Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 8. Mai 2002
Aktenzeichen: 16 Wx 72/02

(OLG Köln: Beschluss v. 08.05.2002, Az.: 16 Wx 72/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Köln hat in einem Beschluss vom 8. Mai 2002 entschieden, dass die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen einen Beschluss des Landgerichts Köln vom 4. April 2002 zurückgewiesen wird. Allerdings wird der Beschluss des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vom 8. September 2000 anstelle des Beschlusses des Amtsgerichts Köln abgeändert.

In der Entscheidung ging es um die Bestellung eines Verfahrenspflegers für einen Betroffenen, der bereits seit 1997 unter Betreuung stand. Das Amtsgericht bestellte den Beteiligten zu 2. zum Verfahrenspfleger, da eine Begutachtung zur Frage der geschlossenen Unterbringung des Betroffenen angeordnet wurde. Der Beteiligte zu 2. fragte daraufhin, ob er in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt bestellt wurde. Das Vormundschaftsgericht erließ daraufhin am 8. September 2000 einen Beschluss, in dem festgestellt wurde, dass die Bestellung eines Rechtsanwalts als Verfahrenspfleger erfolgte, um die Interessen des Betroffenen zu wahren. Außerdem wurde der Gegenstandswert festgesetzt.

Der Beteiligte zu 2. suchte den Betroffenen am 4. Oktober 2000 auf und erstellte einen Bericht. Der Betroffene verstarb am 9. Oktober 2000. Der Beteiligte zu 2. stellte am 17. Oktober 2000 eine Kostenrechnung über 624,52 DM nach der BRAGO. Der Rechtspfleger wies den Beteiligten zu 2. darauf hin, dass eine Gebührenfestsetzung nach der BRAGO möglicherweise nicht möglich ist. Der Beteiligte zu 2. bestand jedoch auf seiner Kostenfestsetzung. Der Bezirksrevisor legte daraufhin Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 8. September 2000 ein. Das Landgericht änderte den Beschluss ab und wies den Antrag des Beteiligten zu 2. auf Beiordnung als Rechtsanwalt zurück. Außerdem stellte es fest, dass die Bestellung nicht als anwaltlicher Verfahrenspfleger erfolgt ist. Gegen diese Entscheidung richtet sich das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2.

Das Oberlandesgericht entschied, dass das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2. als einfache weitere Beschwerde statthaft ist. Im Verfahren über die Vergütung eines Verfahrenspflegers unterliegen nur bestimmte Entscheidungen der sofortigen Beschwerde. In diesem Fall wurde zwar ein entsprechender Antrag gestellt, der jedoch noch nicht beschieden wurde.

Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts und der zugrunde liegende Beschluss vom 8. September 2000 sind nach § 56g Abs. 1 FGG nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Die Feststellung, dass die Verfahrenspflegschaft eine anwaltliche ist, wurde auf Anregung des Bundesverfassungsgerichts getroffen, um Rechtssicherheit zu schaffen. Sie gilt nicht nur für "Altfälle", sondern für alle Fälle, in denen nicht offensichtlich ist, in welcher Eigenschaft ein Rechtsanwalt berufen wurde. Daher ist auch eine nachträgliche Feststellung in solchen Zweifelsfällen zulässig. Diese Zwischenentscheidung ist mit der einfachen Beschwerde anfechtbar.

In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2. keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand. Bei der Frage, ob die Verfahrenspflegschaft eine anwaltliche ist, kommt es darauf an, ob anwaltsspezifische Aufgaben zu erfüllen sind, bei deren Lösung ein Laie typischerweise einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde. In diesem Fall lagen keine überdurchschnittlichen rechtlichen Schwierigkeiten vor. Der Betroffene befand sich bereits seit mehreren Jahren in Betreuung und die Schwere seiner Erkrankung war allen Beteiligten bekannt. Die Verfahrenspflegerbestellung diente der Überprüfung, welche Maßnahmen zur Sicherung der körperlichen Unversehrtheit des Betroffenen angebracht waren. Diese Maßnahmen konnten auch von einem nicht juristisch ausgebildeten Laien beurteilt werden.

Der Beteiligte zu 2. kann sich nicht auf einen Vertrauensschutz berufen, da zum Zeitpunkt seines Tätigwerdens noch kein Vertrauenstatbestand vorlag. Die zeitliche Verzögerung bei der Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung hatte keinen Einfluss auf die Tätigkeit des Beteiligten zu 2. Hätte das Vormundschaftsgericht den Beschluss dem Bezirksrevisor umgehend zugeleitet, wäre dessen Rechtsmittel frühestens Anfang Oktober 2000 zu den Akten gelangt. Eine abändernde Entscheidung hätte daher frühestens im November 2000 ergehen können, zu einem Zeitpunkt, zu dem der Beteiligte zu 2. seine Tätigkeit bereits abgeschlossen hatte. Ansprüche aufgrund Vertrauensschutzes können nur unter engen Voraussetzungen begründet werden, da ein Rechtsanwalt, der Verfahrenspflegschaften in Nebentätigkeit übernimmt, das Risiko einer Honoraränderung einkalkulieren kann.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Köln: Beschluss v. 08.05.2002, Az: 16 Wx 72/02


Tenor

Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 4.4.2002 - 6 T 75/02 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass nicht der Beschluss des Amtsgerichts Köln, sondern der Beschluss des Amtsgerichts Bergisch Gladbach vom 8.9.2000 abgeändert wird.

Gründe

I.

Für den seit 1997 unter Betreuung stehenden Betroffenen bestellte das Amtsgericht am 3.8.2000 anläßlich der Anordnung einer Begutachtung auch zur Frage der geschlossenen Unterbringung den Beteiligten zu 2. zum Verfahrenspfleger. Auf Nachfrage des Beteiligten zu 2. mit Schriftsatz vom 17.8.2000, ob er vorliegend in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt zum Verfahrenspfleger bestellt worden sei, erließ das Vormundschaftsgericht am 8.9.2000 einen Beschluss, wonach die am 3.8.2000

"angeordnete Bestellung eines Rechtsanwalts als Verfahrenspfleger deshalb erfolgt ist, weil dies zur Wahrung der Interessen des Betroffenen erforderlich erschien".

Ferner erfolgte die Festsetzung des Gegenstandswertes.

Am 4.10.2000 suchte der Beteiligte zu 2. den Betroffenen auf, der nicht mehr ansprechbar war und erstellte dazu einen Bericht vom 6.10.2000. Der Betroffene verstarb 3 Tage später am 9.10.2000. Am 17.10.2000 erstellte der Beteiligte zu 2. gegenüber dem Vormundschaftsgericht eine Kostenrechnung über 624,52 DM nach der BRAGO. Der Rechtspfleger wies den Beteiligten zu 2. auf Bedenken hinsichtlich einer Gebührenfestsetzung nach der BRAGO hin. Der Beteiligte zu 2. blieb jedoch bei der von ihm beantragten Kostenfestsetzung. Nach Übersendung der Akten am 7.2.2002 an den zuständigen Bezirksrevisor zum Vergütungsantrag vom 17.10.00 legte dieser am 15.2.2002 Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 8.9.2000 ein. Das Landgericht hat auf dieses Rechtsmittel den angegriffenen Beschluss abgeändert, den Antrag auf Beiordnung des Beteiligten zu 2. als Rechtsanwalt zurückgewiesen und zur Klarstellung festgestellt, dass die Bestellung nicht als anwaltlicher Verfahrenspfleger erfolgt ist. Gegen diese Entscheidung wendet sich das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2.

II.

Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2. ist als einfache weitere Beschwerde statthaft.

Im Verfahren über die Vergütung eines Verfahrenspflegers unterliegen gem. den §§ 67 Abs. 3 S. 3, 56g Abs. 5 FGG nur die in § 56g Abs. 1 S. 1 - 3 FGG genannten Entscheidungen der sofortigen Beschwerde, wozu insbesondere Beschlüsse über die Festsetzung der zu bewilligenden Vergütung gehören. Zwar ist hier ein entsprechender Antrag vom Beteiligten zu 2. gestellt worden, der indes noch nicht beschieden wurde.

Anfechtbar nach § 20 FGG sind der landgerichtliche Beschluss vom 4.4.2002 und der zugrunde liegende Beschluss vom 8.9.2000. Diese Entscheidungen fallen indes nicht unter § 56g Abs. 1 FGG ( vgl. Beschluss des Senats vom 12.1.2001 - 16 Wx 147/00 ). Die - angegriffene - Feststellung beruht auf der Anregung des Bundesverfassungsgerichts an die Fachgerichte im Beschluss vom 07.06.2000 - 1 BvR 23/00 - (FamRZ 2000, 1280), die der Senat mit Beschluss vom 12.01.2001 - 16 Wx 147/00 - aufgegriffen hat. Sie dient der Rechtssicherheit und Klarheit. Dies gilt nicht nur für sogenannte "Altfälle" d.h. bei Verfahrenspflegschaften, in denen die Bestellung vor den beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 07.06.2000 erfolgt war, sondern für sämtliche Fälle der Bestellung eines Verfahrenspflegers, bei denen nicht offensichtlich ist, in welcher Eigenschaft ein Rechtsanwalt berufen wurde, somit wohl für die Mehrzahl der Fälle. Auch eine nachträgliche Feststellung - wie hier - ist in solchen Zweifelsfällen als zulässig zu erachten. Diese (Zwischen-) Entscheidung ist als mit der einfachen Beschwerde anfechtbar anzusehen (vgl. zu der ähnlichen Problematik des § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB: BayObLG FGPrax 20001, 79 und OLG Frankfurt FGPrax 2001, 76 jeweils mit weiteren Nachweisen).

III.

In der Sache hat die auch im Übrigen zulässige weitere Beschwerde keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung (§§ 27 FGG, 550 ZPO) stand.

Die Feststellung erster Instanz, dass der Beteiligte zu 2. die Verfahrenspflegschaft in seiner Funktion als Rechtsanwalt geführt hat, war fehlerhaft, da es sich um eine typische Routinesache ohne tatsächliche und vor allem ohne rechtliche Schwierigkeiten gehandelt hat. Die abändernde Entscheidung des Landgerichts läßt keine Rechtsfehler erkennen.

1.

Maßgeblich für die Frage, ob die Verfahrenspflegschaft eine anwaltliche ist, ist die Situation zum Zeitpunkt der Bestellung des Beteiligten zu 2. zum Verfahrenspfleger. Bei der Beurteilung ist jeweils vom Einzelfall auszugehen und darauf abzustellen, ob anwaltsspezifische Aufgaben zu erfüllen sind, bei deren Lösung ein Laie typischerweise einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde. Allein die Schwere eines Eingriffs läßt nicht regelmäßig den Schluss auf rechtliche Schwierigkeiten zu ( ständige Rechtsprechung des Senats: vgl. Beschluss v. 12.1.2001 - 16 Wx 147/00-; v. 11.5.2001 16 Wx 77/01; v. 5.12.2000- 16 Wx 154/00 - ).

Hier liegen weder ein überdurchschnittlicher, tiefgreifender Eingriff in die Lebensstellung des Betroffenen, der evtl. anwaltlichen Rat erfordern könnte, noch besondere rechtliche Schwierigkeiten vor. Zum Zeitpunkt der Verfahrenspflegerbestellung am 3.8.2000 stand der Betroffene bereits seit mehreren Jahren unter Betreuung. Ferner hatte der den Betroffenen behandelnde Neurologe und Psychiater schon eine schriftliche Stellungnahme zur Notwendigkeit der Unterbringung des Betroffenen abgegeben. Die Schwere der Erkrankung des Betroffenen, der sich bereits in einem Pflegeheim befand, war im Übrigen allen Beteiligten zu diesem Zeitpunkt bekannt. Anlaß der Verfahrenspflegerbestellung war die Überprüfung, welche weiteren Maßnahmen angeordnet werden sollten, um eine bestehende Verletzungsgefahr möglichst gering zu halten. So sollte der Gutachter insbesondere eine Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung des Heimes und die Anbringung eines Bettgitters in Betracht ziehen. Diese Maßnahmen, die hier mit keiner schwierigen rechtlichen Problematik verbunden waren, stellten für den bereits im Heim wohnenden Betroffenen keinen so schwerwiegenden Eingriff dar, dass ein anwaltlicher Rat in dieser Situation erforderlich geworden wäre. Vielmehr konnte die Frage, welche Maßnahmen zur Sicherung der körperlichen Unversehrtheit des Betroffenen angebracht erscheinen, auch von einem nicht juristisch ausgebildeten Laien anhand der ärztlichen Gutachten beurteilt werden.

Soweit sich schließlich der Beteiligte zu 2. in Anbetracht des Zeitablaufs auf den Vertrauensgesichtspunkt beruft, da er erst 1 1/2 Jahre später von der abweichenden rechtlichen Einordnung seiner Tätigkeit Kenntnis erhalten habe, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Zwar ist ihm zuzugeben, dass die zeitliche Verzögerung bei der Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung auf einem Verfahrensfehler des Vormundschaftsgerichts zurückzuführen ist . Allerdings hat dieser Verfahrensfehler im Ergebnis keinen Einfluss auf die von dem Beteiligten zu 2. entfaltete Tätigkeit, deren Honorierung hier verlangt wird.

Das Amtsgericht hat versäumt, den Beschluss vom 8.9.2000 umgehend dem Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse zuzuleiten, so dass dieser u.U. zeitnah ein Rechtsmittel einlegen konnte. Dass der Bezirksrevisor beschwerdebefugt i. S. d. § 20 Abs. 1 FGG, entspricht der Rechtsprechung des Senats ( vgl. Senat v. 11.5.2001, a. a. O. ). Bei der - hier noch nicht erfolgten - Festsetzung der Vergütung des Beteiligten zu 2. würden dem Vertreter der Landeskasse andernfalls Einwendungen gegen eine Entlohnung nach der BRAGO dem Grunde nach abgeschnitten, falls die angefochtene Entscheidung bestandskräftig werden würde. Wie bei der Feststellung der berufsmäßigen Führung der Betreuung (vgl. hierzu BayObLG BtPrax 2000, 34 = FamRZ 2000, 34 = NJW-RR 2001, 580; OLG Hamm FGPrax 2001, 18 = JMBl.NRW 2001, 56), ist die Entscheidung darüber, dass die Verfahrenspflegschaft eine anwaltliche ist, für das Vergütungsfestsetzungsverfahren konstitutiv.

Die hier vorliegende zeitliche Verzögerung hatte allerdings für die Übernahme der Verfahrenspflegschaft und das Tätigwerden des Beschwerdeführers keine Auswirkungen mehr. Der Beteiligte zu 2. suchte nämlich am 4.10.2000 den Betroffenen auf und erstellte seinen Bericht am 6.10.2000. Am 9.10.2000 verstarb der Betroffene.

Hätte das Vormundschaftsgericht den am 20.9.2000 in den Postausgang gelangten Beschluss dem Bezirksrevisor umgehend zugeleitet, wäre dessen Rechtsmittel frühestens Anfang Oktober 2000 zu den Akten gelangt und dem Beteiligten zu 2. erst einige Tage später mitgeteilt worden. Eine abändernde Entscheidung des Beschwerdegerichts hätte kaum vor November 2000 ergehen können; zu diesem Zeitpunkt hatte der Beteiligte zu 2. seine hier in Rechnung gestellte Tätigkeit abgeschlossen. Der Beteiligte zu 2. kann sich mithin nicht mit Erfolg auf einen eventuellen Vertrauensschutz berufen, da angesichts der dargestellten zeitlichen Abläufe ein Vertrauenstatbestand zum Zeitpunkt seines Tätigwerdens noch nicht vorlag.

Im Übrigen könnten Ansprüche aufgrund Vertrauensschutzes nur unter ganz engen Voraussetzungen begründet werden, da ein Rechtsanwalt, der in (Neben-) Tätigkeit Verfahrenspflegschaften übernimmt und weiß, dass diese normalerweise gerade nicht nach der Gebührenordnung des Hauptberufes honoriert werden, das Risiko der Honoraränderung der Höhe nach bei seiner Entscheidung einkalkulieren kann ( vgl. Rspr. des Senats, Beschluss vom 11.5.2001 - 16 Wx 77/01 ).






OLG Köln:
Beschluss v. 08.05.2002
Az: 16 Wx 72/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/0d057e0fa25b/OLG-Koeln_Beschluss_vom_8-Mai-2002_Az_16-Wx-72-02




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