Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Dezember 2007
Aktenzeichen: 25 W (pat) 83/05

(BPatG: Beschluss v. 03.12.2007, Az.: 25 W (pat) 83/05)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Januar 2003 und vom 12. Januar 2005 aufgehoben. Der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 387 175 wird zurückgewiesen.

2. Die Rückzahlung einer Beschwerdegebühr in Höhe von 200 Euro wird angeordnet.

Gründe

I.

Die am 22. Oktober 1999 angemeldete Marke AMBRAX ist am 3. Februar 2000 unter der Nummer 399 66 040 in das Markenregister eingetragen worden und nunmehr noch für die Waren

"Apothekenpflichtige Arzneimittel, nämlich homöopathische Mittel bei nervösen Störungen bei Frauen"

geschützt.

Die Inhaberin der am 11. November 1999 für die Waren

"Ein spezielles Arzneimittel zur Neutralisation von gastrischer Hyperazidität"

eingetragenen Gemeinschaftsmarke 387 175 ALMAX hat dagegen Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 5 des DPMA hat mit Beschluss vom 10. Januar 2003 durch einen Prüfer des höheren Dienstes die angegriffene Marke aufgrund des Widerspruchs gelöscht. Es sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "ALMAX" und einer zumindest mittleren Ähnlichkeit der Waren auszugehen. Da sich die angegriffene Wortmarke "AMBRAX" und die Widerspruchsmarke "ALMAX" nach dem klanglichen Gesamteindruck verwechselbar nahe kämen, bestünde eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Dieser wurde den Beteiligten am 17. Januar 2003 mit falscher Rechtsmittelbelehrung zugestellt, nämlich dass dagegen die Erinnerung statthaft sei.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat dementsprechend gegen den Erstprüferbeschluss Erinnerung eingelegt, welche am 6. Februar 2003 beim Amt eingegangen ist. Die Gebühr in Höhe von ... Euro wurde mit Einzugsermächtigung entrichtet.

Mit Beschluss vom 12. Januar 2005, zugestellt am 18. Januar 2005, hat die Markenstelle für Klasse 5 des DPMA durch eine Prüferin des höheren Dienstes die Erinnerung als unzulässig zurückgewiesen, da wegen der unterschiedlichen Gebühren die unzulässige Erinnerung auch nicht in eine Beschwerde umgedeutet werden könne.

Mit Eingabe vom 3. Februar 2005 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke sowohl bezüglich der Beschwerdeerhebung gegen den ursprünglichen Beschluss vom 10. Januar 2003 als auch bezüglich der Einzahlung von Beschwerdegebühren Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und gegen den Erstprüferbeschluss ausdrücklich Beschwerde erhoben sowie den Differenzbetrag von ... Euro zwischen der Erinnerungs- und der Beschwerdegebühr entrichtet. Zusätzlich hat die Inhaberin der angegriffenen Marke gegen den Erinnerungsbeschluss Beschwerde eingelegt und zusätzlich eine Beschwerdegebühr von ... Euro entrichtet.

Der Senat hat am 20. Juli 2007 den Beteiligten mitgeteilt, dass eine Umdeutung der Erinnerung vom 5. Februar 2003 gegen den Erstprüferbeschluss in eine Beschwerde in Betracht komme und in diesem Fall gegebenenfalls in der Sache zu entscheiden sei.

Die Beschwerdeführerin hat sich dieser Auffassung angeschlossen. In der Sache haben sich die Beteiligen nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

1. Die unzulässige Erinnerung vom 5. Februar 2003 gegen den Erstprüferbeschluss der Markenstelle des DPMA vom 10. Januar 2003 ist in eine Beschwerde umzudeuten (§ 140 BGB entsprechend).

Gegen einen von einem Prüfer des höheren Dienstes erlassen Beschluss ist nur die Beschwerde statthaft (§ 66 Abs. 1 MarkenG), so dass die eingelegte Erinnerung unzulässig ist. Da die unzulässige Erinnerung in eine Beschwerde umgedeutet werden kann, ist es unschädlich, dass die Beschwerde gegen den Erstprüferbeschluss vom 10. Januar 2003 (Eingang am 5. Februar 2005) verfristet ist, da die infolge falscher Rechtsmittelbelehrung bestehende Jahresfrist (vgl. § 61 Abs. 2 Satz 3 MarkenG) am 17. Januar 2004 ablief und auch eine Wiedereinsetzung in die Jahresfrist am 5. Februar 2005 nicht mehr möglich war (§ 91 Abs. 5 MarkenG).

Diese Umdeutung der Erinnerung entspricht dem maßgeblichen Parteiwillen, denn durch Einlegung der Erinnerung hat die Widersprechende zum Ausdruck gebracht, dass sie die Aufhebung des Beschlusses der Markenstelle verfolgt. Auch ist die Beschwerde ebenso wie die Erinnerung beim Patentamt einzulegen. Eine Umdeutung ist auch nicht wegen schützenswerter Interessen Dritter ausgeschlossen, denn der Inhaberin der älteren Marke war von Anfang an bekannt, dass die Inhaberin der jüngeren Marke den Erstprüferbeschluss angreift. Die Beteiligten wurden von der Markenstelle erst mit Erinnerungsbeschluss vom 12. Januar 2005 auf die Unzulässigkeit der Erinnerung hingewiesen.

Auch dass zunächst innerhalb der Jahresfrist nach § 61 Abs. 2 Satz 3 MarkenG nur eine Erinnerungsgebühr von ... Euro entrichtet wurde, hindert nicht, die Erinnerung in eine Beschwerde umzudeuten. Die Beschwerdegebühr beträgt zwar ... Euro. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Jahresfrist des § 61 Abs. 2 Satz 3 MarkenG nur die Einlegung der Beschwerde selbst betrifft, nicht die Entrichtung der Beschwerdegebühr (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. § 61 Rdn. 16; BPatGE 23, 61). Durch Nachzahlung der Differenz zwischen Erinnerungs- und Beschwerdegebühr in Höhe von ... Euro im Februar 2005 sind alle Voraussetzungen einer Umdeutung erfüllt.

2. Der Rechtsbehelf der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache Erfolg, da keine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, 238 - PICASSO; GRUR 1998, 387, 389 f -Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr, wobei ein geringerer Grad eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen ausgeglichen werden kann (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 26).

Nach Erlass des Erstprüferbeschlusses hat die Inhaberin der angegriffenen Marke das Warenverzeichnis auf "apothekenpflichtige Arzneimittel, nämlich homöopathische Mittel bei nervösen Störungen bei Frauen" eingeschränkt. Auch wenn damit eine Begegnung der Marken bei Laien ohne Einschaltung des Fachverkehrs nicht ausgeschlossen wird, bewirkt die "Apothekenpflichtigkeit" des Arzneimittels, dass verstärkt Apotheker, die Kennzeichnungen mit größerer Aufmerksamkeit begegnen als Laien, als Fachverkehr zu den beteiligten Verkehrskreisen zählen.

Doch selbst für Laien besteht keine Verwechslungsgefahr. Denn es ist auch bei diesen nicht nur auf die flüchtige Wahrnehmung abzustellen, sondern auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der jeweiligen Waren (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 113). Zudem sind Laien bei Waren, die den Gesundheitsbereich betreffen, aufmerksamer als bei vielen Produkten des täglichen Lebens.

Die sich gegenüber stehenden Arzneimittel sind zwar nicht identisch, jedoch kann eine zumindest normale Warenähnlichkeit vorliegen, zumal das zu behandelnde Krankheitsbild sehr ähnlich sein kann. Nervöse Störungen bei Frauen können sich auch auf den Bereich des Magens auswirken, so dass sich "Arzneimittel zur Neutralisation von gastritischer Hyperazidität" von den Waren der angemeldeten Marke trotz der regelmäßig unterschiedlichen Inhaltsstoffe im Anwendungsbereich nicht stark unterscheiden müssen.

Die Widerspruchsmarke weist eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf, da weder für eine Stärkung noch für eine Schwächung der Kennzeichnungskraft hinreichende Anhaltspunkte vorliegen.

Bei der Prüfung der Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Marken kommt es maßgeblich auf den Gesamteindruck der Zeichen an (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 111). Dieser ist hier trotz des identischen Anfangslauts "A" und der identischen Endung "AX" erheblich verschieden. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass es sich um relativ kurze zweisilbige Wörter handelt, bei denen die Unterschiede in der Zeichenmitte zwischen der Konsonantenfolge "mbr" bei der angegriffenen Marke und "lm" bei der Widerspruchsmarke unmittelbar auffallen. Während sich bei der Widerspruchsmarke die Silben "AL-MAX" zu einem flüssigen Gesamtklangbild verbinden, wird bei der angegriffenen Marke der Konsonantenfluss durch den Laut "b" unterbrochen. Zudem ist keine der Silben der sich gegenüberstehenden Zeichen identisch, so dass sich die genannten Unterschiede im gesamten Zeichen befinden und nicht überhört werden können.

Schriftbildlich fallen bei der relativen Kürze der Zeichen die Unterschiede in der Zeichenmitte sowie die unterschiedliche Zeichenlänge auf, so dass auch in dieser Hinsicht nicht mit Verwechslungen zu rechnen ist. Berücksichtigt man zusätzlich, dass das Schriftbild von Marken erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel sogar wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort (Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl, § 9 Rdn. 143), so scheidet eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr in jeder Hinsicht aus.

3. Da die Erinnerung vom 5. Februar 2003 gegen den Erstprüferbeschluss der Markenstelle des DPMA vom 10. Januar 2003 in eine Beschwerde umzudeuten (§ 140 BGB entsprechend) ist, ist auch der Erinnerungsbeschluss vom 12. Januar 2005 aufzuheben.

4. Nachdem die Markenstelle, zudem ohne rechtliches Gehör zu gewähren, die eingelegte Erinnerung zurückgewiesen hat, war die Beschwerdeführerin gezwungen, in der selben Sache zwei Beschlüsse mit der Beschwerde anzugreifen, so dass es der Billigkeit entspricht, die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten (§ 71 Abs. 3 MarkenG), die dadurch veranlasst war, dass auch noch gegen den Erinnerungsbeschluss Beschwerde eingelegt werden musste.

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BPatG:
Beschluss v. 03.12.2007
Az: 25 W (pat) 83/05


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