Bundesgerichtshof:
Urteil vom 17. September 2013
Aktenzeichen: X ZR 53/12

(BGH: Urteil v. 17.09.2013, Az.: X ZR 53/12)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15. November 2011 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wie folgt abgeändert:

Das europäische Patent 837 771 wird unter Abweisung der Klage im Übrigen mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass in Patentanspruch 1 nach den Worten "that the other side of the paper web" die Worte "consisting of a socalled overlay paper" eingefügt werden und sich die übrigen Patentansprüche auf diesen Anspruch rückbeziehen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 18. Juni 1996 unter Inanspruchnahme der Priorität einer schwedischen Voranmeldung vom 19. Juni 1995 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 837 771, das ein Verfahren zur Herstellung eines dekorativen wärmehärtbaren Kunststoffverbundmaterials betrifft. Es umfasst zwölf Patentansprüche, deren erster in der Verfahrenssprache lautet:

"Process for manufacturing of a decorative thermosetting laminate with an abrasion resistant and a scratch resistant surface layer, which laminate comprises paper sheets impregnated with a thermosetting resin, characterized in that a continuous paper web is impregnated with melamineformaldehyde resin, that one side of the web is coated with 2 to 20 g/m2 of hard particles with an average particle size of 30 to 90 m evenly distributed over the whole wet resin surface of the paper web, whereafter the resin is dried, that the other side of the paper web or a second paper web is coated with a melamineformaldehyde resin, where the resin contains hard particles having an average particle size of 1 to 15 m, in such an amount that the web will have a surface coating of 1 to 15 g/m2 of these hard particles, that the resin is dried, that the particlecoated impregnated paper web is optionally cut into sheets, that at least one such sheet or web is placed as a surface layer on a base layer and is bonded thereto whereby the surface coated with the smallest particles is placed so that it is directed towards the upper side of the laminate and the surface with the bigger particles is directed downwards, alternatively that the first sheet or web with the smallest particles is placed as the uppermost layer in the laminate with the particlecoated side directed towards the upper side of the laminate and that the second sheet or web with the bigger particles is placed under the uppermost layer with the particlecoated surface directed outwards." 1 Die Klägerin hat das Streitpatent in vollem Umfang angegriffen. Sie hat geltend gemacht, der Gegenstand der Patentansprüche sei nicht neu und beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Zur Begründung ihrer Auffassung hat sich die Klägerin auf zahlreiche Patentdokumente gestützt.

Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung, hilfsweise mit drei weiteren Anspruchsfassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten; sie verteidigt das Streitpatent in erster Linie in der aus dem Tenor ersichtlichen Anspruchsfassung. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Gründe

I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines dekorativen, wärmehärtbaren Laminats mit Abrieb und kratzfester Oberflächenschicht.

1. Nach der Patentbeschreibung werden derartige Laminate als Oberflächenmaterial für Wände, Schranktüren, Schreibtisch- und Tischplatten sowie für weitere Möbel und als Fußbodenmaterial verwendet. Die Laminate seien oft aus zwei bis sieben, mit Phenol-Formaldehyd imprägnierten Kraftpapierbögen, einem einfarbigen oder gemusterten, mit Melamin-Formaldehyd-Harz imprägnierten Dekorpapierbogen und aus einem mit Melamin-Formaldehyd imprägnierten 2 feinen Deckblatt (Overlay) aus Alphazellulose hergestellt. Das Decklagenblatt, das in bestimmten Fällen weggelassen werden könne, schütze das Dekorpapierblatt vor Abrieb. Eine Verbesserung der Abriebbeständigkeit und der Kratzbeständigkeit der Oberfläche bekannter Laminate, die einem extremen Abrieb ausgesetzt seien, sei notwendig. Dies treffe insbesondere für Fußbodenlaminate und zu einem gewissen Grad auch für Schreibtisch- und Tischplattenlaminate zu. Die Patentbeschreibung führt zahlreiche Entgegenhaltungen aus dem Stand der Technik an, die Laminate mit verbesserter Abriebbeständigkeit offenbarten. Demgegenüber genüge die Kratzfestigkeit der bekannten Laminate nicht immer den Anforderungen. Ferner könnten zur Verbesserung der Abriebbeständigkeit in die Oberfläche des Laminats eingearbeitete Hartpartikel die in der Laminierstufe eingesetzten Pressplatten beschädigen.

2. Vor diesem Hintergrund sieht das Streitpatent das technische Problem, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit dem ein abrieb- und kratzbeständiges Laminat erzeugt und eine Beschädigung der Pressplatten vermieden werden kann (Beschreibung Abs. 12).

3. Zur Lösung des Problems schlägt das Streitpatent in der verteidigten Fassung ein Verfahren zur Herstellung eines dekorativen, wärmehärtbaren Laminats [M1] mit folgenden Merkmalen vor (in eckigen Klammern die vom Patentgericht verwendeten Gliederungsziffern):

1. Das Laminat 1.1 hat eine abriebfeste und kratzfeste Oberflächenschicht [M1.1] und 1.2 umfasst mit einem wärmehärtbaren Harz imprägnierte Papierblätter [M1.2, M1.3]. 8 2. Das Verfahren umfasst folgende Schritte:

2.1 Eine kontinuierliche Papierbahn wird mit Melamin-Formaldehyd-Harz imprägniert [M2].

2.1.1 Eine Seite der Bahn wird mit 2 bis 20 g/m2 harter Teilchen mit einer durchschnittlichen Teilchengröße von 30 bis 90 µm beschichtet, wobei die Teilchen gleichmäßig über die gesamte feuchte Harzoberfläche der Papierbahn verteilt sind [M3 mit Unterpunkten].

2.1.2 Daraufhin wird das Harz getrocknet [M4].

2.1.3 Die andere Seite der Papierbahn, die aus einem Overlay-Papier besteht, oder eine zweite Papierbahn wird mit einem Melamin-Formaldehyd-Harz, das harte Teilchen mit einer durchschnittlichen Teilchengröße von 1 bis 15 µm enthält, in einer solchen Menge beschichtet, dass die Bahn eine Oberflächenbeschichtung von 1 bis 15 g/m2 dieser harten Teilchen aufweist [M5 mit Unterpunkten].

2.1.4 Das Harz wird getrocknet [M6].

2.2 Die teilchenbeschichtete, imprägnierte Papierbahn wird gegebenenfalls zu Blättern geschnitten [M7].

2.3 Mindestens ein solches Blatt oder eine solche Bahn wird als Oberflächenschicht auf eine Basisschicht platziert und damit verbunden [M8].

2.3.1 Dabei wird die mit den kleinsten Teilchen beschichtete Oberfläche so platziert, dass sie zur Oberseite des Laminats gerichtet ist [M8.1].

2.3.2 Die Oberfläche mit den größeren Teilchen ist nach unten gerichtet [M8.2].

Alternativ 2.3.3 wird das erste Blatt oder die erste Bahn mit den kleinsten Teilchen als oberste Schicht in dem Laminat platziert [M9], wobei die teilchenbeschichtete Seite zur Oberseite des Laminats gerichtet ist [M9.1]

2.3.4 und das erste Blatt oder die erste Bahn mit den größeren Teilchen wird unter der obersten Schicht platziert [M10], wobei die teilchenbeschichtete Oberfläche nach außen gerichtet ist [M10.1].

4. Danach ist die erfindungsgemäße Lehre auf zwei unterschiedliche Laminataufbauten gerichtet.

a) Nach der ersten Möglichkeit wird eine imprägnierte Bahn aus Overlay-Papier auf beiden Oberflächenseiten mit harten Partikeln versehen, wobei die Partikel von unterschiedlicher Teilchengröße in zwei verschiedenen Bereichen sind. Die Teilchen im Größenbereich von 30 bis 90 µm werden als Grobkorund, die Gruppe der harten Partikel im Größenbereich von 1 bis 15 µm als Feinkorund bezeichnet. Der Grobkorund wird auf die feuchte Harzoberfläche der imprägnierten Papierbahn aufgestreut. Der Feinkorund ist in einem Melamin-Formaldehyd-Harz dispergiert; mit ihm wird die andere Seite der Papierbahn beschichtet. Zur Laminierung mit einer Basisschicht wird die mit den Harzpartikeln beidseitig versehene Papierbahn so ausgerichtet, dass die feineren Teil-10 chen enthaltende Harzschicht nach außen zeigt, während die Schicht mit den groben Teilchen zur Basisschicht zeigt.

b) Alternativ können auch zwei Papierbahnen jeweils einseitig mit Hartpartikeln unterschiedlicher Teilchengröße beschichtet werden, wobei eine Papierbahn zunächst mit Harz imprägniert und dann die groben Teilchen auf der noch feuchten Harzoberfläche gleichmäßig verteilt werden. Die zweite Papierbahn, die aus Overlay-Papier besteht, wird dagegen mit einer Harz-Feinkorund-Mischung beschichtet. Zur Laminierung mit einer Basisschicht wird die mit Harz-Feinkorund beschichtete Papierbahn als oberste Schicht des Laminats angeordnet, wobei die Schicht mit den feinen Teilchen nach außen zeigt.

c) Die Feinkorundpartikel dienen der Verbesserung der Kratzfestigkeit und die Grobkorundpartikel der Verbesserung der Abrieb- und Scheuerfestigkeit ("...a very good scratch resistance is achieved by the use of the small hard particles on the upper side of the uppermost sheet. The somewhat bigger particles on the lower side of the uppermost sheet or on the top side of the following sheet give a very good abrasion resistance", Abs. 23). Die mit den Partikeln überzogene imprägnierte Papierbahn (Prepreg) wird gegebenenfalls zu Blättern oder Bögen geschnitten.

II. Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand des Streitpatents beruhe sowohl in der erteilten als auch in den hilfsweise verteidigten Fassungen nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Es ist von der europäischen Patentanmeldung 519 242 (Anlage NiK 6', Übersetzung Anlage NiK 6a) ausgegangen, die ein wärme- und druckhärtbares 12 Dekorlaminat offenbart, das aus mit wärmehärtbarem Harz imprägnierten Papierblättern hergestellt ist. Dieses Laminat weise eine ausgezeichnete Beständigkeit gegenüber sämtlichen bekannten Arten körperlicher Beschädigung der Oberfläche auf, die ein Verkratzen, Ritzen, Abschaben, Abrieb oder eine Verunstaltung hervorriefen. NiK 6a schlage dazu vor, abriebfeste Korundpartikel mit einer Teilchengröße von 15 bis 45 m, die in einer Melamin-FormaldehydÜberzugszusammensetzung suspendiert seien, direkt auf die Oberseite eines Dekorpapiers aufzubringen, so dass das fertige Laminat 8 bis12g/m2 an abriebfesten Korundpartikeln enthalte. Danach werde die mit Harz imprägnierte Dekorlage weiter beschichtet, wobei ein Schritt zur Trocknung des Harzes zwischen die beiden Beschichtungsvorgänge geschaltet werden könne. Die zweite Schicht werde durch Eintauchen der mit Harz imprägnierten Dekorlage in ein Gemisch aus hitzehärtbarem Harz und abriebfesten Teilchen einer Größe von 3 m aufgebracht und anschließend getrocknet. Durch die Tauchbehandlung würden beide Seiten der Dekorpapierlage mit Korundteilchen beschichtet, eine Seite nur mit 3-µm-Korundpartikeln, die andere Seite sowohl mit Korundpartikeln einer Größe von 15 bis 45 µm als auch mit 3-µm-Korundpartikeln. Weil für die Applikation immer Melamin-Formaldehyd-Imprägnierharz verwendet werde, seien die beiden Schichten auf der einen Oberfläche des Dekorpapiers nicht mehr voneinander unterscheidbar. In der Harzschicht seien die größeren und kleineren Teilchen vielmehr derart verteilt, dass außen feine Partikel, dann ein Mischungsbereich mit groben und feinen Partikeln und zur Papieroberfläche hin grobe Partikel angeordnet seien. Feinschicht, Dekorschicht und gegebenenfalls Overlayschicht würden übereinander gelegt und zwischen Stahlpressplatten eine Zeitlang Druck und Wärme ausgesetzt, die lange genug sei, um die Laminierharze auszuhärten, mit denen die jeweiligen Schichten imprägniert seien. Die erhöhte Temperatur und der erhöhte Druck brächten die Imprägnierharze innerhalb der Lagen zum Fließen, wodurch das Ganze zu einer einheitlichen Masse, dem Laminat, verfestigt werde. Hinsichtlich der Orientierung der Schichten schließe NiK 6a die Orientierung der Oberfläche der Dekorpapierschicht mit den kleinsten Partikeln an der Oberseite des Laminats nicht aus.

Es sei Erfindungsgedanke der NiK 6a, zwar zur Erzielung einer gegen Beschädigungen widerstandsfähigen Laminatoberfläche, wie bekannt, gröbere Korundpartikel zu verwenden, dies aber durch eine darauf und auf der anderen Seite des Dekorpapiers angeordnete Harzschichten mit kleineren Korundpartikeln derart auszugestalten, dass sich nicht nur abriebfeste, sondern auch glatte kratzfeste Oberflächen ergäben. Den konkreten Grund für die Verwendung zweier unterschiedlicher Mineralteilchen entnehme der Fachmann - ein mit der Entwicklung von Laminaten betrauter berufserfahrener Diplom-Ingenieur, der auch über die notwendigen werkstoffkundlichen Kenntnisse verfüge - der europäischen Patentschrift 472 036 (bzw. der unter der Nummer 691 07 370 veröffentlichten und als Anlage NiK 5 vorgelegten deutschen Übersetzung), die einen Harzüberzug mit abriebfesten Mineralteilchen mit Teilchengrößen von etwa 3 µm und etwa 25 µm lehre, dessen verbesserte Ritz-, Kratz- und Abriebfestigkeit mit einem Verschleißschutz für die Pressbleche einhergehe.

Sei der Fachmann mit dem nach der Lehre der NiK 6a erreichten Ergebnis noch nicht zufrieden gewesen, habe es auf der Hand gelegen, die Eigenschaften der Überzüge durch Variation der Partikelgrößen und Applikationsweisen weiter zu optimieren. Eine solche Vorgehensweise habe im Erprobungsermessen des Fachmanns gelegen, wobei ihm aufgrund seines durch die europäische Patentschrift 329 154 (als NiK 2 vorgelegt in Gestalt der Veröffentlichung 689 10 548 ihrer deutschen Übersetzung) belegten Fachwissens bekannt gewesen sei, dass gegebenenfalls auch verschiedene Papierlagen ein- oder beidseitig mit harte Teilchen enthaltenden Überzügen versehen werden könnten. 16 III. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Berufungsverfahren nicht stand. Der Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten Fassung war durch den Stand der Technik nicht nahegelegt (Art. 56 EPÜ).

1. Allerdings lässt die Bestimmung des Fachmanns durch das Patentgericht keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Berufung nicht angegriffen. Der Fachmann verfügte über die notwendigen Kenntnisse auf dem Gebiet der Werkstoffkunde, d.h. über anwendungsorientierte Aspekte von Materialien und damit über Kenntnisse der im Herstellungsprozess für Laminate maßgeblichen Ausgangsmaterialien wie unterschiedliche Papiersorten, Kunststoffe, Beschichtungs- und Imprägnierungsstoffe organischer und anorganischer Natur. Ihm waren die Verwendung von Hartstoffpartikeln und ihre Wirkung bei der Herstellung von Laminaten und die mit ihnen erzielbaren Eigenschaften vertraut.

2. Ebenso zutreffend hat das Patentgericht angenommen, der von diesem Kenntnisstand ausgehende Fachmann habe bei der Lösung des geschilderten technischen Problems die NiK 6a als Ausgangspunkt gewählt. Die in dieser Entgegenhaltung enthaltene Offenbarung legt jedoch den Gegenstand des Streitpatents nicht nahe. Ebenso wenig führen die Offenbarungen der NiK 5 und der NiK 2 zu der im Streitpatent aufgezeigten Lösung.

a) Bei den in der NiK 6a als Stand der Technik geschilderten Laminaten wurden für die Laminatherstellung imprägnierte Overlay-Lagen aus Alphazellulose verwendet, mit denen das Dekorpapier überzogen wurde. Sowohl in der Overlay-Lage als auch in der Dekorlage seien, so führt die Druckschrift aus, Abriebmaterialien eingesetzt worden, die im Allgemeinen auf die Alphazellulo-18 sematrix aufgebracht oder mit einem Bindemittel gemischt worden seien, was die Alphazellulosematrix ersetzt habe. Die beschädigungssicheren Dekorlaminate erforderten den Einsatz eines Bindemittels, um die Abriebmaterialien an der Dekor- oder Overlay-Lage zu binden. Sie seien außerdem mit Hilfe schwieriger und teurer Mehrschrittverfahren gefertigt worden, wobei das Abriebmaterial und das Bindemittel in einem getrennten Schritt dem Harzmaterial hinzugegeben würden, die Dekorlage zuerst mit dem Abriebmaterial und dem Bindemittel überzogen werde, um anschließend getrocknet zu werden und damit die Abriebmaterialien an die Dekorlage zu binden. Anschließend sei die Dekorlage mit einem hitzehärtbaren Harz imprägniert worden. Diejenigen Laminate, die die haltbarsten Oberflächen besäßen, hätten im Allgemeinen stumpfe, ungleichmäßige und nicht attraktive Oberflächen, die sich rau anfühlten, Schmutz aufnähmen und hielten und schwierig zu reinigen seien.

Zur Vermeidung dieser Nachteile schlägt NiK 6a ein Laminat vor, bei dessen Herstellung Korundpartikel mit einer Teilchengröße von 15 bis 45 µm in einem Melamin-Formaldehyd-Harz mit einer Auftragsdichte von 8 bis 12 g/m2 auf die Oberseite eines Dekorpapiers aufgebracht werden. Die mit Harz imprägnierte Dekorlage kann weiter entweder mit einer reinen Harzüberzugszusammensetzung oder mit einer solchen beschichtet werden, die Partikel einer mittleren Teilchengröße von etwa 3 µm enthält. Beschichtet wird nur die Dekorpapierlage, die, so Patentanspruch 1 der NiK 6a, "auf sich" einen abriebfesten, also mit Grobkorundpartikeln versetzten, Überzug aufweist. Bei der in NiK 6a offenbarten Laminatherstellung wird danach - im Gegensatz zum Verfahren nach dem Streitpatent - kein Overlay-Papier verwendet. Die auf das Dekorpapier aufgebrachte Grobkorundschicht, die mit einer reinen Harzzusammensetzung, gegebenenfalls mit feinen Partikeln versetzt, überzogen ist, weist zur obe-22 ren Außenseite des Laminats in Richtung der Druckplatten. Die einzelnen Harz-Partikelschichten sind nicht durch eine Papierbahn voneinander getrennt.

Mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens zur Herstellung und dem daraus folgenden Aufbau des Laminats bietet NiK 6a eine in sich geschlossene Lösung, durch die der Fachmann keine Anregung zu der Lösung nach dem Streitpatent erhält. Er erfährt zwar aus NiK 6a, dass bei der Laminatherstellung auch Overlay-Papier verwendet werden kann, wird aber - wie dargelegt - durch die in NiK 6a geäußerte Kritik an den im Stand der Technik bekannten Lösungen und die als Folge dieser Kritik in NiK 6a vorgeschlagenen Lösung von einer solchen Maßnahme abgehalten. Auch für die Anordnung der Overlay-Papierlage, die das Streitpatent auf der aus Grobkorund bestehenden Schicht und damit unmittelbar an den Pressplatten vornimmt, findet sich in NiK 6a keine Anregung. Die technische Wirkung oder den Vorteil einer derartigen Anordnung, nämlich, wie in der Beschreibung des Streitpatents ausgeführt, die Verbesserung des Schutzes der empfindlichen Pressplatten, benennt NiK 6a nicht.

b) Die Entgegenhaltung NiK 5 offenbart einen verschleißfesten Mehrschichtstoff und ein Verfahren zu dessen Herstellung. Der Mehrschichtstoff soll eine verbesserte Ritz-, Kratz-, Schab- und Abriebfestigkeit aufweisen (NiK 5, S. 7, Z. 7 bis 29); außerdem sollen die teuren und empfindlichen Platten, die zum Erzeugen der Hochdruck-Dekorschichtstoffe verwendet werden, vor frühzeitigem Verschleiß geschützt werden (NiK 5, S. 8, Z. 1 bis 7). Der sich ergebende Dekorschichtstoff besitze, so heißt es in der NiK 5, sowohl eine hervorragende Ritzbeständigkeit, die durch den Aluminiumoxidgrieß von 25 µm hervorgerufen werde, als auch eine durch den 3-µm-Aluminiumoxidgrieß verliehene hervorragende Kratzbeständigkeit.

Die NiK 5 beschreibt sonach die Wirkung, die das Aufbringen der Partikelschichten mit den unterschiedlichen Teilchengrößen - Grob- und Feinkorund - für die Ritz- und Kratzbeständigkeit des Schichtstoffs hat. Für die Beschichtung der Papierlagen zum Aufbau des Schichtstoffes müssen danach sowohl Grob- als auch Feinkorundpartikel verwendet werden, um den Anforderungen an Ritz- und Kratzfestigkeit zu genügen.

Im Unterschied zum Streitpatent lehrt NiK 5 aber - vergleichbar mit der Offenbarung der NiK 6a - in beiden dargestellten Verfahrensarten (Gießrohrverfahren, S. 11, Z. 15 ff. und Gravurkissenbeschichtungsverfahren, S. 12, Z. 1 ff.) die Beschichtung von Dekorpapier und führt damit gleichfalls von der Verwendung eines Overlay-Papiers weg. In der Beschreibung ist die Möglichkeit, ein Overlay zu verwenden, als bekannt dargestellt (S. 3, Z. 6 bis 19); es ist jedoch nicht Bestandteil der Erfindung der NiK 5, eine Overlay-Papierlage als an den Pressplatten anliegende Schicht einzufügen. Der Fachmann hatte damit keine Veranlassung, aufgrund der Offenbarung der NiK 5 Overlay-Papier heranzuziehen. Was den Schutz der Pressplatten betrifft, ist der Klägerin zuzugeben, dass auch nach dem Inhalt der NiK 5 die empfindlichen Pressplatten vor Verschleiß geschützt werden sollen. Dies geschieht jedoch nicht durch Hinzufügen einer weiteren mit Feinkorund beschichteten Overlay-Papierbahn, sondern durch Beifügen eines Alginat-Verdickungsmittels wie z.B. Xanthangummi (S. 10, Z. 4 bis 10), um die Partikel zu suspendieren. Auch werden bei den in NiK 5 geschilderten Verfahren zwar Grob- und Feinkorundteilchen gemischt, aber nicht auf getrennte Papierseiten oder -lagen aufgebracht. Vergleichbar mit der Offenbarung der NiK 6a wird im Gravurkissenbeschichtungsverfahren nach der NiK 5 zudem ein nach außen abschließender Überzug mit einer reinen Harzschicht als vorteilhaft angesehen. Dieser Ausgestaltung kann aus fachmännischer Sicht keine Anregung entnommen werden, den Laminataufbau in der im Streitpatent ge-25 schilderten Weise vorzunehmen, insbesondere die Partikelschichten nach Größe getrennt aufzubringen und eine an der Außenseite mit Feinkorund beschichtete Overlay-Papierbahn als Trennmittel zwischen den Pressplatten und der Grobkorundschicht zu verwenden.

c) Die Entgegenhaltung NiK 2 betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines dekorativen, hitzehärtbaren Laminats. Nach der Beschreibung war ein Laminat bekannt, bestehend aus einem Dekorpapierbogen und einem Overlay-Bogen aus Alphazellulose. Die Druckschrift bezeichnet es als notwendig, bei den bekannten Laminaten auf einfache Weise die Abriebfestigkeit zu verbessern (S. 2, 1. Abs.). Nach der in NiK 2 vorgeschlagenen Lösung soll das Overlay-Papier nur von unten beschichtet werden, um die Pressplatten zu schonen (S. 4, letzter Abs.). Die teilchenbeschichtete Seite des Dekorpapiers soll demgegenüber zur Oberseite des Laminats gerichtet sein; dadurch werde die beste Abriebfestigkeit erreicht (S. 4, vorletzter Abs.). Bei der Verwendung von zwei teilchenbeschichteten Overlay-Bögen könne die oberste teilchenbeschichtete Seite zur Unterseite des Laminats gerichtet sein, während die teilchenbeschichtete Seite des anderen Overlay-Bogens zur oberen Seite des Laminats gerichtet ist (S. 5, 1. Abs.). Der Fachmann konnte danach der NiK 2 entnehmen, dass die Partikelschichten sowohl ein- als auch beidseitig auf die Papierbahnen aufgebracht werden konnten. Die Entgegenhaltung unterscheidet bei der Beschichtung der Papierlagen aber nicht zwischen Grobkorund- und Feinkorundpartikeln und spricht auch die Möglichkeit eines Auftrags von getrennten Grobkorund- und Feinkorundschichten auf unterschiedlichen Papierbahnen nicht an. Die Beschreibung führt hierzu lediglich aus, dass die Teilchengröße für das Endresultat wichtig sei, wobei zu große Teilchen zu einer rauen und unangenehmen Oberfläche führten und zu kleine Teilchen eine zu geringe Abriebfestigkeit ergäben (S. 5, 3. Abs.). Allein aus den Angaben, ein Overlay-Papier zu verwen-27 den und dies gegebenenfalls auf beiden Seiten oder zusätzlich einen zweiten Papierbogen mit harten Partikeln zu beschichten, konnte der Fachmann keine Anregung für die Lösung des Streitpatents entnehmen, Feinkorund- und Grobkorundschicht durch ein Overlay-Papier zu trennen.

d) Auch eine Kombination einzelner Aspekte der besprochenen Entgegenhaltungen bot für den Fachmann keinen Anlass, das Verfahren zur Laminatherstellung wie im Streitpatent zu gestalten. Sowohl die Lehre nach der NiK 6a als auch diejenige der NiK 5 nehmen von der Verwendung des Overlay-Papiers wegen der Aufwendigkeit des Verfahrens Abstand und beschränken sich auf die Beschichtung eines Dekorpapiers. Eine Trennung der Partikelschichten in Grobkorund- und Feinkorundauftrag auf unterschiedlichen Papierflächen ist nicht vorgesehen. Demgegenüber zieht die Lehre nach der NiK 2 zwar die Verwendung des Overlay-Papiers in Betracht, sieht auch die ein- oder zweiseitige Beschichtung von Papierbahnen vor, nimmt aber keine Trennung der Partikelschichten nach Größe der Partikel vor. Der im Streitpatent hervorgehobene technische Vorteil der Verwendung des beschichteten Overlay-Papiers - der Schutz der Pressplatten - ist in den Entgegenhaltungen nicht erwähnt (NiK 6a) oder wird auf andere Weise als im Streitpatent, nämlich entweder durch Verwendung eines Verdickungsmittels (NiK 5) oder durch eine abgewandte Anordnung der Partikelschicht von den Pressplatten (NiK 2) angestrebt. Mit Blick auf die unterschiedlichen Ausgestaltungen der einzelnen Verfahrensschritte und die unterschiedlichen Mittel, mit denen die gestellte Aufgabe vorteilhaft gelöst werden soll, ist sonach auch bei einer Zusammenschau der Entgegenhaltungen der Gegenstand des Streitpatents nicht nahegelegt.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Meier-Beck Richterin am Bundesgerichtshof Gröning Mühlens ist in den Ruhestand getreten und kann deshalb nicht unterschreiben. Meier-Beck Schuster Deichfuß

Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 15.11.2011 - 3 Ni 27/10 (EP) - 29






BGH:
Urteil v. 17.09.2013
Az: X ZR 53/12


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