Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Dezember 2000
Aktenzeichen: 34 W (pat) 30/00

(BPatG: Beschluss v. 12.12.2000, Az.: 34 W (pat) 30/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluß der Patentabteilung 24 des Deutschen Patentamts vom 14. Juli 1998 aufgehoben und das Patent widerrufen.

Gründe

I.

Das Patent ist mit folgenden Patentansprüchen erteilt worden:

"1. Verfahren zur Herstellung von Spülgut für Spülversatz, dadurch gekennzeichnet, daß das Spülgut zur Verbesserung der Laugenausspülfähigkeit mit Kunststoffgranulaten versetzt ist.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß vorzugsweise bis zu 50 % Kunststoffgranulat in laugenfester Ausführung Anwendung findet."

Gegen dieses Patent hat die Einsprechende Einspruch eingelegt. Im Einspruchsverfahren hat der Patentinhaber mit Schriftsatz vom 3. April 1996, eingegangen am 4. April 1996, neu gefaßte Patentansprüche eingereicht. Diese lauten:

"1. Verfahren zur Verbesserung der Laugenausspülfähigkeit von Spülgut für Spülversatz, dadurch gekennzeichnet, daß das Spülgut bis zu 50 % mit Kunststoffgranulaten versetzt wird.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Körnung der Kunststoffgranulate bei <10 mm liegt."

Mit diesen Patentansprüchen hat die Patentabteilung im angefochtenen Beschluß das Patent beschränkt aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluß wendet sich die Einsprechende mit ihrer Beschwerde. Sie rügt unter anderem die Zulässigkeit der geänderten Patentansprüche.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Der Patentinhaber beantragt mit Schriftsatz vom 5. November 1998, die Beschwerde zurückzuweisen.

Den zunächst gestellten Hilfsantrag, einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen, hat der Patentinhaber mit Schriftsatz vom 23. November 2000 zurückgezogen und Fortsetzung im schriftlichen Verfahren beantragt. Daraufhin ist den Verfahrensbeteiligten auf Anordnung des Vorsitzenden mit Schreiben vom 4. Dezember 2000 mitgeteilt worden, daß der bereits anberaumte Verhandlungstermin bestehen bleibe, da Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche bestünden.

Zur mündlichen Verhandlung ist der ordnungsgemäß geladene Patentinhaber nicht erschienen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat Erfolg. Das Patent ist zu widerrufen.

Der Patentinhaber verteidigt sein Patent mit den mit Schriftsatz vom 3. April 1996 eingereichten geänderten Patentansprüchen. Das folgt aus seinem schriftsätzlich gestellten Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen. Damit soll es aus seiner Sicht bei dem Beschluß der Patentabteilung bleiben, die das Patent mit den geänderten Ansprüchen beschränkt aufrechterhalten hat. Dieser Antrag ist dem Verfahren auch dann zugrunde zu legen, wenn - wie hier - der Patentinhaber in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist. Dies folgt letztlich aus PatG § 89 Abs 2, wonach beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

Bei der Verteidigung eines Patents in veränderter Fassung im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren ist die Zulässigkeit dieser Fassung ohne Beschränkung auf die gesetzlichen oder die geltend gemachten Widerrufsgründe zu prüfen (BGH GRUR 1998, 901 - Polymermasse).

Von den beiden nach wie vor geltenden Patentansprüchen ist der Patentanspruch 2 unzulässig. Dem Patentinhaber fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis, noch nach Patenterteilung im Rahmen des Einspruchs-Beschwerdeverfahrens bzw Einspruchsverfahrens einen neuen echten Unteranspruch aufzustellen, dessen kennzeichnendes Merkmal in den beiden erteilten Patentansprüchen weder enthalten noch irgendwie angesprochen, sondern allein in der Beschreibung erwähnt war (vgl. auch die Entscheidung T 295/ 87 Technische Beschwerdekammer EPA ABl. 1990, 470).

Der neue Anspruch 2 steht auch in keinerlei sachlichem Zusammenhang mit der Entscheidung über den von der Einsprechenden geltend gemachten Widerrufsgrund, denn er ist als echter Unteranspruch ungeeignet, die angegriffene Patentfähigkeit zu begründen oder auch nur zu stützen. Dazu hätte das Merkmal aus der Beschreibung in den Patentanspruch 1 aufgenommen werden müssen. Das Einspruchsverfahren dient aber allein der Prüfung der Widerrufsgründe und nicht der generellen Überarbeitung des Patents (Schulte, PatG, 5. Aufl, § 59 Rdn 110).

Der Senat ist an den Antrag des Patentinhabers, sein Patent in einer bestimmten Fassung aufrechtzuerhalten, gebunden. Ohne Einwilligung des Patentinhabers kann er nicht von der vom Patentinhaber gebilligten Fassung des Patentes abweichen (BGH GRUR 1989, 103 - Verschlußvorrichtung für Gießpfannen). Dies gilt auch, wenn der Antrag - wie hier - wegen des Fernbleibens des Patentinhabers in der mündlichen Verhandlung nur schriftsätzlich gestellt ist.

Jedenfalls im vorliegenden Fall, wo der Patentinhaber im Einspruchsverfahren bzw Einspruchs-Beschwerdeverfahren einen neuen Unteranspruch aufstellt, ist es dem Senat verwehrt, die erteilte Fassung des Patentes auf Patentfähigkeit hin zu überprüfen (so aber Keukenschrijver in Busse, PatG 5. Aufl, § 59 Rdn 158 iVm § 21 Rdn 107 für die Fälle, daß ein geänderter Antrag den Schutzbereich des erteilten Patents erweitert oder gegenüber diesem ein aliud darstellt; a.A.Schulte, PatG, 5. Aufl, § 59 Rdn 114). Denn auf eine volle Aufrechterhaltung des Patentes richtet sich der Antrag des Patentinhabers gerade nicht mehr. Eine Überprüfung des Patentes in der erteilten Fassung scheidet im vorliegenden Verfahrensstadium auch schon deshalb aus, weil ein mögliches Ergebnis dieser Prüfung notwendigerweise auch die volle Aufrechterhaltung des Patentes sein müßte. Das wäre aber gegenüber der beschwerdeführenden Einsprechenden eine reformatio in peius und deshalb unzulässig. Ein solches Ergebnis wäre nur möglich bei Anschlußbeschwerde des Patentinhabers, die er hier aber nicht eingelegt hat.

Vielmehr muß hier das Patent insgesamt widerrufen werden (BPatG GRUR 1997, 48 - Farbbildbearbeitungseinrichtung; Schulte, aaO, § 59 Rdn 114).

Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob der geltende Patentanspruch 1 eine unzulässige Erweiterung gemessen an der ursprünglichen Offenbarung enthält. Das kennzeichnende Merkmal des ursprünglichen wie erteilten Anspruchs 2 bildet das Versetzen mit Kunststoffgranulaten nach Anspruch 1 nämlich dahingehend aus, dass "Kunststoffgranulat in laugenfester Ausführung Anwendung findet" und zwar "vorzugsweise bis zu 50 %" dieser laugenfesten Kunststoffgranulate. Die das Merkmal der laugenfesten Kunststoffgranulate beschränkende Mengenbestimmung kann jedoch nicht auf alle beliebigen, bspw. nicht laugenfesten oder säurefesten Kunststoffgranulate ausgeweitet werden (siehe Anspruch 1: "bis zu 50 % mit Kunststoffgranulaten versetzt").

Dem Antrag des Patentinhabers auf Fortsetzung im schriftlichen Verfahren konnte schon deshalb nicht stattgegeben werden, weil dazu bei dieser bereits terminierten Sache die Zustimmung der Einsprechenden erforderlich gewesen wäre. Überdies hat der Senat angesichts des unzulässigen geltenden Patentanspruchs eine mündliche Verhandlung für sachdienlich erachtet ( PatG § 78) . Da dies dem Patentinhaber vor der Verhandlung auch mitgeteilt wurde, ist sein rechtliches Gehör gewahrt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Das folgt aus PatG § 100 Abs 2 Nr 1. Es ist eine in Rechtsprechung und den Kommentierungen kontrovers behandelte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob es zum Widerruf des Patentes kommt, wenn der Patentinhaber seinen Antrag allein auf unzulässig geänderte Patentansprüche stützt.

Ch. Ulrich Hövelmann Dr. Frowein Dr.W. Maier Bb Leitsatz Im Einspruchs- bzw Einspruchs-Beschwerdeverfahren besteht für den Patentinhaber kein Rechtsschutzbedürfnis, neue Unteransprüche mit Merkmalen aus der Beschreibung aufzustellen. Eine solche Änderung der Patentansprüche ist daher unzulässig und führt zum Widerruf des Patents.






BPatG:
Beschluss v. 12.12.2000
Az: 34 W (pat) 30/00


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