Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. September 2007
Aktenzeichen: 17 W (pat) 63/04

(BPatG: Beschluss v. 18.09.2007, Az.: 17 W (pat) 63/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 H des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. April 2004 aufgehoben und die Sache unter Zugrundelegung der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Unterlagen zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist am 6. April 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden unter der Bezeichnung:

"Elektrisches Schaltgerät, umstellbar von Tast- auf Schaltbetrieb".

Sie wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 H des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. April 2004 mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht erfinderisch.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 21. Mai 2004. In der mündlichen Verhandlung legt sie neue Patentansprüche und eine angepasste Beschreibung vor und beantragt, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 7 und Beschreibung Seiten 1 bis 3, 3a, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 4 bis 8 vom Anmeldetag, 7 Blatt Zeichnungen mit 13 Figuren vom 24. April 2001, eingegangen am 25. April 2001.

Sie trägt vor, dass das nunmehr geltende Patentbegehren durch den vorliegenden Stand der Technik nicht vorweggenommen und auch nicht nahegelegt sei.

Die geltenden Patentansprüche, eingegangen in der mündlichen Verhandlung, lauten:

"1. Elektrisches Schaltgerät (6), das durch einen von außen zugänglichen Funktionsschalter (1) umstellbar ist zwischen den Funktionen Tastbetrieb und Schaltbetrieb von Schaltkontakten, wobei diese durch einen Stößel (7) über eine Wirkungskette von Hand zu betätigen sind, in der der Funktionsschalter (1) angeordnet ist, bei dem in eine Kulissenführung (2) ein Zapfen (3) eingreift, der im Tastbetrieb frei durchgleiten kann und bei Verdrehen in den Schaltbetrieb in einer Raststellung verrastet, wobei er durch erneutes Drücken aus der Verrastung wieder frei kommt, dadurch gekennzeichnet,

- dass die Kulissenführung (2) an einem vom Stößel (7) betätigten Schieber (4) ausgebildet ist und der Zapfen (3) in einem von außen zugänglichen Drehteller (5) geführt ist, der an einer auch bei Anreihung von Schaltgeräten frei bleibenden Seite angeordnet ist,

- dass der Schieber (4) mit der Kulissenführung (2) zumindest eine Kopplungsstelle (17) zu einem Tragkörper (19) für Kontakte aufweist, wobei der Tragkörper (19) Aufnahmen (20) für Kontaktbänder (21) mit Kontaktstücken (22) bildet,

- und dass die Kontaktbänder (21) nach Art von T-Kontakten ausgebildet und endständig hochgekröpft sind, wobei die Kontaktbänder (21) in hochgekröpfter Einbaulage oder umgedreht und abwärts gekröpft in die Aufnahmen (20) einlegbar sind, wobei Anordnung der Aufnahmen (20) und Ausmaß der Kröpfung des Kontaktbandes (20) auf die Kulissenführung (2) derart abgestimmt sind, dass sowohl Öffner-Kontakte als auch mit umgedrehten Kontaktbändern (21) Schließer-Kontakte zu bilden sind.

2. Schaltgerät nach Anspruch 1 in der Ausführung als sogenanntes Reiheneinbaugerät mit dem Profil von Leitungsschutzschaltern in Schmalbauweise, dadurch gekennzeichnet, dass der Drehteller (5) des Funktionsschalter (1) an einer Geräteschmalseite angeordnet ist.

3. Schaltgerät nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass als Zapfen (3) ein im Schaltgerät ohnehin verwendeter Kontaktniet zum Bilden von Kontaktstücken (22) dient.

4. Schaltgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Verschwenkweg des Drehtellers (5) 180¡ in einer Kreishälfte beträgt.

5. Schaltgerät nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest eine Führungsnase (14) am Drehteller (5) dessen Verdrehen bei begonnener Stößelbewegung durch Eingriff in eine Führungsnut (15; 16) am Schieber (4) verhindert.

6. Schaltgerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Tragkörper (19) derart flach ausgebildet sind, dass zwei Tragkörper übereinander zu liegen kommen, wobei der eine Tragkörper in einen Schieber (4) einhängbar ist und der andere Tragkörper in einem seitlich gegenüberliegend angeordneten Schieber eines weiteren Funktionsschalters.

7. Schaltgerät nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass Anschlüsse zu Kontakten in zwei Ebenen bezogen auf eine Einbauebene angeordnet sind und der Stößel (7) mit einer Lampe (27) versehen ist, die im Stromkreis von zwei benachbarten Anschlussklemmen einer Ebene angeschlossen ist."

Diesen Ansprüchen soll die Aufgabe zugrundeliegen, ein Schaltgerät mit Funktionsschalter so weiterzuentwickeln, dass der Funktionsschalter auch bei angereihten Geräten zugänglich bleibt, und dass das Schaltgerät in einfacher Weise wahlweise derart zusammengebaut werden kann, dass beim Drücken eines Stößels ein Schaltkontakt geöffnet oder geschlossen wird (siehe geltende Beschreibung Seite 2 Abs. 2).

Bezüglich der übrigen Unterlagen wird auf die Akte verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PatG.

1. Die Anmeldung betrifft ein elektrisches Schaltgerät, das wahlweise im Tastbetrieb (d. h. als Drucktaster, der nach Wegnehmen der Betätigungskraft wieder in seine Ausgangsstellung zurückkehrt) oder im Schaltbetrieb (d. h. als Schalter, der nach Wegnehmen der Betätigungskraft in einer Aktivstellung verrastet und erst nach erneuter Betätigung wieder in seine Ausgangsstellung zurückkehrt) betätigt werden kann. Die Festlegung der gewünschten Funktion erfolgt durch einen von außen zugänglichen Funktions-Umstell-Schalter. Wenn ein solches Schaltgerät als sog. Reiheneinbaugerät auf einer Tragschiene montierbar sein soll, muss der Funktions-Umstell-Schalter zugänglich bleiben, auch wenn mehrere Geräte aneinandergereiht sind. Darüber hinaus ist es erwünscht, dass beim Zusammenbau eines solchen Schaltgerätes die gewünschte Kontaktfunktion (Öffner: Kontakte in Ruhestellung geschlossen, oder Schließer: Kontakte in Ruhestellung geöffnet) auf einfache Weise festgelegt werden kann.

Die Lösung gelingt durch die Maßnahmen nach Patentanspruch 1: dass nämlich bei einem solchen Schaltgerät einerseits der Funktions-Umstell-Schalter an einer auch bei Anreihung von Schaltgeräten frei bleibenden Seite angeordnet ist, und dass andererseits ein Tragkörper für die Schaltkontakte vorgesehen ist, in den gekröpfte Kontaktbänder eingelegt werden, welche in hochgekröpfter Einbaulage oder umgedreht abwärts gekröpft einlegbar sind, so dass durch die Einbaulage die gewünschte Kontaktfunktion (Öffner oder Schließer) sehr einfach bestimmt werden kann.

Als Fachmann für die genannte Aufgabenstellung ist ein Entwicklungsingenieur (FH) oder Techniker mit langjähriger Berufserfahrung in der elektromechanischen Konstruktion anzusehen.

2. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig.

Der neue Patentanspruch 1 ergibt sich aus dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1, so wie er dem Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle zugrundelag, nunmehr ergänzt um die Merkmale der ursprünglichen Unteransprüche 6, 7 und 8. Die neuen Unteransprüche 2 bis 7 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 5 und 9, 10, wobei in den letzten drei Ansprüchen lediglich eine geringfügige Klarstellung bzw. Anpassung der Rückbeziehungen vorgenommen wurde.

Die Ansprüche geben - im Falle des Unteranspruchs 6 zumindest bei Zuhilfenahme der Beschreibung und der Zeichnungen - klar verständlich an, was unter Schutz gestellt werden soll, und ihre Lehre ist in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist durch die im bisherigen Verfahren entgegengehaltenen Druckschriften:

D1 EP 0 676 780 B1 (dazu die ebenfalls vorveröffentlichte deutsche Übersetzung: DE 695 03 413 T2)

D2 EP 0 040 130 A1 D3 DE 689 11 431 T2 nicht neuheitsschädlich vorbekannt und wird dem Fachmann durch sie auch nicht nahegelegt.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle vom 15. April 2004 Bezug genommen. Wie dort auch nach Überzeugung des Senats korrekt ausgeführt, gelangt der Fachmann zwar ausgehend von D1 durch naheliegende Überlegungen ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des ursprünglichen Patentanspruchs 1.

Jedoch gehen die in den geltenden Patentanspruch 1 zusätzlich aufgenommenen Merkmale der ursprünglichen Unteransprüche 6, 7 und 8 aus keinem der genannten Dokumente hervor: keines befasst sich mit dem wahlweisen Zusammenbau eines Schalters zu einem Öffner oder einem Schließer.

4. Damit liegen die - an sich sachgerechten - Gründe für den Zurückweisungsbeschluss nicht mehr vor.

Da aber andererseits die zusätzlichen Merkmale bisher ersichtlich nicht Gegenstand des Prüfungsverfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt waren, erscheint eine Patenterteilung durch den Senat gegenwärtig nicht angemessen; vielmehr ist eine weitere Sachaufklärung notwendig.

Die Anmeldung war daher, auch um der Anmelderin keine Tatsacheninstanz zu nehmen, zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

Dr. Fritsch Eder Baumgardt Dr. Thum-Rung Fa






BPatG:
Beschluss v. 18.09.2007
Az: 17 W (pat) 63/04


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