Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Juli 2005
Aktenzeichen: 30 W (pat) 335/03

(BPatG: Beschluss v. 18.07.2005, Az.: 30 W (pat) 335/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Für die Waren und Dienstleistungen:

Fertighäuser (einschließlich Niedrigenergiehäuser) und deren Teile, auch aus Metall und Holz; vorgefertigte Bauten, auch aus Metall und Holz; Baumaterialien (nicht aus Metall); Bauwesen, insbesondere Errichtung von Wohnhäusern und Gewerbebauten; modularen Bauten, auch aus Metall und Holz, insbesondere Massivhäuser, auch schlüsselfertig; Vergabe von Lizenzen an modularen Bauten; Bau- und Konstruktionsplanung und -beratung; EDV-Programme, ist unter der Nr. 300 05 533 seit dem 6. Oktober 2000 eingetragen die Wort-/ Bildmarkesiehe Abb. 1 am Ende Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der unter IR 598 341 für die Waren und Dienstleistungen:

02 : Laques, notamment laques à l'asphalte, preservatifs contre la rouilles et contre la corrosion principalement à base bitumineuse, peintures preliminaires, notamment pour masse de protection contre la rouille.

19 : Materiaux de construction principalement à base bitumineuse pour etancher et isoler, notamment masse de scellement; bitumes speciaux ameliores pour la construction de routes et pour la construction de b‰timents.

37 : Services en relation avec la construction et les reparations, notamment rendus par des corps de metiers specialises dans des branches telles que l'isolation, le repandage d'asphalte, le revêtement au liant hydrocarbone, les travaux de couverture de toits, la plomberiezinguerie et la charpenterieeingetragenen Wortmarke VILLAS.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat die Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke erhoben, worauf die Widersprechende Benutzungsunterlagen eingereicht hat. Die Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch wegen fehlender Glaubhaftmachung einer ernsthaften Benutzung zurückgewiesen, da kein detaillierter Nachweis über eine funktionsgemäße Benutzung erfolgt sei.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und neue Benutzungsunterlagen vorgelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die Widerspruchsmarke werde für bituminöse Baumaterialien und die beanspruchten Dienstleistungen Bauberatung, Bauplanung und Bauwesen benutzt. Bei der angegriffenen Marke werde der Verkehr sich an dem Wortbestandteil "Villa" orientieren, der vollständig in der Widerspruchsmarke enthalten sei, die Zahlenangabe sei lediglich ein Zusatz. Anders als bei den Waren "Fertighäusern" sei "Villa" bei den Baumaterialien und für die Dienstleistungen Bauberatung nicht unmittelbar beschreibend.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle vom 23. Oktober 2003 aufzuheben.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie führt aus, dass eine Benutzung allenfalls für Bitumenmassen oder Bitumenschindeln glaubhaft gemacht sei. Hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen fehle eine Glaubhaftmachung. Der Wortbestandteil "Villa" sei für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen in der angegriffenen Marke beschreibend, die Schutzfähigkeit habe die angegriffene Marke durch den Zahlenbestandteil "2005" - der nicht auf eine bestimmte Jahreszahl hinweise - und die auffallende grafische Gestaltung erlangt.

Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die angegriffene Marke ist nicht nach § 9 Abs 1 Nr 2, § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG zu löschen, weil sie der Widerspruchsmarke nicht so ähnlich ist, dass die Gefahr von Verwechslungen besteht.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH stRspr vgl GRUR 2005, 513 - MEY/Ella May; WRP 2004, 1281 - Mustang; WRP 2004, 907 - Kleiner Feigling).

1. Nachdem die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung eine ergänzende eidesstattliche Versicherung zur Benutzung der Widerspruchsmarke für Bitumenbahnen, Bitumenrollen, Bitumenschindeln vorgelegt hat, die entsprechende Umsatzzahlen für den maßgeblichen Zeitraum 2001 bis 2004 nennt, ist insoweit von einer Glaubhaftmachung der Benutzung auszugehen, die auch von der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht mehr angezweifelt wurde. Insoweit ist hinsichtlich der Vergleichswaren wegen des weiten Warenoberbegriffs in der jüngeren Marke von identischen Waren auszugehen.

Auf die Frage, ob darüber hinaus gehend auch von einer Glaubhaftmachung der Benutzung für die von der Widersprechenden beanspruchten Dienstleistungen auszugehen ist, die sich als begleitende Hilfsdienstleistungen darstellen, kommt es vorliegend nicht mehr an, da sich schon keine Zeichenähnlichkeit feststellen lässt, die eine Verwechslungsgefahr begründen könnte.

2. Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem eingeschränkten Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. "VILLAS" leitet sich vom lateinischen Wort "villa" für Landhaus ab und steht auch in der deutschen Sprache für "ein größeres Haus der gehobenen Klasse in einem Garten oder Park gelegen" (vgl Duden Deutsches Universalwörterbuch 4. Aufl CD-ROM) und hat in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibende Bedeutung. Zwar entspricht die Pluralform "Villas" nicht der in der deutschen Sprache korrekten Pluralform, ist dem Verkehr aber aus der englischen und spanischen Sprache als Pluralform bekannt und zwar nicht nur denen, die über Kenntnisse dieser Sprachen verfügen, sondern auch durch Verwendung von villas in zahllosen auch über das Internet verbreiteten Verkaufs- und Vermietungsanzeigen. Im übrigen kann dahingestellt bleiben, ob die fremdsprachige Pluralform markenrechtlich der deutschen Pluralform (Villen) gleichzustellen ist. Denn auch bei rein deutschsprachiger Burteilung bleibt der Bestandteil "Villa" in Villas noch deutlich erkennbar. Die Widerspruchsmarke "VILLAS" erlangt damit allenfalls durch die Anfügung des Schlussbuchstabens "s" eine Eigenprägung und damit Schutzfähigkeit. Dementsprechend beschränkt sich der Schutzumfang der Widerspruchsmarke als Abwandlung einer beschreibenden Angabe auch nur auf diese Eigenprägung (vgl BGH GRUR 2003, 963 - AntiVirus/AntiVir). Wegen der engen Anlehnung an die beschreibende Angabe ist der Schutzumfang der Widerspruchsmarke daher eng zu bemessen.

Villa, in seiner Bedeutung von "größeres, vornehmen, in einem Garten oder Park liegendes Einfamilienhaus und großes, herrschaftliches Landhaus (vgl Duden online Wörterbuch) hat auch für die hier zu beurteilenden Waren insgesamt beschreibende Bedeutung. Bei der angegriffenen Marke ergibt sich dies schon aus dem Warenverzeichnis, da sich dieses auch auf Häuser (worunter auch Villen fallen können) bezieht. Soweit in beiden Marken Baumaterialien und Dienstleistungen betroffen sind, kommt Villa als Bestimmungsangabe in Betracht, da sich mit Villa schlagwortartig eine spezielle Eignung von Baumaterialien für den Bau von Villen ausdrücken lässt, wodurch auch mit ausgedrückt wird, dass es sich um besonders hochwertige Baumaterialien handeln soll, nämlich nicht nur für Einfachhäuser geeignete, sondern auch für Villen. Dies spielt gerade auch bei den Abdichtungsmaterialien, für die Widersprechende ihre Marke benutzt, eine nicht unerhebliche Rolle. In gleicher Weise besteht der beschreibende Bezug auch zu den Dienstleistungen.

Der beschreibende Gehalt des Wortbestandteils "VILLA" wird bei der angegriffenen Marke noch unterstrichen durch die grafische Ausgestaltung des Bildbestandteils, der hinter dem Wortbestandteil ein stark verfremdetes, aber in der farblichen Darstellung noch gut erkennbar abgebildetes Haus erkennen lässt.

3. Die unter diesen Umständen gegebenen unterdurchschnittlichen Anforderungen an den Markenabstand hält die angegriffene Marke in jeder Hinsicht ein.

Für die Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken ist auf den jeweiligen Gesamteindruck der Zeichen abzustellen, der bei mehrgliedrigen Marken auch durch einzelne Bestandteile geprägt werden kann. Dabei nimmt der Verkehr eine Marke so auf, wie sie ihm ihn entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl § 9 Rdn 152). Dabei können auch kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Elemente den Gesamteindruck einer Marke mitbestimmen und sogar wesentliches Gewicht für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erlangen (vgl Ströbele/Hacker aaO § 9 Rdn 345, 409). Diese dürfen deshalb nicht von Vornherein unberücksichtigt bleiben, auch wenn sie für sich gesehen keine selbstständig kollisionsbegründende Wirkung zu entfalten vermögen.

In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die Vergleichsmarken indessen klar und unverwechselbar in allen für die Beurteilung des Gesamteindrucks wesentlichen Kriterien.

So verfügt die angegriffene Marke neben dem zusätzlichen Zahlenbestandteil und weiteren Wortbestandteil im Gegensatz zur Widerspruchsmarke als reiner Wortmarke über ein besonders auffälliges ausgestaltetes Bildelement.

Somit kommt Verwechslungsgefahr nur dann in Betracht, wenn der zur Widerspruchsmarke "VILLAS" ähnlich gebildete Wortbestandteil "VILLA" der angegriffenen Marke in der angegriffenen Marke allein kollisionsbegründend prägen würde.

Bei mehrteiligen Marken kommt eine Verwechslungsgefahr dann in Betracht, wenn Ähnlichkeiten in Einzelbestandteilen vorliegen, die die jeweilige Marke kollisionsbegründend prägen können. Selbstständig kollisionsbegründend ist einer von mehreren Markenbestandteilen nach der Rechtsprechung des BGH dann, wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt und wenn die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl Ströbele/Hacker aaO § 9 Rdn 374). Zwar gilt der Grundsatz, dass der Bildbestandteil gegenüber dem Wortbestandteil einer Wort-/Bildmarke in der Regel zurücktritt. Dabei ist aber zu beachten, dass beschreibende oder kennzeichnungsschwache Markenteile zwar nicht von Vornherein unberücksichtigt bleiben dürfen, ihnen aber grundsätzlich die Eignung fehlt, den Gesamteindruck einer Marke zu prägen (vgl Ströbele/Hacker § 9 Rdn 409, 411). So wird der Verkehr einen beschreibenden Bestandteil einer komplexen Marke im Allgemeinen nicht als unterscheidungskräftiges und dominierendes Merkmal des Gesamteindrucks dieser Marke ansehen (vgl EuG in der Rechtssache T-385/03 - Biker Miles vom 7. Juli 2005).

Dabei stellt sich bei der Beurteilung der prägenden Bedeutung eines Markenteils zunächst die Frage, ob für den Verkehr überhaupt Veranlassung besteht, sich nur an einem einzelnen Markenbestandteil zu orientieren. Das muss insbesondere bei Marken verneint werden, die sich als einheitliche Gesamtbegriffe darstellen (vgl Ströbele/Hacker aaO § 9 Rdn 403).

Es bestehen im vorliegenden Fall keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass bei dem Wortbestandteil "VILLA 2005" der angegriffenen Marke mit einer Abspaltung des Wortbestandteils "VILLA" und Vernachlässigung des Zahlenbestandteils "2005" zu rechnen ist, selbst wenn man "2005" als Jahreszahl und damit als Hinweis auf zukunftsorientierte, moderne Produkte und Dienstleistungen oder das Jahr ihrer Markteinführung sehen sollte. Auch aufgrund der grafischen Darstellung im Bildbestandteil erscheinen "VILLA" und "2005" als gleichgewichtige Bestandteile, die zu einem einheitlichen Begriff zusammengeführt sind.

Aber auch für den Fall, dass die Zahlenangabe "2005" als bloße Typen- oder Sortimentsangabe verstanden und neben dem Wortbestandteil "VILLA" vernachlässigt werden sollte, hat der Wortbestandteil "VILLA" in Bezug auf die von der jüngeren Marke beanspruchten Waren aus dem Baubereich und die Dienstleistungen aus dem Bauwesen beschreibenden Sinngehalt und Hinweischarakter. Ihm fehlt deshalb die Kraft die Marke allein zu prägen.

Jedenfalls kann bei der Widerspruchsmarke aber - die sich als Abwandlung der freihaltungsbedürftigen Angabe "Villa" darstellt - bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht entscheidend auf Übereinstimmungen allein mit der beschreibenden Angabe - "Villa" - selbst abgestellt werden. Maßgebend für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr muss vielmehr gegenüber der angegriffenen Bezeichnung der Eindruck der Widerspruchsmarke in der den Schutz dieses Zeichens begründenden Gestaltung sein (vgl AntiVirus/AntiVir GRUR 2003, 963).

Die Eigenprägung der Widerspruchsmarke liegt aber gerade in dem zusätzlichen Schlussbuchstaben "s", der der angegriffenen Marke fehlt, so dass es insoweit an einer Übereinstimmung der gegenüber stehenden Zeichen fehlt.

Anhaltspunkte für andere Fälle der Verwechslungsgefahr ergeben sich nicht.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

Dr. Buchetmann Winter Hartlieb Hu Abb. 1






BPatG:
Beschluss v. 18.07.2005
Az: 30 W (pat) 335/03


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