Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. März 2005
Aktenzeichen: 11 W (pat) 368/03

(BPatG: Beschluss v. 03.03.2005, Az.: 11 W (pat) 368/03)

Tenor

Auf den Einspruch wird das Patent 101 34 776 widerrufen.

Gründe

I.

Das Patent 101 34 776 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung metallischer nichtrotationssymmetrischer Ringe mit über den Umfang konstanter Wanddicke, sowie Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens" ist am 06. Juli 2001 unter in Anspruchnahme der inneren Priorität 100 34 937.4 vom 12. Juli 2000 beim deutschen Patentamt angemeldet und seine Patenterteilung am 24. April 2003 veröffentlicht worden. Gegen das Patent ist am 7. Mai 2003 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig sei.

Zum Stand der Technik hat die Einsprechende folgende Druckschriften genannt:

DE 25 46 802 A1 (A) = (G)

DE 100 05 690 A1 (B) = nachveröffentlicht DE 199 09 184 A1 (C) = nachveröffentlicht DE 195 26 900 A1 (D)

WO 88/00643 A1 (E) = (I)

WO 96/27 460 A1 (F)

GB 1 530 519 (G) = (A)

DE 197 34 563 C1 (H)

EP 0 313 565 A1 (I) = (E).

Die Einsprechende beantragt, das angegriffene Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten.

Die Patentinhaberin begründet ihren Antrag damit, dass das Verfahren nach dem erteilten Anspruch 1 und die Vorrichtung nach dem erteilten Anspruch 23 gegenüber dem genannten Stand der Technik sowohl neu als auch erfinderisch seien. Sie weist daraufhin, dass die DE 100 05 690 A1 (B) und die DE 199 09 184 A1 (C) nachveröffentlicht seien und die Schrift (G) wie (A) sowie die Schrift (I) wie (E) seien. Die Einsprechende greife mit den verbleibenden Entgegenhaltungen nur mosaikartig Einzelmerkmale, nicht aber die Merkmals-Kombination der Ansprüche an. Die Entgegenhaltungen beträfen andersartige Gegenstände sowie Verfahren und könnten diejenigen der Ansprüche 1 und 23 nicht nahe legen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Nr. 1 u Satz 2 bis 4 PatG durch den Technischen Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig.

3. Der Einspruch ist begründet.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Verfahren zur Herstellung metallischer nichtrotationssymmetrischer Ringe mit über den Umfang konstanter Wanddicke, insbesondere Nockenringe, ausgehend von einem warmgewalzten Stahlrohr, von dem einzelne Abschnitte abgetrennt, mechanisch bearbeitet, anschließend gehärtet und angelassen werden, dadurch gekennzeichnet, dass vom Rohr (1) gleich breite Rohringe (4) abgetrennt, danach allseits mechanisch bearbeitet werden und die von der Rotationssymmetrie abweichende Form durch eine Kaltumformung hergestellt wird, wobei das Rohr (1) oder der abgetrennte Rohring (4) ein für eine Kaltumformung geeignetes Gefüge aufweist."

Diesem Anspruch 1 folgen die rückbezogenen Ansprüche 2 - 22.

Der erteilte nebengeordnete Anspruch 23 lautet:

"Vorrichtung zur Durchführung der Kaltumformung nach Anspruch 1 mit einem zwei Formbacken aufweisenden Formwerkzeug, dessen Innenkontur der Fertigkontur des nichtrotationssymmetrischen Ringes (17) angenähert ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Innenkontur (16.1, 16.1«) einer Formbacke (15.1, 15.1«) etwa einem Halbkreis und die Innenkontur (16.2, 16.2«) der zusammenwirkenden zweiten Formbacke (15.2,15.2«) in etwa einem Trapez entspricht und die Höhe des Trapezes größer ist als der Radius des Halbkreises der ersten Formbacke (15.1,15.1«)."

Diesem Anspruch 23 folgen die rückbezogenen Ansprüche 24 - 28.

Dem Patent liegt sinngemäß die Aufgabe zugrunde, gattungsgemäße Ringe mit geringerem Materialeinsatz und kürzeren Taktzeiten herzustellen.

Fachmann ist zumindest ein Fachhochschul-Ingenieur des Maschinenbaus mit Kenntnissen und Erfahrung in der Herstellung von rotationsunsymmetrischen Stahl-Ringen wie Nockenringen.

Die erteilten Ansprüche 1 bis 28 sind zulässig.

Sie entsprechen i.W. den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1- 28.

Das Verfahren nach dem erteilten Anspruch 1 mag zwar neu sein, beruht aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Aus der von der Patentinhaberin stammenden, in Sp 2, Z 13-15, der Streitpatentschrift genannten DE 197 34 563 C1 (H) ist bereits ein Verfahren zur Herstellung von Wälzlagerringen aus Stahl bekannt, das die meisten der Merkmale des Anspruchs 1 aufweist. Nach (H), Sp 2, Z 47 - 55, und Sp 3, Z 66 bis Sp 4, Z 56) werden bei ähnlicher Zielsetzung von einem warmgewalzten Stahlrohr einzelne Abschnitte als gleichbreite Ringe mit über den Umfang konstanter Wanddicke (Sp 4, Z 4 und Fig. 3) abgetrennt, durch Drehen oder Stanzen bzw. Fertigschleifen (Sp 3, Z 9 - 21) allseits (vgl. auch Sp 4, Z 47 - 56) mechanisch bearbeitet, anschließend gehärtet und angelassen (Sp 3, Z 32 - 41), wobei das Gefüge für eine Weiterverarbeitung wie Kaltumformung geeignet ist (Sp 4, Z 4 - 10).

Davon unterscheidet sich das erfindungsgemäße Verfahren nach Anspruch 1 nur dadurch, dass die von der Rotationssymmetrie abweichende Ringform, üblicherweise als Nockenring bezeichnet, durch eine Kaltumformung hergestellt wird. Derartiges ist dem Fachmann aber bereits aus der EP 0 313 565 A1 (I) = (E), Sp 8, Z46 - 54, bekannt. Dort ist ein Verfahren beschrieben, bei dem Ringe mit hohler, kreisförmiger Querschnittsform durch Kaltumformen (vergl. Anspruch 2) mittels zweier Formbacken in das gewünschte Nockenprofil gepresst werden (Fig 4 - 8). Dass beim Umformen dieser Ringe zu einem Nockenring zugleich eine im Ringinneren befindliche rohrförmige Welle mitverformt wird, um mit diesem einzigen Umformschritt herstellungsgünstig eine verdrehsichere Befestigung des Nockenringes auf der Hohlwelle zu erhalten, hält den Fachmann nicht davon ab, dieses Verfahren auch zur Herstellung von Nockenringen ohne eine eingeschobene Hohlwelle anzuwenden. Dazu braucht der Fachmann keine besonderen Überlegungen anzustellen oder gar Änderungen am Verfahrensablauf des Kaltumformens vorzunehmen. Er kann bei Bedarf oder Wunsch die rohrförmige Innenwelle 10 einfach weglassen, um zu unverbundenen Einzelringen nichtrotationssymmetrischer Kontur zu kommen, was für den Fachmann offensichtlich ist.

Für den Fachmann liegt es somit nahe, ausgehend von der Ringherstellung nach (H) in Zusammenschau mit dem aus (I) bekannten Kaltumformen kreisförmiger Ringe in Nockenringe zum erfindungsgemäßen Verfahren zu gelangen. Erfinderischen Zutuns bedarf es dazu nicht.

Daher hat der erteilte Anspruch 1 keinen Bestand.

Dies trifft auch auf den nebengeordneten Anspruch 23 zu, der eine Vorrichtung zur Kaltumformung nach dem Verfahren gemäß Anspruch 1 betrifft. Aus (I), Fig 4 - 5 iVm der zugehörigen Beschreibung ist bereits eine Vorrichtung mit den wesentlichen Merkmalen nach Anspruch 23 zu entnehmen. Davon unterscheidet sich der Gegenstand nach Anspruch 23 nur durch die Ausgestaltung der zweiten Formbacke als sog. Trapez, was einen Abbau von Spannungen während der Kaltumformung durch Schaffung eines Freiraums bewirken soll. Ob dieser Freiraum trapezähnlich ist oder etwas anders gestaltet, hat keinen Einfluss auf den Spannungsabbau. Es muß nur überhaupt ein Freiraum vorhanden sein, wie zum Beispiel auch nach (I), Fig 6, 7 und 8. Die weitere Angabe im Anspruch 23, dass die Trapezhöhe als Mittelpunktsabstand der Formbackeninnenkontur größer als der Radius der ersten Formbacke ist, ist für den Fachmann selbstverständlich, da sonst keine Nocke, also kein Ring mit einer den Grundkreis überragenden Erhebung entsteht. Im Übrigen sind aus (I), Fig 6 - 8, bereits Vorbilder bekannt, Formbacken mit einem Freiraum zum Spannungsabbau zu gestalten. Ein z.B. als trapezförmig gestalteter bzw. bezeichneter Freiraum zwischen der Formbackeninnenkontur und der Nockenform stellt nur eine im konstruktiven Belieben des Fachmannes liegende Maßnahme zur Schaffung eines Freiraumes dar, die er ohne erfinderisches Zutun ausführt.

Daher hat auch der erteilte Anspruch 23 keinen Bestand.

Die Ansprüche 2 - 22 sowie 24 - 28 fallen ebenfalls, da sie Bestandteil des einzigen Antrags sind (BGH GRUR 1997, 120, 122 - Elektrisches Speicherheizgerät).

Aus diesen Gründen ist das Patent zu widerrufen.

Dr. Henkel Skribanowitzv. Zglinitzki Harrer Bb






BPatG:
Beschluss v. 03.03.2005
Az: 11 W (pat) 368/03


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