Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Juni 2010
Aktenzeichen: 28 W (pat) 511/10

(BPatG: Beschluss v. 23.06.2010, Az.: 28 W (pat) 511/10)

Tenor

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 vom 8. Dezember 2009 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren der Klassen 29 und 30 zurückgewiesen worden ist. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Angemeldet ist die Wort-Bildmarkeals Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren und Dienstleistungen der Klassen 29, 30 und 43

"Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Fertiggerichte; Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Kaffee, Kaffeegetränke, Tee, Teegetränke, Kakao, Kakaogetränke, Milchschokolade; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis; Pizza, Fadennudeln; Teigwaren, insbesondere Pasta, Wraps und Fertiggerichte aus Teigwaren; Nudeln; Kuchen; Sandwiches; Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Partyservice; Catering; Dienstleistungen eines Franchisegebers für Gastronomiebetriebe, nämlich Vermittlung von organisatorischem, betriebswirtschaftlichem und technischem Knowhow, Gestaltung der Nutzung von gewerblichen Schutzrechten des Franchisegebers durch den Franchisenehmer; Bauund Konstruktionsplanung und -beratung für Gastronomiebetriebe; Reservierung von Unterkunft für Reisende, die insbesondere durch Reisebüros oder Reisemakler vermittelt wird".

Die Markenstelle für Klasse 29 hat die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Zeichen setze sich lediglich aus einer Kombination schutzunfähiger Bestandteile zusammen, die keinen über die bloße Summe der einzelnen Bestandteile hinausgehenden Charakter aufweise. In seiner Gesamtheit erschöpfe sich das Zeichen in einem beschreibenden Hinweis auf typisch römische, in einer Bar angebotene Produkte sowie damit zusammenhängende Dienstleistungen.

Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder Beschwerde eingelegt und trägt zur Begründung vor, der angemeldeten Marke könnten keine absoluten Schutzhindernisse entgegen gehalten werden. Zwar sei der Wortbestandteil "BAR ROMA" von den Verbrauchern ohne Weiteres als beschreibender Hinweis auf einen Gastronomiebetrieb italienischer Art zu erkennen. Durch das auffällig platzierte Bildelement werde dem Zeichen aber eine schutzbegründende Gesamtwirkung vermittelt. Zudem werde auf die Voreintragung desselben Zeichens für den Anmelder unter der Registernummer 30 2008 008 184 für identische bzw. ähnliche Dienstleistungen verwiesen.

Der Anmelder beantragt, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle vom 8. Dezember 2009 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist hinsichtlich der mit der Anmeldung beanspruchten Waren der Klassen 29 und 30 begründet. Im Übrigen bleibt sie ohne Erfolg.

1. Im Hinblick auf die in der Klasse 43 beanspruchten Dienstleistungen steht der beantragten Eintragung der angemeldeten Wort-Bildmarke das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

Unterscheidungskraft i. S. v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch von denen anderer Anbieter für den Verkehr unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH MarkenR 2006, 19, 22, Rdn. 45 - Standbeutel; EuGH GRUR Int. 2005, 135, Rdn. 19 - Maglite; BGH GRUR 2006, 850, 854 - FUSSBALL WM 2006). Diese Herkunftsfunktion von Marken ist nach ständiger Rechtsprechung als ihre Hauptfunktion anzusehen (vgl. EuGH GRUR 2009, 756, 761, Rdn. 58 - L'Oreal; EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1014, Rdn. 27 - BioID; BGH GRUR 2008, 710, Rdn. 12 - VISAGE; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 - FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Kann eine angemeldete Marke diese Herkunftsfunktion nicht erfüllen, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 - SAT.2; EuGH GRUR Int. 2004, 631, 634, Rdn. 48 - Dreidimensionale Tablettenform I).

Für die Beurteilung der Frage, ob eine Marke die erforderliche Unterscheidungskraft aufweist, ist immer ihr Gesamteindruck maßgeblich. Um diesen Gesamteindruck genau bestimmen zu können, ist es bei Kombinationsmarken, wie etwa Wort-Bildzeichen, zweckmäßig und zulässig, zunächst ihre einzelnen Bestandteile zu bewerten. Auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen ist dann in einem weiteren Prüfungsschritt die Marke in ihrer Gesamtheit zu beurteilen (vgl. EuGH MarkenR 2007, 204, 209, Rdn. 79 - Celltech; EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1014, Rdn. 31 - BioID; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 28 - SAT.2). Die Prüfung erfolgt dabei im Hinblick auf die Auffassung derjenigen Verkehrskreise, in denen die angemeldete Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann, wobei auf die Sicht eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. hierzu Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 8, Rdn. 23 ff.). Aus der Fokussierung auf die konkret mit der Marke angesprochenen Verkehrskreise ergibt sich gleichzeitig, dass auch die Bezeichnungsgewohnheiten der jeweils einschlägigen Branche zu berücksichtigen sind, da diese naturgemäß erhebliche Auswirkungen auf das maßgebliche Verbraucherverständnis haben.

Durch die mit der Anmeldung beanspruchten Dienstleistungen werden neben allgemeinen Endverbraucherkreisen vor allem Fachkreise aus dem Gastronomiebereich angesprochen. Bei der Wortfolge "BAR ROMA" handelt es sich um eine sprachüblich gebildete Etablissementbezeichnung, wie sie für den Gastronomiesektor branchentypisch ist und dem Publikum häufig begegnet. Der Hintergrund für diese Branchenpraxis ist darin zu sehen, dass durch die Kombination von Sachbegriffen, wie z. B. "Hotel", "Restaurant", "Bar", "Bistro" oder "Cafe" mit einer - beim inländischen Publikum möglichst beliebten - geografischen Angabe den angesprochenen Verbraucherkreisen ein schlagwortartiger Hinweis auf deren spezifische, "regionale" Ausrichtung gegeben und gleichzeitig den jeweiligen Gastronomieeinrichtungen ein bestimmtes Flair vermittelt werden soll. Beispielhaft kann hierzu auf Gastronomiebetriebe wie "Cafe Bar Venezia" in München, "Restaurant Piräus" in Bad Neustadt, "Paris Bar" in Berlin, "Bar Italia" in Hamburg, "Bistro Roma" in Dinkelsbühl oder "Bar Roma" in München, Niedernhausen und Schweinfurt verwiesen werden. Zur Verstärkung der jeweiligen Sachaussage werden derartige Gastronomiebezeichnungen häufig mit einem logoartigen, der fraglichen Region entsprechenden Bildelement versehen. Das angemeldete Zeichen fügt sich in diese Praxis nahtlos ein, indem sein Wortbestandteil auf eine Lokalität mit thematischer Ausrichtung auf das beliebte Touristenziel Rom verweist und diese Sachaussage zusätzlich mit dem bekannten, für "Rom" stehenden Motiv der kapitolinischen Wölfin kombiniert.

Im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen, die im weitesten Sinn mit der Führung von Hotelund Gastronomiebetrieben zu tun haben können, ist davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen lediglich als Sachhinweis auffassen werden. Zum einen auf den Gegenstand dieser Dienstleistungen, nämlich ein gastronomisches Angebot landestypischer Snacks und Getränke, zum anderen auf deren spezifische Ausrichtung, wie etwa die Erstellung bzw. Vermittlung von Designund Konstruktionsplanungen, Budgetund Businessplänen oder von Geschäftskonzepten für die Individualbzw. Systemgastronomie mit einem thematisch auf "römisches" Ambiente und Flair ausgerichteten Schwerpunkt, einschließlich begleitender Dienstleistungen, wie die Regelung rechtlicher Modalitäten bei der Nutzung gewerblicher Schutzrechte (vgl. hierzu auch BPatG PAVIS PROMA 28 W (pat) 370/03 - Cafe Brasil). Als unternehmensbezogenen Herkunftshinweis werden die beteiligten Verkehrsteilnehmer das angemeldete Zeichen dagegen nicht ansehen. Da es somit nicht über die Eignung verfügt, für die angesprochenen Verbraucher die Ursprungsidentität der fraglichen Dienstleistungen zu garantieren, widerspricht es dem im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu berücksichtigenden Allgemeininteresse, die Marke für die mit ihr beanspruchten Dienstleistungen der ungehinderten Verwendung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen.

Zwar ist es grundsätzlich möglich, dass grafische Elemente den beschreibenden Charakter von Wortbestandteilen "aufheben" und dadurch einen schutzfähigen Gesamteindruck der Marke bewirken können (vgl. BGH GRUR 2001, 1153 - anti KALK). Eine solche, schutzbegründende Wirkung scheidet im vorliegenden Fall jedoch schon deshalb aus, weil das hier verwendete, für die Stadt Rom stehende und allgemein bekannte Motiv der kapitolinischen Wölfin völlig originalgetreu wiedergegeben wurde, so dass es den beschreibenden Bedeutungsgehalt der Wortbestandteile sogar noch besonders hervorhebt. Der Zurückweisung des angemeldeten Zeichens steht auch nicht entgegen, dass die in ihm verkörperte Sachaussage möglicherweise nicht übermäßig konkret erscheinen mag. Derartige, eher unscharf formulierte Sachinformationen können unter Werbeund Marketinggesichtspunkten häufig sogar in besonderem Maße geeignet sein, ein wenn auch nicht übermäßig präzises, dafür aber umso weiter gefasstes Merkmalsspektrum zu umschreiben. Es entspricht deshalb dem üblichen Werbestandard, zur Beschreibung bzw. Anpreisung von Produkten und Dienstleistungen eher allgemein gehaltene Zeichen zu verwenden, die es den angesprochenen Verbrauchern aber - wie im vorliegenden Fall - immer noch ermöglichen, ohne weiteres Nachdenken einen unmittelbaren, sachbezogenen Zusammenhang zu den fraglichen Waren oder Dienstleistungen herzustellen. Für eine Zurückweisung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist es keineswegs erforderlich, dass ein Zeichen die mit ihm beanspruchten Waren oder Dienstleistungen direkt bezeichnet oder konkrete Produktmerkmale benennt (vgl. EuGH GRUR RR 2008, 47, Rdn. 32 - map&guide).

Der Eintragung der angemeldeten Marke steht im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen somit bereits das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, so dass es auf die Frage, ob an ihrer freien Verwendbarkeit auch ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht, nicht mehr ankommt.

2. Eine andere Beurteilung ergibt sich jedoch in Bezug auf die mit der Anmeldung beanspruchten Waren der Klassen 29 und 30, mit denen die allgemeinen Endverbraucherkreise angesprochen werden. Insoweit weist das Zeichen weder einen hinreichend engen, beschreibenden Bedeutungsgehalt auf noch sind sonstige Anhaltspunkte dafür feststellbar, dass ihm die angesprochenen Verbraucher keine individualisierende, betriebliche Hinweiswirkung zuordnen werden. So werden die fraglichen Produkte üblicherweise nicht von Bars zum Kauf angeboten. Auch in anderer, markenrechtlich relevanten Weise ist das Zeichen nicht geeignet, die verfahrensgegenständlichen Waren zu beschreiben, etwa im Hinblick auf eine bestimmte, regionaltypische Zubereitungsart oder im Hinblick auf die Verwendung entsprechender Zutaten. Dass einige dieser Produkte möglicherweise in Bars als Snack oder Imbiss serviert bzw. angeboten werden können

(z. B. Kaffee Wraps oder Sandwiches), ist unter das branchenübliche Dienstleistungsangebot gastronomischer Einrichtungen zu subsumieren und rechtfertigt es nicht, der Marke für die hier maßgeblichen Waren an sich die erforderliche Unterscheidungskraft anzusprechen. Dies käme allenfalls dann in Betracht, wenn es sich bei dem angemeldeten Zeichen um eine aus sich heraus verständliche Etablissementbezeichnung handeln würde, mit der eine Vertriebsstätte für ein entsprechendes Warensortiment beschrieben werden könnte, was jedoch nicht der Fall ist. Ebenso wenig erweist sich das fragliche Zeichen als bloße Werbeaussage oder Anpreisung allgemeiner Art. Vielmehr ist die angemeldete Marke vor dem dargestellten Hintergrund als hinreichend unterscheidungskräftig zu werten, um bei einer branchenüblichen Verwendung vom angesprochenen Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verstanden werden zu können (vgl. hierzu EuGH GRUR 2004, 674, 678, Rdn. 99

- Postkantoor; BGH GRUR 2002, 64, 65 - INDIVIDUELLE).

Mangels Eignung zur Merkmalsbeschreibung dienen zu können, scheidet auch ein schutzwürdiges Allgemeininteresse an seiner freien Verwendbarkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aus. Andere Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG sind ebenfalls nicht ersichtlich.

Somit war der angefochtene Beschluss der Markenstelle hinsichtlich der mit der Anmeldung beanspruchten Waren der Klassen 29 und 30 aufzuheben, und die weitergehendere Beschwerde zurückzuweisen.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf die für ihn im Jahr 2008 erfolgte Voreintragung des angemeldeten - in der Zwischenzeit auf eigenen Antrag wieder gelöschten - Zeichens beruft, begründet dies keine andere Wertung. Die Schutzfähigkeit einer Marke ist nur auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben und nicht etwa (auch) auf der Grundlage von Voreintragungen zu beurteilen (vgl. EuGH MarkenR 2009, 478, 484, Rdn. 57 - American Clothing). Dies gilt sogar selbst für den Extremfall, dass die identische Marke für denselben Anmelder bereits einmal für schutzfähig erachtet und eingetragen wurde, wie dies der BGH klargestellt hat (vgl. BGH GRUR 2009, 411, 412, Rdn. 14 - STREETBALL). Der Umstand, dass Voreintragungen - zu Recht oder zu Unrecht - erfolgt sind, kann lediglich in die Schutzfähigkeitsprüfung des konkreten Einzelfalls miteinbezogen werden (vgl. EuGH MarkenR 2009, 201 - Schwabenpost; BGH GRUR 2009, 778, 779, Rdn. 18 - Willkommen im Leben). In diesem Sinne hat der Senat bei der Beurteilung des streitgegenständlichen Zeichens die vom Anmelder angeführte Voreintragung berücksichtigt, ohne dass sich hieraus jedoch schutzfähigkeitsbegründende Gesichtspunkte ergeben hätten.

Stoppel Martens Schell Me






BPatG:
Beschluss v. 23.06.2010
Az: 28 W (pat) 511/10


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