Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Dezember 2001
Aktenzeichen: 29 W (pat) 26/00

(BPatG: Beschluss v. 19.12.2001, Az.: 29 W (pat) 26/00)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Bezeichnung MultiPhonesoll für die Waren und Dienstleistungen

"Klasse 9: Elektrische, elektronische, optische, Meß-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer.

Klasse 16: Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel).

Klasse 35: Werbung und Geschäftsführung.

Klasse 36: Finanzwesen, Immobilienwesen.

Klasse 37: Bauwesen; Installation, Wartung und Reparatur von Einrichtungen für die Telekommunikation.

Klasse 38: Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk- und Fernsehen.

Klasse 42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation"

als Wortmarke in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluß vom 14. Oktober 1999 teilweise zurückgewiesen und zwar für die Waren und Dienstleistungen

"Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Installation, Wartung und Reparatur von Einrichtungen für die Telekommunikation; Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation."

Bei der angemeldeten Marke handele es sich um eine zwar lexikalisch nicht nachweisbare, aber den Regeln der deutschen Sprache entsprechende Wortzusammensetzung, die wie gängige vergleichbare Begriffe gebildet sei und vom Verkehr ohne weiteres im Sinne von "vielseitig, mehrfach verwendbares Telefon" verstanden werde. Sie stelle nicht nur für Telefone im traditionellen Sinn, sondern auch für sämtliche Kommunikations- und Datenverarbeitungsgeräte der Teilzurückweisung eine Angabe der Art und Beschaffenheit dar. Derartige Geräte könnten eine Vielzahl verschiedener Funktionen in sich vereinen, wodurch sie zu einem vielseitig verwendbaren Telefon werden. Für bedruckte und/oder geprägte Karten sei die angemeldete Bezeichnung eine Bestimmungsangabe und hinsichtlich der zurückgewiesenen Dienstleistungen gebe "MultiPhone" deren Gegenstand an. Die angemeldete Bezeichnung sei freihaltungsbedürftig und es fehle ihr auch jegliche Unterscheidungskraft.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihr Vorbringen vor der Markenstelle und auf die Begründung zum Markengesetz, auf Kommentare sowie auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach ein noch so geringer Grad an Unterscheidungskraft ausreiche, um das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft zu überwinden. Es handele sich bei "MultiPhone" nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer gängigen Fremdsprache, sondern um zwei ausschließlich fremdsprachige Wörter mit einer Vielzahl von Bedeutungen und Übersetzungsvarianten. Die Kennzeichnung sei zu unbestimmt und ausfüllungsbedürftig, so daß sie keinen Hinweis auf sämtliche Waren und Dienstleistungen der Zurückweisung geben könne. Es bestehe auch kein Freihaltungsbedürfnis, da keine konkreten Anhaltspunkte bestünden, daß eine Verwendung der angemeldeten Bezeichnung derzeit oder künftig im allgemeinen Geschäftsverkehr zu erwarten sei.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der angemeldeten Marke steht das Eintragungshindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG hinsichtlich der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen entgegen.

Die angemeldete Bezeichnung "MultiPhone" setzt sich ersichtlich aus dem in deutschen wie in englischen Wortzusammensetzungen gebräuchlichen Präfix "Multi" und dem englischen Wort "phone" zusammen. Aufgrund der Wortbildung und der Großschreibung des "P" ist deutlich erkennbar das Substantiv "Telephon" gemeint. Die Wortzusammenstellung entspricht den Regeln der Bildung von Komposita im Deutschen wie im Englischen. In beiden Sprachen bilden die substantivischen Komposita die häufigste Form der Bildung neuer Sach- und Fachbegriffe. Dabei ist es gerade in der Entstehungsphase eines Kompositum typisch, innerhalb einer Wortzusammensetzung einen Großbuchstaben zu verwenden, wenn das betreffende Substantiv noch als fremdsprachig empfunden wird, auch um ein leichteres Erfassen des Sinngehaltes zu erreichen (vgl Muttersprache, Vierteljahresschrift für deutsche Sprache Juni 2001, S 105, 106 "Zum Wortschatz der Sachgruppe Internet" z.B. Internet-Portal/Internetportal; Chat-Room/Chatroom; Web-Seite/Webseite; OnlineRecht etc.) Vor allem reiht sich die angemeldete Bezeichnung in die große Anzahl vergleichbar gebildeter Verbindungen von "Multi" mit einem Substantiv zu einem Gesamtbegriff ein, wie sie sowohl in der Umgangssprache, in den verschiedensten Fachgebieten als auch auf dem Gebiet von Telekommunikationsgeräten und -einrichtungen anzutreffen sind (vgl z.B. Multimillionär, Multimeter, Multipack, Multipol, Multivalenz, Multivision, Multivibrator, Multifunktionsdisplay etc-DUDEN Bd. 5 Fremdwörterbuch 1990, S. 517, 518; Multimedia, multigrade, multipurpose, multistorey, multiaccess, multiband, multichannel, multiform, multiuser; Multichip, multicomputing, multi speaker, multisystem, multitester, multitone-Oppermann Wörterbuch der modernen Technik, 2. Aufl 1990, S 1176 - 1185; Lueger, Lexikon der Technik, 4. Aufl 1972, S 191; De Vries/Theo M. Herrmann Englisch-German Technical and Engineering Dictionary, 3. Aufl 1970, S 644 - 648; A. Kucera Compact Wörterbuch der exakten Naturwissenschaften und der Technik, S 792 - 798 - multicasting, multilist, multipath, multiphase, multiport, multiprocessor etc.). In diesen Sprachgebrauch fügt sich die Bezeichnung "multiphone" ein. Daher komm ihr - wie die Markenstelle zu Recht ausgeführt hat -, die Bedeutung von "vielfach, vielseitig verwendbarem Telefon" zu. Das Wort "multi" findet im englischtechnischen Sprachgebrauch häufig neben oder anstelle der englischen Bezeichnung "multiple" mit der Bedeutung von "vielfach, mehrfach" Verwendung, (vgl 26 W (pat) 149/69 - Multibelt mwN).

Die Wortzusammensetzung "MultiPhone" ist jedoch nicht nur potentiell geeignet, im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit bzw. der Bestimmung der beanspruchten Apparate, der (Telefon)Karten, der Telekommunikation und deren Einrichtungen zu dienen. Die Recherchen des Senats haben vielmehr ergeben, daß die Bezeichnung "Multiphone" von verschiedenen Telekommunikationsgesellschaften wie British Telecom, Swisscom, Ericsson und einer Firma Assistive Technology für verschiedene Produkte und Leistungen verwendet wird. Allen gemeinsam ist, daß die Geräte und Dienste über das Telefonieren hinaus zusätzliche, vielfältige Funktionen in sich vereinen bzw. in einem anbieten. Am umfassendsten informierte die British Telecom über ihre Pläne, ab Frühjahr 2000 in über 1000 Orten Großbritanniens öffentliche Multimediafähige Kartentelefone zu installieren. Jedes Multiphon biete nicht nur Internet-Zugang und E-Mail, sondern auch aktuelle Nachrichten und Stadtpläne. Die Telefone könnten jederzeit mit neuen Funktionen ausgestattet werden. Weitere Features wie "Streaming Audio und Video, Videokonferenz und Video E-Mail" wolle man noch integrieren.

Die Neuerungen auf dem Gebiet der modernen Telefontechnologie sind keinesfalls abgeschlossen. Sie sollen dem Durchschnittsabnehmer insbesondere im Zuge der UMTS-Lizenzen zugänglich gemacht werden. Es bestehen aber auch derzeit schon vielfältige neue Möglichkeiten, neben Konferenzschaltungen Daten in Kombination mit einem Computer und Gespräche vom Computer aus zu übertragen, Anrufumleitungen und Anruferkennungen vorzunehmen, Paying, Telefon und Telefax zu kombinieren oder Telefaxe über das mobile Telefon zu versenden. Bereits zur CeBit 98 wurde ein Multi-Komfort-Telefon mit Anrufbeantworter als "Multitalent" bezeichnet (vgl. Funkschau 4/98, S 15). Aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise besteht somit auf Grund des eindeutigen Sinngehalts des Gesamtbegriffs, mit dem wichtige Merkmale der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen bezeichnet werden können, ein hinreichend direkter und konkreter Zusammenhang zwischen der angemeldeten Bezeichnung "MultiPhone" und den Waren und Dienstleistungen der Teilzurückweisung, wie er von der Markenstelle im einzelnen dargelegt worden ist.

Die Entscheidung steht im übrigen in Einklang mit dem Beschluß des 30. Senats des Bundespatentgerichts (30 W (pat) 251/97), in dem die Eintragung der Bezeichnung "MULTI-PHONE" für vergleichbare Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen worden ist.

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BPatG:
Beschluss v. 19.12.2001
Az: 29 W (pat) 26/00


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