Landgericht Bonn:
Urteil vom 15. August 2006
Aktenzeichen: 11 O 131/05

(LG Bonn: Urteil v. 15.08.2006, Az.: 11 O 131/05)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 49.406,01 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2005 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien sind Anbieter von Telekommunikationsleistungen. Zwischen ihnen besteht eine Zusammenschaltungsvereinbarung (Zusammenschaltung auch bezeichnet mit Interconnection, abgekürzt IC). Die Klägerin bietet u.a. Anbietern von Mehrwertdiensten die Schaltung von Mehrwertdiensterufnummern an. Diese gehörten, solange es diese Rufnummerngasse (bis 31.12.2005) gab, den 0190-Rufnummern an. Die Beklagte rechnete den Telefonanschlusskunden gegenüber die (für solche Rufnummern erhöhten) Verbindungsentgelte als eigene Leistung ab. Zusammenschaltungsvereinbarungen mit der gleichen Abrechnungsproblematik bestehen auch zwischen der Beklagten und über 30 anderen Anbietern. Die Leistung wird in den Zusammenschaltungsvereinbarungen als Z.4 bezeichnet, wobei zusätzlich kenntlich gemacht wird, wer der Anbieter ist. Die Kennzeichnung lautet im Fall der Klägerin C -Z.4. Zum Zweck der Geltendmachung als eigene Leistung erwarb die Beklagte die Leistung von den Anbietern, hier der Klägerin. Dafür zahlte die Beklagte dem Anbieter, hier der Klägerin eine Vergütung. Diese berechnete sich ab 01.12.2002 nach einer Anlage zum Zusammenschaltungsvertrag (Anlage K5 zur Klageschrift). Darin ist unter Zi. 2 Preisstruktur folgendes geregelt:

"Der Preis für die Leistung C -Z.4 (F) berechnet sich nach folgender Formel:

Preis des Mehrwertdienstes …

Ersparte Aufwendungen für die Transportleistung von C … Ersparte Aufwendungen für Rechnungsstellung / Forderungsausfall von C Transitentgelt

2.2 …

Die ersparten Aufwendungen für Rechnungsstellung und Forderungsausfall von C betragen 8% des umgerechneten AGB-Preises."

Von diesen 8% entfielen unmittelbar 3,5% auf das Forderungsausfallrisiko. In einem Beschluss der vormaligen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) vom 11.08.1999 - Bk4d-99-024/Z 31.05.99 (Anlage B2 zur Klageerwiderung) ist ausgeführt:

"Die Antragsgegnerin hat das Recht, bei der Abrechnung der Leistung …Z.4 8% des der Antragstellerin zustehenden Entgeltes für die Inkassoleistung (4,5%) sowie eine pauschalierte Entschädigung für einen Forderungsausfall (3,5%) einzubehalten. Eine Erhöhung des letztgenannten Anteils … kommt unter den gegebenen Umständen nicht in Betracht. Allerdings hat die Antragstellerin das Recht, bei höherem Forderungsausfallrisiko eine Anpassung ihrer Risiko- und Entgeltstruktur vorzunehmen. Das setzt jedoch voraus, dass sie den Wettbewerbern gegenüber die entsprechenden Nachweise erbringt. Gerade wenn - wie nach Darstellung der Antragsgegnerin derzeit technisch nicht anders zu gestalten - nur in pauschalisierter Form das Forderungsausfallrisiko bei der Abrechnung der Leistung …Z.4 berücksichtigt werden kann, ist eine Diskriminierung der insoweit betroffenen Zusammenschaltungspartner und Wettbewerber untereinander zu vermeiden. Die Antragsgegnerin hat es nicht vermocht zu erläutern, aus welchen Gründen das Forderungsausfallrisiko gerade gegenüber der Antragstellerin um ein Vielfaches höher sein soll als bei anderen Wettbewerbern. … Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil die Antragstellerin … angeboten hatte, das Forderungsausfallrisiko selbst zu übernehmen. Der Antragsgegnerin bleibt es mithin unbenommen, das Risiko durch Übertragung der Forderungen auf die Antragstellerin zu verlagern. Die Antragstellerin wäre verpflichtet, diesem Begehren zu entsprechen. …"

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 14.10.2003 (Anlage K6 zur Klageschrift) folgendes mit:

"mit Wirkung vom 01.02.2004 möchten wir Ihnen abweichend zu den derzeit durch Anordnung festgelegten Regelungen für die Leistung ICP-Z.4 … neue Preiskonditionen unterbreiten.

Die neue Preisliste ICP-Z.4 berücksichtigt eine geänderte Regelung zur Berechnung des Forderungsausfalls ab 01.02.2004 …

Bisher wurde bei der Leistung ICP-Z.4 der Forderungsausfall mit einer Forderungsausfallpauschale von 3,5% … berücksichtigt. Die U hat zur Ermittlung der tatsächlichen Forderungsausfälle bei 0190 1-9-Verbindungen ein Verfahren eingeführt, mit dessen Hilfe die tatsächlichen Forderungsausfälle erfasst und in einem Carrier individuellen "Konto" geführt werden können. … Der ermittelte Prozentwert wird im Rahmen der Interconnectionabrechnung nachträglich auf die aufgekommenen Verbindungen und IC-Umsätze angewendet, und gegen die bereits erfolgte Abschlagszahlung in Höhe von 3,5% gegengerechnet. …"

Im beigefügten Entwurf "Zusammenschaltungsvereinbarung mit ICP" ist unter 2.2 das anzuwendende System Monitoring PRS (MPRS) beschrieben. Die Pauschale von 3,5% wird als vorläufiger Abschlag bezeichnet.

Mit Schreiben vom 30.01.2004 (Anlage K7 zur Klageschrift) verwies die Beklagte auf ein "Schreiben vom 13.10.2003", mit dem sie die Leistung ICP-Z.4 gekündigt habe und fuhr fort:

"Ab dem 01.02.04 besteht nun zwischen Ihnen und der V keine vertragliche Vereinbarung in Bezug auf die Leistung ICP-Z.4.

Wir möchten Sie deshalb bitten, zügig eine Rechtsgrundlage für die Abnahme der von Ihnen erbrachten Vorleistung zu schaffen. Bis zum Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung werden wir daher ab dem 01.02.2004 vorerst die Leistung ICP-Z.4 zu den von uns angebotenen Konditionen abnehmen."

Mit Mail vom gleichen Tag (Anlage K7 zur Klageschrift) wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass eine einseitige Kündigung der zwischen den Parteien bestehenden Zusammenschaltungsanordnung nicht möglich sei. Wenn die Beklagte eine Änderung der Zusammenschaltungsvereinbarung erstrebe, möge sie den dafür gesetzlich vorgegebenen Weg einhalten. Die Leistung C -Z.4 werde nicht nach den von der Beklagten angebotenen Konditionen sondern nach alter Fassung abgerechnet.

Die RegTP erklärte in einem Verfahren betreffend die Entgelte für die Zusammenschaltungsleistung ICP-Z.4 in einem Beschluss vom 30.01.2004 - Bk4f-03-127/E 28.11.03 - (Anlage K10 zur Klageschrift, dort S. 6, 7), die von der Antragstellerin berechneten Forderungsausfälle seien nicht Bestandteil der genehmigten Entgelte. Insoweit überwies die 4. Beschlusskammer der RegTP das Verfahren an deren 3. Beschlusskammer. Diese stellte das Verfahren mit Beschluss vom 19.04.2004 - Bk 3-1-04/009 (Anlage K11 zur Klageschrift) ein.

Die Zuteilung von 0190er Rufnummern ist zum 31.12.2005 ausgelaufen. Sie war ursprünglich bis zum 31.12.2003 befristet. Die nunmehr zuständige Bundesnetzagentur widerrief mit Beschluss vom 28.12.2005 -Bk 4c-03-024/Z19.05.03 (Anlage B3 zum Schriftsatz vom 06.07.2006, Bl. 122 - 124 d.A.) mit Wirkung zum 01.01.2006 die Zugangsanordnung hinsichtlich der Leistung ICP-Z.4.

Die Beklagte rechnet seit dem 01.02.2004 auf der Basis ihres Angebots gemäß Schreiben vom 14.10.2003 (Anlage K6 zur Klageschrift) ab. Sie erteilte der Klägerin darüber eine Abrechnung vom 06.01.2005 (Anlage K1 zur Klageschrift). Diese weist aus, dass die Beklagte sich für Februar 2004 einer Forderung von 42.591,39 € netto = 49.406,01 € brutto berühmt. Diese Forderung verrechnete sie mit einer Forderung der Klägerin.

In Zi. 17.7 der Zusammenschaltungsvereinbarung ist die Aufrechnung beschränkt auf unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen.

Die Klägerin verlangt Auszahlung der für Februar 2004 anderweitig verrechneten 49.406,01 €. Den früheren Klageantrag zu 2., gerichtet auf Feststellung, dass die Beklagte die Zusammenschaltungsleistung C -Z.4 bis auf weiteres nach dem Vertragsstand 08.01.2003 abzurechnen habe, hat sie zurückgenommen. Die Klägerin behauptet, sie stelle der Beklagten reziproke Leistungen nach den nicht geänderten vertraglichen Absprachen in Rechnung.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 49.406,01 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, das System Monitoring PRS rechne den Forderungsausfall korrekt carrierindividuell ab. Die von ihr gewünschte Vertragsanpassung sei wegen ihrer marktbeherrschenden Stellung und ihrer aus § 20 GWB folgenden Verpflichtung geboten. Die Pauschale von 3,5% sei nur solange gerecht und mit der gebotenen Gleichbehandlung der Verbindungsnetzbetreiber/Service Provider zu vereinbaren gewesen, wie sie nicht in der Lage gewesen sei, diesen den Forderungsausfall individuell zuzurechnen. Im Gesamtmarkt seien ca. 90 Telekommunikationsanbieter von der Abrechnung des Forderungsausfalls betroffen. Die Klägerin verlange eine sachlich ungerechtfertigte Besserstellung gegenüber 34 Wettbewerbern. Die Beibehaltung der Pauschale sei nur in zwei weiteren Rechtsstreiten, nämlich 11 O 113/04 und (der zeitgleich verhandelten Sache) 11 O 45/06 LG Bonn gerichtlich eingefordert worden. 34 Wettbewerber hätten die Umstellung akzeptiert.

Das System MPRS sei ab Februar 2004 durch eine AGB-Klausel in den Vertrag der Parteien einbezogen. Das ergebe sich aus Zi. 2 des Beschlusses der RegTP vom 11.07.2003 - Bk 4d-03-024 / Z 19.05.03 - (Anlage K3 zur Klageschrift). Die Bestimmung lautet:

"Die Antragstellerin ist verpflichtet, für die Leistungen, die sie aufgrund der Anordnung in Ziffer 1. dieses Beschlusses nachfragt … für die nicht genehmigungspflichtigen Leistungen die in den jeweils aktuellen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin festgelegten Entgelte zu zahlen."

Die Klägerin sei Nachfragerin im Sinne dieser Regelung.

Weiter heißt es in Zi. 3 des genannten Beschlusses:

"Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, für die Leistungen C -B.1 und C -B.2, die sie aufgrund dieses Beschlusses bei der Antragstellerin nachfragt, die jeweils vorläufig genehmigten, genehmigten oder teilgenehmigten Entgelte zu zahlen. … Für die weiteren bei der Antragstellerin aufgrund dieses Beschlusses nachgefragten Leistungen hat die Antragstellerin das ihren reziproken Leistungen entsprechende Entgelt zu zahlen."

Die Beklagte behauptet, der in der Klageschrift zugrunde gelegte Abrechnungsstand sei überholt. Für den Zeitraum Februar bis Juli 2004 ergebe sich eine Gesamtforderung der Beklagten von 208.304,83 € netto. Auf den Monat Februar 2004 entfielen davon nach erfolgten Nachverrechnungen 29.076,90 €.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug genommen.

Die Akten 11 O 113/04 und 11 O 45/06 jeweils Landgericht Bonn sind zur Information Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Bonn ist sachlich zuständig. § 87 Abs. 1 S. 1 und 2 GWB stehen nicht entgegen. Der Rechtsstreit betrifft nicht die Anwendung des GWB oder der in § 87 Abs. 1 S. 1 GWB in Bezug genommenen EU-Rechtsvorschriften. Zu entscheiden ist, ob die Leistung C -Z.4 nach den ursprünglich getroffenen Vereinbarungen oder nach den geänderten AGB der Beklagten abzurechnen ist. Dafür enthalten die Vorschriften des GWB und der EU-Normen keine Regelung. Die Entscheidung hängt auch nicht ganz oder teilweise von einer Entscheidung , die nach dem GWB zu treffen ist oder von der Anwendbarkeit der in Bezug genommenen EU-Vorschriften ab (§ 87 Abs. 1 S. 2 GWB). Das ergibt sich daraus, dass die RegTP eine Entscheidung über die hier abzurechnende Leistung C -Z.4 abgelehnt hat. Im Beschluss vom 30.01.2004 - Bk4f-034-127/E 28.11.03 - (Anlage K10 zur Klageschrift, dort S. 6, 7) hat sie klargestellt, dass die Behandlung des Forderungsausfalls bei der Leistung ICP-Z.4 nicht zu den genehmigten Entgelten gehört. Auch die 3. Beschlusskammer hat im Beschluss vom 19.04.2004 - Bk 3-1-04/009 (Anlage K11 zur Klageschrift) keine Regelung der Entgeltfrage getroffen. Der Standpunkt des Beschlusses der RegTP vom 11.08.1999 - Bk4d-99-024/Z 31.05.99 (Anlage B2 zur Klageerwiderung), die Beklagte habe das Recht, bei höherem Forderungsausfallrisiko eine Anpassung ihrer Risiko- und Entgeltstruktur vorzunehmen, ist damit überholt. Es handelt sich zudem um ein obiter dictum, das die Kammer nicht bindet.

Es liegt auch keine sonstige kartellrechtliche Vorfrage vor, deren Beantwortung den Kartellgerichten zugewiesen wäre. Die Beklagte zieht nicht in Zweifel, dass die pauschale Behandlung des Forderungsausfalls ursprünglich kartellrechtlich unbedenklich war. Die RegTP hat im Beschluss vom 11.08.1999 - Bk4d-99-024/Z 31.05.99 (Anlage B2 zur Klageerwiderung) die Pauschale ausdrücklich damit begründet, sie vermeide eine Diskriminierung der Zusammenschaltungspartner. Damit kann es nur darum gehen, ob die Beklagte eine Neuregelung bezüglich einer kartellrechtlich unbedenklichen Vertragsregelung verlangen kann. Das kann sich zum einen aus Regelungen im Rahmen der Zusammenschaltung ergeben. Ob das der Fall ist, hat die Kammer durch Auslegung solcher Regelungen zu entscheiden. Zum anderen könnte sich eine Anpassungspflicht aus bürgerlichrechtlichen Vorschriften ergeben. Denn die Anordnung der Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen begründet zwischen den beteiligten Netzbetreibern ein privatrechtliches Schuldverhältnis (BVerwG NVwZ 2004, 1365). Die Beklagte begründet nicht, wieso sich aus § 20 GWB eine Verpflichtung zur Anpassung kartellrechtlich unbedenklicher zivilrechtlicher Verträge ergeben könnte. Es liegt keine Ungleichbehandlung verschiedener Vertragspartner darin, wenn diese nach den wirksam vereinbarten individuellen Vertragsverhältnissen behandelt werden. Mit dem Entstehen unterschiedlicher Preise für die Leistung Z.4 dürfte sich das Gegenteil nicht begründen lassen. Denn an wirksame Preisvereinbarungen ist ein marktbeherrschendes Unternehmen gebunden (s. Markert in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. A., § 20 Rdn. 178). Zwar ist in einem solchen Fall das marktmächtige Unternehmen gehalten, zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine Angleichung zu erreichen (Markert, aaO). Über den frühestmöglichen Zeitpunkt entscheidet aber das Zivil- und nicht das Kartellrecht. Die Beklagte setzt sich mit dem Merkmal "ohne sachlichen Grund" in § 20 Abs. 1 GWB nicht auseinander. Letztlich ist ihrem Vortrag nicht mehr als ein nicht näher begründeter Hinweis auf § 20 GWB zu entnehmen. Auf diese Weise kann die Beklagte nicht die Zuständigkeit der Kartellgerichte begründen (s. Bornkamm in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 10. A., § 87 Rdn. 25). Letztlich kommt es aber auch hierauf nicht an. Wie noch auszuführen ist, hätte eine Anpassung der Abrechnung der Leistung C -Z.4 allenfalls in Betracht kommen können, wenn die Beklagte ihrer im Regulierungssystem des TKG angelegten Verhandlungspflicht nachgekommen wäre, was nicht der Fall ist. Diese telekommnunikationsrechtliche Spezialregelung geht Regelungen des Kartellrechts vor. Der Rechtsstreit kann deshalb ohne Rückgriff auf die Frage entschieden werden, ob aus § 20 Abs. 1 GWB ein Recht auf Anpassung des Vertrags hinsichtlich der Leistung Z.4 hergeleitet werden kann.

II. Die Klage ist begründet, soweit sie nicht zurückgenommen ist.

1. a. Bei Zugrundelegung der bis zum 31.01.2004 praktizierten Regelung steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von brutto 49.406,01 € zu. Dieser ergibt sich aus der eigenen Abrechnung der Beklagten vom 06.01.2005 (Anlage K1 zur Klageschrift). Die dort aufgelisteten 4 Positionen für Februar 2004 ergeben brutto die Klageforderung. Dabei ist die Forderungsausfallpauschale von 3,5% bereits berücksichtigt.

b. Die Klägerin könnte die Klageforderung nicht auf die bis Januar 2004 praktizierte Abrechnung der Leistung C -Z.4 stützen, wenn die Beklagte die Regelung über die pauschale Abgeltung des Forderungsausfallrisikos wirksam gekündigt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall.

aa. Das Schreiben der Beklagten vom 14.10.2003 (Anlage K6 zur Klageschrift) enthält keine Kündigung sondern das Angebot einer Vertragsänderung. Das Schreiben vom 30.01.2004 (Anlage K7 zur Klageschrift) geht irrig von einer tatsächlich nicht erklärten Kündigung aus. Es enthält aber seinerseits eine Kündigung der vorherigen Abrechnungsweise für die Leistung C -Z.4. Denn es macht unmissverständlich deutlich, dass sich die Beklagte von der Abrechnungsweise lösen will. Diese Kündigung war unwirksam. Mangels einer abweichenden Regelung könnte sie nur auf § 314 BGB gestützt werden. Die Vorschrift gewährt jedoch nur ein Kündigungsrecht hinsichtlich eines Dauerschuldverhältnisses als Ganzem. Einem solchen steht die Anordnung der Zusammenschaltung durch die RegTP entgegen.

bb. Die Kammer hat im Urteil vom 20.01.2005 - 11 O 113/04 - (NRWE) offengelassen, ob wegen der besonderen Situation der Zusammenschaltung ein auf die Entgeltregelung für die Leistung Z.4 beschränktes Sonderkündigungsrecht in entsprechender Anwendung von § 314 BGB einzuräumen ist. Zur Begründung hat sie darauf hingewiesen, es wäre mit dem Grundsatz der Privatautonomie unvereinbar, der Beklagten die Weiterführung der Pauschalabrechnung als Dauerlösung durch Zivilgerichte aufzuzwingen. Die Frage muss auch vorliegend nicht entschieden werden. Einer solchen Kündigung müssten jedenfalls ernsthafte Verhandlungen der Parteien vorausgehen. § 36 TKG aF begründete ausdrücklich eine Verhandlungspflicht zwischen Netzbetreibern. § 16 TKG nF bleibt dahinter nicht zurück (s. Scherer, NJW 2004, 3001, 3005 unter Hinweis auf die Gesetzgebungsgeschichte in Fn.55). Das BVerwG (NVwZ 2004, 1365, 1366 f.) betont zutreffend, dass die Verhandlungspflicht aus der vorrangig angestrebten privatautonomen Vereinbarung der beteiligten Netzbetreiber folgt. Wie sich aus § 25 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 TKG ergibt, müssen ernsthafte Verhandlungen stattgefunden haben oder Verhandlungen vom potenziellen Vertragspartner verweigert worden sein. Beides ist hier nicht der Fall. Die Beklagte steht auch im vorliegenden Rechtsstreit auf dem Standpunkt, sie könne das Entgelt einseitig festlegen. Die Klägerin hat Verhandlungen über die Entgeltregelung nicht verweigert. Sie hat darauf verwiesen, die Beklagte müsse das Forderungsausfallrisiko nicht zwingend tragen. Diesen Gesichtspunkt hat bereits die RegTP im Beschluss vom 11.08.1999 - Bk4d-99-024/Z 31.05.99 (Anlage B2 zur Klageerwiderung) hervorgehoben. Dort ist ausgeführt, es bleibe der Beklagten unbenommen, das Forderungsausfallrisiko durch Übertragung der Forderungen auf den Vertragspartner der Zusammenschaltungsvereinbarung zu verlagern.

cc. Die Beklagte hat zudem nicht dargetan, dass ihr die Fortführung der früheren Entgeltregelung unzumutbar gewesen sei. Die Kammer verkennt nicht, dass eine carrierindividuelle Abrechnung des Forderungsausfalls gerechter ist als eine einheitliche prozentuale Umlage. Unter der Voraussetzung, dass das Forderungsausfallrisiko mit dem Ansatz von 3,5% tatsächlich abgedeckt wäre, würde es zu einer Quersubventionierung von Anbietern mit hohen Ausfallquoten durch Anbieter mit niedrigen Ausfallquoten kommen. Hierzu fehlt allerdings eine Berechnung der Beklagten, aus der sich ein unzumutbarer Missstand ergeben könnte. Die Beklagte hat zudem ausweislich des Beschlusses der RegTP vom 19.04.2004 - Bk 3-1-04/009 (Anlage K11 zur Klageschrift, dort S. 7) geltend gemacht, der tatsächliche Forderungsausfall sei durch den pauschalen Abzug nicht abgedeckt gewesen, so dass zu hohe Auszahlungen an die Verbindungsnetzbetreiber erfolgt seien. Trifft das zu, ist eine Quersubventionierung unter den Verbindungsnetzbetreibern nicht dargetan. Nutznießer des carrierindividuellen Abrechnungsmodus wäre dann - jedenfalls - die Beklagte. Ein Rechenmodell dazu hat diese jedoch nicht vorgelegt. Eine Unzumutbarkeit der Fortführung der bisherigen Abrechnungsweise kann deshalb dem Sachvortrag der Beklagten nicht entnommen werden. Ein auf Ergänzung des Vorbringens der Beklagten gerichteter Hinweis war im Hinblick auf das Fehlen weiterer Voraussetzungen eines Kündigungsrechts (s.o. bb.) nicht veranlasst. Zu bedenken ist zudem, dass die Neuregelung erst gefordert worden ist, als das Ende der 0190er Rufnummern bevorstand. Warum das Auslaufen der Abrechnungsproblematik nicht abgewartet werden konnte, ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen. Auch ist nicht ersichtlich, warum es der Beklagten unzumutbar gewesen sein sollte, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, das Forderungsausfallrisiko durch Übertragung der Forderungen auf den Vertragspartner der Zusammenschaltungsvereinbarung zu verlagern.

2. Die Beklagte war zur Verrechnung der Klageforderung nicht berechtigt. Ein solches Recht ergibt sich nicht aus einer Vertragsanpassung.

a. Die Verrechnung kann nicht auf Zi. 2 des Beschlusses der RegTP vom 11.07.2003 - Bk 4d-03-024 / Z 19.05.03 - (Anlage K3 zur Klageschrift) gestützt werden. Die Regelung stellt ebenso wie die für die umgekehrte Nachfragerichtung in Ziffer 3 der Nachfrage nach einer Leistung das vom Nachfragenden zu zahlende Entgelt gegenüber. Da die Beklagte die (Vor-)Leistung der Klägerin ankauft, ist sie Nachfragender im Sinne dieser Regelung. Konsequent hat die Beklagte sich auch im Schreiben vom 30.01.2004 (Anlage K7 zur Klageschrift) als Abnehmer einer Vorleistung der Klägerin bezeichnet. Anwendbar ist damit jedenfalls nicht Zi. 2, die eine Nachfrage der Klägerin voraussetzt. Da es eine Leistung U -Z.4 bzw. V -Z.4 geben soll, wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, müsste Zi. 3 einschlägig sein. Darauf kommt es aber letztlich nicht an. Unstreitig gab es bis Januar 2004 eine vertragliche Abrechnungsregelung für die Leistung C -Z.4, die die Parteien praktiziert haben. Wenn diese nicht geändert worden ist, gilt sie fort. Aus Zi. 3 des vorgenannten Beschlusses ergibt sich keine Anpassungsbefugnis der Beklagten. Zi. 2 ist nicht einschlägig.

b. Eine Vertragsanpassung ist nicht durch eine Leistungsbestimmung nach §§ 315 - 319 BGB erfolgt. § 315 BGB setzt voraus, dass einer der Parteien ein Bestimmungsrecht eingeräumt ist (Palandt/Gründeberg, BGB, 65. A., § 315 Rdn. 4). Daran fehlt es. Das TKG sieht derartiges nicht vor. Wie dargelegt regelt es eine Verhandlungspflicht. Diese Ausgestaltung steht einseitigen Festlegungen von Entgelten entgegen, auch soweit es nicht um Regelungen unter Mitwirkung der RegTP geht. § 316 BGB setzt voraus, dass die Gegenleistung nicht bestimmt ist. Hier war sie dahin bestimmt, dass die frühere Regelung weiter angewendet werden sollte. §§ 317, 319 BGB kommen nicht zur Anwendung. Die Leistung sollte nicht durch einen Dritten bestimmt werden. Sie hätte zwar außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 317, 319 BGB möglicherweise durch die RegTP im Regulierungsverfahren bestimmt werden können. Das ist aber nicht geschehen. Auf die Ausführungen unter 1. wird verwiesen.

c. Der Vertrag der Parteien ist nicht gemäß § 313 BGB anzupassen. Eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage, die die von der Beklagten verlangte Änderung des Abrechnungsmodus rechtfertigen könnte, ist nicht dargetan. Auf das zu II. 1. b. cc. Ausgeführte wird verwiesen. Auch hätten vor einer Anpassung ernsthafte Verhandlungen geführt werden müssen.

d. Die von der Beklagten durchgeführte Verrechnung der Entgeltforderung der Klägerin für Februar 2004 verstößt gegen das Aufrechnungsverbot in Zi. 17.7 der Zusammenschaltungsvereinbarung. Eine zulässige Verrechnung würde voraussetzen, dass der von der Beklagten seit Februar 2004 zugrunde gelegte Abrechnungsmodus vereinbart wäre. Das ist wie dargelegt nicht der Fall. Damit liegt der Tatbestand der Aufrechnung vor. Auch die "Nachverrechnungen" der Beklagten sind nicht zu berücksichtigen. Sie legen ebenfalls das nicht vereinbarte Abrechnungsmodell der Beklagten zugrunde. Die Beklagte hat mit den "Nachverrechnungen" nicht auf die Klageforderung sondern auf eine fiktive Forderung der Klägerin geleistet. Ein Rechtsgrund dafür bestand nicht.

III. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1 (jedenfalls aber Nr. 3), 288 Abs. 2 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3, 92 Abs. 1 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin durch die Teilrücknahme des Feststellungsantrags einen Privilegierungstatbestand im Sinne von KV 1211 zum GKG gesetzt hat. Hinsichtlich des Streitwerts des Feststellungsantrags war zu berücksichtigen, dass Rechtshängigkeit am 05.09.2005 eingetreten ist. Der Antrag sollte ausweislich der Klageschrift (S. 4 unter 2.) Bedeutung nur noch bis Ende 2005 haben. Unter Berücksichtigung eines Abschlags von 20% wegen Vorliegens einer positiven Feststellungsklage schätzt die Kammer den Wert des Feststellungsantrags gemäß § 3 ZPO auf 100.000 €. Das rechtfertigt es, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert: Bis zur Teilrücknahme in der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2006: 149.406,01 €, danach 49.406,01 €.






LG Bonn:
Urteil v. 15.08.2006
Az: 11 O 131/05


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