Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 16. Juni 2010
Aktenzeichen: 7 AktG 1/10

(OLG München: Beschluss v. 16.06.2010, Az.: 7 AktG 1/10)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die mit der Nichtigkeitsklage des Antragsgegners (LG München I, Az: 5 HKO 7526/10) geltend gemachten Mängel die Wirkung der Eintragung des Beschlusses der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 22.10.2008 zum Tagesordnungspunkt 4, durch den die Hauptversammlung der Erhöhung des Grundkapitals der Antragstellerin um € 1.076.000,00 von € 1.024.000,00 auf € 2.100.000,00 zugestimmt hat, unberührt lassen.

II. Es wird festgestellt, dass die mit der Nichtigkeitsklage des Antragsgegners (LG München I, Az: 5 HKO 7526/10) geltend gemachten Mängel die Wirkung der Eintragung des Beschlusses der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 31. März 2009, durch den die Hauptversammlung der Erhöhung des Grundkapitals der Antragstellerin um € 2.000.000,00 von € 2.100.000,00 auf € 4.100.000,00 zugestimmt hat, unberührt lassen.

III. Es wird festgestellt, dass die Erhebung der Anfechtungsklage des Antragsgegners (LG München I, Az: 5 HKO 7526/10) gegen den Beschluss der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 17. März 2010 zum Tagesordnungspunkt 7, mit dem die Hauptversammlung der Herabsetzung des Grundkapitals von € 4.100.000,00 auf € 0,00 in vereinfachter Form unter gleichzeitiger Erhöhung des Grundkapitals auf bis zu 2.050.000,00, mindestens jedoch € 50.000,00, zugestimmt hat, der Eintragung nicht entgegensteht und Mängel des Beschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen.

IV. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist ein Pharmaunternehmen in München.

Der inzwischen verstorbene Günther J. Sch. (verstorben am 16.12.2009, nachfolgend €Erblasser€ genannt) war zunächst Alleinaktionär mit einem Aktienbestand von 2.002 Aktien und einem Anteil am Grundkapital der Antragstellerin von 100 % oder 1.024.000,-- €, sowie infolge Kapitalerhöhung vom 22.10.2008 Aktieninhaber mit einem Aktienbestand von 1.024.000 Namensaktien, was einem Anteil am Grundkapital der Antragstellerin von 1.024.000,--€ entspricht.

Die K. Beteiligungsgesellschaft mbH (nachfolgend €K. GmbH€ genannt) hat ihre Beteiligung an der Antragstellerin im Rahmen zweier Kapitalerhöhungen durch Beschlüsse der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 22.10.2008 und 31.03.2009 erworben.

Durch Beschluss der Hauptversammlung der Antragstellerin zu TOP 4 vom 22.10.2008 wurde das Grundkapital der Antragstellerin um 1.076.000,-- € von 1.024.000,-- € auf 2.100.000,-- € erhöht.

Das Bezugsrecht des Erblassers wurde zu Gunsten der K. GmbH ausgeschlossen (Anlage AS 33).

Mit Beschluss der Hauptversammlung vom 31.03.2009 wurde das Grundkapital der Antragstellerin um 2 Mio. von 2.100.000,-- € auf 4.100.000,-- € erhöht. Das Bezugsrecht des Erblassers wurde wiederum zu Gunsten der K. GmbH ausgeschlossen. Die neuen Aktien wurden zum Ausgabepreis von 1,-- € je Aktie ausgegeben (Anlage AS 37). Der Erblasser wurde in dieser Hauptversammlung aufgrund einer von ihm erteilten Generalvollmacht vom 28.05.2008 (Anlage AS 10) durch Herrn Dr. W., vertreten.

In der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 17.03.2010 (Anlage AS 77) wurde unter TOP 7 folgender Beschluss gefasst:

a) Das Grundkapital der Gesellschaft in Höhe von 4.100.000,-- €, eingeteilt in 4.100.000 auf den Namen lautende Stückaktien, wird in vereinfachter Form nach den Vorschriften der §§ 229 ff. AktG um 4.100.000,-- € auf 0,00 € herabgesetzt. Die Kapitalherabsetzung hat den Zweck, in Höhe von 4.100.000,-- € Wertminderungen auszugleichen und sonstige Verluste zu decken.

b) Zugleich wird das auf 0,00 € herabgesetzte Grundkapital gegen Bareinlagen um bis zu 2.050.000,-- € auf bis zu 2.050.000,-- €, mindestens jedoch 50.000,-- € erhöht durch 2.050.000 mindestens jedoch 50.000 neuen, auf den Namen lautende Stückaktien mit Gewinnberechtigung ab dem 01.01.2010. Der Ausgabebetrag der neuen Aktien beträgt 1,-- € je auszugebender Aktie. Der auf jede neue Aktie entfallende anteilige Betrag des Grundkapitals beträgt 1,-- €.

Die neuen Aktien sind zunächst den Aktionären im Verhältnis 2 : 1 zum Bezug anzubieten, d.h. je zwei alte Aktien berechtigen zum Bezug einer neuen Aktie. Die Bezugsfrist endet 3 Wochen nach Bekanntmachung des Bezugsangebots.

Bezüglich des weiteren Inhalts der jeweiligen Beschlussfassungen wird auf die genannten Anlagen Bezug genommen.

Die beiden Kapitalerhöhungen vom 22.10.2008 und vom 31.03.2009 wurden in das Handelsregister eingetragen. Die bereits angemeldete Handelregistereintragung der Kapitalherabsetzung und der gleichzeitigen Kapitalerhöhung gemäß Beschluss vom 17.03.2010 ist noch nicht erfolgt.

Der Erblasser hat in seinem Testament vom 24.10.2007 (Anlage AS 22) unter Ziffer 5 u.a. verfügt:

€5.1. Ich übertrage meinen gesamten Nachlass mit Ausnahme der ausdrücklich in einem evtl. Kodizill erwähnten Werte auf die gemeinnützige Günther J. Sch.-Stiftung mit Sitz in M. ...

5.1.8. Die vorliegende Verfügung (Ziffer 5.1.) erfolgt nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass die Organisation, Statuten und das Stiftungsreglement den Bestimmungen des Testaments und der ggf. in Ergänzung desselben erstellten Kodizille ohne jede Ausnahme und Abweichung angepasst werden. Sollten die Auflagen nicht angenommen werden, verfüge ich, dass mein Nachlass auf eine neu zu gründende Stiftungen übertragen wird. ...€.

Bezüglich des weiteren Inhalts des Testaments wird auf die Anlage Bezug genommen.

Der Antragsgegner ist der Testamentsvollstrecker über den Nachlass nach Herrn Günther J. Sch. In dieser Funktion erhob er mit Schriftsatz vom 19.04.2010 Nichtigkeitsfeststellungs- und Anfechtungsklage beim Landgericht München I (Az. 5 HKO 7526/10). Er begehrt die Feststellung der Nichtigkeit von TOP 4 des Beschlusses der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 22.10.2008, des Beschlusses der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 31.03.2009 und die Erklärung der Nichtigkeit von TOP 7 des Beschlusses der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 17.03.2010.

Das Landgericht München I hat in dieser Sache Termin zur mündlichen Verhandlung auf Donnerstag, 12.08.2010 anberaumt.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 21.05.2010 die Durchführung eines Freigabeverfahrens beantragt; der Antrag wurde dem Antragsgegner am 28.05.2010 zugestellt.

Zur Begründung ihres Antrags auf Freigabe macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, dass die vom Antragsgegner erhobenen Beschlussmängelklagen ohne Aussicht auf Erfolg seien.

a) Die Nichtigkeitsklage im Hinblick auf den Kapitalerhöhungsbeschluss vom 22.10.2008 sei offensichtlich unbegründet, weil die angebliche Geschäftsunfähigkeit des Erblassers lediglich die Möglichkeit einer - hier indes bereits verfristeten - Beschlussanfechtbarkeit eröffnet. Zudem sei die behauptete Geschäftsunfähigkeit des Erblassers weder schlüssig vorgetragen noch hinreichend nachgewiesen.

b) Auch die Nichtigkeitsklage im Hinblick auf den Kapitalerhöhungsbeschluss vom 31.03.2009 sei offensichtlich unbegründet. Der Antragsgegner trage keine Umstände vor, die eine sittenwidrige Ausnutzung der Generalvollmacht durch Herrn Dr. W. begründen.

Die behauptete Sittenwidrigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses wegen unangemessen niedriger Festsetzung des Ausgabebetrages eröffne zudem lediglich die Möglichkeit der Anfechtung (§ 255 Abs. 2 AktG).

c) Die Anfechtungsklage gegen den Beschluss vom 17.03.2010 über die vereinfachte Kapitalherabsetzung auf Null unter gleichzeitiger Kapitalerhöhung sei offensichtlich unbegründet. Die Kapitalherabsetzung auf Null sei nach allgemeiner Ansicht in Rechtsprechung und Literatur zulässig; die Einhaltung des § 1 Abs. 2 AktG werde nicht vorausgesetzt. Es sei deshalb kein Verstoß gegen die Vorschriften des Grundkapitals erfolgt.

Der Beschluss verstoße auch nicht gegen die Zweckbindung (§§ 243 Abs. 1, 229 Abs. 1 Satz 2 AktG) bei einer vereinfachten Kapitalherabsetzung. Der in § 229 AktG genannte Begriff €Wertminderung€ sei nach einhelliger Auffassung ein Unterfall des Begriffs €Verluste€. Die Tagesordnung sei nicht unbestimmt gewesen. Es liege auch kein Fehler bei der Beschlussfassung vor, dass das notwendige Quorum einer Kapitalmehrheit nicht erfüllt worden sei. Der Beschluss sei nicht unter Verletzung des Informationsrechts des Antragsgegners zustande gekommen. Schließlich sei kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot erfolgt.

Selbst wenn die Klage des Antragsgegners für begründet gehalten werde, seien die Voraussetzungen des § 246 a Abs. 2 Nr. 3 AktG erfüllt, weil die von der Antragstellerin dargestellten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen.

Nachdem der Senat mit Verfügung vom 27.05.2010 (Blatt 88 d.A.) auf seine Bedenken bezüglich der Anfechtungsbefugnis des Testamentsvollstreckers hingewiesen hat, trat auch die Antragstellerin dieser Auffassung bei.

Die Antragstellerin beantragt daher,

I. Es wird festgestellt, dass die mit der Nichtigkeitsklage des Antragsgegners (LG München I, Az: 5 HKO 7526/10) geltend gemachten Mängel die Wirkung der Eintragung des Beschlusses der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 22.10.2008 zum Tagesordnungspunkt 4, durch den die Hauptversammlung der Erhöhung des Grundkapitals der Antragstellerin um € 1.076.000,00 von € 1.204.000,00 auf € 2.100.000,00 zugestimmt hat, unberührt lassen.

II. Es wird festgestellt, dass die mit der Nichtigkeitsklage des Antragsgegners (LG München I, Az: 5 HKO 7526/10) geltend gemachten Mängel die Wirkung der Eintragung des Beschlusses der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 31. März 2009, durch den die Hauptversammlung der Erhöhung des Grundkapitals der Antragstellerin um € 2.000.000,00 von € 2.100.000,00 auf € 4.100.000,00 zugestimmt hat, unberührt lassen.

III. Es wird festgestellt, dass die Erhebung der Anfechtungsklage des Antragsgegners (LG München I, Az: 5 HKO 7526/10) gegen den Beschluss der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 17. März 2010 zum Tagesordnungspunkt 7, mit dem die Hauptversammlung der Herabsetzung des Grundkapitals von € 4.100.000,00 auf € 0,00 in vereinfachter Form unter gleichzeitiger Erhöhung des Grundkapitals auf bis zu 2.050.000,00, mindestens jedoch € 50.000,00, zugestimmt hat, der Eintragung nicht entgegensteht und Mängel des Beschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen.

Der Antragsgegner widersetzt sich dem Freigabeantrag.

Nach seinem Vorbringen sei er als Testamentsvollstrecker prozessführungsbefugt für die Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage.

Zudem seien die Freigabeanträge zu I. und II. mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht statthaft, da die genannten Hauptversammlungsbeschlüsse bereits im Handelsregister eingetragen worden sind.

Die Freigabeanträge seien auch unbegründet, da keine offensichtliche Unzulässigkeit bzw. Unbegründetheit der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage vorliege. Der Antragsgegner sei als Testamentsvollstrecker über den Nachlass nach Herrn Günther J. Sch. prozessführungsbefugt.

Der Kapitalerhöhungsbeschluss vom 22.10.2008 sei nichtig. Der Erblasser habe sich am 22.10.2008 in einem seine freie Willensentschließung ausschließenden Zustand befunden, er sei geschäftsunfähig gewesen. Dies ergebe sich aus dem vorgelegten Gutachten des Sachverständigen Dr. S. (Anlage AS 17) und dessen ergänzenden Stellungnahme (Anlage AG 11) sowie aufgrund des Attests der Allgemeinärztin Elke M. (Anlage AS 16 a).

Ein geschäftsunfähiger Alleinaktionär könne keine wirksame Vollversammlung im Sinne des § 121 Abs. 6 AktG abhalten.

Der Beschluss vom 31.03.2009 sei wegen Perplexität ebenfalls nichtig. Diese Kapitalerhöhung baue auf der Kapitalerhöhung gemäß Beschluss vom 22.10.2008 auf, welche nichtig sei. Der Erblasser sei zudem im Zeitpunkt der Erteilung der Generalvollmacht vom 28.05.2008 an Herrn Dr. W. (Anlage AS 10) nicht mehr geschäftsfähig gewesen, so dass Herr Dr. W. in der Hauptversammlung vom 31.03.2009 als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt habe.

Der Beschluss der Hauptversammlung der Antragstellerin zu TOP 7 vom 27.03.2010 sei anfechtbar. Die Tagesordnung sei zu unbestimmt, der Beschluss verstoße gegen die Zweckbindung eines solchen Kapitalschnitts, es liege ein Verstoß gegen Informationspflichten vor, das notwendige Quorum sei nicht erfüllt, es sei gegen die Vorschriften zur Aufbringung des Grundkapitals sowie gegen das Gleichbehandlungsgebot der Aktionäre verstoßen worden.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des jeweiligen Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2010 (Blatt 171/175 d.A.) Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Erlass eines Beschlusses gemäß § 246 a Abs. 1 und 2 AktG zur Freigabe der Eintragung der streitgegenständlichen Kapitalerhöhungen ist zulässig und begründet.

1. Die Anträge zu Ziffer I. und II. des hiesigen Beschlusses betreffend die Beschlussfassung vom 22.10.2008 und vom 31.03.2009 sind trotz jeweils erfolgter Eintragungen der Beschlüsse in das Handelsregister zulässig.

Eine bereits erfolgte Eintragung hindert das Freigabeverfahren des § 246 a AktG nicht. Es kommt nur auf die Eintragungsbedürftigkeit an, nicht aber darauf, dass die Registereintragung noch durchgesetzt werden muss. Nach der erfolgten Eintragung in das Handelsregister geht es zwar nicht mehr darum, den Entscheidungsspielraum des Registergerichts zu beseitigen. Ein zusätzlich bezweckter Bestandsschutz kann aber nur erreicht werden, wenn das Freigabeverfahren auch noch nach Eintragungsgebot besteht (vgl. Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 246 a Rz. 5).

2. Dem Antrag auf Freigabe bezüglich der drei genannten Beschlüsse war auch in vollem Umfang stattzugeben.

(Soweit im Antrag vom 21.05.2010 in Ziffer 1 der Betrag von 1.204.000,-- € genannt ist, handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen; richtigerweise muss es lauten 1.024.000,-- €, wie sich aus dem Hauptversammlungsbeschluss vom 22.10.2008,Anlage AS 33,ergibt.)

a) Der Antragsgegner hat binnen einer Woche nach Zustellung des Freigabeantrags am 28.05.2010, eingegangen bei Gericht am selben Tag (Anlage zu Blatt 87 d.A.) am 04.06.2010 (Blatt 92/102 d.A.) durch Vorlage des Aktienregisters (Anlage AG 1) urkundlich den Nachweis erbracht, dass der Erblasser lange vor Bekanntmachung der jeweiligen Einberufung einen anteiligen Betrag von mindestens 1.000,-- € gehalten hat (vgl. § 246 a Abs. 2 Ziffer 2 AktG).

Nachdem der Erblasser zunächst bis zum Oktober 2008 unstreitig Alleinaktieninhaber war, hatte er infolge der ersten Kapitalerhöhung durch Beschluss vom 22.10.2008 einen Aktienbestand von 1.024.000 Namensaktien, was einem Anteil am Grundkapital der Antragstellerin von 1.024.000,-- € entspricht (vgl. Aktienregister, Stand ab 17.04.2009, Anlage AG 1).

48b) Vorliegend ist auch den Mindestanforderungen des Aktiennachweises im Erbfall Rechnung getragen worden. Danach ist neben dem urkundlichen Nachweis des Aktienbesitzes durch den Erblasser der urkundliche Nachweis des eingetretenen Erbfalls erforderlich, d.h. dass die Stiftung Alleinerbin geworden ist. Diesem Erfordernis kam der Antragsgegner rechtzeitig nach (Anlage AG 3).

49Laut Erbschein des Amtsgerichts München vom 20.05.2010 ist Herr Günther J. Sch. allein beerbt worden von der €Fondazione Günther J. Sch.€. Zwar ist dieser Erbschein unvollständig, da nicht ersichtlich ist, ob das Erbrecht aufgrund Gesetzes oder aufgrund Verfügung von Todes wegen beansprucht wird (vgl. Edenhofer in Palandt, BGB, 69. Aufl., § 2353 Rz. 14).

Auch hat der Erblasser in seinem Testament vom 24.10.2007 (Anlage AS 22) die Wirksamkeit seiner letztwilligen Verfügung vom Eintritt einer Bedingung abhängig gemacht. Danach soll gemäß Ziffer 5.1.8. die Stiftung die Zuwendung nur behalten dürfen, wenn sie sich entsprechend dem Willen des Erblassers verhält. Es handelt sich um eine gesetzlich zulässige Bedingung (§ 2075 BGB), da das Verhalten der Stiftung allein von ihrem Willen abhängt. Der unter einer auflösenden Bedingung Bedachte hat die Stellung eines (in der Regel befreiten) Vorerben (vgl. Edenhofer in Palandt a.a.O., § 2075, Rz. 5). Gemäß § 2363 BGB wäre daher im vorliegenden Erbschein die Vor- und Nacherbenstellung einzutragen gewesen.

Trotz der Lückenhaftigkeit des Erbscheins wurde aber jedenfalls die Alleinerbenstellung der Stiftung - wenn auch tatsächlich nur als Vorerbin - zutreffend wiedergegeben. Auch enthält der Erbschein den hier erforderlichen Vermerk über die Anordnung der Testamentsvollstreckung (§ 2364 BGB).

52c) Schließlich hat der Antragsgegner, da er in seiner Funktion als Testamentsvollstrecker über den Nachlass nach Herrn Günther J. Sch. die Nichtigkeitsfeststellungs- und Anfechtungsklage vor dem Landgericht München I betreibt, seine Ernennung zum Testamentsvollstrecker urkundlich nachgewiesen durch Vorlage des Zeugnisses des Amtsgerichts München vom 25.05.2010 über (vgl. Anlage AG 2).

3. In der Sache war der Freigabeantrag in vollem Umfang begründet.

Zwar bestehen seitens des Senats erhebliche Bedenken, ob der Testamentsvollstrecker im zugrundeliegenden Rechtsstreit der Nichtigkeitsfeststellungs- und Anfechtungsklage überhaupt prozessführungsbefugt ist. Immerhin handelt es sich hier nicht um eine testamentarisch angeordnete Dauertestamentsvollstreckung im Sinne von § 2209 BGB, sondern um den gesetzlichen Regelfall der reinen Abwicklungsvollstreckung (§§ 2203 ff. BGB).

Die Frage der Prozessführung kann aber hier letztlich dahingestellt bleiben, da die erhobene Nichtigkeitsfeststellungs- und Anfechtungsklage in der Sache offensichtlich unbegründet ist.

a) Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 22.10.2008 zu TOP 4, durch den das Grundkapital der Antragstellerin um 1.076.000,-- € von 1.024.000,-- auf 2.100.000,-- € erhöht wurde:

Der Antragsgegner stützt die Nichtigkeit von TOP 4 dieses Beschlusses auf die Geschäftsunfähigkeit des Erblassers als damaliger Alleinaktionär der Antragstellerin. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Frage, ob ein an der Hauptversammlung teilnehmender Aktionär, der im Moment seiner Stimmabgabe geschäftsunfähig ist, von der Vorschrift des § 241 AktG erfasst ist und ob zudem wegen erfolgter Eintragungen in das Handelsregister nicht bereits Heilung eingetreten ist (§ 242 AktG).

Jedenfalls hat der Antragsgegner nicht hinreichend nachgewiesen, dass der Erblasser bereits zum Zeitpunkt der Teilnahme an der Hauptversammlung am 22.10.2008 geschäftsunfähig war.

Der Sachverständige Dr. S. geht in seinem Gutachten vom 06.12.2009 (Anlage AS 17) davon aus, dass beim Erblasser zwar keine vaskuläre Demenz vorliege. Es sei aber von einer fortgeschrittenen mittelgradigen Demenz auszugehen, vor 1 Jahr sei die Demenz ebenfalls fortgeschritten gewesen, möglicherweise noch etwas näher im Bereich der leichtgradigen Demenz zu erachten. Es liege also senile Demenz des Hochbetagten vor, ein Spätalzheimer.

Mit den Ausführungen genügt der Sachverständige nicht den Anforderungen, die an die Feststellung der Geschäftsunfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 22.10.2008 zu stellen sind.

Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB besteht nur, wenn eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit von Dauer vorliegt, die geeignet ist, die freie Willensbestimmung auszuschließen (vgl. BayObLG 1 Z BR 132/99 = NJW-RR 2000, 1029).

Zunächst ist festzustellen, dass die Geschäftsfähigkeit die Regel, die Störung der Geistestätigkeit dagegen die Ausnahme bildet, ein Erblasser also solange als geschäftsfähig anzusehen ist, als nicht das Fehlen der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit zur Gewissheit des Gerichts nachgewiesen ist. Wer die Geschäftsunfähigkeit des Erblassers behauptet und sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit von Handlungen beruft, trägt deshalb die Feststellungslast für alle sie begründenden tatsächlichen Umstände. Solange die Geschäftsunfähigkeit zweifelhaft bleibt, ist von der Geschäftsfähigkeit auszugehen (vgl. BayObLG 1 Z BR 123/00 = FamRZ 2002, 62).

Die Frage, ob die Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB vorliegen, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet (siehe BayObLG a.a.O.).

Es bedarf hinreichender Umstände, um Klarheit über die Anknüpfungstatsachen für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit zu gewinnen. Nicht der Sachverständige, sondern das Gericht hat nach freier Überzeugung in Würdigung aller maßgebenden Umstände und unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung abschließend zu entscheiden, ob ein zu beurteilender Sachverhalt mit einem jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Grad von Wahrscheinlichkeit zutrifft oder nicht (vgl. BayObLG 1 Z BR 123/00 = FamRZ 02, 64).

Unter Anlegung dieser Maßstäbe reichen die vom Sachverständigen zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen nicht aus, um den Ausschluss der freien Willensbestimmung des Erblassers zum Zeitpunkt seiner Teilnahme an der Hauptversammlung am 22.10.2008 feststellen zu können.

Seitens des Sachverständigen werden keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen dargelegt, und es werden keine wissenschaftlich begründeten Ausführungen gemacht, woraus sich ergeben soll, dass die Begutachtung der festgestellten mittelgradigen Demenz bereits vor mehr als 1 Jahr, d. h. am 22.10.2008, vorgelegen haben soll.

Der Gutachter gibt selbst an, das dementielle Abbaugeschehen sei allmählich erfolgt, scheine sich in letzter Zeit akzeleriert zu haben. Beim Probanden sei ein plötzlicher Beginn der Demenz mit einer aktuellen Symptomatik nicht erkennbar.

Wieso gerade wegen der gutachterlich festgestellten Akzeleration, d. h. der Beschleunigung des Abbauvorgangs, der Schluss gezogen werden kann, dass bereits vor 1 Jahr vom Ausschluss der freien Willensbestimmung auszugehen ist, wird nicht näher dargelegt. Der Gutachter stützt sich hauptsächlich auf seine Eigenuntersuchung vom 26.11.2009, die dort durchgeführten Tests, auf die Aussage von Zeugen, sowie auf das ärztliche Attest der Hausärztin M. (Anlage AS 16 a).

Der Sachverständige hat seine Feststellungen bei der Untersuchung vom 26.11.2009 zur Beurteilung der Geschäftsfähigkeit des Erblassers herangezogen, ohne zu untersuchen, inwieweit sich das dort festgestellte Krankheitsbild des Erblassers im Hinblick auf den tatsächlich kurz darauf eingetretenen Tod des Erblassers am 16.12.2009 möglicherweise gerade im letzten Lebensabschnitt rapide verschlechtert haben mag.

Zusätzlich musste der Sachverständige einräumen, dass eine differenzierte Analyse von verschiedenen Testverfahren sowie Laboruntersuchungen von ihm nicht durchgeführt worden sind, da dies einer stationären Aufnahme bedurft hätte (vgl. ergänzende Stellungnahme des Gutachters vom 12.06.2010 = Anlage AG 11, dort Seite 17 ff).

Soweit der Sachverständige daher angibt, bei der Untersuchung sei die Zuspitzung der körperlichen Situation, insbesondere der Herzerkrankung nicht zu bemerken gewesen (vgl. ergänzende Stellungnahme vom 12.06.2010, dort Seite 26) stellt dies - auch im Hinblick auf die eingeräumte unterbliebene stationäre Unterbringung des Erblassers - keine ausreichende gutachterliche Stellungnahme dar, inwieweit die beim Erblasser vorgelegene starke Herz- und Niereninsuffizienz (vgl. Gutachten Seite 2) Einfluss auf das Krankheitsbild des Erblassers, gerade im letzten Lebensabschnitt, gehabt haben kann.

Soweit das Gutachten auch auf das Attest der praktischen Ärztin M. (Anlage AS 16 a) Bezug nimmt, ist festzustellen, dass dies ein Attest einer praktischen Ärztin ist, ohne besondere Facharztkenntnisse für Neurologie und Psychiatrie. Dieses Attest beruht zudem auf der Diagnose, dass der Erblasser schwerstkrank in einem sehr schlechten Allgemeinzustand während seines Krankenhausaufenthalts gewesen sei und sicher krankheitsbedingt nicht geschäftsfähig sei. Das Attest nimmt im Wesentlichen auf körperliche Befunde Bezug (u.a. schwere Atemnot und Linksherzinsuffizienz sowie chronische Niereninsuffizienz). Körperliche Mängel bzw. ein körperlicher Verfall sind aber in der Regel kein Anhaltspunkt für Geschäftsunfähigkeit.

Aufgrund welcher sonstiger konkreter Umstände die praktische Ärztin zu dem Schluss der krankheitsbedingten Geschäftsunfähigkeit des Erblassers kommt, erschließt sich aus den Feststellungen im Attest nicht.

Gegen diese Feststellungen spricht zudem vielmehr, dass der Erblasser bei seiner Aufnahme vom 25.09.2008 in der Internistischen Klinik Dr. M. in M. bei seiner körperlichen Untersuchung als wach und allseits orientiert beschrieben wird (vgl. Seite 4 des Gutachtens Dr. S.).

Soweit sich der Gutachter auf die Aussage der langjährigen Angestellten des Erblassers, Frau Gabriele K. beruft, reichen auch diese Angaben nicht aus, ausreichende Grundlage für die Annahme der Geschäftsunfähigkeit des Erblassers zu sein.

Soweit Frau K. ausführt, der Erblasser sei seit 2 - 3 Jahren durch erhebliche Auffassungsschwierigkeiten aufgefallen, ist allein hieraus noch nicht feststellbar, ob die psychischen Funktionen des Auffassens, des Urteilens und des kritischen Stellungnehmens durch die Geisteskrankheit oder -schwäche so sehr beeinträchtigt sind, dass der Erblasser nicht mehr fähig ist, die Bedeutung seiner Entscheidung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (vgl. BayObLG 1 Z BR 124/00 = FamRZ 2002, 1066).

Hinzu kommt, dass gerade diese Zeugin sowie die weitere ehemalige Angestellte des Erblassers, Frau Roswitha H. anlässlich einer notariell erfolgten Änderung des Testaments durch den Erblasser vom 15.01.2009 (Anlage AS 25) laut notarieller Urkunde bestätigt haben, der Erblasser sei ihrer Auffassung nach geschäftsfähig.

Ausführungen des damals anwesenden Notars zur möglichen Geschäftsunfähigkeit finden sich in der Urkunde ebenfalls nicht.

Der Einwand des Antragsgegners, die Aussage der Zeugin beziehe sich auf die Testierfähigkeit des Erblassers, greift nicht. Die Testierfähigkeit ist als spezielle Ausprägung der Geschäftsfähigkeit auf dem Gebiet des Erbrechts geregelt (vgl. Edenhofer in Palandt a.a.O., § 2229, Rz. 1).

Ihre Voraussetzungen decken sich zwar nicht in allen Einzelheiten mit denen der Geschäftsfähigkeit. Sowohl die Geschäftsunfähigkeit als auch die Testierunfähigkeit volljähriger Personen setzen aber eine Störung der Geistestätigkeit im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung voraus, die ein Handeln in freier Willensbestimmung ausschließen (vgl. BayObLG, 1 Z BR 123/00).

Soweit Frau K. auf physische Schwächen des Erblassers verweist, ist der körperliche Verfall, wie bereits ausgeführt, grundsätzlich ohne Einfluss auf die Frage des Ausschlusses freier Willensbildung.

Da der Antragsgegner die Geschäftsunfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Hauptversammlung vom 22.10.2008 nicht nachweisen kann, verbleibt es bei der regelmäßig anzunehmenden Geschäftsfähigkeit des Erblassers zu diesem Zeitpunkt. Der Beschluss mit der unter TOP 4 gefassten Kapitalerhöhung ist damit nicht nichtig, sondern rechtswirksam.

b) Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses vom 31.03.2009 , durch den das Grundkapital der Antragstellerin um 2 Mio. von 2.100.000,-- € auf 4.100.000,-- € erhöht wurde:

Der Antragsgegner stützt hier die Nichtigkeit des Beschlusses wegen der Perplexität mit der vorangegangenen behaupteten nichtigen Kapitalerhöhung durch Beschluss vom 22.10.2008. Aus den zu 3 a) genannten Gründen liegt aber gerade kein nichtiger Beschluss vom 22.10.2008 vor, so dass die Geschäftsgrundlage für den Beschluss vom 31.03.2009 nicht entzogen ist.

Soweit sich der Antragsgegner auf die Nichtigkeit der Generalvollmacht vom 28.05.2008 an Herrn Dr. W. (Anlage AS 10) beruft, so dass dieser in der Hauptversammlung vom 31.03.2009 als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt haben soll, kann der Antragsgegner auch hier nicht den Beweis erbringen, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung vom 28.05.2008 geschäftsunfähig war.

Auf die obigen Ausführungen unter 3 a) wird Bezug genommen. Auch die Vollmachtserteilung erfolgte bereits ca. 8 Monate vor der Begutachtung des Erblassers durch den Sachverständigen. Wieso der entsprechende Rückschluss auf die Geschäftsunfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt gegeben sein soll, wurde nicht dargetan. Es fehlen auch für diesen Zeitpunkt im Gutachten hinreichende Erläuterungen, woraus sich dieser Rückschluss der behaupteten Geschäftsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Begutachtung am 26.11.2009 auf den früheren Zeitpunkt der Vollmachtserteilung am 28.05.2008 ergeben soll. Inwieweit Herr Dr. W. als Bevollmächtigter in rechts- und sittenwidriger Weise von der ihm durch den Erblasser erteilten Generalvollmacht Gebrauch gemacht haben soll, hat der Antragsgegner in keiner Weise näher dargelegt und ist auch aus dem umfangreichen Anlagenkonvolut nicht ersichtlich.

Das gleiche gilt, soweit sich der Antragsgegner auf die Sittenwidrigkeit der Kapitalerhöhung aus dem Ausgabepreis von 1,-- € je Aktie beruft. Auch hier fehlen jegliche nähere Ausführungen.

Auf diese beiden Argumente stützt sich zudem der Antragsgegner in seiner Erwiderungsschrift zum Freigabeantrag der Antragstellerin nicht mehr.

Zudem eröffnet eine unangemessen niedrige Festsetzung des Ausgabebetrages lediglich die Möglichkeit der Anfechtungsklage, die hier längst verfristet wäre, nicht aber eine Nichtigkeitsklage (§ 255 Abs. 2 AktG).

c) Nichtigerklärung des Beschlusses der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 17.03.2010 zu TOP 7, durch den in vereinfachter Form das Grundkapital der Antragstellerin von 4.100.000,-- € auf 0,00 € herabgesetzt wurde und anschließend auf bis zu 2.050.000,-- €, mindestens jedoch 50.000,-- € erhöht wurde:

aa) Soweit sich der Antragsgegner im vorliegenden Freigabeverfahren nunmehr auf die Nichtigkeit/Anfechtbarkeit des Kapitalschnitts wegen Perplexität mit den behaupteten nichtigen Beschlüssen (Beschlüsse vom 22.10.2008 und 31.03.2009) beruft, steht die Nichtigkeit der genannten Beschlüsse aus den oben unter 3.a) und b) genannten Gründen gerade nicht fest.

Das gemäß § 222 Abs. 1 AktG notwendige Quorum einer Kapitalmehrheit von mindestens ¾ des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals war erfüllt. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners waren die Stimmen der K. GmbH mitzuzählen. Die K. GmbH ist aufgrund der gemäß Beschluss vom 22.10.2008 und Beschluss vom 31.03.2009 wirksamen Kapitalerhöhungen Aktionärin der Antragstellerin geworden.

bb) Der Beschluss zu TOP 7 über die Herabsetzung des Grundkapitals auf Null und anschließende Kapitalerhöhung bedeutet keinen Verstoß gegen die Vorschriften des Grundkapitals (§§ 243 Abs. 1, 228, 229 AktG).

Es entspricht inzwischen höchstrichterlich gefestigter Rechtsprechung, dass vor der Kapitalerhöhung kein Restkapital übrig bleiben muss, das bisherige Grundkapital also auch auf Null herabgesetzt werden kann, wenn die Herabsetzung nach § 228 AktG mit einer Kapitalerhöhung verbunden wird, die auf jeden Fall den Mindestnennbetrag des Grundkapitals erreicht (vgl. BGH II ZR 126/98 = BGHZ 142, 167; Hüffer a.a.O., § 228 Rz. 2 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist hier bei der Antragstellerin erfüllt. Die vom Antragsgegner in der Klageschrift angeführte Meinung ist höchstrichterlich überholt. Der Antragsgegner hat letztlich seine Auffassung im vorliegenden Freigabeverfahren auch nicht mehr vertreten.

cc) Der Beschluss verstößt auch nicht gegen die Zweckbindung (§ 243 Abs. 1, 229 Abs. 1 Satz 2 AktG). Es ist unbedenklich, dass der Beschluss keine Aussage dazu trifft, welcher Teil des Herabsetzungsbetrags auf den Ausgleich von Wertminderungen und welcher auf die Deckung von Verlusten entfällt. Gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 AktG ist eine vereinfachte Kapitalherabsetzung zulässig, wenn sie dazu dient, entweder Wertminderungen auszugleichen bzw. sonstige Verluste zu decken, oder Beträge in die Kapitalrücklage einzustellen. Der Begriff des Ausgleichs von Wertminderungen ist nach einhelliger Auffassung ein Unterfall des Begriffs €Verluste€ (siehe Hüffer, a.a.O., § 228 Rz. 2 m.w.N.).

dd) Die Tagesordnung in der Einladung zur Hauptversammlung war hinreichend bestimmt. Sie enthält alle Angaben, die notwendig waren, um eine Beschlussfassung über die vereinfachte Kapitalherabsetzung in der Hauptversammlung herbeizuführen.

ee) Der Beschluss ist auch nicht unter Verletzung des Informationsrechts des Antragsgegners zustande gekommen (§ 243 Abs. 1, Abs. 4, § 131 AktG). Soweit der Antragsgegner ausführt, er sei nicht in ausreichendem Maße informiert worden, wichtige Informationen (Kreditverträge, Liquiditätsplanung, Unternehmensplanung) seien dem Vertreter des Antragsgegners erst in der Hauptversammlung überreicht worden, hat er danach offensichtlich letztlich in der Hauptversammlung alle Unterlagen erhalten. Jedenfalls hat der Antragsgegner nicht dargetan, welche Unterlagen ihm weiter vorenthalten worden sein sollen.

Soweit er rügt, seine Frage zur finanziellen Lage der Antragstellerin sei nur unzureichend beantwortet worden, ist auch hier nicht näher dargetan, welche konkrete Frage seinerseits nicht beantwortet worden sein soll. Immerhin ist aus dem Protokoll der Hauptversammlung vom 17.03.2010 (Anlage AS 77, dort Seite 8) ersichtlich, dass zur Beantwortung der Fragen des Antragsgegners die Sitzung zweimal für längere Zeit unterbrochen wurde. Es hätte daher hier eines substantiierten Vortrags bedurft, welche behauptete weiter offen gebliebene Frage nicht beantwortet wurde.

ff) Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (§ 121 Abs. 1, 53 a AktG) ist ebenfalls nicht feststellbar. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist der Vortrag der Antragstellerin, dass die an die KHW GmbH weitergegebenen Informationen nicht als Aktionärin, sondern in ihrer Funktion als Darlehens-/Sicherheitsgeberin erteilt worden sind, schlüssig dargetan. Die Antragstellerin hat auch substantiiert vorgetragen, welche Fragen in diesem Zusammenhang gestellt und welche Antworten ihrerseits erteilt und welche Unterlagen übergeben worden sind, die dem Antragsgegner auch in der Hauptversammlung zur Verfügung gestellt worden sind.

Entsprechender Vortrag seitens des Antragsgegners, welche Unterlagen ihm trotzdem weiter vorenthalten worden sein sollen, wurde nicht dargetan. Der Antragsgegner stützt sich für seine Behauptung auf die Äußerung der Antragstellerin: €... hierbei handelt es sich u.a. ...€ (siehe Freigabeschriftsatz vom 21.05.2010, Seite 47 vorletzter Absatz). Allein hieraus ergibt sich aber nicht zwingend der Rückschluss auf weiter vorenthaltenes Material.

Dem Freigabeantrag war daher in vollem Umfang stattzugeben. Die Nichtigkeitsfeststellungs-/bzw. Anfechtungsklage des Antragsgegners ist offensichtlich unbegründet.

Ob der Antragstellerin zudem im Rahmen der Interessenabwägung ein vorrangiges Bestands- und Vollzugsinteresse zusteht, bedurfte daher keiner Prüfung mehr.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Als Unterlegener hat der Antragsgegner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.






OLG München:
Beschluss v. 16.06.2010
Az: 7 AktG 1/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0ca6da25880b/OLG-Muenchen_Beschluss_vom_16-Juni-2010_Az_7-AktG-1-10




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