Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 12. Juni 2012
Aktenzeichen: 7 U 5101/11

(OLG München: Beschluss v. 12.06.2012, Az.: 7 U 5101/11)

Tenor

1. Die Berufungen der Klägerin zu 1) und der Kläger zu 3) bis 13) gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 01.12.2011, Aktenzeichen 5 HK O 6938/11, werden einstimmig zurückgewiesen.

2. Die Kläger zu 1), 3) bis 13) sowie die dem Rechtsstreit auf Seiten der Kläger beigetretenen Nebenintervenienten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens zu gleichen Teilen.

3. Das Urteil des Landgerichts München I vom 01.12.2011 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Zurückweisungsbeschluss ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger sowie die auf Seiten der Kläger beigetretenen Nebenintervenienten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 210.600,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Beschlusses der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten, der die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der Beklagten auf die Hauptaktionärin gegen Gewährung einer Barabfindung zum Inhalt hat. Auf die tatbestandlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da es eine Gesetzesverletzung gem. § 243 Abs. 1 AktG nicht bejahte.

Hiergegen richten sich die Berufungen der Klägerin zu 1) und der Kläger zu 3) bis 13), die mit ihrem Rechtsmittel ihr erstinstanzliches Begehren mit Ausnahme der Hilfsanträge weiterverfolgen. Die Berufungsführer halten an ihrer Auffassung fest, wonach die Anfechtbarkeit des Beschlusses der Hauptversammlung bereits aus der fehlenden Stimmberechtigung der Hauptaktionärin resultiere. Es habe nämlich an einer wirksamen Meldung im Sinne des § 20 AktG gefehlt mit der Folge, dass die Hauptaktionärin gem. § 20 Abs. 7 AktG nicht stimmberechtigt gewesen sei. Weder in den Übertragungsverlangen vom 12.08.2010 noch im dem konkretisierten Übertragungsverlangen vom 13.01.2011 könne einer derartige Mitteilung gesehen werden. Sie legen hierzu in der Berufungsbegründungsschrift ein Rechtsgutachten des Prof. Dr. B. vom 28.02.2012 vor. Die Kläger sind zudem der Auffassung, auch den Alleingesellschafter der Hauptaktionärin hätte eine persönliche Meldepflicht getroffen. Die Hauptaktionärin habe zudem nicht über 95 % der Stimmanteile verfügt, da der Aktionär Hartmut M. den Erwerb der Aktien wegen Täuschung und Irreführung wirksam angefochten habe. Der schriftliche Bericht der Hauptaktionärin genüge den gesetzlichen Anforderungen aus § 327 c Abs. 2 AktG nicht. Außerdem bestünden erhebliche Zweifel an der Authentizität der Unterschrift von Herrn W. unter dem Bericht. Das Fragerecht der Aktionäre sei in der Hauptversammlung verletzt worden und die Einladung enthalte eine unzulässige Verkürzung der Hinterlegungsfrist. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts würden die von Seiten der Kläger vorgebrachten Anfechtungsrügen durchgreifen und sei der angegriffene Beschluss deshalb für nichtig zu erklären.

Die Berufungskläger beantragen daher:

1) Unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts München I vom 01.12.2011 (Az: 5 HK O 6938/11) wird der in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 04.03.2011 gefasste Beschluss über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der Gesellschaft auf die J. Vermögensverwaltungs GmbH gegen Gewährung einer Barabfindung mit nachfolgendem Inhalt: "Die auf den Inhaber lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der R. Naturkost Aktiengesellschaft werden gemäß dem Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären (§§ 327 a ff. des Aktiengesetzes) gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von 27,50 Euro für je eine auf den Inhaber lautenden Stückaktie auf den Hauptaktionär, die J. Vermögensverwaltungs GmbH mi Sitz in A., eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Kempten unter HRB ..., übertragen." für nichtig erklärt.

2) Es wird festgestellt, dass der vom Versammlungsleiter festgestellte und verkündete Beschluss, wonach die außerordentliche Hauptversammlung der Beklagten am 04. März 2011 beschlossen hat: "Die auf den Inhaber lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der R. Naturkost Aktiengesellschaft werden gemäß dem Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären (§§ 327 a ff. des Aktiengesetzes) gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von 27,50 Euro für je eine auf den Inhaber lautende Stückaktie auf den Hauptaktionär, die J. Vermögensverwaltungs GmbH mit Sitz in A., eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Kempten unter HRB ..., übertragen." mit der Mehrheit der zulässigerweise abgegebenen und zu berücksichtigenden Stimmen abgelehnt worden ist.

3) Die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge trägt die Beklagte.

4) Die Revision gegen ein die Kläger beschwerendes Urteil wird zugelassen.

Die Berufung der Klägerin zu 1) und der Kläger zu 3) bis 13) ist durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern. Eine mündliche Verhandlung ist insbesondere auch nicht deshalb geboten, weil die Rechtverfolgung für die Berufungsführer existenzielle Bedeutung hat oder weil das Urteil erster Instanz zwar im Ergebnis richtig, aber unzutreffend begründet ist.

Auf den Hinweis des Senats vom 12.04.2012 wird Bezug genommen. Aus den dort näher ausgeführten Gründen, in denen auch und insbesondere auf das Berufungsvorbringen der Klägerin zu 1) und der Kläger zu 3) bis 13) im Einzelnen eingegangen wird, sieht der Senat die Berufung als nicht begründet an. Den Berufungsführern wurde Gelegenheit zur Äußerung auf die Hinweise bis 11.06.2012 gegeben, eine Stellungnahme erfolgte mit Schriftsatz vom 11.06.2012. Die hierin erhobenen Einwände der Berufungsführer geben zu keiner von der im Hinweis geäußerten Rechtsansicht abweichenden Beurteilung Anlass. Lediglich ergänzend ist Folgendes anzumerken:

Der Senat hat sich - entgegen der Auffassung der Berufungsführer in ihrer Stellungnahme - mit deren Argumentation betreffend der vorzunehmenden Auslegung der Schreiben vom 12.08.2010 und 13.01.2011 nach den Grundsätzen der rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen und dem hierzu vorgelegten Rechtsgutachten in seinem Hinweisbeschluss ausführlich auseinandergesetzt. Der Senat hält an seiner dort geäußerten Rechtsauffassung fest. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats wird verwiesen. Dies gilt auch für die Beurteilung der Frage, ob das Übertragungsverlangen gem. §§ 180 S. 3 i.V.m. 177 BGB als unwirksam anzusehen sei. Der Senat hält daran fest, dass diesem Vorbringen neuer Sachvortrag und neue Tatsachenbehauptungen zu Grunde liegen, die gem. § 531 Abs. 1 ZPO unberücksichtigt zu bleiben haben. Dass und weshalb es sich um Tatsachen handelt, "deren Vortrag diesseits nachholbar sein muss" - wie die Kläger meinen - erschließt sich dem Senat nicht, zumal es sich gerade nicht allein um eine rechtliche Würdigung der bereits erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalte handelt.

Schließlich steht einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO auch nicht entgegen, dass - wie die Kläger vortragen lassen - einige Fragen noch nicht höchstrichterlich entschieden sind. Ungeklärte, d.h. höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfragen erfordern eine Entscheidung über die Berufung durch Urteil, vgl. § 522 Abs. 2 Nr. 2, 3 ZPO, und die Zulassung der Revision nicht.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des landgerichtlichen Urteils aus § 708 Nr. 10 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Beschlusses aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Höhe des Streitwerts stützt sich auf § 247 Abs. 1 AktG.






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