 1 EuAlÜbk erörterungsbedürftig. Der Senat neigt zu der Ansicht, dass nach dieser Vorschrift die Auslieferung jedenfalls nach Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Aachen vom 15. Juni 1999 nicht bewilligt werden darf, soweit (dazu nachstehend zu 3.) die in dem britischen Haftbefehl zu 3. bis 10. aufgeführten Taten im Sinne des prozessualen Tatbegriffs des § 264 StPO mit denjenigen Taten identisch sind, die - wenn auch mit anderer rechtlicher Würdigung nur gem. § 143 Markengesetz - Gegenstand eben dieses Urteils vom 15. Juni 1999 sind.

b)

Zwar würde es nicht allein genügen, wenn die in Großbritannien hergestellten CD-Plagiate mit denjenigen identisch sind, die im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Aachen sichergestellt worden sind; Art. 9 S. 1 EuAlÜbk setzt zusätzlich voraus, dass ihre Herstellung auch (mit) Gegenstand der Aburteilung in Deutschland war. Auch war - entgegen dem Schriftsatz des Verteidigers vom 13. April 2000 - ein Verstoß gegen das Urhebergesetz nicht Gegenstand schon der Anklage vom 9. Dezember 1998 gewesen; vielmehr hatte die Staatsanwaltschaft die Ansicht vertreten, dass eine Strafbarkeit wegen Vervielfältigung i.S.d. § 106 UrhG durch Herstellung der Plagiate in Großbritannien wegen § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB ausscheide. Diese Ansicht hat dann aber die Wirtschaftsstrafkammer in der Folgezeit offensichtlich nicht geteilt. Sie hat nämlich ausweislich S. 23 des Urteils vom 15. Juni 1999 die Strafverfolgung gem. § 154 a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO (nicht: § 154 StPO, wie der Verteidiger - dem Verfolgten ungünstig - vorträgt) beschränkt, soweit in dem Verhalten des Angeklagten Gesetzesverletzungen nach dem Urhebergesetz liegen sollten. Die Formulierung "nach dem Urhebergesetz" kann auch nicht etwa so verstanden werden, als ob sie sich nur auf den mit einer Kennzeichenverletzung möglicherweise korrespondierenden § 107 UrhG bezöge; sie bezieht sich vielmehr ohne Einschränkung auf alle Strafvorschriften nach dem Urhebergesetz, also auch § 106 UrhG. Daher steht, soweit die nach dem britischen Haftbefehl zu 3.-10. in M hergestellten Compact-Discs mit denjenigen identisch sind, zu denen sich die Anklage vom 9. Dezember 1998 verhalten hat und in Bezug auf die am 15. Juni 1999 eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Markengesetz erfolgt ist, das Auslieferungshindernis konkurrierender deutscher Strafgewalt sehr wohl in Rede. Der Vorgang der Herstellung der Plagiate, ihre Einführung nach Deutschland, ihre Etikettierung unter Verstoß gegen § 143 Markengesetz und der beabsichtigte spätere Verkauf dürften sich als eine Tat i.S.d. § 264 StPO darstellen. Davon ist nicht nur die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Aachen ausgegangen, indem sie § 154a StPO angewendet hat, der sich auf einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder auf einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen durch dieselbe Tat bezieht. Auch schon der erste (am 15. September 1998 dann abgeänderte) Haftbefehl vom 1. August 1998 in dem deutschen Ermittlungsverfahren hatte die §§ 106 ff. UrhG mitaufgeführt. Selbst nach der in Frage kommenden britischen Strafvorschrift des Abschnitt 1 des Gesetzes über Fälschung und Falschmünzerei ist eine Person der Fälschung schuldig, wenn sie das Produkt mit der Absicht herstellt, eine Person dazu zu veranlassen, dass sie sie als echt akzeptiert; das spätere Inverkehrbringen des Falsifikats ist also kupiert in der subjektiven Seite dieses Tatbestands mitenthalten.

Dass die Wirtschaftsstrafkammer wegen etwaiger Verstöße gegen das Urhebergesetz nicht verurteilt hat, sondern nach § 154a StPO verfahren ist, schließt die Anwendbarkeit des Art. 9 S. 1 EuAlÜbk nicht aus. Sofern eine (allerdings rechtskräftige) Aburteilung ergangen ist, ist unerheblich, welchen Inhalt das Urteil hat, ob es auf Freispruch, Verurteilung oder Einstellung des Verfahrens lautet (Vogler in Vogler-Wilkitzki, IRG-Kommentar, § 9 Rdnr. 7). Dass die - in den Kommentierungen zu § 9 IRG und Art. 9 EuAlÜbk nicht erwähnte - Vorschrift des § 154a StPO der Einbeziehung in eine Aburteilung nach Art. 9 S. 1 EuAlÜbk genügt, dürfte sich auch im Umkehrschluss daraus ergeben, dass ein Absehen von der Strafverfolgung nach der anderweitigen Vorschrift des § 154 StPO - gerade weil hier nicht dieselbe Tat i.S.d. § 264 StPO angesprochen wird (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 97, 13; Schomburg Art. 9 EuAlÜbk Rdnr. 2 i ) - einer Auslieferung nicht entgegensteht. Im Falle konkurrierender Gerichtsbarkeit soll es bei der abschließenden tatbezogenen Beurteilung durch ein deutsches Gericht sein Bewenden haben (OLG Karlsruhe a.a.O. S. 14). Eine solche abschließende Wirkung kommt § 154 a Abs. 1 u. Abs. 2 StPO zu, weil nach Rechtskraft § 154 Abs. 3 StPO nicht mehr zu Anwendung kommen kann, sich vielmehr der Strafklageverbrauch auch auf die nach § 154a Abs. 1 u. Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Teile der Tat und Rechtsverletzungen erstreckt (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 154 a Rdnr. 28).

c)

Aber auch wenn im Sinne von b) eine Identität der dem britischen Haftbefehl zugrundeliegenden Taten mit den Vorgängen um die Kennzeichenverletzungen an Disketten, die der Verurteilung vom 15. Juni 1999 zugrundeliegen gegeben ist, ist doch die Anordnung der Auslieferungshaft nach § 15 Abs. 1 IRG möglich und geboten.

Zum einen ist Art. 9 S. 1 EuAlÜbk vorrangig gegenüber § 9 Nr. 1 IRG (OLG Karlsruhe NJW 85, 2906). Es ist also erforderlich, dass Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Aachen vom 15. Juni 1999 eintritt, ehe das Auslieferungshindernis entsteht. Solange nicht abzusehen ist, ob es zu dieser Rechtskraft kommt - statt einer Verurteilung oder eines Freispruchs nach einer etwaigen Aufhebung des Urteils durch den Bundesgerichtshof käme beispielsweise auch ein Vorgehen nach § 154 b StPO in Betracht - kann nicht von einer von vornherein gegebenen Unzulässigkeit der Auslieferung i.S.d. § 15 Abs. 2 IRG ausgegangen werden. Vielmehr muss (dazu nachstehend zu 2.) die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung vorerst lediglich zurückgestellt werden. In solch einem Fall erscheint es auch ausnahmsweise zulässig, dass ein Auslieferungshaftbefehl und ein Haftbefehl nach § 112 StPO hinsichtlich der selben Tat nebeneinander bestehen (vgl. Wilkitzki, IRG-Kommentar § 15 Rdnr. 53).

Zum anderen bedarf es auch erst noch der Klärung in tatsächlicher Hinsicht, inwieweit eine für Art. 9 S. 1 EuAlÜbk relevante Tatidentität gegeben ist. Zur Gewissheit des Senats steht sie derzeit noch nicht fest (dazu nachstehend zu

3.).

Geboten ist die Auslieferungshaft nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG deswegen, weil die Gefahr besteht, dass sich der Verfolgte - befände er sich nicht derzeit ohnehin in anderweitiger Untersuchungshaft - dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung entziehen wird. Er ist amerikanischer Staatsbürger, der Firmen u.a. in Großbritannien und in Luxemburg unterhalten hatte und somit als weltläufig angesehen werden muss. Seinen letzten Wohnsitz hatte er in Belgien. Daher besteht, wenngleich er mit einer Deutschen verheiratet ist, angesichts seiner Ablehnung einer Auslieferung nach Großbritannien die Gefahr, dass sich der Verfolgte dem Verfahren entziehen wird.

2.

Dem zweiten Antrag der Generalstaatsanwaltschaft vom 17. April 2000 kann derzeit nicht entsprochen werden. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung muss zurückgestellt werden.

Es stehen nicht nur noch Erkundigungen in tatsächlicher Hinsicht aus (dazu nachstehend zu 3). Auch schon der Umstand, dass das Urteil vom 15. Juni 1999 nicht rechtskräftig ist, hindert eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung in Ansehung des Art. 9 S. 1 EuAlÜbk. Solange die Voraussetzungen des Auslieferungshindernisses des Art. 9 EuAlÜbk mangels Rechtskraft des Urteils nicht vollständig erfüllt sind, entfaltet das Urteil vom 15. Juni 1999 dennoch eine vorläufige auslieferungsrechtliche Wirkung (OLG Karlsruhe NJW 85, 2906). Denn Art. 9 EuAlÜbk ist mit einem gerichtlichen Straferkenntnis jedenfalls in seiner wesentlichen tatbestandlichen Voraussetzung erfüllt, in seiner Rechtswirkung dagegen lediglich aufschiebend bedingt. Die Möglichkeit eines jederzeitigen Bedingungseintritts mit der Folge einer absoluten Unzulässigkeit der Auslieferung steht daher derzeit einer Zulässigkeit der Auslieferung entgegen (OLG Karlsruhe a.a.O.). Der vorgenannten Ansicht des OLG Karlsruhe schließt sich der Senat an, ohne dass es eine Auseinandersetzung mit den insoweit zweifelnden Gründen der Entscheidung des OLG Düsseldorf StV 97, 367 bedarf, die § 33 Abs. 1 IRG entsprechend angewendet wissen will. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf betrifft - da dort zuvor bereits über die Zulässigkeit der Auslieferung befunden worden war - eine andere Fallgestaltung. Es ist daher auch eine Anrufung des Bundesgerichtshofs nach § 42 IRG nicht geboten.

3.

Die Ausführungen oben zu 1. erfolgten im Hinblick auf die naheliegende und von dem Verteidiger auch ausdrücklich behauptete Tatidentität im prozessualen Sinne der Taten zu 3.-10. des Haftbefehls vom 2. Februar 2000 mit denjenigen, die Gegenstand der Aburteilung der vom 15. Juni 1999 sind. Gesichert ist diese Identität (bzw. die Identität der in Deutschland sichergestellten CD's mit den in dem britischen Haftbefehl bezeichneten CD's aber noch nicht, da sich schon die Mengenangaben dieses Haftbefehls (10.000 Stück etc.) von denen in der Anklageschrift vom 9. Dezember 1998 zu den dortigen Fällen 1-3 (25 Kartons à 116 CD's etc.) unterscheiden. Die Verteidigung geht davon aus, dass die Taten zu 3.-7. des britischen Haftbefehls "im Ergebnis" (€) mit denjenigen Produkten übereinstimmen, die im Lager in L sichergestellt wurden; es könnte dies also die in der deutschen Anklageschrift zu 1. aufgeführten CD's betreffen. Die zu 8.-10. angeführten Produkte hingegen seien im Speditionslager "in Aachen" (gemeint: T€) sichergestellt worden; zu solchen könnte sich die Anklage zu 2. verhalten.

a)

Es bedarf der Klärung, ob sämtliche Produkte, die nach Ziffern 3.-7. einerseits und 8.-10. andererseits des Haftbefehls vom 2. Februar 2000 in M hergestellt wurden, diejenigen sind, in Bezug auf welche ein Verstoß gegen das Markengesetz angeklagt und abgeurteilt worden ist.

Hinsichtlich der Fälle 3.-7. des britischen Haftbefehls soll es sich nach der von den britischen Behörden gelieferten Sachdarstellung zwar auch um (angebliche) N-Produkte - hergestellt bei der Firma Q Ltd., die auch auf S. 2 oben der Anklage vom 9. Dezember 1998 mitangeführt ist - gehandelt haben, aber um solche, denen Bestellungen einer Firma C Deutschland vorangegangen waren. Andererseits ist die Staatsanwaltschaft Aachen in ihrer Abschlussverfügung vom 9. Dezember 1998 "bezüglich der sogenannten C-Produkte" nach § 154 Abs. 1 StPO verfahren. Da aus § 154 StPO kein Auslieferungshindernis abzuleiten wäre, wird bei der Staatsanwaltschaft Aachen anzufragen sein, was hiermit gemeint war: Waren die nach § 154 StPO behandelten "C-Produkte" diejenigen N-CD's, die auf Bestellungen der Firma C vom 17. Juli 1997 bis 30. Januar 1998 (Bl. 116 d.A.) zurückgingen oder betraf diese Teileinstellung nur anderweitige frühere Fertigungen, die in dem Sachbericht des Kriminalbeamten K als "C Draw Produkte" bezeichnet wurden€

Hinsichtlich der Fälle 8.-10. des britischen Haftbefehls könnte für die Tatidentität sprechen, dass es nach dem Sachbericht des Kriminalbeamten K um Waren auf angebliche Bestellung per Fax der N Deutschland GmbH geht; dieses Fax findet auch in Anklage und Urteil in den deutschen Verfahren Erwähnung. Andererseits fällt auf, dass die Anklage vom 9. Dezember 1998 auf S. 2 oben zu den Fällen 1.-3. als Hersteller nur die Firmen Q und O Press nennt, nicht aber die Firma P, die nach dem britischen Haftbefehl der Hersteller war. Allerdings wird aber auch die Firma P auf S. 19 der Anklageschrift als Hersteller der "beschlagnahmten Raubkopien" sehr wohl genannt; ebenso in dem Urteil vom 15. Juni 1999 (S. 9; S. 24 zu Beweisantrag 14). Ob und in welchem Umfang die bei der Firma P hergestellten Compact Discs mit den in der Anklage zu Fall 2 (auch: Fall 3€) aufgeführten Produkten identisch sind, dürfte sich ebenfalls durch die Staatsanwaltschaft Aachen beantworten lassen; ebenso die Frage, ob die nach den britischen Tatvorwürfen erst im Juli 1998 gefertigte Produkte so kurzfristig noch in die Container in T (Fall 2 der Anklage) gelangen konnten oder (nur€) in dem LKW am 31. Juli 1998 (Fall 3 der Anklage) sichergestellt wurden.

b)

Die Generalstaatsanwaltschaft wird gebeten, zu den unter a) bezeichneten Fragen eine dienstliche Äußerung der sachbearbeitende Dezernentin der Staatsanwaltschaft Aachen einzuholen.

Ferner wird gebeten, zur Vervollständigung der dem Senat vorliegenden Unterlagen aus dem Verfahren 30 Js 720/98 StA Aachen folgende Schriftstücke in Ablichtung einzufordern:

Haftbefehl des Amtsgerichts Aachen vom 1. August 1998 und Haftbefehl des Amtsgerichts Aachen vom 15. September 1998 (die vorliegenden Exemplare sind unvollständig bzw. unleserlich);

Schlussbericht der Zollfahndung vom 26. November 1998 (welcher der Anklageerhebung vorangegangen war).






OLG Köln:
Beschluss v. 09.05.2000
Az: Ausl 88/00


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