Amtsgericht Meldorf:
Beschluss vom 14. September 2010
Aktenzeichen: 81 C 1605/09

(AG Meldorf: Beschluss v. 14.09.2010, Az.: 81 C 1605/09)

1. Entsprechend § 45i Abs. 2 TKG trifft einen Postdienstleister, welcher die Beförderung und Ablieferung nicht eingeschriebener Briefsendungen übernimmt, keine Nachweispflicht für die geschuldeten Beförderungs- und Ablieferungsleistungen (Abgrenzung zu OLG Schleswig, OLGR 2006, 853; OLG Frankfurt, NJW-RR 1988, 945).

2. Postdienstleister dürfen den Briefverkehr einschließlich der Zustellung nur auf besonderes Verlangen und mit Einwilligung des Absenders dokumentieren.

Tenor

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Meldorf vom 16.03.2010 zum Az. 81 C 1605/09 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% der aus dem Urteil vollstreckbaren Kosten, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% der aus dem Urteil vollstreckbaren Kosten leistet.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt die Bezahlung von Entgelten für die Beförderung von Postsendungen.

Die frühere X. Mail GmbH mit Sitz in Essen (im Folgenden: X.) beförderte unter anderem Briefsendungen. Ausweislich des Handelsregisters hat die Gesellschafterversammlung der X. am 15.04.2008 beschlossen, die Firmenbezeichnung in diejenige der Klägerin zu ändern.

Die Beklagte betreut Kunden der [...] GmbH (im Folgenden: Y.), welche €optimierte Spielzahlen€ anbietet. Die Beklagte versendet die Spielzahlen an die Kunden der Y. und übernimmt die Vertragsbetreuung. Die Beklagte erhält von der Y. dafür als Vergütung 10 Euro pro betreutem Kunden und Monat, in dem das Vertragsverhältnis besteht.

Ursprünglich versandte die Beklagte Briefsendungen über die Deutsche Post. Im Normalfall wurden 2-3% der an Neukunden versandten Sendungen als unzustellbar zurückgegeben, von den an Bestandskunden versandten Sendungen nahezu keine.

Mit Wirkung zum 05.11.2007 wurde ein Postdienstleistungsvertrag mit der X. geschlossen, wegen dessen Inhalts auf die Anlage K6 zum Schriftsatz der Klägerin vom 23.04.2010 (Bl. 91 ff. d.A.) Bezug genommen wird. Im Rubrum ist als Auftraggeber die Beklagte bezeichnet. Unterzeichnet wurde der Vertrag jedoch auf einem Stempel der Firma [...] GmbH (im Folgenden: Z.), demzufolge die Z. unter derselben Anschrift ansässig war wie die Beklagte. Unstreitig war die Z. zur Vertretung der Beklagten berechtigt. Die unterzeichnete Vertragsurkunde wurde an die X. mit einem Anschreiben versandt, welches zwar auf einem Briefbogen der Beklagten verfasst wurde, jedoch wiederum unter der Firmenbezeichnung Z. unterzeichnet wurde.

Die X. holte in der Folgezeit fertig kuvertierte und adressierte Briefsendungen bei der Beklagten ab, und zwar sowohl im November 2007 wie auch im Dezember 2007. Insgesamt handelte es sich um über 22.000 Sendungen. Im Dezember 2007 gab die Beklagte bei der X. 11.384 Sendungen zum Stückpreis von 0,23 Euro netto auf. Aufzeichnungen über die Ablieferung gewöhnlicher Briefsendungen erstellte die X. nicht.

Unter dem 17.12.2007 stellte die X. der Beklagten für die Zustellung von 11.384 Stück Werbepost im Dezember 2007 ein Entgelt von 3.115,80 Euro einschließlich 19% Umsatzsteuer in Rechnung. Die Beklagte zahlte zwar eine weitere Rechnung für die Zustellungen im November 2007, nicht jedoch die Rechnung vom 17.12.2007.

Ab Dezember 2007 stellten Unternehmen der X.-Gruppe Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Mit Schreiben vom 08.04.2009 wurde die Zahlung der Rechnung vom 17.12.2007 angemahnt. Nach Verzugseintritt sind der Klägerin noch Mahnkosten in Höhe von 5 Euro entstanden.

Ihren Anspruch auf Zahlung der abgerechneten Vergütung vom 3.115,80 Euro zuzüglich 5 Euro Mahnkosten hat die Klägerin zunächst im Mahnverfahren verfolgt und macht ihn nun klageweise geltend.

Mit Versäumnisurteil vom 16.03.2010, der Beklagten zugestellt am 24.03.2010, ist die Beklagte verurteilt worden, an die Klägerin 3.120,80 Euro zuzüglich Zinsen auf 3.115,80 Euro in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.04.2009 zu zahlen. Mit Eingang am 26.03.2010 hat die Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Meldorf vom 16.03.2010 (Az. 81 C 1605/09) aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Meldorf vom 16.03.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat zunächst behauptet, die Klägerin habe die fakturierten Zustellungen nicht mehr vorgenommen. Hierüber sei umfangreicher Schriftverkehr gewechselt worden. Das Vertragsverhältnis sei fristlos gekündigt worden. Die Briefsendungen hätten auf eigene Kosten nochmals versandt werden müssen, wodurch ein die Klageforderung übersteigender Schaden entstanden sei. Hilfsweise erklärt die Beklagte mit dieser Schadensersatzforderung die Aufrechnung.

Sodann hat die Beklagte behauptet, der X. übergebene Sendungen seien regelmäßig als unzustellbar zurückgegeben worden, obwohl die Anschrift korrekt gewesen sei. Die Sendungen seien über die X. dann erneut versandt worden und nicht zurück gekommen. Dies habe 11.384 Sendungen betroffen. Deren Zustellung erst im zweiten oder dritten Gang sei als Nacherfüllung anzusehen.

Später hat die Beklagte dann behauptet, die X. habe Sendungen in einer Größenordnung von 20% nicht zugestellt. Diese Sendungen habe die Beklagte erneut fertigen und über einen anderen Dienstleister versenden müssen. Für die rund 2.275 Briefe seien mindestens an Lohnkosten und Material (Druckertoner, Papier, Briefumschlag) je 1 Euro zuzüglich erneut fälligen Portos von mindestens 0,55 Euro angefallen. Mit dem entsprechenden Schadensersatzanspruch von 3.526,25 Euro hat die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung erklärt.

Zuletzt behauptet die Beklagte, es seien mindestens 2.275 Sendungen nicht zugestellt und über die Deutsche Post neu versandt worden. Unter einer zufällig ausgewählten Stichprobe der angeschriebenen Kunden hätten 22% auf telefonische Nachfrage angegeben, das an sie gerichtete und der X. zur Zustellung übergebene Anschreiben nicht erhalten zu haben. 6% der Stichprobe hätten einen Neuversand nicht gewünscht und den Vertrag storniert. Den übrigen betroffenen Kunden sei die Sendung neu zugestellt worden. Für die Durchführung der telefonischen Umfrage habe die Beklagte der Y. 3.500 Euro gezahlt. Außerdem hätten wegen der Nichtzustellungen 600-700 Kunden ihren Vertrag storniert. Die Beklagte erklärt die Aufrechnung nun auch wegen der an die Y. gezahlten 3.500 Euro und wegen des entgangenen Gewinns durch Kundenstornierungen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Jörg A. und Oliver A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 10.08.2010 Bezug genommen.

Im Termin ist der Beklagten nachgelassen worden, zu neuem Vortrag der Klägerin mit Schriftsatz vom 28.07.2010 schriftsätzlich Stellung zu nehmen. Mit fristgerecht eingegangenem Schriftsatz vom 27.08.2010 erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung. Ferner behauptet sie, die X. habe den weiteren Schriftverkehr mit der Z. geführt und nicht mit der Beklagten. Die Beklagte hält sich nicht für passiv legitimiert.

Gründe

A. Der Einspruch der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Allerdings hatte die damals noch als X. firmierende Klägerin ursprünglich einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Entgelts von 3.115,80 Euro aus § 407 Abs. 2 HGB.

a) Die Beklagte schloss mit der X. einen Vertrag über die Zustellung von Briefsendungen, welcher als Frachtvertrag einzuordnen ist. Dem Zustandekommen eines Vertrags zwischen den Parteien steht nicht entgegen, dass die Z. den Vertrag unterzeichnet hat. Deren Erklärung ist nach § 164 BGB der Beklagten zuzurechnen. Die Z. hat im Namen der Beklagten unterzeichnet, was sich daraus ergibt, dass die Beklagte im Vertragskopf als Auftraggeberin aufgeführt war und die Beklagte im Feld €Auftraggeber€ unterzeichnet hat; dass auf die Unterschrift der Stempel der Z. gesetzt wurde, ändert daran nichts. Die Z. war zur Vertretung der Beklagten auch unbestritten bevollmächtigt.

b) Im Dezember 2007 beauftragte die Beklagte die X. mit der Zustellung von 11.384 Sendungen zum Stückpreis von 0,23 Euro netto. Soweit die Beklagte vorbringt, unter diesen Sendungen hätten sich auch zu Unrecht von der X. nicht zugestellte Sendungen aus der Novembercharge befunden, kann dies als Geltendmachung eines Nacherfüllungsanspruchs schon deswegen nicht angesehen werden, weil nicht dargelegt ist, dass die Beklagte bei Aufgabe der Sendungen Nacherfüllung verlangt hätte. Ist ein Nacherfüllungsverlangen bei der Aufgabe aber nicht geäußert worden, so ist ein neuer Frachtvertrag zustande gekommen.

c) Es ist davon auszugehen, dass die X. alle ihr übergebenen Sendungen zugestellt hat.

Grundsätzlich trägt der Frachtführer die Beweislast für die Ablieferung des Gutes (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 425 HGB, Rn. 40 m.w.N.). Es gibt keine tatsächliche Vermutung des Inhalts, dass eine ordnungsgemäß aufgegebene Postsendung auch zugeht (BGHZ 24, 308; BGH, VersR 1978, 671). Die Beklagte, welche die Zustellung der von ihr aufgegebenen Sendungen teilweise in Abrede stellt, trifft auch keine sekundäre Darlegungslast, die von ihr ein substantiiertes Bestreiten erfordern würde (entgegen OLGR Schleswig 2006, 853; vgl. auch OLG Frankfurt, NJW-RR 1988, 945). Für die Annahme einer sekundären Darlegungslast fehlt es schon an der Voraussetzung, dass sich das fragliche Geschehen im Wahrnehmungsbereich der anderen Partei abgespielt haben muss (Zöller, § 138 ZPO, Rn. 8b). Die hier streitigen Zustellungen haben sich im Wahrnehmungsbereich der Klägerin abgespielt.

Jedoch ist der Postdienstleister, welcher die Beförderung und Ablieferung nicht eingeschriebener Briefsendungen übernimmt, entsprechend § 45i Abs. 2 TKG von der Nachweispflicht für die geschuldeten Leistungen freizustellen. § 45i Abs. 2 TKG ist hier entsprechend anzuwenden, weil im Werkvertrags- bzw. Frachtrecht eine planwidrige Regelungslücke besteht. Die gesetzliche Regelung über die Beweislastverteilung bei Werk- bzw. Frachtverträgen harmoniert nicht mit dem einfachgesetzlichen und grundrechtlichen Verbot der Erhebung von Briefverkehrsdaten.

Aus § 41 Abs. 2 PostG einerseits und § 3 Abs. 4, § 5 PDSV andererseits folgt das Verbot der Erhebung von Briefverkehrsdaten, weil solche Daten für den Zweck des Vertragsverhältnisses über die Zustellung von Briefsendungen nicht erforderlich sind. Zur Durchführung der Zustellung ist die Speicherung von Verkehrsdaten jedenfalls nicht über den Zeitpunkt der Zustellung hinaus erforderlich (vgl. § 96 Abs. 1 S. 3 TKG). Auch der Nachweis einer ordnungsgemäßen Zustellung erfordert nicht die Erhebung von Daten über die näheren Umstände postalischer Kommunikation, weil der Postdienstleister - wie noch auszuführen sein wird - von der Beweislast befreit ist (vgl. BVerfG, NJW 2007, 3055). Die ordnungsgemäße Behandlung einer Briefsendung kann durch Verkehrsdatenerhebung von vornherein nicht nachgewiesen werden. Schließlich ist auch zur Abrechnung die Erhebung von Briefverkehrsdaten nicht erforderlich. Zur Erstellung einer Abrechnung genügt die Erhebung der abrechnungsrelevanten Informationen, wozu personenbezogene Daten wie Empfängeridentitäten regelmäßig nicht gehören.

Das Verbot der Erhebung von Briefverkehrsdaten ist Ausfluss des im Grundgesetz garantierten Brief- und Postgeheimnisses (Art. 10 GG). Aufzeichnungen über den Briefverkehr gefährden dessen Vertraulichkeit, weil solche Aufzeichnungen jederzeit aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen, infolge von Missbrauch oder infolge von Fehlern Dritten bekannt werden können. Solche Aufhebungen der Vertraulichkeit des Briefverkehrs können nicht nur Nachteile für die jeweils Betroffenen nach sich ziehen, sondern gefährden auch die Unbefangenheit der postalischen Kommunikation insgesamt und damit eine wichtige Grundlage unseres freiheitlichen Gemeinwesens. Es wäre nicht verhältnismäßig, wegen der vergleichsweise wenigen Streitfälle (vgl. OVG Bremen, NJW 1995, 1769) zu Nachweiszwecken flächendeckend aufzuzeichnen und zu dokumentieren, wer wann von wem Post erhalten hat. Die mit einer solchen Vorratsdatenspeicherung verbundenen Gefahren für die Unbefangenheit des vertraulichen Briefverkehrs überwiegen das mögliche Interesse der Absender an einer solchen Dokumentation bei weitem (vgl. BVerfG, NJW 2007, 3055). Eine Dokumentation des Briefverkehrs einschließlich der Zustellung kann deswegen nur auf Verlangen und mit Einwilligung des Absenders zulässig sein.

Die Interessenlage der Postkunden ist derjenigen der Telekommunikationsteilnehmer vergleichbar. Beide Personenkreise haben ein großes Interesse daran, dass die Vertraulichkeit ihrer Kommunikation möglichst ebenso zuverlässig gewährleistet ist wie im Fall unmittelbarer Kommunikation (vgl. BVerfGE 85, 386, 396; BVerfGE 100, 313, 363). Der Vergleichbarkeit steht nicht entgegen, dass Telekommunikationsteilnehmer einen Einzelverbindungsnachweis anfordern können. Denn auch Absender von Briefsendungen können einen Auslieferungsnachweis verlangen (€Einschreiben€). Postkunden, die von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen, ist es zumutbar, das Risiko der Unaufklärbarkeit der Zustellung zu tragen. Es ist allgemein bekannt, dass die Zustellung einfacher Briefsendungen nicht dokumentiert wird und deswegen auch nicht nachvollziehbar ist. Neben der Wahl eines Produkts mit Auslieferungsnachweis hat der Absender einer Briefsendung die Möglichkeit, den Adressaten seiner Sendung zu dokumentieren und ihn im Streitfall als Zeugen zum Beweis der Behauptung zu benennen, die Sendung sei diesem nicht zugestellt worden.

Die analoge Anwendung des § 45i Abs. 2 TKG auf den vorliegenden Fall ergibt, dass die Klägerin keine Nachweispflicht für die geschuldeten Beförderungs- und Ablieferungsleistungen trifft, weil sie aus rechtlichen Gründen die Beförderung und Ablieferung der Briefe der Beklagten nicht dokumentieren durfte.

Die Beklagte hat diese Erfüllungsvermutung nicht widerlegt. Sie hat nicht nachgewiesen, dass auch nur eine der Sendungen aus der Charge im Dezember 2007 trotz zutreffender Anschriftenangabe nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Die Beklagte hat nicht einen Adressaten im Prozess mitgeteilt oder als Zeugen dafür benannt, dass er eine Sendung nicht erhalten habe. Soweit grundlose Rückläufer nachgewiesen sind, ist nicht feststellbar, ob diese gerade aus der Charge vom Dezember 2007 herrühren. Dass Rückläufer (auch) im Dezember 2007 eingetroffen sind, schließt nicht aus, dass es sich um im November versandte Sendungen handeln kann, zumal die Dezembercharge nach Darstellung der Klägerin erst am 13.12.2007 abgeholt worden sein soll. Die Rechnung für November 2007 hat die Beklagte bezahlt und ist hier nicht streitgegenständlich. Die Unaufklärbarkeit hat die Beklagte selbst zu vertreten, weil sie es versäumt hat, ein Verzeichnis der Rückläufer vorzulegen, in welches sie auch das Datum der jeweiligen Schreiben zwecks Zuordnungsmöglichkeit hätte aufnehmen können. Ferner hat es die Beklagte versäumt, im Rahmen ihrer telefonischen Nachfragen zwischen den beiden Chargen zu trennen, so dass auch insoweit eine Zuordnung nicht mehr möglich ist. Schließlich hat es die Beklagte versäumt, auch die Novemberrechnung zu beanstanden, denn in diesem Fall hätte gegebenenfalls offen bleiben können, welchem Auftrag die Rückläufer zuzuordnen waren.

d) Soweit die Beklagte nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung die Einrede der Verjährung erhebt, ist dies nach § 296a ZPO nicht zuzulassen. Der Beklagten ist in der mündlichen Verhandlung lediglich eine Erwiderung auf neuen Vortrag der Klägerin mit Schriftsatz vom 28.07.2010 nachgelassen worden (§ 283 ZPO). Mit diesem Schriftsatz hat die Klägerin aber keine neuen Tatsachen vorgebracht, welche die Erhebung der Einrede der Verjährung erst jetzt ermöglicht hätten. Diese Einrede hat mit dem Schriftsatz vom 28.07.2010 nichts zu tun. Soweit die Beklagte auf die AGB der X. abstellt, waren diese bereits mit Schriftsatz vom 23.04.2010 eingereicht und der Beklagten in Abschrift übersandt worden.

2. Der Anspruch der Klägerin ist erloschen durch Aufrechnung der Beklagten mit Schadensersatzansprüchen in gleicher Höhe aus den §§ 281, 280 BGB.

Die X. hat ihre vertraglichen Pflichten verletzt, indem sie einen Teil der ihr im November oder Dezember 2007 zur Zustellung übergebenen Sendungen trotz ordnungsgemäßer Empfängerbezeichnung nicht zugestellt hat. Dies steht zur Überzeugung des Richters nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest. Der Zeuge Jörg A. haben glaubhaft ausgesagt, dass ab November 2007 immer mehr über die X. aufgegebene Sendungen als angeblich unzustellbar an die Beklagte zurückgegeben worden seien. Weiter hat er überzeugend ausgesagt, dass die allermeisten der Rückläufer zustellungsfähig gewesen seien. Dies ergibt sich bereits daraus, dass während des Versands über die Deutsche Post nur 2-3% der Schreiben an Neukunden und kaum einmal Schreiben an Bestandskunden rückläufig waren. Die Zeugen haben überzeugend darauf hingewiesen, dass gerade die an langjährige Bestandskunden gerichteten Rückläufer nicht in dieser Zahl auf Zustellungshindernissen beruhen konnten. Dementsprechend haben ihre Nachfragen auch regelmäßig ergeben, dass die auf den Sendungen angegebenen Adressatenangaben korrekt waren. Die Darstellung der Zeugen erscheint gerade auch mit Blick auf die wenig später gestellten Insolvenzanträge vieler Unternehmen der X.-Gruppe plausibel. Die Einwände der Klägerin, etwa dass die Novemberrechnung in Kenntnis der angeblichen Mängel vollständig bezahlt worden sei, dass keine Reklamation erfolgt sei, dass Sendungen nur zweimal abgeholt worden seien und nicht laufend, dass die Zeugen mit dem Geschäftsführer der Beklagten familiär verbunden seien, dass der Vortrag der Beklagten gewechselt habe, dass keine Aufzeichnungen vorgelegt worden seien und weiteres, erschüttern die Überzeugung des Richters von der Wahrheit der Zeugenaussagen, soweit sie für den vorliegenden Prozess von Bedeutung sind, nicht.

Eine Frist zur Nacherfüllung musste die Beklagte der X. schon deswegen nicht setzen, weil die Rückgabe einer Sendung als unzustellbar als ernsthafte und endgültige Verweigerung der Zustellung anzusehen ist. Im Übrigen lagen auch besondere Umstände vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs durch die Beklagte rechtfertigen: Wegen des Geschäftsmodells der Y. müssen den Kunden die €optimierten Spielzahlen€ rechtzeitig zu den jeweiligen Spielen übersandt werden. Wenn zwischen Herstellung eines Schreibens und dessen Rücklauf einschließlich einer Überprüfung der Anschrift mehrere Tage vergangen waren, hatte die Beklagte offenkundig kein Interesse mehr an einer nachgeholten Zustellung des nun veralteten Schreibens.

Aus der teilweisen Nichterfüllung der geschlossenen Verträge ist der Klägerin ein Schaden von geschätzt (§ 287 ZPO) 2.794 Euro durch die erforderliche Neuherstellung und den Neuversand von 2.200 Schreiben entstanden. Bei Nachfragen im Auftrag der Beklagten unter 2.000 zufällig ausgewählten Adressaten haben 22% der Kunden mitgeteilt, die ordnungsgemäß der X. zur Zustellung übergebenen Sendungen nicht erhalten zu haben. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein Teil dieser Nichtzustellungen berechtigt erfolgt sein kann, weil es auch bei der Deutschen Post zu Rückläufern bei 2-3% der Neukunden kam. Weiter ist eine stichprobenhafte Umfrage wegen Unschärfen stets nur mit Abschlägen auf die Gesamtgruppe zu übertragen. Insgesamt kann mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der Anteil der unberechtigt von der X. nicht zugestellten Sendungen auf mindestens 16% geschätzt werden. Bei etwa 6% der Adressaten ist indes keine Neuherstellung erfolgt, weil die Verträge storniert worden waren, so dass eine Zahl von 10% neu hergestellter und versandter Sendungen zugrunde zu legen ist. Im November und Dezember 2007 sind der X. insgesamt mindestens 22.000 Sendungen zur Zustellung übergeben worden, so dass die Annahme von 2.200 unberechtigt zurückgegebenen, dann neu hergestellten und neu versandten Sendungen berechtigt ist. Der Zeuge Jörg A. hat überzeugend bekundet, dass Rückläufer neu hergestellt und versandt worden seien. Der Höhe nach können die Neuherstellungskosten der mehrseitigen Schreiben mit der Beklagten durchaus auf 1 Euro geschätzt werden; die Zeugen rechnen intern sogar mit 2 Euro übersteigenden Herstellungskosten. Die Höhe des Portos kann allerdings nur mit 0,27 Euro pro Sendung angesetzt werden, weil ein unbekannter Teil des Neuversands wiederum über die X. erfolgt ist und diese nur 0,27 Euro pro Sendung berechnete. Hinsichtlich der weiteren 732,25 Euro greift die Aufrechnung der Beklagten mit ihrem Anspruch auf Ersatz ihrer Neuversandkosten dementsprechend nicht durch.

Aus der teilweisen Nichterfüllung ist der Klägerin ein weiterer Schaden von mindestens 321,80 Euro durch Maßnahmen der Schadensbegrenzung entstanden. Die Beklagte hat die Y. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für 3.500 Euro damit beauftragt, eine Stichprobe von 2.000 Adressaten anzurufen, um den Zugang der Kundenpost zu verifizieren und um gegebenenfalls einen Neuversand anzubieten. Nachdem die Beklagte massenhaft unberechtigte Rückläufer von der X. erhalten hatte, durfte sie diese Maßnahme für erforderlich halten, um weitere Stornierungen durch Kunden und einen entsprechenden Gewinnverlust abzuwenden.

Die gesetzlichen Haftungsgrenzen greifen nicht ein, weil davon auszugehen ist, dass die Bediensteten der X. vorsätzlich oder leichtfertig handelten, wenn sie massenhaft Sendungen ohne Grund nicht zustellten.

3. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Zinsen seit dem 20.04.2009 besteht nicht, weil die Aufrechnung der Beklagten auf einen früheren Zeitpunkt zurück wirkt.

4. Auch ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Mahnkosten besteht nicht. Die Rückwirkung der Aufrechnung hindert die Annahme von Zahlungsverzug.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO unter Berücksichtigung der erfolgreichen Hilfsaufrechnung (vgl. Zöller-Herget, § 92 ZPO, Rn. 3). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert für die Gerichtsgebühren wird auf 6.963,85 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Streitwert richtet sich zunächst nach der Klageforderung von 3.115,80 Euro. Hinzuzurechnen sind Gegenforderungen von 3.526,25 Euro und weitere 321,80 Euro, welche die Beklagte hilfsweise zur Aufrechnung gestellt hat und über welche rechtskräftig entschieden worden ist.






AG Meldorf:
Beschluss v. 14.09.2010
Az: 81 C 1605/09


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